Leitsatz (amtlich)

1. Der Arbeitslose erzielt dadurch, daß er einen bereits in seinem Vermögen befindlichen Gegenstand zum Verkehrswert veräußert, kein bei der Alhi zu berücksichtigendes Einkommen iS von AFG § 138. Das gilt auch dann, wenn der Kaufpreis in Raten gezahlt wird. Es kann jedoch anders sein, wenn als Kaufpreis eine Rente vereinbart wird.

2. Der Arbeitslose besitzt kein im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung bei der Alhi für seinen Unterhalt nach AFG § 137 Abs 2 verwertbares Vermögen, wenn er aufgrund fälliger Verpflichtungen überschuldet ist.

 

Normenkette

AFG § 134 Abs. 1 Nr. 3 Fassung: 1969-06-25, § 137 Abs. 2 Fassung: 1969-06-25, § 138; ZPO §§ 808-811, 828, 850, 864; AlhiV § 6 Abs. 3 Nr. 7 Fassung: 1974-08-07, § 9 Fassung: 1974-08-07; AFG § 134 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 Fassung: 1969-06-25

 

Verfahrensgang

LSG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 23.05.1977; Aktenzeichen L 1 Ar 32/75)

SG Koblenz (Entscheidung vom 04.06.1975; Aktenzeichen S 4 Ar 121/74)

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 23. Mai 1977 aufgehoben, soweit es den Bescheid vom 29. August 1974 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Oktober 1974 sowie den Bescheid vom 12. November 1974 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. November 1974 aufhebt und die Beklagte zur Zahlung von Arbeitslosenhilfe für die Zeit vom 21. Juni 1974 bis 8. September 1974 und vom 11. Oktober 1974 bis 8. Dezember 1974 verurteilt. Insoweit wird die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 4. Juni 1975 als unzulässig verworfen.

Im übrigen wird die Revision der Beklagten zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger zwei Drittel der Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt Arbeitslosenhilfe (Alhi) für die Zeit vom 21. Juli 1974 bis 8. September 1974 und vom 11. Oktober 1974 bis 8. Dezember 1974. Er wendet sich weiter gegen die Aufhebung der Bewilligung von Alhi für die Zeit vom 16. April 1973 bis 19. Januar 1974.

Die Beteiligten streiten im wesentlichen darüber, ob ein in Raten an den Kläger entrichteter Kaufpreis für zwei vom Kläger verkaufte Häuser, den der Kläger zur Tilgung von Schulden, insbesondere aus dem Kauf eines Einfamilienhauses, eingesetzt hat, Einkommen ist und als solches seinen Anspruch auf Alhi mindert.

Der 1922 geborene Kläger war von 1948 bis 1969 Leiter eines Fabrikations- und Verkaufsbetriebs von Textilien mit 50 Beschäftigten, und zwar zunächst als Geschäftsführer im elterlichen Betrieb, danach als Inhaber. Anfang 1970 gab er seinen Betrieb auf. Von Anfang April bis Anfang Juni 1970 befand sich der Kläger zur stationären Behandlung in einer Klinik, um seine Arbeitsfähigkeit wieder herzustellen. Ende November 1970 meldete er sich arbeitslos und beantragte Alhi. Aufgrund eines Vergleiches vom 4. September 1974 vor dem Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen gewährte die Beklagte dem Kläger Alhi nach einem fiktiv festzusetzenden monatlichen Arbeitsentgelt eines Abteilungsleiters im Einzelhandel mit mittlerem Verantwortungsbereich (§ 136 Abs 2 Arbeitsförderungsgesetz - AFG - iVm § 112 Abs 7 AFG).

Der Kläger hatte zwar die Anwartschaftszeit (§ 134 Abs 1 Nr 4 b AFG) nicht erfüllt; jedoch sah die Beklagte sie als ersetzt an durch die Heilbehandlung, der sich der Kläger innerhalb von 26. Wochen vor seiner Arbeitslosmeldung zur Wiederherstellung seiner Erwerbsfähigkeit unterzogen hatte (§ 5 der 5. Verordnung - VO - zur Durchführung des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung - AVAVG - vom 22. Mai 1958, BGBl I 377, idF der VO vom 10. Dezember 1963, BGBl I 872 - 5. DVO -; § 242 Nr 37 AFG; § 3 Nr 1 der Alhi-VO vom 7. August 1974, BGBl I 1929).

Am 2. August 1972 hatte der Kläger seine beiden Häuser für 775.000,- DM verkauft. Rund 390.000,- DM waren von der Käuferin sofort als Belastungen zu übernehmen, so daß ein Kaufbetrag von rund 385.000,- DM verblieb. Der Kläger erhielt 160,000,- DM ausgezahlt, während die restlichen 225.000,- DM von der Käuferin in monatlichen Raten von 1.250,- DM abzutragen waren. Die Restschuld war nicht zu verzinsen. Am 30. November 1972 kaufte der Kläger ein Einfamilienhaus für 130.000,- DM und baute es für seine Bedürfnisse - Familie von 7 Personen - aus. Sein Grundstück hat eine Fläche von 1.082 m 2 , die Kosten des Umbaues sind im Einkommensteuerbescheid des Klägers für 1974 mit 78.033,- DM als richtig anerkannt worden. Nach dem Umbau beträgt die Wohnfläche 150,17 m 2 .

Für die Schulden aus diesem Kauf sowie aus der Zeit seiner Geschäftstätigkeit und der Zeit, in der er wegen Erkrankung und Aufgabe seines Geschäfts ohne Einkommen war, verwendete der Kläger die 160.000,- DM, die er von der Käuferin seiner Häuser erhalten hatte, und die 1.250,- DM, die er jeweils monatlich erhielt.

Die Beklagte gewährte dem Kläger in Kenntnis dieser Vermögensverhältnisse zunächst Alhi weiter. Nachdem der Kläger aber in der Zeit von Januar 1974 bis Juni 1974 arbeitsunfähig erkrankt gewesen war, lehnte sie seinen Antrag vom 21. Juni 1974 auf Wiederbewilligung der Alhi wegen fehlender Bedürftigkeit ab (Bescheid vom 29. August 1974; Widerspruchsbescheid vom 8. Oktober 1974). In der Zeit von September bis Oktober 1974 war der Kläger auf Kosten der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte zur Kur. Seinen Antrag vom 11. Oktober 1974 auf Wiederbewilligung der Alhi lehnte die Beklagte ebenfalls ab (Bescheid vom 12. November 1974; Widerspruchsbescheid vom 22. November 1974). Die Bewilligung der Alhi für die Zeit vom 16. April 1973 bis 19. Januar 1974 hob die Beklagte auf (Bescheid vom 11. November 1974; Widerspruchsbescheid vom 25. November 1974), ebenfalls mit der Begründung, der Kläger habe in Gestalt der 1.250,- DM ein Einkommen gehabt, das seine Bedürftigkeit ausgeschlossen habe.

Der Kläger hat gegen die verschiedenen Bescheide Klage erhoben. Die Verfahren sind verbunden worden. Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 4. Juni 1975). Das LSG hat mit Urteil vom 23. Mai 1977 das erstinstanzliche Urteil sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten aufgehoben und die Beklagte dem Grunde nach verurteilt, an den Kläger für die Zeit vom 21. Juni 1974 bis 8. September 1974 und vom 11. Oktober 1974 bis 8. Dezember 1974 Alhi nach Maßgabe eines fiktiven Arbeitsentgelts als Abteilungsleiter im Einzelhandel mit sechs Berufsjahren und 5 bis 12 unterstellten Beschäftigten zu zahlen. Zur Begründung hat es ausgeführt:

Der Kläger sei bedürftig. Die monatlichen Ratenzahlungen auf den Restkaufpreis seien weder als Einkommen des Klägers noch als Vermögen zu berücksichtigen. Der Verkaufserlös bleibe unberücksichtigt, soweit der Kläger ihn für den Erwerb und Aufbau seines Einfamilienhauses oder für die Tilgung anderer Schulden eingesetzt habe. Die Ratenzahlungen seien nicht als Einkommen zu berücksichtigen. Da sie der Tilgung von Schulden gedient haben, sei dem Kläger nichts zugeflossen. Den Werten in der Hand des Klägers hätten Schulden gegenübergestanden. Wenn er Werte hergebe, um Schulden zu mindern, fließe ihm nichts zu. Nicht anders sei es, wenn er Werte veräußere und mit dem Erlös Schulden bezahle. Der Kläger sei durch diese Vorgänge nicht "reicher" geworden. Es hätten sich nur Aktiva und Passiva seines Vermögens vermindert.

Der Verkaufserlös sei auch nicht als Vermögen im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung zu berücksichtigen. Eine Verwertung des Vermögens, um die Bedürftigkeit zu mindern oder auszuschließen, könne von dem Kläger nur verlangt werden, wenn sie ihm zumutbar sei. Die Verwertung sei dann zumutbar, wenn sie nicht offensichtlich unwirtschaftlich sei, und wenn sie unter Berücksichtigung einer angemessenen Lebenshaltung des Inhabers des Vermögens billigerweise erwartet werden könne (§ 3 der 12. VO zur Durchführung des AVAVG vom 25. April 1961 - BGBl I 478 - idF vom 16. Dezember 1968 - BGBl I 1350 - 12. DVO -, § 6 Abs 3 Alhi-VO). Unter Berücksichtigung des Grundgedankens der Wirtschaftlichkeit der Verwertung eines Vermögens, einer angemessenen Lebenshaltung und der Billigkeit könne vom Kläger nicht verlangt werden,. die Ratenzahlungen auf den Kaufpreis für seinen Lebensunterhalt zu verbrauchen und somit weiterhin mit den Schulden und mit den Zinsen belastet zu bleiben und damit unter Umständen auch das neu erworbene Eigenheim in Gefahr zu bringen.

Wenn dem Kläger der Erlös aus dem Verkauf sofort in vollem Umfange ausgezahlt worden wäre und er damit sofort alle seine Schulden beglichen und das neue Haus bezahlt hätte, wäre ihm für den Lebensunterhalt nichts verblieben, so daß er zweifellos bedürftig wäre. Die Rechtslage könne nicht deshalb anders beurteilt werden, weil ein Teil des Kaufpreises in Raten entrichtet worden sei und der Kläger demgemäß alte Schulden habe bestehen lassen oder umschulden müssen.

Mit der zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine Verletzung der §§ 134 Abs 1 Nr 3 AFG, 137, 138 AFG sowie von § 103 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).

Sie trägt vor:

Die Auffassung des Berufungsgerichts lasse außer Betracht, daß gerade bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise, wie sie das LSG seiner Auffassung zugrunde lege, der Tilgung von Schulden eine vermögensbildende Wirkung nicht abgesprochen werden könne; denn durch die Tilgung von Schulden werde Einkommen in Vermögen verwandelt. Das bedeute einerseits, daß der Kläger durch die Tilgung der Schulden aufgrund der damit verbundenen vermögensbildenden Wirkung entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts tatsächlich "reicher" werde, andererseits aber auch, daß der diese Wirkung verursachende Erlös dem Kläger tatsächlich "zugeflossen" sei.

Aber selbst, wenn man die Berücksichtigung des Verkaufserlöses als Einkommen verneine, sei der Erlös dennoch im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung als Vermögen zu berücksichtigen. Dieser Verwertung stünden "Grundgedanken der Wirtschaftlichkeit" nicht entgegen. Würde man der Auffassung des Berufungsgerichts folgen, so würden im Ergebnis die Schulden des Klägers aus öffentlichen Mitteln getilgt, da dieser sein Vermögen vorrangig zur Tilgung dieser Schulden verwenden könnte und gleichzeitig die Geldmittel zum Lebensunterhalt von der Beklagten erhalte. Gegenüber dem Kläger wären angesichts der vermögensbildenden Wirkung der Tilgungsbeiträge alle Empfänger von Alhi benachteiligt, die kein Eigenheim besäßen oder ein solches zwar besäßen, jedoch keine Schulden hätten.

Im übrigen habe es das LSG versäumt, Feststellungen zu treffen, inwieweit von den 1.250,- DM dem Kläger ein Betrag verblieben sei, den er nicht zur Schuldtilgung, sondern zum Lebensunterhalt habe verwenden können. Bei einer Gegenüberstellung der dem Kläger zugeflossenen Beträge aus dem Verkauf seiner Häuser und der Beträge, die er für den Kauf und den Ausbau des Einfamilienhauses benötigt habe, sei ein Restbetrag verblieben, dessen Verwertbarkeit in jedem Falle zumutbar gewesen sei.

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Berufung gegen das Urteil des SG Koblenz vom 4. Juni 1975 zurückzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 SGG).

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist zulässig, jedoch nur teilweise begründet.

Die Revision ist begründet, soweit das LSG die Beklagte zur Zahlung von Alhi für die Zeit vom 21. Juni 1974 bis 8. September 1974 und vom 11. Oktober 1974 bis 8. Dezember 1974 verurteilt hat. Insoweit hat das LSG die Berufung zu Unrecht als zulässig angesehen. In der Revisionsinstanz ist ein dem Verfahren aus den Vorinstanzen anhaftender Mangel nur dann zu berücksichtigen, wenn es sich um einen in der Revisionsinstanz fortwirkenden Verstoß gegen einen verfahrensrechtlichen Grundsatz handelt, der im öffentlichen Interesse zu beachten ist und dessen Befolgung dem Belieben der Beteiligten entzogen ist (BSG SozR Nr 33 zu § 162 SGG; Baumbach/Lauterbach, Kommentar zur Zivilprozeßordnung - ZPO -, § 559 Anm 2 C; Stein/Jonas, Kommentar zur ZPO, 19. Aufl, § 559 Anm IV 2 a). Ob die Berufung zulässig war, ist bei einer zugelassenen Revision in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu prüfen (BSGE 2, 225, 227; 21, 292, 294). Nach § 144 Abs 1 Nr 2 SGG ist die Berufung bei Ansprüchen auf wiederkehrende Leistungen für einen Zeitraum bis zu 13 Wochen (drei Monaten) ausgeschlossen. Bei der Alhi handelt es sich um wiederkehrende Leistungen, da sie in regelmäßigen Abständen wiederkehrend gezahlt wird (BSGE SozR 4100 § 152 Nr 3).

Die Statthaftigkeit der Berufung ist jeweils gesondert für die verschiedenen Zeiträume zu prüfen, für welche der Kläger Alhi begehrt. Es ist allgemein anerkannt und ständige Rechtsprechung, daß bei der Geltendmachung mehrerer selbständiger prozessualer Ansprüche die Zulässigkeit des Rechtsmittels jeweils gesondert zu prüfen ist (BSGE 3, 135, 139; 5, 222, 225; 6, 11, 15; 10, 264, 266, 267; SozR 1500 § 144 Nr 4). Bei dem Begehren des Klägers auf Alhi für die verschiedenen Zeiträume handelt es sich jeweils um eigene prozessuale Ansprüche. Die verschiedenen Zeiten betreffen verschiedene Fälle von Arbeitslosigkeit; denn der Kläger stand zwischendurch der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung. Die Verwaltung hat jeweils eigene und gesonderte Bescheide über die verschiedenen Ansprüche erlassen. Rechtzeitigkeit und Zulässigkeit bereits der Klage waren für diese Ansprüche gesondert zu prüfen, und der Zusammenhang zwischen ihnen ergibt sich im vorliegenden Fall nur daraus, daß die Klage zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden worden sind (§ 56 SGG). Diese Verbindung erlaubt aber im Rahmen des § 144 Abs 1 Nr 2 SGG nicht die Zusammenrechnung der einzelnen Zeiträume, für die Zahlung begehrt wird. Der 6. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) hat zwar die Zusammenrechnung mehrerer Abrechnungszeiträume bei dem Honorar eines Kassenarztes zugelassen, wenn die erhobenen Ansprüche inhaltlich gleichartig sind und demselben Rechtsverhältnis entspringen (vgl BSGE 11, 108; BSG SozR 1500 § 144 Nr 1). Um dasselbe Rechtsverhältnis handelt es sich bei den verschiedenen Ansprüchen im vorliegenden Falle jedoch nicht.

Da die vom Kläger geltend gemachten Ansprüche auf Alhi für die Zeit vom 21. Juni bis 8. September 1974 und vom 11. Oktober bis 8. Dezember 1974 jeweils Zeiträume von weniger als 13 Wochen beinhalten, war die Berufung insoweit nach § 144 Abs 1 Nr 2 SGG unzulässig. Das angefochtene Urteil war in diesem Umfange aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil erster Instanz insoweit zu verwerfen.

Soweit die Revision der Beklagten die Rückforderung von Alhi für die Zeit vom 16. April 1973 bis 19. Januar 1974 betrifft, ist sie unbegründet. Die Beklagte kann dem Kläger nicht den in Raten an ihn entrichteten Kaufpreis als Einkommen anrechnen. Als Vermögen ist er für den Kläger nicht verwertbar.

Der Kläger hat in der oben genannten Zeit gegen die Beklagte einen Anspruch auf Alhi. Das LSG hat die allgemeinen Voraussetzungen dieses Anspruchs in tatsächlicher Hinsicht bejaht. Sie sind zwischen den Beteiligten auch nicht im Streit, ebenso nicht mehr die Höhe der dem Kläger gegebenenfalls zustehenden Alhi. Fraglich ist nur noch, ob dem Kläger das als Einkommen oder als verwertbares Vermögen zugerechnet werden kann, was er als Erlös aus dem Verkauf seiner beiden Häuser erhalten hat. Das ist zu verneinen.

Gemäß § 134 Abs 1 Nr 3 AFG hat nur derjenige einen Anspruch auf Alhi, der bedürftig ist. Im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung ist zunächst und vor allem das Einkommen zu berücksichtigen, das der Arbeitslose selbst erzielt (§ 138 Abs 1 Nr 1 AFG). Als Einkommen gelten alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert (§ 138 Abs 2 AFG). Was Einkünfte sind, sagt das Gesetz nicht. Wie "Einkünfte" ermittelt werden, ist im Einkommensteuerrecht bestimmt. Einkünfte sind bei den unternehmerischen Einkunftsarten der Gewinn und bei den nichtunternehmerischen der Überschuß der Einnahmen über die Werbungskosten (§ 1 Abs 2 Einkommensteuergesetz - EStG - 1977). Es kann dahinstehen, ob diese Begriffsbestimmung für das Sozialrecht, insbesondere für § 138 Abs 2 AFG uneingeschränkt übernommen werden kann. Auf jeden Fall betreffen Einkünfte, deren Gesamtbetrag das Einkommen ausmachen (§ 138 Abs 2 AFG), Veränderungen des Vermögensbestandes dessen, der diese Einkünfte hat. Der Senat hat im Urteil vom 11. Februar 1976 (BSGE 41, 187, 188 = SozR 4100 § 137 Nr 1 = Dienstblatt der BA, Ausgabe C, § 137 AFG Nr 2052 a) die Begriffe "Einkommen" und "Vermögen" einander gegenübergestellt und als Einkommen solche finanziellen oder wirtschaftlichen Leistungen angesehen, die dem Leistungsempfänger "zufließen", während Vermögen einen "Bestand" an Rechten und Sachen in Geld oder Geldeswert darstellt. Die Veräußerung eines Vermögensgegenstandes verändert normalerweise nicht den Vermögensbestand des Veräußerers. Der Kaufpreis stellt lediglich den Gegenwert für den Vermögensgegenstand dar, der sich bereits vorher in derselben Werthöhe im Vermögen des Veräußerers befunden hat. Es tritt mit anderen Worten lediglich eine Umschichtung unter den aktiven Vermögensbestandteilen ein. Das wäre nur anders, wenn für eine Sache oder ein Recht ein Kaufpreis erlangt wird, der über dem Wert des veräußerten Gegenstandes liegt. In einem solchen Falle würde mit der Veräußerung ein Vermögenszufluß stattfinden, und zwar in der Höhe der Differenz zwischen dem wahren Wert des veräußerten Gegenstandes und dem (überhöhten) erzielten Preis. Da aber der Wert eines Gegenstandes sich danach bestimmt, was im Verkehr gegebenenfalls für ihn zu erlangen ist (Verkehrswert), könnte von einem solchen Gewinn nur dann ausgegangen werden, wenn der erzielte Preis für den Gegenstand außerhalb jeglicher normalen Schätzung liegt. Von einem solchen Fall kann bei der Prüfung, ob der Verkauf eines Gegenstandes einen Vermögenszufluß in dem oben gekennzeichneten Sinne bewirkt hat, nur dann ausgegangen werden, wenn für einen derartigen Sachverhalt ein gewichtiger Anhalt gegeben ist. Den Feststellungen des LSG ist nichts dafür zu entnehmen, daß der Kläger beim Verkauf seiner beiden Häuser einen über ihren Verkehrswert hinausgehenden Gewinn erlangt hat, so daß die Frage, ob ein solcher Gewinn noch als Vermögen iS des § 137 AFG oder aber als dem Veräußerer zufließendes Einkommen iS des § 138 AFG anzusehen ist, hier offen bleiben kann.

Geht man von der Entscheidung des Senats vom 11. Februar 1976 (aaO) aus, wonach für den Begriff des Einkommens und der Einkünfte nach § 138 Abs 2 AFG wesentlich eine Veränderung der Vermögensverhältnisse infolge Zufließens von Geld oder geldeswerten Leistungen ist, so könnte auch bei der Vermögensveräußerung (seiner Umschichtung) daran gedacht werden, daß dem Veräußerer das aus der Veräußerung Erlangte "zufließt". Zu denken wäre dabei etwa an die Realisierung von Wertsteigerungen - z.B. bei Grundstücken oder Wertpapieren - (vgl dazu Mergler/Zink, Komm. zum Bundessozialhilfegesetz - BSGH -, 2. Aufl 1975, Anm 32 zu § 76; Knopp/Fichtner, Komm 2. BSHG, 3. Aufl 1974, Anm 11 zu § 76; aA jedoch überwiegend Gottschick/Giese, Komm zum BSHG, 6. Aufl 1977, § 76 Rdnr 3.6; Schellhorn/Jirasek/Seipp, Komm zum BSHG, 9. Aufl, § 76 Rdnr 8; Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge - ND 1971, 207; Zeitschrift für das Fürsorgewesen - ZfF - 1964, 78; Erläuterungen zu den "Empfehlungen für den Einsatz des Vermögens in der Sozialhilfe und der öffentlichen Jugendhilfe", 4 a-c in Kleinere Schriften des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge, Heft 46, 1971, S. 29). Die im Steuerrecht insoweit bei den unternehmerischen Einkunftsarten bestehende Beurteilung, wonach ua ein realisierter Wertzuwachs als Vermögenszufluß angesehen wird und entsprechend zu versteuern ist (Tipke, Steuerrecht, Ein systematischer Grundriß, 5. Aufl 1978, § 11 3.81, S. 192), kann auf das Sozialrecht keine Anwendung finden. Einmal sieht § 15 S. 2 des Sozialgesetzbuches (SGB), 4. Buch, Gemeinsame Vorschriften - in Kraft getreten am 1. Juli 1977 - vor, daß bei der Ermittlung des Gewinnes Veräußerungsgewinne abzuziehen und damit nicht zu berücksichtigen sind (vgl Krause/von Maydell/Merten/Meydam, Gemeinschaftskomm 1978 zum SGB - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - § 15, Anm 40); andererseits ist darauf hinzuweisen, daß die Verwertung von Vermögen iS des § 137 AFG vom Arbeitslosen vom Zeitpunkt seines Antrages auf Alhi an verlangt wird, d.h., das Vermögen ist mit dem Wert zu berücksichtigen, welcher bei der Antragstellung vorhanden ist. Wird bei (oder nach) der Antragstellung Vermögen durch Veräußerung verwertet - also umgeschichtet -, so kann folglich nicht von einem "Zufließen von Einkünften" iS der oa Rechtsprechung des Senats gesprochen werden. Im übrigen geht auch § 4 der 12. DVO, die für den hier streitigen Zeitraum nach § 242 Abs 39 AFG anzuwenden ist, bei der Vermögensbewertung vom "Verkehrswert" aus, und zwar im Zeitpunkt der Antragstellung; Änderungen des Verkehrswertes sind nur zu berücksichtigen, soweit sie erheblich sind, wobei offenbar diese Änderungen auch als Vermögen - nicht als Einkommen - betrachtet werden.

Die demgegenüber vom Bundesverwaltungsgericht - BVerwG - (Entscheidung vom 24. April 1968 in Nachrichtendienst des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge - NDV - 1968, 257, 332) getroffene Unterscheidung zwischen Einkommen und Vermögen im Sinne des BSHG ist für die Unterscheidung zwischen Vermögen nach § 137 AFG und Einkommen iS des § 138 Abs 1 und 2 AFG nicht anwendbar. Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) sieht bei seiner Unterscheidung die Zweckbestimmung des dem Hilfeempfänger zugeflossenen und die Identität des Bedarfszeitraums mit dem Zeitraum, für den die Zahlungen bestimmt sind, als maßgebend an. Die Zweckbestimmung der einem Empfänger von Alhi zugeflossenen finanziellen Leistungen ist aber für den Begriff des Einkommens iS des § 138 AFG unerheblich. Zweckbestimmte Leistungen an den Empfänger von Alhi sind grundsätzlich Einkommen (§ 138 Abs 1 AFG), sie werden aber in bestimmten Fällen nach § 138 Abs 3 AFG (fiktiv) nicht als Einkommen behandelt (BSGE 41, 187, 188, 189).

Die vom Senat vertretene Auffassung ergibt sich nicht nur aus dem Sinn des Begriffes "zufließen", sondern folgt auch aus dem Zusammenhang der Vorschriften, in den die §§ 137 und 138 AFG gestellt sind. Nach § 5 der 12. DVO (s. auch § 9 der aufgrund der §§ 137 Abs 3 und 138 Abs 4 AFG ergangenen Alhi-VO) besteht Bedürftigkeit nicht für die Zahl voller Wochen, die sich aus der Teilung des zu berücksichtigenden Vermögens durch das Entgelt ergibt, das als Bemessungsentgelt zugrunde zu legen ist. "Vermögen" ist danach eine feste Größe, also ein Bestand von Sachen und Rechten, die der Arbeitslose hat, nicht aber etwas, was ihm "zufließt". Muß das Vermögen erst verwertet, etwa verkauft werden, so wird der erlöste oder zu erlösende Betrag nicht als Einkommen angesehen, sondern weiterhin als Vermögen mit der Fiktion, daß der Arbeitslose es bis zu einem bestimmten Zeitpunkt verbraucht habe und dann erst bedürftig wird. Wollte man bei der unter bestimmten Voraussetzungen im Rahmen der Bedürftigkeit des Arbeitslosen verlangten "Verwertung" seines Vermögens einen aus dieser Verwertung erlangten Erlös (Geldbetrag) als Einkommen oder Einkünfte nach § 138 Abs 2 AFG ansehen, so hätte es der Vorschrift des § 5 der 12. DVO (§ 9 Alhi-VO) nicht bedurft, vielmehr hätte es genügt, nach Umschichtung des Vermögens in Geld auf die Vorschrift des § 138 Abs 1 AFG zu verweisen.

Hieraus folgt, daß der vom Kläger erzielte Kaufpreis für seine beiden Grundstücke nicht Einkommen iS des § 138 Abs 2 AFG ist; durch die Umwandlung des Grundvermögens in Geld bleibt der Kaufpreis Vermögen iS des § 137 AFG. Hieran ändert sich nichts dadurch, daß der Kläger einen Teil des Kaufpreises (vertragsgemäß) vom Käufer in Ratenzahlung erhalten hat. Die Vermögensumschichtung, die sich in der Veräußerung des Vermögensgegenstandes und der Erlangung des seinen Verkehrswert entsprechenden Kaufpreises darstellt, ist erst dann vollzogen (und vollendet), wenn der Veräußerungswert, ausgedrückt in Geld, an den Veräußerer übergegangen ist. Insoweit ist es unerheblich, ob der Kaufpreis sofort in voller Höhe oder in Raten gezahlt wird. Die Ratenzahlungen selbst stellen also keine Veränderung der Vermögensverhältnisse im Sinne des Zufließens von Einkünften dar, sondern sind Teile der Vermögensumschichtung. Das LSG hat hierzu zutreffend darauf hingewiesen, daß der Kläger durch die ratenweise Bezahlung des Kaufpreises nicht "reicher" geworden ist.

Da somit der Kaufpreis, den der Kläger aus dem Verkauf seiner beiden Häuser erlöst hat, keine "Einkünfte" dargestellt hat, somit auch nicht Einkommen iS des § 138 Abs 2 AFG ist, kann er nicht gemäß § 138 Abs 1 AFG im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung dem Kläger angerechnet werden.

Aber auch als Vermögen kann der Veräußerungsbetrag dem Kläger im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung nicht entgegengehalten werden.

Nach § 137 Abs 2 AFG ist der Arbeitslose nicht bedürftig iS des § 134 Abs 1 Nr 3 AFG, solange mit Rücksicht auf sein Vermögen ... die Gewährung von Alhi offenbar nicht gerechtfertigt ist. Nach § 1 der 12. DVO ist Vermögen nur zu berücksichtigen, soweit es "verwertbar" und die Verwertung zumutbar ist. Zur Verwertbarkeit eines Vermögens sieht § 2 der 12. DVO vor, daß Vermögen insbesondere verwertbar ist, soweit seine Gegenstände verbraucht, übertragen oder belastet werden können. Es ist nicht verwertbar, soweit der Inhaber des Vermögens in der Verfügung beschränkt ist und die Aufhebung dieser Beschränkung nicht erreichen kann. Soweit die Beklagte meint, das Vermögen des Klägers - also der für die Grundstücke erzielte Kaufpreis - sei verwertbar in diesem Sinne gewesen, kann ihr nicht gefolgt werden. Hinsichtlich des Betrages, den der Kläger zum Erwerb seines Einfamilienhauses verbraucht hat, ist die Zumutbarkeit der Verwertung angesprochen (s. dazu § 3 der 12. DVO); hierauf wird später zurückzukommen sein. Soweit es sich um die Beträge handelt, die der Kläger zur Tilgung von Schulden nach den Feststellungen des LSG verbraucht hat, sind diese Beträge - entgegen der Auffassung der Beklagten - bei der Frage der Bedürftigkeit des Klägers nicht zu berücksichtigen. Zwar ist Vermögen, das in einer Geldsumme besteht, grundsätzlich verwertbar, da es verbraucht werden kann. Vom Arbeitslosen wird nämlich verlangt, daß er verwertbares Vermögen - bis auf bestimmte Freibeträge - zur Behebung seiner Bedürftigkeit verbraucht. Hat der Arbeitslose jedoch demgegenüber auch Schulden, so kann die Verwertbarkeit des Vermögens iS des § 2 der 12. DVO aufgehoben sein.

Allerdings ergibt sich das noch nicht ohne weiteres aus dem Begriff des Vermögens. Dieser Begriff ist vieldeutig. Man spricht einerseits von Vermögen als der Summe vorhandener aktiver Vermögenswerte und andererseits vom Vermögen als dem Ergebnis einer Gegenüberstellung von aktiven und passiven Vermögensbestandteilen. Im letzteren Falle handelt es sich um das Reinvermögen oder Eigenkapital. Da die Schulden überwiegen können, ist auch negatives (Rein-) Vermögen denkbar. Diese Unterscheidungen und verschiedenen Bezeichnungen besagen nichts darüber, ob und wann ein Arbeitsloser sein Vermögen iS des § 137 Abs 2 AFG iVm § 2 der 12. DVO verwerten muß, sofern er Schulden hat.

Nach § 2 Satz 2 der 12. DVO wird Vermögen nicht als verwertbar bezeichnet, soweit der Inhaber des Vermögens in der Verfügung beschränkt ist und die Aufhebung dieser Beschränkung nicht erreichen kann. Zwar wird derjenige, der Vermögen besitzt und gleichzeitig Schulden hat, grundsätzlich noch nicht in der Vermögensverfügung beschränkt, er ist also in der Lage, ein aus einem Geldbetrag bestehendes Vermögen zur Behebung seiner Bedürftigkeit zu verwerten. Aus Sinn und Zweck der bezeichneten Vorschrift ist aber zu entnehmen, daß von einer Verwertbarkeit dann nicht ausgegangen werden soll, wenn das Vermögen gebunden ist. Von einer Bindung in diesem Sinne muß jedenfalls dann ausgegangen werden, sofern und soweit der Vermögensinhaber - hier der Arbeitslose - im Zeitpunkt der grundsätzlich gebotenen Verwertung zur Tilgung der Schulden verpflichtet ist; das ist regelmäßig der Zeitpunkt ihrer Fälligkeit. Wollte man die Konfliktslage - einerseits Verwertung des Vermögens zur Beseitigung der Bedürftigkeit und Abwendung der Leistung der Alhi, andererseits die Verpflichtung, zum gleichen Zeitpunkt fällige Schulden zu berichtigen - im Sinne der Auffassung der Beklagten dahin auflösen, daß der Arbeitslose mit dem Vermögen zunächst seine Bedürftigkeit zu beheben habe, so wäre er damit gewissermaßen rechtlich verpflichtet, (regelmäßig vor der Arbeitslosigkeit) geschlossene Verträge zu brechen, und zwar mit den sich daraus ergebenden zivilrechtlichen Folgen. Wenn auch die Versichertengemeinschaft oder die Allgemeinheit im Rahmen der Leistungsgewährung von Alhi nur subsidiär eintreten soll, so ist es dennoch widersinnig, einen Arbeitslosen auf die Verwertung seines Vermögens zu verweisen, wenn zugleich - nämlich bei Fälligkeit von Geldforderungen Dritter - die Gläubiger Zugriff auf jenes Vermögen haben. Hierbei ist darauf hinzuweisen, daß die Zivilprozeßordnung grundsätzlich die volle Vollstreckung in Sachen und Forderungen gestattet - mit Ausnahme der Vollstreckung in Sachen, die unmittelbar durch ihren Gebrauch dem Lebensunterhalt des Schuldners dienen - (§§ 808 ff, 811 ff, §§ 828 ff, 864 ff ZPO). Eine Begrenzung der Zwangsvollstreckung mit dem Ziel, dem Schuldner Vermögen zu belassen, damit er von dessen Verwertung leben könne, sieht die Zivilprozeßordnung nicht vor.

Der Senat hat im Urteil vom 3. November 1976 (7 RAr 160/74, AuB 1977, 251; DBl C Nr 2143, AFG § 40) allerdings ausgeführt, daß Tilgungsleistungen einer grundbuchlich gesicherten Forderung nicht vom Einkommen eines Elternteils im Sinne der Anordnung des Verwaltungsrates der Bundesanstalt für Arbeit über die individuelle Förderung der beruflichen Ausbildung (AAusb) absetzbar seien. Diese Entscheidung steht der hier vertretenen Auffassung nicht entgegen, weil es sich damals um die Frage der Einkommensanrechnung, im vorliegenden Falle aber darum handelt, ob ein Vermögen "verwertbar" iS des § 137 Abs 2 AFG ist. Im übrigen entspringen beide Auffassungen einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise. Entgegen der Auffassung der Beklagten kann ferner nicht davon gesprochen werden, der Arbeitslose bilde auf Kosten der Versichertengemeinschaft Vermögen, wenn er fällige Schulden aus seinem Vermögen begleiche und wegen der dann bestehenden Bedürftigkeit Alhi erhalten müsse. Gerade im Hinblick auf die Fälligkeit der Schulden und die Gegenüberstellung dieser mit dem zur Tilgung bestimmten Vermögen ergibt sich die Unrichtigkeit der Auffassung der Beklagten. Ebensowenig ist die Auffassung der Beklagten berechtigt, der Arbeitslose tilge seine Schulden "mit Hilfe der Alhi". Infolge des Umstandes, daß der Arbeitslose wegen seiner Tilgungsverpflichtung sein Vermögen nicht iS des § 2 der 12. DVO verwerten kann, ist er bedürftig und somit - bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen - berechtigt, Alhi zu verlangen. Er tilgt seine Schulden nicht "mit Hilfe der Alhi", sondern durch den Einsatz seines für den Unterhalt nicht einsatzfähigen Vermögens.

Hierbei macht es keinen Unterschied, ob die Vermögensumschichtung, welche einen Verbrauch des Vermögens und damit seine Verwertung an sich ermöglicht, in der Weise erfolgt, daß der Vermögensinhaber den bei der Veräußerung des Vermögensgegenstandes erzielten Preis in einem Betrag oder auf Raten erhält. Dies könnte dann allerdings anders sein, wenn die Veräußerung auf sog. "Rentenbasis" erfolgt. Diese Frage kann jedoch unerörtert bleiben, da nach den bindenden Feststellungen des LSG ein solcher Sachverhalt im vorliegenden Falle nicht gegeben ist.

Aus den Ausführungen des LSG ist zu entnehmen, daß der Kläger - abgesehen von der Summe, die er für den Kauf seines jetzigen Einfamilienhauses verwendet hat - den Kaufpreis für seine beiden Grundstücke zur Tilgung fälliger Schulden verwendet hat. Dieser Teil des Kaufpreises gehörte demnach nicht zu dem für seinen und seiner Familie notwendigen Unterhalt verwertbaren Vermögen iS des § 137 Abs 2 AFG iVm § 2 der 12. DVO.

Den Teil des Kaufpreises, den der Kläger für den Kauf seines Einfamilienhauses verwendet hat, braucht er nicht zur Behebung der Bedürftigkeit einzusetzen. Zwar war dieses Vermögen verwertbar iS des § 2 der 12. DVO, jedoch war ihm diese Verwertung nicht zumutbar. Nach § 3 der 12. DVO ist nicht zumutbar die Verwertung eines Hausgrundstücks von angemessener Größe, das der Eigentümer bewohnt. Gemäß der entsprechenden Bestimmung der Alhi-VO, die am 1. September 1974 in Kraft getreten ist (§ 6 Abs 3 Nr 7), braucht ein Hausgrundstück von angemessener Größe, das der Eigentümer bewohnt, nicht verwertet zu werden, aber auch nicht ein Vermögen, das nachweislich zum alsbaldigen Erwerb eines solchen Hausgrundstückes bestimmt ist. Dieselbe Erweiterung des Schutzes des Einfamilienhauses auf ein Vermögen, das nachweislich zur alsbaldigen Beschaffung eines kleinen Hausgrundstückes dient, findet sich in § 88 Abs 2 Nr 2 BSHG. Abgesehen davon, daß § 3 Satz 2 der 12. DVO die Zumutbarkeit der Verwertung von Vermögen nur beispielsweise (insbesondere) regelt, entspricht es im Hinblick auf den Schutzzweck dieser Vorschrift, sie dahin zu erweitern, die Verwertung von Vermögen auch dann als unzumutbar anzusehen, wenn es zum alsbaldigen Kauf angemessenen Wohnraums bestimmt ist; insoweit ordnet sich diese Vorschrift dann in die übrigen sozialrechtlichen Schutzbestimmungen ein.

Das Hausgrundstück schließlich, das der Kläger heute besitzt, ist auch aufgrund des § 6 Abs 3 Nr 7 der Alhi-VO geschützt. Im übrigen ergeben die bindenden Feststellungen des LSG, daß das jetzige Haus unter Berücksichtigung der Größe der Familie des Klägers angemessen ist und es alsbald nach Erhalt des Kaufpreises aus den früheren Häusern gekauft wurde.

Soweit die Beklagte eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht (§ 103 SGG) durch das LSG rügt mit der Behauptung, es habe noch weitere Ermittlungen darüber anstellen müssen, ob der Kläger einen Teil der Kaufpreisrate für seinen Lebensunterhalt hätte verwerten können und wo ein von der Beklagten errechneter Restbetrag von 79.567,- DM verblieben sei, greift diese Rüge schon mangels Substantiierung nicht durch. Jedenfalls hat die Beklagte nicht angegeben, welche Beweismittel dem LSG zur weiteren Sachaufklärung zur Verfügung gestanden hätten. Im übrigen hat das LSG den Sachverhalt durch intensive Anhörung des Klägers und Vorlage von Urkunden ermittelt und hierauf seine Feststellungen gestützt, ohne daß die Beklagte insoweit eine mangelnde Beweiswürdigung (§ 128 SGG) gerügt hat.

Steht demnach fest, daß der Kläger in der hier noch streitigen Zeit weder das aus seinem Hausverkauf erlangte Vermögen verwerten konnte, noch eine solche Verwertung zumutbar war, so durfte die Beklagte die gewährte Alhi nicht entziehen.

Da das LSG in diesem Umfange im Ergebnis zutreffend entschieden hat, ist die Revision der Beklagten insoweit unbegründet.

Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 193 Abs 1 SGG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1662669

BSGE, 271

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