Entscheidungsstichwort (Thema)

Nettoarbeitsentgelt iS von § 6 Abs 3 KfzHV - freiwilliger Krankenversicherungsbeitrag

 

Leitsatz (redaktionell)

"Netto-Arbeitsentgelt" iS von § 6 Abs 3 der VO über Kraftfahrzeughilfe zur beruflichen Rehabilitation (KfzHV) vom 28.9.1987 ist für den Rentenversicherungsträger im Grundsatz das um die gesetzlichen Abzüge verminderte Bruttoarbeitsentgelt. Bei einem lediglich freiwillig Krankenversicherten ist aber die Hälfte des Betrages, der im Falle der Versicherungspflicht an die Kasse zu zahlen wäre, vom Bruttoarbeitsentgelt abzusetzen.

 

Normenkette

AVG § 13 Abs. 1; RVO § 1236 Abs. 1; AVG § 14 a Abs. 1 S. 1 Nr. 1; RVO § 1237a Abs. 1 S. 1 Nr. 1; KfzHV § 6 Abs. 3 S. 2 Fassung 1987-09-28

 

Verfahrensgang

Hessisches LSG (Entscheidung vom 30.10.1990; Aktenzeichen L 2 An 17/90)

SG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 18.09.1989; Aktenzeichen S 13 An 3953/88)

 

Tatbestand

Streitig ist ein Anspruch des Klägers auf Gewährung von Kraftfahrzeughilfe.

Der Kläger ist anerkannter Schwerbehinderter (Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) 50 vH) und erheblich geh- und stehbehindert. Als Bauleiter beim Hochbauamt der Stadt F. verdiente er ab Januar 1988 monatlich 4.250,37 DM brutto, zuzüglich einer Arbeitnehmersparzulage von 8,40 DM. Außerdem erhielt er einen Zuschuß seines Arbeitgebers zur freiwilligen Krankenversicherung gemäß § 405 Reichsversicherungsordnung (RVO) in der bis zum 31. Dezember 1989 geltenden Fassung (jetzt: § 257 Abs 1, Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V)) in Höhe von monatlich 276,-- DM. Der Kläger ist bei der Barmer Ersatzkasse freiwillig krankenversichert (Monatsbeitrag ab Januar 1988: 581,-- DM). Außerdem zahlte er aufgrund eines Versicherungsvertrages mit der Landeskrankenhilfe - Versicherungsverein a.G. - monatliche Beiträge in Höhe von 57,50 DM für sich und weitere 63,80 DM für seine Ehefrau (insgesamt 131,30 DM). Nach Abzug der Lohnsteuer (610,60 DM), der Kirchensteuer (54,96 DM), der Arbeitnehmeranteile zur Rentenversicherung (404,88 DM), seiner Beiträge zur Bundesanstalt für Arbeit (93,10 DM/Arbeitslosenversicherung) sowie eines Gewerkschaftsbeitrages (62,-- DM) wurden ihm monatlich 3.309,24 DM ausbezahlt.

Im März 1988 beantragte der Kläger bei der beklagten Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) die Gewährung einer Hilfe zur Beschaffung eines Kraftfahrzeuges (Kfz). Diesem Antrag gab die Beklagte in Höhe von 2.470,-- DM für eine behinderungsbedingte Ausstattung des Kfz statt, lehnte aber einen Zuschuß zum Kaufpreis im übrigen mit Bescheid vom 14. März 1988 ab (Widerspruchsbescheid vom 13. Oktober 1988). Die beim Sozialgericht Frankfurt (SG) erhobene Klage (Urteil vom 18. September 1989) und die vom SG zugelassene Berufung des Klägers sind erfolglos geblieben (Urteil des Hessischen Landessozialgerichts (LSG) vom 30. Oktober 1990).

Zur Begründung hat das LSG im wesentlichen ausgeführt: Gemäß § 6 Abs 1 der Verordnung über Kraftfahrzeughilfe zur beruflichen Rehabilitation (KfzHV) vom 28. September 1987 (BGBl I S 2251) werde ein Zuschuß bei einer monatlichen Bezugsgröße von 3.080,-- DM im Jahre 1988 nur bis zu einem Einkommen von 2.310,-- DM gewährt. Das nach § 6 Abs 1 KfzHV maßgebliche Nettoeinkommen des Klägers in Höhe von 2.716,84 DM liege über diesem Betrag. Vom Bruttoarbeitsentgelt des Klägers in Höhe von 4.250,37 DM könnten zwar die gesetzlich vorgeschriebenen Arbeitnehmeranteile zur Renten- und Arbeitslosenversicherung und die gesetzlichen Steuern (insgesamt 1.163,35 DM) sowie gemäß § 6 Abs 2 KfzHV für die unterhaltsberechtigte Ehefrau des Klägers ein Betrag in Höhe von 12 vH der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV), also 370,-- DM, in Abzug gebracht werden. Nicht abzugsfähig seien aber die freiwilligen Beiträge des Klägers zur Krankenversicherung, die Kfz-Haftpflichtversicherung, die Kfz-Steuer, Kosten für Arbeitsmittel, Gewerkschaftsbeiträge sowie Fahrtkosten zur Arbeitsstelle.

Der Kläger hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Er rügt eine Verletzung des § 6 Abs 3 KfzHV und trägt vor, das Nettoeinkommen sei bei § 6 Abs 3 KfzHV entsprechend § 72 Abs 2 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) zu berechnen. Von seinem Bruttoarbeitsentgelt seien deshalb die Beiträge seiner freiwilligen Krankenversicherung bei der Barmer Ersatzkasse und der Landeskrankenhilfe, die Kfz-Steuer, Aufwendungen für die Kfz-Haftpflichtversicherung und zu Berufsverbänden (Gewerkschaften), für Arbeitsmittel und Fahrtkosten abzuziehen. Bereits nach Abzug des Pauschalbetrages nach § 6 Abs 2 KfzHV und seiner Aufwendungen für die freiwillige Krankenversicherung liege sein Nettoarbeitsentgelt mit 2.226,94 DM unter der Förderungshöchstgrenze des § 6 Abs 1 KfzHV.

Der Kläger beantragt,

die Urteile des Hessischen Landessozialgerichts vom

30. Oktober 1990 sowie des Sozialgerichts Frankfurt

vom 18. September 1989 und den Bescheid der Beklagten

vom 21. Juni 1988 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides

vom 13. Oktober 1988 aufzuheben und die Beklagte

zu verurteilen, ihn unter Beachtung der

Rechtsauffassung des Gerichts hinsichtlich seines Antrages

auf Gewährung von Kraftfahrzeughilfe neu zu

bescheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidungen der Vorinstanzen für zutreffend und trägt ergänzend vor, der Kläger liege (mit 2.411,84 DM) selbst dann noch über der nach § 6 Abs 1 KfzHV zulässigen Verdienstgrenze, wenn man - was unzulässig sei - seine Aufwendungen von 581,-- DM für die freiwillige Krankenversicherung bei der Barmer Ersatzkasse von seinem Bruttoarbeitsentgelt abziehe; lasse man einen derartigen Abzug zu, müßten dem Bruttoarbeitsentgelt des Klägers andererseits aber die Zuschüsse des Arbeitgebers zur freiwilligen Krankenversicherung in Höhe von 276,-- DM monatlich hinzugerechnet werden. Das Rehabilitationsangleichungsgesetz (RehaAnglG) vom 7. August 1974 (BGBl I S. 1881) schließe nicht aus, daß die für den Kläger in Angelegenheiten des Schwerbehindertenrechts zuständige Hauptfürsorgestelle das Nettoeinkommen bei § 6 Abs 3 KfzHV möglicherweise nach § 72 BSHG zu berechnen habe. Nach § 6 Abs 3 Satz 2 KfzHV hätten indessen die einzelnen Träger bei der Berechnung des Nettoarbeitsentgelts unterschiedliche Regelungen anzuwenden.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) einverstanden erklärt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Kraftfahrzeughilfe nach § 2 Abs 1 Nr 2 KfzHV.

Liegen die Voraussetzungen des § 13 Abs 1 AVG für die Gewährung von Leistungen zur Rehabilitation vor, kommen als berufsfördernde Leistungen nach § 14a Abs 1 Nr 1 AVG ua Kraftfahrzeughilfen in Betracht. Die Gewährung von Kraftfahrzeughilfen richtet sich bei den Trägern der gesetzlichen Rentenversicherung nach den Vorschriften der KfzHV. Kraftfahrzeughilfe umfaßt danach auch Leistungen zur Beschaffung eines Kfz (§ 2 Abs 1 Nr 2 KfzHV). Sie wird in der Regel als Zuschuß geleistet (§ 6 Abs 1 Satz 1 KfzHV) und nur dann gewährt, wenn das Einkommen des Versicherten nach Abzug eines Pauschalbetrages für jeden von ihm unterhaltenen Familienangehörigen (§ 6 Abs 2 KfzHV) 75 vH der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 SGB IV nicht übersteigt.

Diese Voraussetzungen liegen beim Kläger nicht vor. Sein monatliches Einkommen im letzten Gehaltsabrechnungszeitraum vor der Stellung seines Rehabilitationsantrages übersteigt nach Abzug eines Betrages von 370,-- DM für die von ihm unterhaltene Ehefrau gemäß § 6 Abs 2 KfzHV die Förderungsgrenze des § 6 Abs 1 KfzHV. Das LSG ist zutreffend davon ausgegangen, daß zur Ermittlung des bei § 6 Abs 1 und 2 KfzHV maßgeblichen Nettoarbeitsentgelts (vgl § 6 Abs 3 Satz 1 KfzHV) das Bruttoarbeitsentgelt des Klägers (4.250,37 DM) um die gesetzlich vorgeschriebenen Abzüge (insgesamt 1.163,54 DM), nicht aber um Gewerkschaftsbeiträge, Kfz-Steuern, Kosten für Arbeitsmittel und für Fahrten zur Arbeitsstelle zu kürzen ist. Freiwillige Krankenversicherungsbeiträge können - wie noch auszuführen sein wird - jedenfalls nicht in der geltend gemachten Höhe von insgesamt 712,30 DM abgesetzt werden.

Gemäß § 6 Abs 3 Satz 2 KfzHV richtet sich die Ermittlung des Einkommens nach den für den zuständigen Träger maßgeblichen Regelungen. Für die Beklagte als Träger der gesetzlichen Rentenversicherung sind dies im Rahmen ihrer gesetzlichen Aufgaben ua die §§ 14ff SGB IV (vgl § 1 Abs 1 SGB IV), nicht aber Vorschriften des Bundessozialhilfegesetzes, auf die der Kläger abstellen möchte. Es mag zutreffen, daß im Sozialhilferecht, möglicherweise auch im Schwerbehindertenrecht, bei der Ermittlung des dort maßgeblichen Einkommens vom Bruttoarbeitsentgelt gemäß § 76 Abs 2 Nr 3 BSHG auch dem Grund und der Höhe nach angemessene Beiträge zu privaten und öffentlichen Versicherungen sowie nach § 76 Abs 2 Nr 4 BSHG die mit der Erzielung des Einkommens verbundenen notwendigen Ausgaben abgesetzt werden können. § 76 BSHG definiert den Begriff des Einkommens indessen nur für das BSHG. Ein Bedürfnis, diesen Begriff entsprechend dem Grundgedanken des RehaAnglG, auf dessen § 9 Abs 2 die KfzHV beruht, auch bei § 6 KfzHV zur Anwendung zu bringen, besteht nicht, da das RehaAnglG für den Sozialhilfebereich gerade nicht gilt (§ 2 RehaAnglG) und die Träger der Sozialhilfe Kraftfahrzeughilfen nicht nach den Vorschriften der KfzHV erbringen (§ 1 KfzHV; zur Kraftfahrzeughilfe im Sozialhilfebereich: Knopp/Fichtner, Bundessozialhilfegesetz, 6. Aufl 1988, § 40 RdNr 23 ff).

Auszugehen ist vom sozialversicherungsrechtlichen Begriff des Arbeitsentgelts (vgl Verbandskommentar, Anlage 1 zu § 16 SGB VI, § 6 KfzHV RdNr 1; KassKomm-Niesel, Anhang zu § 16 SGB VI RdNr. 43). Dieser wird in § 14 SGB IV sowohl für die Berechnung von Beiträgen als auch von Leistungen definiert. Die Vorschrift differenziert zwischen Bruttoarbeitsentgelt (Arbeitsentgelt, § 14 Abs 1 SGB IV) und Nettoarbeitsentgelt (§ 14 Abs 2 SGB IV), wobei das Nettoarbeitsentgelt keine selbständige Berechnungsgröße, sondern das um die gesetzlichen Abzüge verminderte Bruttoarbeitsentgelt ist (vgl BSG SozR 2200 § 182 Nr 49 S 6; SozR 2200 §§ 1241 Nrn 3 S 2; 4 S 6; 9 S 25; KassKomm-Höfler § 47 SGB V RdNr 5; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, S 293 g). Zu den gesetzlichen Lohn- und Gehaltsabzügen gehören ua Lohn- und Kirchensteuern, die gesetzlichen Anteile des Arbeitnehmers zu den Beiträgen der gesetzlichen Renten- und Krankenversicherung sowie zur Bundesanstalt für Arbeit, nicht aber die vom Versicherten entrichteten Beiträge zu einer freiwilligen Krankenversicherung (Brackmann aaO, S 293 g; Höfler, aaO, RdNr 7).

Dies führt im "Normalfall", nämlich bei einem krankenversicherungspflichtigen Arbeitnehmer, dem die Hälfte des gesamten Krankenversicherungsbeitrages von seinem Lohn bzw Gehalt abgezogen wird, zu einem um diesen Betrag reduzierten Nettoarbeitsentgelt. Um den Kläger, der für seinen Krankenversicherungsbeitrag in voller Höhe selbst aufzukommen hat, ohne daß sich hierdurch ein geringeres Nettoarbeitsentgelt ergibt, im Rahmen des § 6 KfzHV einem krankenversicherungspflichtigen Arbeitnehmer gleichzustellen, kann bei der Bestimmung der Förderungshöchstgrenze des § 6 Abs 1 KfzHV ein Abzug der freiwilligen Krankenversicherungsbeiträge nicht schlechthin ausgeschlossen werden. Die Abzugsfähigkeit muß indessen der Höhe nach auf den im konkreten Fall gewährten Arbeitgeberzuschuß zu den Beiträgen für eine freiwillige Krankenversicherung begrenzt werden, um andererseits auch eine Besserstellung der in der gesetzlichen Krankenversicherung freiwillig Versicherten zu verhindern. Dieser Zuschuß beträgt nach dem hier noch anzuwendenden § 405 Abs 1 RVO aF (jetzt: § 257 Abs 1 Satz 1 SGB V) die Hälfte des Betrages, der für einen versicherungspflichtigen Beschäftigten bei der Krankenkasse, bei der die Mitgliedschaft besteht, zu zahlen wäre, höchstens jedoch die Hälfte des Betrages, den der Versicherte tatsächlich zu zahlen hat.

Wäre der Kläger in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht freiwillig, sondern pflichtversichert, würde von seinem Gehalt ein Betrag in eben dieser Höhe - 276,00 DM - als eigener Beitragsanteil des Arbeitnehmers zur Krankenversicherung abgezogen. Damit ergibt sich ein nach § 6 Abs 1 und 3 KfzHV maßgebliches Einkommen des Klägers von 2.440,83 DM, das über der Förderungsgrenze von 2.310,-- DM im Jahr 1988 liegt.

Den Abzug höherer Krankenversicherungsbeiträge kann im Rahmen des § 6 Abs 1 KfzHV auch ein freiwillig krankenversicherter Arbeitnehmer nicht beanspruchen. Anderenfalls hätte es ein Versicherter nämlich in der Hand, sich durch eigene Vermögensdispositionen, zB durch die Wahl eines besonders umfangreichen und deshalb teuren Krankenversicherungsschutzes oder - wie hier - durch den Abschluß zusätzlicher Krankenversicherungsverträge, Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung zu verschaffen, die einem Versicherten, der der Krankenversicherungspflicht unterliegt, trotz eines im Vergleich zum freiwillig Versicherten geringeren Bruttoarbeitsentgelts nicht gewährt werden können. Deshalb sind bei der Berechnung des Nettoarbeitsentgelts des Klägers auch dessen Aufwendungen für die Kfz-Steuer, die Kfz-Haftpflichtversicherung, für Berufsverbände (Gewerkschaftsbeiträge) oder für Arbeitsmittel und Fahrtkosten vom Bruttoarbeitsentgelt nicht abzugsfähig. Denn hierbei handelt es sich um Aufwendungen, die auf einem eigenen Entschluß des Versicherten beruhen und deshalb vom Bruttoarbeitsentgelt des Klägers gerade nicht kraft Gesetzes abzuziehen sind.

Die Revision des Klägers konnte daher keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 60309

RegNr, 20231 (BSG-Intern)

BR/Meuer SGB IV § 16, 19-12-91, 4/1 RA 85/90 (T)

HV-INFO 1992, 866-871 (LT1)

SozR 3-5765 § 6, Nr 1 (LT1)

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