Entscheidungsstichwort (Thema)

Zuständigkeit der BKK bei Umwandlung eines unselbständigen Betriebsteils in einen selbständigen Zweigbetrieb

 

Leitsatz (amtlich)

Eine BKK bleibt für eine auswärtige Betriebsabteilung auch dann zuständig, wenn sich diese zu einem selbständigen Betrieb entwickelt; eines besonderen "Anschlußverfahrens" bedarf es nicht.

 

Leitsatz (redaktionell)

Die für einen Betrieb errichtete BKK bleibt für die in einem unselbständigen Teil des Betriebes beschäftigten Arbeitnehmer auch dann zuständig, wenn der Arbeitgeber diesen Betriebsteil in einen selbständigen umwandelt, einer Abstimmung nach RVO § 225a bedarf es somit nicht.

 

Normenkette

RVO § 245 Abs. 3 Fassung: 1924-12-15, § 298 Abs. 1 Nr. 5 Fassung: 1924-12-15, § 225a Fassung: 1930-07-26

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 24. Januar 1968 wird zurückgewiesen.

Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I

Die Beteiligten streiten darüber, ob die in einer auswärtigen Abteilung (Worms) eines F Betriebes (Z-M ... GmbH, im folgenden: GmbH) beschäftigten Arbeitnehmer bei der örtlich zuständigen AOK W - Klägerin - oder bei der Betriebskrankenkasse (BKK) des F St-b ... - Beklagte - versichert sind.

Die Betriebsabteilung W wurde im Jahre 1956 zur Betreuung der von F nur schwer zu erreichenden Kunden der GmbH als sog. Kundendienst errichtet. Sie entwickelte sich später unter Vergrößerung der ursprünglich kleinen Mitarbeiterzahl zu der heutigen "Abteilung C". Die in W beschäftigten Arbeitnehmer der GmbH waren bis Januar 1957 bei der klagenden AOK, anschließend bis September 1960 bei der beklagten BKK und seitdem - zunächst im Einverständnis mit der BKK - wieder bei der AOK versichert. Nachdem jedoch das Bundesversicherungsamt (BVA), bei dem die BKK die Genehmigung zu einer entsprechenden Satzungsänderung (Ausgliederung des Kundendienstes W aus dem Kassenbereich) beantragt hatte, die Genehmigung versagt und die Beklagte insoweit für zuständig erklärt hatte, weil die Abteilung Worms ein unselbständiger Teil des Stammbetriebes sei, nahm auch die Beklagte die dort beschäftigten Arbeitnehmer für sich in Anspruch. Daraufhin erhob die AOK Klage auf Feststellung ihrer Zuständigkeit und begründete sie damit, die Abteilung W habe sich im Laufe der Jahre aus einem unselbständigen Betriebsteil zu einem selbständigen Betrieb entwickelt.

Das Sozialgericht (SG) ist dieser Auffassung beigetreten. Auf die Berufung der BKK hat das Landessozialgericht (LSG) festgestellt, daß für die Abteilung Cr der GmbH die BKK zuständig sei: Wenn nach § 298 Abs. 1 Nr. 5 Reichsversicherungsordnung (RVO) eine BKK sogar beim Übergang eines Betriebsteiles auf einen anderen Arbeitgeber zuständig bleibe, sofern keine Auseinandersetzung stattfinde, müsse dies erst recht gelten, wenn etwa Geringeres geschehe, nämlich ohne Wechsel des Arbeitgebers sich aus einem unselbständigen Betriebsteil ein selbständiger Betrieb entwickele (Urteil vom 24. Januar 1968).

Hiergegen hat die AOK die zugelassene Revision eingelegt. Ihrer Ansicht nach erstreckt sich die Zuständigkeit einer BKK bei "expansiver" Entwicklung eines ursprünglich unselbständigen Nebenbetriebes zu einem selbständigen Betrieb nicht automatisch, sondern nur nach Durchführung eines Anschlußverfahrens (§ 245 der RVO) auf den selbständig gewordenen Betrieb. § 298 Abs. 1 Nr. 5 RVO sei in diesem Fall nicht, auch nicht entsprechend, anwendbar. Die Klägerin beantragt,

das Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 24. Januar 1968 aufzuheben und die Berufung gegen das Urteil des SG Speyer vom 6. Mai 1966 zurückzuweisen und dabei dessen Urteilsformel dahin zu ändern, daß für die versicherungspflichtigen Arbeitnehmer der Z-M-w F GmbH, Abteilung C, die Klägerin zuständig sei.

Die beklagte BKK und das beigeladene BVA beantragen,

die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

Sie halten die Begründung des angefochtenen Urteils, insbesondere die Heranziehung des § 298 Abs. 1 Nr. 5 RVO durch das LSG, für zutreffend.

Alle Beteiligte haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.

II

Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Das LSG hat mit Recht die beklagte BKK für die in W beschäftigten Arbeitnehmer der GmbH als zuständig angesehen.

Daß die Arbeitnehmer entgegen § 75 Abs. 2 SGG nicht zum Feststellungsstreit der beteiligten Versicherungsträger (§ 55 SGG) beigeladen worden sind, stellt zwar einen Mangel im Verfahren des LSG dar; dieser nötigt jedoch nicht zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, weil insoweit keine Rügen erhoben worden sind (vgl. BSG 18, 190, 193).

Nach § 245 Abs. 3 RVO ist die für einen Betrieb errichtete BKK für "alle im Betriebe beschäftigten Versicherungspflichtigen" zuständig. Das gilt auch für solche Arbeitnehmer, die nicht am Sitz des Betriebes, sondern auswärts beschäftigt sind, sofern ihre Arbeitsstätte ein unselbständiger Teil des (einheitlichen) Betriebes ist. Dies trifft dann zu, wenn die auswärtige Betriebsstätte dergestalt in den Gesamtbetrieb eingegliedert ist, daß sie für sich allein nicht bestehen könnte, mag sie im übrigen auch eine gewisse räumliche und organisatorische Eigenständigkeit besitzen (Betriebsabteilung). Um einen selbständigen Betrieb handelt es sich dagegen, wenn die auswärtige Betriebsstätte einen von den Zwecken des Stammbetriebes verschiedenen Betriebszweck verfolgt und organisatorisch eine besondere Einheit bildet, insbesondere einer eigenen technischen Leitung untersteht (vgl. zur Einheit und Gliederung des Betriebs Nikisch, Arbeitsrecht, I. Band, 3. Auflage, § 18 III, S. 153; ähnlich Hueck-Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, 7. Auflage, I. Band, § 16 IV, S. 93).

Die 1956 in Worms gegründete Kundendienst-Abteilung der GmbH war nach übereinstimmender Ansicht der Beteiligten und des LSG jedenfalls zunächst ein unselbständiger Teil des Gesamtbetriebes. Für die Richtigkeit dieser Beurteilung spricht, daß die neu gegründete Abteilung ausschließlich den Zwecken des Stammbetriebes diente, für sich allein also keine Existenzberechtigung besaß; auch hatte sie anfänglich nur wenige Mitarbeiter und trat später nach aussen nur unter der Bezeichnung "Abteilung C" in Erscheinung. Die in Worms beschäftigten versicherungspflichtigen Betriebsangehörigen waren deshalb kraft Gesetzes (§ 245 Abs. 3 RVO) Mitglieder der für den Stammbetrieb bestehenden BKK.

Daran würde sich auch dann nichts geändert haben, wenn - was die AOK geltend gemacht, das LSG jedoch mit Recht offengelassen hat - der unselbständige Betriebsteil W im Laufe der Jahre zu einem selbständigen Betrieb geworden sein sollte. Grundsätzlich kann zwar eine BKK ihre Zuständigkeit auf einen weiteren Betrieb desselben Arbeitgebers nur durch ein "Anschlußverfahren" erstrecken, das im wesentlichen den Regeln über die Neuerrichtung einer BKK folgt, insbesondere eine Abstimmung der neu in die BKK aufzunehmenden Arbeitnehmer erfordert, da nur so deren "Selbstbestimmungsrecht" gewahrt ist (vgl. § 225 a RVO und Peters, Handbuch der KrV, § 245 RVO Anm. 3 unter Hinweis auf BSG 7, 169). Eine Ausnahme gilt jedoch für den Fall, daß ein bisher unselbständiger Betriebsteil in einen selbständigen Betrieb umgewandelt wird. Die darin beschäftigten Arbeitnehmer waren auch bisher schon Mitglieder der BKK, so daß für die Durchführung einer Abstimmung nach § 225 a RVO kein Anlaß besteht. Im übrigen hat der Senat bereits entschieden, daß eine BKK zuständig bleibt, wenn ein bisher unselbständiger Betriebsteil als selbständiger Betrieb auf einen anderen Arbeitgeber übergeht, sofern dieser nicht eine Auseinandersetzung nach § 298 Abs. 1 Nr. 5 RVO beantragt (BSG 29, 21). Was hiernach für den Fall einer Verselbständigung eines Betriebsteils in der Hand eines neuen Arbeitgebers gilt, muß - wie das LSG zutreffend ausgeführt hat - erst recht für den Fall gelten, daß der verselbständigte Betriebsteil beim alten Arbeitgeber verbleibt.

Ist somit die beklagte BKK auch dann für die Betriebsstätte W der GmbH zuständig geblieben, wenn diese sich inzwischen zu einem selbständigen Betrieb entwickelt haben sollte, dann hat das LSG die BKK insoweit mit Recht für zuständig erklärt.

Die Revision der AOK gegen das Urteil des LSG ist unbegründet.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1669111

BSGE, 177

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