Verfahrensgang

LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 29.05.1981)

SG Heilbronn (Urteil vom 22.08.1980)

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 29. Mai 1981 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat den Beigeladenen zu 1) und 2) die außergerichtlichen Kosten auch des Revisionsverfahrens zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Die Beteiligten streiten darum, ob Begleitpersonen in Schulbussen der Versicherungspflicht in der Kranken- und Rentenversicherung unterliegen.

Die Beigeladenen zu 1) und 2) verpflichteten sich in inhaltsgleichen Verträgen vom 10. August 1976 und 23. Januar 1978 gegenüber der Stadt S., … dem seinerzeitigen Träger der Sonderschule für bildungsschwache Kinder und Jugendliche in S., … die Begleitung der Kinder während ihrer Beförderung in Schulbussen zu übernehmen. Die Beklagte stellte der Stadt S.… gegenüber durch Bescheid vom 30. März 1978 (Widerspruchsbescheid vom 9. Mai 1978) die Versicherungspflicht der Beigeladenen zu 1) und 2) in der Kranken- und Rentenversicherung sowie die Beitragspflicht zur Arbeitslosenversicherung fest. Die hiergegen erhobene Klage wurde durch Urteil des Sozialgerichts (SG) Heilbronn vom 10. Oktober 1978 (S 5 Kr 736/78) rechtskräftig abgewiesen.

Der Kläger – als jetziger Träger der Schule in S. – … teilte der Beklagten im April 1979 mit, daß mit den Beigeladenen zu 1) und 2) seit dem 1. April 1979 aufgrund neu abgeschlossener Verträge ein freies Mitarbeiterverhältnis bestehe, das eine Sozialversicherungspflicht nicht mehr begründe.

Die von den Beigeladenen zu 1) und 2) nicht unterschriebenen Verträge haben unter anderem folgenden Inhalt: Der Begleit-Beförderungsvertrag diene ausschließlich der Erfüllung der sich aus bestimmten landesrechtlichen Vorschriften ergebenden Verpflichtung zur Sicherung der Beförderung der Schüler (Nr. 2 Satz 1 des Vertrages). Es handele sich nicht um einen Arbeitsvertrag, sondern um einen freien Vertrag zum Zwecke der Begleit-Beförderung (Nr. 2 Satz 2). Arbeitsrechtliche Verpflichtungen Steuer- und sozialversicherungsrechtlicher oder anderer Art bestünden für den Vertraggeber (Kläger) nicht (Nr. 2 Satz 3). Wenn der Vertragnehmer (Beigeladene zu 1) und 2) verhindert sei, habe er sofort einen zuverlässigen Stellvertreter zu stellen, der die Vertragspflichten übernehme (Nr. 4 Satz 1). Dauere die Verhinderung voraussichtlich länger als fünf Tage, so sei dazu die Zustimmung des Schulleiters erforderlich (Nr. 4 Satz 2). Die Vergütung betrage je Einsatzstunde 9,– DM (Nr. 5 Satz 1). Als Einsatzzeit gelte die Zeit vom Verlassen der Wohnung des Vertragsnehmers bis zur Schule und zurück (Nr. 5 Satz 2). Die Einsatzzeit betrage täglich vier Stunden (Nr. 5 Satz 3). Bei grob fahrlässiger oder vorsätzlicher Vertragsverletzung hafte der Vertragnehmer (Nr. 6). Zur Einweisung in ihre Tätigkeit wurden die Beigeladenen zu 1) und 2) im einzelnen an das jeweilige Busunternehmen verwiesen. Der zeitliche Aufwand der Beigeladenen zu 1) und 2) für die von ihnen übernommenen Verpflichtungen schwankte zwischen 40 und 99 Stunden monatlich; das monatliche Entgelt lag zwischen 360,– DM und 891,– DM. In den Ferienmonaten wurden keine Fahrten durchgeführt; ein Entgelt wurde in dieser Zeit nicht gezahlt.

Die Beklagte teilte dem Kläger mit Bescheid vom 26. April 1979 mit, daß die mit den Beigeladenen zu 1) und 2) neu abgeschlossenen Verträge eine abweichende versicherungsrechtliche Beurteilung nicht zuließen. Widerspruch (Widerspruchsbescheid vom 10. Oktober 1979) und Klage (Urteil des SG Heilbronn vom 22. August 1980) blieben ohne Erfolg. Im Verlaufe des zweitinstanzlichen Verfahrens hat die Beklagte die Beitragsfreiheit der Beigeladenen zu 1) und 2) in der Arbeitslosenversicherung anerkannt.

Das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen (Urteil vom 29. Mai 1981). Es hat dahinstehen lassen, ob der Kläger als Rechtsnachfolger der Stadt S.… in der Schulträgereigenschaft die Rechtskraft des früheren Urteils gegen sich gelten lassen muß und hat in der Sache entschieden, daß die Beigeladenen zu 1) und 2) der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung unterliegen. Dies ergebe sich schon aus den vom SG angeführten Gründen, wonach die Beigeladenen zu 1) und 2) keinen Einfluß auf Zeit und Dauer ihrer Arbeitsleistung gehabt hätten und auch die Art und Weise der Ausführung der Arbeit einem Weisungsrecht des Arbeitgebers unterlegen habe. Zwar habe der Kläger keine Einzelweisungen erteilt, doch habe er es in der Hand gehabt, durch allgemeine Anweisungen zu bestimmen, wie sich die Begleitpersonen in bestimmten Situationen zu verhalten hätten und welche Aufgaben ihnen zukämen. Die persönliche Abhängigkeit der Beigeladenen zu 1) und 2) trete auch dadurch in Erscheinung, daß sie in einen übergeordneten Organismus eingegliedert seien; denn sie nähmen eine wichtige Teilaufgabe im Rahmen der vom Kläger zu organisierenden Schülerbeförderung wahr. Bei den Beigeladenen zu 1) und 2) fehlten darüber hinaus auch alle Merkmale, die gewöhnlich bei freien Mitarbeitern vorhanden seien. So hätten sie keinerlei Ausstattung oder Gebaren geschäftlicher oder kaufmännischer Art, würden nicht auch für andere als den Kläger tätig und hätten außerdem kein Unternehmerrisiko zu tragen. Für ein freies Mitarbeiterverhältnis spreche allenfalls die Befugnis und Verpflichtung, bei einer Verhinderung bis zu fünf Tagen selbst einen zuverlässigen Stellvertreter zu stellen. Dieses wiege bei der gebotenen Gesamtbetrachtung jedoch nicht so schwer, daß hieraus die Annahme einer selbständigen Tätigkeit abgeleitet werden könne. Der Kläger nehme einen Zirkelschluß vor, wenn er den vereinbarten Ausschluß bestimmter “Sozialleistungen” wie etwa der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und die Vereinbarung von Versicherungsfreiheit zum Anlaß nehme, hieraus auf die Selbständigkeit der von den Beigeladenen zu 1) und 2) ausgeübten Tätigkeit zu schließen.

Hiergegen hat der Kläger die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Zur Begründung führt er im wesentlichen aus, daß ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis – wie dies auch das SG Heilbronn in seinem rechtskräftigen Urteil vom 10. Oktober 1978 angenommen habe, womöglich ursprünglich zwischen der Stadt S.… und den Beigeladenen zu 1) und 2) bestanden habe; nicht aber zwischen diesen und dem Kläger. Dafür spreche unter anderem, daß die Beigeladenen zu 1) und 2) die ihnen zugesandten Vertragsentwürfe trotz mehrfacher Aufforderung nicht zurückgesandt hätten. Das LSG habe des weiteren bei der Prüfung, ob zwischen dem Kläger und den Beigeladenen zu 1) und 2) ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis bestanden habe, nicht alle hierfür charakteristischen Merkmale untersucht. Es habe zu Unrecht die fehlende Möglichkeit der Beigeladenen zu 1) und 2), auf Zeit und Dauer der Arbeitsleistung Einfluß zu nehmen, als ein für die Annahme von abhängiger Beschäftigung maßgebendes Kriterium angesehen. Gegen ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis spreche insbesondere, daß der Kläger außerhalb der festgelegten Beförderungszeiten über die Arbeitskraft der Beigeladenen zu 1) und 2) nicht habe verfügen können. Die Beigeladenen zu 1) und 2) seien nicht zur Ausführung anderer Arbeiten verpflichtet gewesen. Soweit das LSG die Auffassung vertrete, die Beigeladenen zu 1) und 2) hätten auch hinsichtlich der Art und Weise der Ausführung ihrer Tätigkeit einem Weisungsrecht der Klägerin unterlegen, werde dies durch die von den Vorinstanzen getroffenen Feststellungen nicht gedeckt. Die Einweisung der Beigeladenen zu 1) und 2) sei allein durch die Busunternehmen erfolgt; eine Kontrolle habe nicht stattgefunden. Insbesondere das Fehlen “arbeitsbezogener” Weisungen des Klägers und die Verpflichtung, bei Verhinderungen einen Vertreter zu stellen, sprächen gegen ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis. Das LSG habe auch die für die Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses wesentliche Frage, ob die Beigeladenen zu 1) und 2) in die Betriebsorganisation des Klägers eingegliedert gewesen seien, nicht geklärt.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 29. Mai 1981, das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 22. August 1980 und den Bescheid der Beklagten vom 26. April 1979 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Oktober 1979 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Die Beigeladene zu 3) beantragt ebenfalls die Zurückweisung der Revision. Die übrigen Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.

Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes – SGG –).

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision des Klägers ist zulässig, aber nicht begründet.

Das LSG ist zutreffend von der Zulässigkeit der Klage ausgegangen, da das rechtskräftige Urteil des SG Heilbronn vom 10. Oktober 1978 (S 5 Kr 736/78) einen anderen Streitgegenstand betraf. Ob die Beklagte wegen dieses Urteils, das möglicherweise auch gegenüber dem Kläger als Rechtsnachfolger der Stadt S.… in der Schulträgereigenschaft Wirkung entfaltete, an einer erneuten Entscheidung der durch Bescheid vom 30. März 1978 bereits festgestellten Versicherungspflicht der Beigeladenen zu 1) und 2) gehindert war, konnte das LSG dahingestellt sein lassen, da auch die erneute sachliche Prüfung die Versicherungspflicht der Betroffenen ergeben hat.

Die Beigeladenen zu 1) und 2) waren während der hier fraglichen Zeit beim Kläger abhängig beschäftigt und unterlagen daher der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 165 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 der Reichsversicherungsordnung – RVO – iVm § 165 Abs. 2 RVO) und Rentenversicherung (§ 1227 Abs. 1 Nr. 1 RVO bzw § 2 Abs. 1 Nr. 1 des Angestelltenversicherungsgesetzes – AVG –).

SG und LSG haben ihren Entscheidungen die ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Abgrenzung von abhängiger Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit (sogenannte Statusbeurteilung) zugrunde gelegt. Danach liegt eine abhängige Beschäftigung vor, wenn der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist (BSGE 20, 6, 8 = SozR Nr. 41 zu § 165 RVO; BSGE 35, 20, 21 = SozR Nr. 34 zu § 539 RVO; BSGE 38, 53, 57; SozR Nrn. 62, 68, 71 und 72 zu § 165 RVO, SozR 2200 § 1227 Nr. 4; BSGE 45, 199, 200 = SozR 2200 § 1227 Nr. 8; SozR 2200 § 1227 Nrn. 19 und 34; BSGE 51, 164, 167 = SozR 2400 § 2 Nr. 16). Die persönliche Abhängigkeit kommt in der Regel darin zum Ausdruck, daß der Beschäftigte in einen fremden Betrieb eingegliedert ist und einem Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt, das Zeit, Dauer und Ort der Arbeitsleistung umfaßt (BSG SozR 2200 § 1227 Nr. 19, S 42 mwN). Bei der Überprüfung dieser Voraussetzungen sind alle Umstände des Falles zu berücksichtigen. Soweit danach sowohl Merkmale der Abhängigkeit als auch der Selbständigkeit vorliegen, kommt es bei der notwendigen Beurteilung des Gesamtbildes darauf an, welche Merkmale überwiegen (BSGE 51, 164, 167 = SozR 2400 § 2 Nr. 16; SozR 2200 § 165 Nr. 45; SozR 2200 § 166 Nr. 5; SozR 2200 § 1227 Nr. 19; BSGE 45, 199, 200 = SozR 2200 § 1227 Nr. 8 und SozR 2200 § 1227 Nr. 34).

Bei den Beigeladenen zu 1) und 2) überwiegen die Merkmale, die für das Vorliegen einer versicherungspflichtigen abhängigen Beschäftigung sprechen. Auch soweit der Kläger im Revisionsverfahren allein auf die tatsächliche Ausgestaltung der Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) und 2) abstellt und das Vorliegen vertraglicher Bindungen – im Gegensatz zu den Vorinstanzen – wegen der von den Beigeladenen zu 1) und 2) nicht zurückgesandten Vertragsentwürfe in Abrede stellt, können hieraus keine abweichenden Schlußfolgerungen gezogen werden. Zunächst trifft schon die Auffassung des Klägers nicht zu, aus der Tatsache, daß die Betroffenen die ihnen zugesandten Vertragsentwürfe nicht zurückgesandt und sich nach seiner Darstellung auch geweigert hätten, diese zurückzusenden, müsse der Schluß gezogen werden, daß sie kein Rechtsverhältnis zum Kläger begründen wollten. Der Vertragsabschluß kann auch stillschweigend erfolgt sein, zunächst zu den Bedingungen, die tatsächlich praktiziert wurden. Es könnte dann ebenfalls im wesentlichen von den Verträgen ausgegangen werden; denn aus den Darlegungen des Klägers ergibt sich nicht, daß sich die Beigeladenen zu 1) und 2) bei ihrem Einsatz als Begleiterinnen von Schulbussen anders verhalten haben, als dies in den “Vertragsentwürfen” des Klägers beschrieben ist. Aber selbst wenn es zu keiner Einigung gekommen ist, hat zumindest faktisch eine Beziehung mit dem Inhalt bestanden, wie er den “Vertragsentwürfen” entsprechend praktiziert wurde. Dies alles kann jedoch letztlich dahingestellt bleiben, da auch vertragliche Vereinbarungen zwischen den Beteiligten nur insoweit von Bedeutung sind, als sie von den tatsächlichen Verhältnissen nicht abweichen (BSGE 35, 20, 21; 38, 53, 57; BSG SozR 2200 § 1227 Nr. 4; BSGE 45, 199, 200f = SozR 2200 § 1227 Nr. 8 – mwN – und SozR 2200 § 1227 Nr. 19). Schon bei der Beurteilung der arbeitsrechtlichen Frage, ob ein Arbeitsverhältnis vorliegt, ist nicht in erster Linie maßgebend, wie die Beteiligten ihre Vertragsbeziehungen rechtlich werten, sondern welche Qualität sie bei objektiver Betrachtung tatsächlich haben (vgl BAGE 12, 303; 14, 17; 19, 324 und zuletzt Urteile des BAG vom 25. August 1982, 5 AZR 7, 14, 300/81).

Dies gilt um so mehr bei der Feststellung, ob im sozialversicherungsrechtlichen Sinn ein Beschäftigungsverhältnis vorliegt (vgl. insbesondere Urteil des erkennenden Senats vom 29. Januar 1981, – 12 RK 63/79 – BSGE 51, 164, 167). Denn hier ist zusätzlich noch der Schutzzweck der Sozialversicherung, den abhängig Beschäftigten wegen ihrer sozialen Schutzbedürftigkeit ein öffentlichrechtliches Sicherungssystem zur Verfügung zu stellen, zu beachten. Gerade die Zugehörigkeit der Sozialversicherung zum öffentlichen Recht läßt es nicht zu, daß die Beurteilung einer Arbeitsleistung als selbständig oder abhängig, an die das Sozialversicherungsrecht in der Regel die Versicherungsfreiheit bzw Versicherungspflicht anknüpft, allein nach den Erklärungen in einer privatautonomen Vereinbarung erfolgt (vgl Urteil des erkennenden Senats vom 29. Januar 1981 – 12 RK 63/79 – BSGE 51, 164, 167).

Die vorliegend vorgenommene Kennzeichnung der Tätigkeit als selbständige im Rahmen einer Vereinbarung, der Ausschluß steuerlicher und sozialversicherungsrechtlicher Verpflichtungen des Klägers und der Ausschluß typischer Arbeitnehmerrechte wie etwa der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall können daher zwar als Indiz dafür gewertet werden, daß die Vertragsschließenden eine Tätigkeit als freier Mitarbeiter begründen wollten (BSG SozR 2200 § 165 Nr. 45). Die Indizwirkung der im Vertrag zum Ausdruck kommenden Wertung der Beteiligten hinsichtlich des Status der Beigeladenen zu 1) und 2) wird jedoch dadurch wieder beseitigt, daß die tatsächliche Ausgestaltung ihres beruflichen Einsatzes als Begleiterinnen von Schülertransporten für eine abhängige Beschäftigung spricht.

Die Abhängigkeit der Beigeladenen zu 1) und 2) bei ihrem Einsatz kommt zunächst schon darin zum Ausdruck, daß sie nur einen Bestandteil der Schulbusorganisation des Klägers bildeten und damit in einen “übergeordneten Organismus” eingegliedert waren. In einem derartigen Fall kommt es nicht entscheidend darauf an, ob den Beschäftigten vom Beschäftigenden tatsächlich Weisungen erteilt wurden. Die Weisungsgebundenheit des Arbeitnehmers verfeinert sich in einem solchen Fall vielmehr zur funktionsgerechten, dienenden Teilhabe am Arbeitsprozeß (BSGE 16, 289, 294). Durch die Organisation und grundsätzlich auch die Finanzierung (vgl § 18 Abs. 1 Finanzausgleichsgesetz-Baden-Württemberg) der Beförderung von lernbehinderten Schülern bestimmt der Kläger zumindest mittelbar Zeit, Dauer, Ort und Art der von den Beigeladenen zu 1) und 2) zu erbringenden Arbeitsleistung. Zwar haben sich diese unmittelbar nach den Abfahrtzeiten der Schulbusse zu richten, doch werden diese Zeiten vom organisatorischen Ablauf des Schulbetriebes bestimmt, der der Einflußsphäre des Klägers als Schulträger auch dann zuzurechnen ist, wenn er hierauf selbst keinen unmittelbaren Einfluß nehmen kann. Dies folgt schon aus seiner mit der Schulträgerschaft verbundenen Verpflichtung, für die Ausstattung des Schulbetriebes mit sächlichen Mitteln – zu denen auch die Bereitstellung des Schulbustransportes zählt – Sorge zu tragen. Gerade die Beförderung von geistig behinderten Schülern kann ohne ein Mindestmaß an Kontrolle und Einflußnahme des hierfür zuständigen Schulträgers nicht sachgerecht durchgeführt werden. Auch wenn der Kläger diese Pflichten, solange es nicht zu Störungen kommt, auf das Lehrpersonal der Schule oder gar den Busunternehmer überträgt, so steht doch letztlich allein ihm ein Weisungsrecht, im Konfliktfall sogar eine Weisungspflicht, zu.

Die Rechtsstellung der Beigeladenen zu 1) und 2) kann im Hinblick auf die Weisungsgebundenheit nicht mit derjenigen von Lehrkräften an Volks- und Fachhochschulen und Universitäten verglichen werden, bei denen der erkennende Senat eine abhängige Beschäftigung verneint hat, wenn diese für ein thematisch und sachlich begrenztes Gebiet semesterweise mit Lehrveranstaltungen beauftragt werden (vgl SozR 2200 § 165 Nrn. 36, 45 und 61). Zwar hat der Senat in diesen Entscheidungen klargestellt, daß auch Selbständige in ihren Handlungsmöglichkeiten begrenzt sein können. Diese Begrenzungen beruhen dort aber nicht auf Einzelanordnungen, sondern erfolgen vielmehr durch generell-abstrakte Leitlinien, deren Beachtung zur Erreichung des mit der Tätigkeit verbundenen Ziels notwendig ist. Hat der Weisungsberechtigte jedoch die Möglichkeit, die gesamte Durchführung einer Arbeitsleistung im einzelnen zu bestimmen, so schließt dies das Merkmal der Selbständigkeit in der Regel aus (vgl insbesondere BSG SozR 2200 § 165 Nr. 36 unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BAG und BFH). Die für eine abhängige Beschäftigung charakteristische Weisungsgebundenheit liegt nicht nur dann vor, wenn der Beschäftigende tatsächlich Weisungen erteilt. Entscheidend ist vielmehr, daß ihm aufgrund vertraglicher Abmachungen das Recht zusteht und er aufgrund der tatsächlichen Gegebenheiten auch die Möglichkeit hat, die gesamte Durchführung der betroffenen Beschäftigung zu bestimmen (BSGE 8, 278, 282 f.; 11, 257, 259 f.; 13, 130, 132 f. = SozR Nr. 20 zu § 165 RVO; BSGE 35, 20, 24 = SozR Nr. 34 zu § 539 RVO und SozR 2200 § 165 Nr. 45).

Weisungsfrei sind in der Regel solche Tätigkeiten, bei denen dem Ausübenden nur die Ziele seiner Tätigkeit vorgegeben sind, während es seiner Entscheidung überlassen bleibt, die Art und Weise zu bestimmen, wie er diese Ziele erreicht (BSGE 36, 7, 10 f.; SozR 2200 § 165 Nr. 45).

Die Beigeladenen zu 1) und 2) waren in den ihnen von dem Kläger unterbreiteten Verträgen lediglich verpflichtet worden, “die im Hinblick auf die Behinderung der Schüler notwendigen Begleitaufgaben” wahrzunehmen. Hieraus kann nicht der Schluß gezogen werden, daß den Beigeladenen zu 1) und 2) nur “das Ziel ihrer Tätigkeit” vorgegeben gewesen sei. Dies ist grundsätzlich nur dann der Fall, wenn Einzelweisungen schon wegen der Eigenarten der zu erbringenden Tätigkeiten ausgeschlossen sind; wie etwa bei Lehrtätigkeiten an Hoch- und Fachhochschulen wegen der Lehrfreiheit (BSG SozR 2200 § 165 Nrn. 45 und 61) oder – wegen der erheblichen räumlichen Distanz der Vertragspartner – bei am Urlaubsort tätigen Reisebegleitern (BSGE 36, 7). Denkbar erscheint ein derartiger Freiraum bei der Ausgestaltung einer Tätigkeit zwar auch bei einfachen, von jedermann ohne spezielle Vor- und Ausbildung auszuübenden Arbeitsleistungen; doch müßte dies in einem solchen Fall von den Beteiligten besonders vereinbart worden und auch in der Eigenart der Tätigkeit begründet sein. Bei einfachen, typischen Arbeitnehmer-Verrichtungen, die der Beschäftigte ohne den Einsatz eigener Betriebsmittel im Einwirkungsbereich des Beschäftigenden ausübt, spricht die Vermutung sonst für ein weisungsgebundenes Beschäftigungsverhältnis.

Hier fehlt es an derartigen besonderen Gründen dafür, daß die Ausgestaltung der grundsätzlich von jedermann ausübbaren Busbegleitertätigkeit ausschließlich den Beigeladenen zu 1) und 2) vorbehalten bleiben sollte. Hinzu kommt, daß der Kläger aufgrund seiner Stellung als für die Busbegleitung verantwortlicher Schulträger auf das Recht zur Erteilung von Einzelweisungen gar nicht verzichten durfte. Er hätte spätestens dann gezielte Anordnungen erteilen müssen, wenn es zu Störungen bei der Beförderung der Schüler gekommen wäre. Sei es, daß die Beaufsichtigung durch die Beigeladenen zu 1) und 2) nicht den Vorstellungen der Eltern entsprochen hätte; sei es, daß die Busunternehmer oder die von ihnen eingesetzten Busfahrer mit der Durchführung der Schülerbegleitung durch die Beigeladenen zu 1) und 2) nicht einverstanden gewesen wären. Durch die Beauftragung der Beigeladenen zu 1) und 2) mit der Busbegleitung lernbehinderter Schüler konnte der Kläger seine Verantwortung für das Funktionieren der Beförderung nicht endgültig auf die Beigeladenen zu 1) und 2) abwälzen. Er war vielmehr auch weiterhin zur Kontrolle, die er etwa auf den Schulleiter delegieren konnte, und gegebenenfalls auch zum Einschreiten verpflichtet.

Die Arbeitsleistung der Beigeladenen zu 1) und 2) weist darüber hinaus allenfalls in nicht ausschlaggebenden Teilbereichen Merkmale der Selbständigkeit auf. Eine selbständige Tätigkeit wird grundsätzlich durch das eigene Unternehmerrisiko, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet (BSGE 13, 196, 201; 16, 289, 293; 35, 20, 21; 38, 53, 57 = SozR 4600 § 56 Nr. 1; BSG SozR Nr. 68 zu § 165 RVO; BSG SozR 2200 § 1227 Nr. 4; BSGE 45, 199, 200 = SozR 2200 § 1227 Nr. 8 und BSG SozR 2200 § 1227 Nrn. 19 und 34). Diese Merkmale fehlen bei den Beigeladenen zu 1) und 2) nahezu völlig. Für die Annahme einer selbständigen Tätigkeit sprechen allenfalls zwei Merkmale: Zum einen die fehlende Verpflichtung der Beigeladenen zu 1) und 2), andere Tätigkeiten als die ihnen übertragene Begleitung von Schülertransporten für den Kläger zu übernehmen und zum anderen die Möglichkeit und Verpflichtung, bei einer Verhinderung bis zu fünf Tagen selbst einen zuverlässigen Stellvertreter zu stellen. Dem kann aber keine ausschlaggebende Bedeutung beigemessen werden. Die Einschränkung der Entgeltfortzahlung – auch im Krankheitsfalle beruht dagegen selbst auf der Prämisse, daß es sich um eine selbständige Tätigkeit handelt, sie kann ihrerseits diese Qualifizierung nicht begründen.

Der Ausschluß der Umsetzungsmöglichkeit innerhalb der Verwaltungsorganisation des Klägers ist im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses zwar unüblich, andererseits jedoch nicht so ungewöhnlich, daß hieraus auf eine selbständige Ausübung der Tätigkeit geschlossen werden könnte. Denn auch im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses kann eine Umsetzung vertraglich ausgeschlossen sein. Soweit ein Arbeitnehmer nur für eine bestimmte Arbeitsleistung angenommen und diese Beschränkung zum Gegenstand des Arbeitsvertrages wird, ist es dem Arbeitgeber stets verwehrt, dem Arbeitnehmer einseitig eine andere Beschäftigung zuzuweisen (BAG in AP Nr. 2 zu § 611 BGB “Beschäftigungspflicht”). Die fehlende Möglichkeit einer Umsetzung spricht daher noch nicht für die Selbständigkeit einer Arbeitsleistung. Schwerer wiegt dagegen die Möglichkeit und die Pflicht, einen Verhinderungsvertreter zu stellen. Solche Rechte oder Pflichten stehen einem abhängig Beschäftigten typischerweise nicht zu. Andererseits zeigt die Ausgestaltung und Handhabung der Vertretungsbefugnis, daß der Kläger seine Verantwortung für eine sachgerechte Begleitung der Schülertransporte nur in beschränktem Umfang auf die Beigeladenen zu 1) und 2) übertragen hat. Denn bei einer mehr als fünf Tage andauernden Verhinderung mußten diese die Zustimmung des Schulleiters, der in dieser Funktion wiederum für den Kläger tätig wurde, einholen. Die Möglichkeit der Betroffenen, bei kurzzeitiger Verhinderung allein einen Vertreter bestimmen zu können, entspricht von daher in erster Linie dem praktischen Bedürfnis des Klägers, sich wegen fehlenden Personals, das für eine Vertretung erforderlich wäre, nicht bei jeder vorübergehenden Verhinderung der Begleitpersonen selbst um den Einsatz von Ersatzpersonen kümmern zu müssen, was die Betroffenen wegen größerer Ortsnähe mit einem geringeren Aufwand besorgen konnten. Zudem hat der in § 613 Satz 1 BGB enthaltene Grundsatz, wonach die geschuldete Arbeit im Zweifel in Person zu leisten ist, dann keine Bedeutung, wenn sich die Beteiligten im Einzelfall für die Zulässigkeit einer Vertretung aussprechen (vgl. Hueck-Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, 7. Aufl, 1. Band, § 33 I; Staudinger-Nipperdey, BGB, 11. Aufl, § 613 RdNr. 8). Auch dies spricht nicht grundsätzlich gegen das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses (so auch: BSGE 35, 20, 26; BSG SozR Nr. 16 und 28 zu § 165 RVO). Etwas anderes gilt lediglich dann, wenn die Vertragspartner vereinbaren, daß nicht eigene Arbeit geleistet, sondern eine fremde Arbeitskraft zur Verfügung gestellt werden soll. In diesem Zusammenhang kommt es wesentlich darauf an – und hierauf hat auch das LSG seine Entscheidung gestützt –, daß es den Beigeladenen zu 1) und 2) nicht freistand, beliebig oft bis zu fünf Tagen einen Vertreter zu entsenden und die dem Kläger gegenüber eingegangene Verpflichtung nicht in eigener Person zu erfüllen. Zulässig war eine Vertretung vielmehr nur bei einer Verhinderung der Betroffenen; wobei allerdings zuzugestehen ist, daß der Verhinderungsfall von den Beteiligten nicht näher definiert wurde, so daß seine Bestimmung im wesentlichen von der Entscheidung der Beigeladenen zu 1) und 2) abhing. Dies ändert jedoch nichts daran, daß sie in erster Linie verpflichtet waren, die übernommenen Dienste selbst zu erbringen und nur im Ausnahmefall einen selbstbeschafften Vertreter entsenden konnten.

Die Befugnis der Beigeladenen zu 1) und 2), im Falle der Verhinderung einen Vertreter zu stellen, war des weiteren auch nicht mit der – für eine selbständige Tätigkeit charakteristischen – Möglichkeit einer Gewinnvermehrung verbunden. Die Beigeladenen zu 1) und 2) konnten ihr Einkommen nicht wie etwa ein Unternehmer durch den Einsatz von Hilfskräften steigern. Jeder Einsatz einer Ersatzkraft – ob selbstbeschafft oder vom Kläger gestellt – schmälerte nach der vereinbarten und auch praktizierten Vergütungsregelung die eigenen Einkünfte der Beigeladenen. Eine Ausweitung der Einkommensmöglichkeiten durch vermehrte Busbegleitungen war ebenfalls nicht möglich, da deren Anzahl vom Kläger festgelegt wurde. Von einem für Selbständigkeit sprechenden Unternehmerrisiko kann dann nicht mehr die Rede sein, wenn wie hier mit der Aufbürdung eines Einkommensrisikos kein größerer wirtschaftlicher und persönlicher Freiraum verbunden ist, sondern nur typische Arbeitgeberrisiken auf den Beschäftigten abgewälzt werden (vgl. insbesondere BSG SozR 2200 § 1227 Nr. 17).

Außerdem sind sowohl das LSG als auch das SG – im Gegensatz zum Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg (Urteil vom 26. November 1982, 9 Sa 109/82) in einem vergleichbaren Fall – zutreffend davon ausgegangen, daß die Möglichkeit und Verpflichtung der Beigeladenen zu 1) und 2), für kurzzeitige Verhinderungen selbst einen Vertreter zu stellen, im Rahmen der bei der Statusbeurteilung erforderlichen Gesamtbetrachtung nicht von so ausschlaggebendem Gewicht ist, daß allein hierauf die Einordnung als selbständige Tätigkeit gestützt werden kann. Das Schwergewicht der die Arbeitsleistung der Beigeladenen zu 1) und 2) kennzeichnenden Merkmale liegt bei denjenigen, die für eine abhängige Beschäftigung sprechen.

Die Vorinstanzen haben des weiteren zutreffend deutlich gemacht, daß es bei der Statusbeurteilung der Beigeladenen zu 1) und 2) nicht darauf ankommt, ob im Haushalt des Klägers oder des Landes Baden-Württemberg Stellen für Begleitpersonen von Schulbussen ausgewiesen sind oder wer die Kosten für die Bezahlung von Begleitpersonen letztlich trägt. Denn diese aus dem öffentlichen Haushaltsrecht stammenden Gesichtspunkte spielen schon im Rahmen der nach arbeitsrechtlichen Maßstäben zu beurteilenden Frage, ob ein Arbeitsverhältnis begründet wurde, keine Rolle. Das Vorliegen eines privatrechtlichen Beschäftigungsverhältnisses ist auch bei juristischen Personen des öffentlichen Rechts nicht davon abhängig, daß die entsprechende Stelle haushaltsrechtlich erfaßt ist.

Die Revision ist nach alledem zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1337432

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