Beteiligte

1. Freie und Hansestadt Hamburg

2. Deutsche Angestellten Krankenkasse

Bundesversicherungsanstalt für Angestellte

 

Tenor

Die Revision der Beigeladenen zu 1) gegen das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 10. September 1997 wird zurückgewiesen.

Die Beigeladene zu 1) hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten. Im übrigen sind außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens nicht zu erstatten.

 

Gründe

I

Streitig ist die Versicherungspflicht in der Rentenversicherung.

Der 1947 geborene Kläger studierte seit Oktober 1974 Rechtswissenschaften an der Universität Hamburg im Rahmen der einstufigen Juristenausbildung. Er schloß den ersten Studienabschnitt im September 1977 erfolgreich ab. Im Rahmen des zweiten Studienabschnitts absolvierte er vom 1. Oktober 1977 bis 14. Januar 1978 das Zivilrechtspraktikum II beim Amtsgericht Hamburg, vom 17. Januar 1978 bis 21. April 1978 das Verwaltungspraktikum II beim Finanzamt Hamburg-Hansa und vom 1. Juni 1978 bis 14. Oktober 1978 das Rechtsanwaltspraktikum. Es folgte das Schwerpunktpraktikum vom 16. Oktober 1978 bis 31. März 1979 beim Landgericht Hamburg sowie vom 17. April 1979 bis 15. Oktober 1979 bei der Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Landwirtschaft und beim Bezirksamt Bergedorf. Soweit sich die Praktika mit der Vorlesungszeit der Universität deckten, entfielen auf die praktische Ausbildung höchstens 3,5 Arbeitstage pro Woche. Die vorlesungsfreie Zeit diente ausschließlich der praktischen Ausbildung. Am 30. April 1982 bestand der Kläger die Staatsprüfung im Abschlußverfahren der einstufigen Juristenausbildung. Während des gesamten zweiten Studienabschnitts bezog er eine Ausbildungsbeihilfe in Höhe des Doppelten der Beihilfe nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG).

Im Juni 1989 beantragte der Kläger bei der beklagten Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) die Nachversicherung für die Zeiten der während des zweiten Studienabschnitts zurückgelegten Praktika nach § 9 Abs 1 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG). Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 6. September 1989 und Widerspruchsbescheid vom 1. November 1989 ab, weil der Kläger während der Praxiszeiten nicht gemäß § 6 Abs 1 Nr 2 oder 3 AVG versicherungsfrei gewesen sei. Er sei nicht Beamter oder sonstiger Beschäftigter in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis gewesen, das ihm lebenslängliche Versorgung und Hinterbliebenenversorgung gewährleistet habe.

In dem anschließenden Klageverfahren hat das Sozialgericht (SG) die Freie und Hansestadt Hamburg zu dem Rechtsstreit beigeladen (Beigeladene zu 1) und die Klage durch Urteil vom 4. Juni 1996 abgewiesen. Der Kläger hat Berufung eingelegt. Das Landessozialgericht (LSG) hat in der mündlichen Verhandlung am 10. September 1997 darauf hingewiesen, daß in einem beim selben Senat früher anhängig gewesenen Rechtsstreit der damalige geschäftsführende Referent des Ausbildungs- und Prüfungsamtes für die einstufige Juristenausbildung in Hamburg als sachverständiger Zeuge gehört worden sei. Die damals ebenfalls beklagte BfA habe nach der Vernehmung des Zeugen und dem Hinweis auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 11. Juni 1992 - 12 RK 46/90 (SozR 3-2940 § 2 Nr 2 zu Praxiszeiten der einstufigen Juristenausbildung in Bremen) die vom dortigen Kläger im Rahmen der einstufigen Juristenausbildung in Hamburg zurückgelegten Praktika als rentenversicherungspflichtige Ausbildungszeiten anerkannt. Der Kläger des vorliegenden Rechtsstreits hat daraufhin die Berufung gegen das Urteil des SG vom 4. Juni 1996 zurückgenommen, gleichzeitig aber beantragt festzustellen, daß während seiner Praktika im Rahmen der einstufigen Juristenausbildung in Hamburg von Oktober 1977 bis Oktober 1979 Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung bestanden hat. Das LSG hat dieser Klage durch Urteil vom 10. September 1997 stattgegeben.

Die Beigeladene zu 1) rügt mit ihrer Revision eine Verletzung des § 2 Abs 1 Nr 1 AVG und des § 2 Abs 2 Nr 1 iVm § 7 Abs 2 des Sozialgesetzbuchs – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (SGB IV).

Die Beigeladene zu 1) beantragt,

das Urteil des LSG vom 10. September 1997 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Er hält das Urteil des LSG für zutreffend.

Die Beklagte hat sich zur Sache nicht geäußert. Der Senat hat die Deutsche Angestellten Krankenkasse als Einzugsstelle beigeladen (Beigeladene zu 2). Sie beantragt ebenfalls,

die Revision zurückzuweisen.

II

Die Revision der Beigeladenen zu 1) ist unbegründet.

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist die Entscheidung des LSG über die in der Berufungsinstanz im Wege der Klagänderung erhobene Klage auf Feststellung, daß der Kläger während der Praktika (1. Oktober 1977 bis 14. Januar 1978, 17. Januar 1978 bis 21. April 1978, 1. Juni 1978 bis 14. Oktober 1978, 16. Oktober 1978 bis 31. März 1979 und vom 17. April 1979 bis 15. Oktober 1979) angestelltenversicherungspflichtig beschäftigt war. Über eine Nachversicherung des Klägers hat das LSG nicht mehr entschieden. Die eine Nachversicherung ablehnenden Bescheide der Beklagten sind bindend geworden, nachdem der Kläger seine Berufung gegen das Urteil des SG, mit dem die hiergegen gerichtete Klage abgewiesen worden ist, zurückgenommen hat; dieses Urteil ist damit rechtskräftig geworden.

Die Zulassung der Klagänderung durch das LSG ist nach § 99 Abs 4 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) unanfechtbar. Das LSG hat die geänderte Klage mit Recht als zulässig angesehen; die Zulässigkeit scheitert insbesondere nicht am Fehlen eines Verwaltungsverfahrens zur Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung (vgl BSG SozR 3-2940 § 2 Nr 2 S 11). Die bisher unterbliebene Beiladung der zur Entscheidung auch über die Versicherungspflicht in der Rentenversicherung zuständigen Einzugsstelle (früher § 121 Abs 3 AVG, heute § 28h Abs 2 SGB IV) hat der Senat gemäß § 168 Satz 2 SGG mit deren Zustimmung nachgeholt.

Auch in der Sache ist die Entscheidung des LSG nicht zu beanstanden. Die Versicherungspflicht des Klägers während der Praktika zwischen Oktober 1977 und Oktober 1979 beruhte auf § 2 Abs 1 Nr 1 AVG idF des am 1. Juli 1977 in Kraft getretenen SGB IV vom 23. Dezember 1976 (BGBl I 3845; vgl Art 2 § 19 iVm Art 2 § 1 Nr 1a SGB IV). Diese Vorschrift bestimmte, daß alle Personen in der Rentenversicherung der Angestellten versicherungspflichtig sind, die als Angestellte gegen Arbeitsentgelt (§ 14 SGB IV) oder die als Lehrling oder sonst zu ihrer Ausbildung für den Beruf eines Angestellten beschäftigt sind. Die Vorschrift verwirklichte für die Rentenversicherung die Regelung des § 2 Abs 2 Nr 1 SGB IV, nach der Personen, die gegen Arbeitsentgelt oder zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt sind, in allen Zweigen der Sozialversicherung nach Maßgabe der besonderen Vorschriften für die einzelnen Versicherungszweige versichert sind. Dabei gilt nach § 7 Abs 2 SGB IV als Beschäftigung auch der Erwerb beruflicher Kenntnisse, Fertigkeiten oder Erfahrungen im Rahmen betrieblicher Berufsbildung.

Das BSG hat hierzu bereits entschieden, daß die Absolventen der früheren einstufigen Juristenausbildungen in den Ländern Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Bremen während der jeweils im zweiten Studienabschnitt abzuleistenden Praktika eine Beschäftigung zur Berufsausbildung iS des § 7 Abs 2 SGB IV ausübten und entweder nach § 9 Abs 1 AVG nachzuversichern sind oder Versicherungspflicht in der Rentenversicherung nach § 2 Abs 1 Nr 1 AVG bestand (Nachversicherung wegen Versicherungsfreiheit nach § 6 Abs 1 Nr 2 oder 3 AVG: BSGE 64, 130 = SozR 2200 § 1232 Nr 26 und Urteil vom 6. Oktober 1988 - 1 RA 51/87, Rheinland-Pfalz; Urteil vom 6. Oktober 1988 - 1 RA 53/86, Baden-Württemberg. – Versicherungspflicht aufgrund eines öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnisses: BSGE 66, 211 = SozR 3-2940 § 2 Nr 1, Nordrhein-Westfalen; BSG SozR 3-2940 § 2 Nr 2, Bremen. – Zur Rechtslage in Bayern vgl BSGE 76, 267 = SozR 3-2200 § 1232 Nr 5 und BSG SozR 3-2200 § 1232 Nr 6). Das LSG hat sich im vorliegenden Verfahren für die Praktika während des zweiten Studienabschnitts der einstufigen Juristenausbildung in Hamburg der genannten Rechtsprechung angeschlossen. Es hat unter Würdigung der Hamburgischen Juristenausbildungsordnung (JAO) vom 10. Juli 1972 (Hamburgisches Gesetz- und Verordnungsblatt ≪GVBl≫ I 133, 148, 151) mit Änderungen vom 30. April 1973 (GVBl I 169) und vom 27. Februar 1978 (GVBl I 63) und der Aussage des in dem früheren Rechtsstreit gehörten sachverständigen Zeugen die Versicherungspflicht in der Angestelltenversicherung während dieser Praktika bejaht und ausgeführt:

Die Praktika seien ähnlich ausgestaltet gewesen wie die während der einstufigen Juristenausbildung in Bremen, für die das BSG im Urteil vom 11. Juni 1992 (SozR 3-2940 § 2 Nr 2) Versicherungspflicht in der Angestelltenversicherung bestätigt habe. Zwar sei der Student der hamburgischen einstufigen Juristenausbildung mit Beginn des zweiten Studienabschnitts nicht durch einen besonderen, förmlichen Akt in ein öffentlich-rechtliches Ausbildungsverhältnis (Praktikantenverhältnis) berufen worden. Auch ohne Aufnahme in ein Rechtspraktikantenverhältnis durch Verwaltungsakt habe jedoch eine deutliche Trennung der überwiegend theoretischen Ausbildung während des ersten Studienabschnitts von der anschließenden praktischen Ausbildung im zweiten Studienabschnitt bestanden. Eine Zäsur in dem gemäß § 45 Satz 1 JAO einheitlichen Ausbildungs- (nicht: Studien-)gang stelle schon das gemäß § 46 Abs 2 JAO für den Übergang in den zweiten Studienabschnitt erforderliche Zeugnis über den erfolgreichen Abschluß des ersten Studienabschnitts dar. Darüber hinaus seien die den zweiten Studienabschnitt einleitenden Praktika wie auch beim Kläger in durchgehenden Blöcken von bis zu zehn Monaten mit kurzzeitigen Unterbrechungen durchgeführt worden und hätten sich insofern erheblich von den auch während des ersten Studienabschnitts abzuleistenden praktischen Ausbildungen unterschieden. Während der Praktika hätten zwar mit Ausnahme der vorlesungsfreien Zeit auch theoretische Lehrveranstaltungen stattgefunden (§ 46 Abs 2 JAO). Diese hätten jedoch unter Berücksichtigung ihres zeitlichen Umfangs und der Dauer der Praxisblöcke lediglich begleitende Bedeutung gehabt, vergleichbar dem Berufsschulunterricht im dualen Berufsbildungssystem. Die Bezeichnung der während des zweiten Studienabschnitts gezahlten Ausbildungsbeihilfe und deren Bemessung nach der Beihilfe nach dem BAföG – allerdings in doppelter Höhe – spreche nicht gegen die Versicherungspflicht während der Praxiszeiten. Vielmehr sei die Zahlung einer Vergütung mit Aufnahme der Praktika ein weiteres Indiz für das Vorliegen eines abgrenzbaren rentenversicherungspflichtigen Ausbildungsverhältnisses. Entscheidend sei, daß nach Aussage des sachverständigen Zeugen die Organisation der Praktika und ihre inhaltliche Ausgestaltung allein in den Händen des Präsidenten des Hanseatischen Oberlandesgerichts (HOLG) als Präsident des Ausbildungs- und Prüfungsamtes für die einstufige Juristenausbildung gelegen habe. Dieser habe Einzelheiten des Praktikums in Zusammenarbeit mit den jeweiligen Gerichten bestimmt. Ein unmittelbarer Einfluß der Universität auf den Ablauf der Praktika habe nicht bestanden. In wichtigen Fragen sei lediglich Einvernehmen mit der Universität hergestellt und es seien die Hochschullehrer, die den jeweiligen universitären Schwerpunkt gestaltet hätten, in die Planungen einbezogen worden. Nach dem Verständnis des Ausbildungs- und Prüfungsamtes hätten sich die Absolventen des zweiten Studienabschnitts neben ihrem Status als Student in einem öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnis befunden, das durch den Präsidenten des HOLG organisiert und geleitet worden sei. Gesetzlicher Anknüpfungspunkt dafür sei ua § 49 JAO gewesen. Diese Regelung sei zB dann bedeutsam gewesen, wenn es um Disziplinarmaßnahmen, die Personalaktenführung und ähnliche praktische Dinge gegangen sei. Unter Berücksichtigung dieser tatsächlichen Ausgestaltung unterschieden sich die Praktika der einstufigen Juristenausbildung in Hamburg ungeachtet gewisser Abweichungen nach ihrer Dauer, der Aufteilung und dem Inhalt nicht so wesentlich von den in der Rechtsprechung des BSG zur Rentenversicherung behandelten Praktika der einstufigen Ausbildungsgänge in Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und insbesondere Bremen, daß eine andere Beurteilung geboten wäre. Vielmehr sprächen Gründe der Gleichbehandlung dafür, auch die Praktika der Absolventen der hamburgischen einstufigen Juristenausbildung als rentenversicherungspflichtige Beschäftigungszeiten anzusehen.

Diese Ausführungen lassen eine Verletzung von Bundesrecht, auf die die Revision nach § 162 SGG allein gestützt werden kann, nicht erkennen. Nicht zu beanstanden ist, daß das LSG die Praktika im zweiten Studienabschnitt der hamburgischen einstufigen Juristenausbildung als rentenversicherungspflichtige Ausbildungsverhältnisse angesehen hat, obwohl ihnen eine förmliche Berufung in ein Rechtspraktikantenverhältnis nicht vorausgegangen war. Das BSG hat in seiner Rechtsprechung bei der Abgrenzung der Ausbildungen innerhalb des Studiums und als dessen Bestandteil von den Praktika im Rahmen öffentlich-rechtlicher Ausbildungsverhältnisse nicht entscheidend auf die „Berufung” (vgl BSGE 64, 130 = SozR 2200 § 1232 Nr 26) oder die „Aufnahme” (vgl BSGE 66, 211 = SozR 3-2940 § 2 Nr 1; BSG SozR 3-2940 § 2 Nr 2) in ein Rechtspraktikantenverhältnis abgestellt. Es hat vielmehr bei allen Praxiszeiten als wesentlich angesehen, ob sie nach ihrer rechtlichen und tatsächlichen Ausgestaltung organisatorisch und inhaltlich sowie nach ihrer Dauer von den Ausbildungsabschnitten des Studiums an der Universität abgrenzbare Beschäftigungszeiten zur Ausbildung waren (vgl insbesondere BSGE 66, 211, 213/214 = SozR 3-2940 § 2 Nr 1 S 3/4). Dies hat das LSG unter Anwendung des irreversiblen Landesrechts und Auswertung der Zeugenaussage bejaht. Die zugrundeliegenden rechtlichen und tatsächlichen Feststellungen des LSG sind für das Revisionsgericht grundsätzlich bindend (§ 163 SGG). Sie sind von der Revision nicht mit Verfahrensrügen angegriffen worden. Die Einwände der Revision richten sich vielmehr gegen die Bedeutung, die das LSG den Feststellungen für die Bewertung der Praktika als öffentlich-rechtliche Ausbildungsverhältnisse beigemessen hat. Die erhobenen Einwände greifen nicht durch.

Nicht zu folgen ist der Auffassung der Revision, die Einrichtung eines Ausbildungs- und Prüfungsamtes für die einstufige Juristenausbildung in Hamburg, dessen Präsident der Präsident des HOLG und dessen Vizepräsident ein Hochschullehrer war, besage nichts für die Zuordnung der Ausbildungszeiten entweder zum Studium oder zu einem öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnis. Die organisatorische Zuordnung zu einem beim Präsidenten des HOLG angesiedelten Ausbildungs- und Prüfungsamt mag zwar auch darauf beruhen, daß die Universität weder personell noch nach ihrer Verwaltungsstruktur für eine solche Aufgabe gerüstet war. Die Zuweisung war jedoch wesentlich aus Gründen der Sachnähe geboten. Wie die Revision selbst einräumt, ließen sich auf diese Weise am besten die Erfahrungen und Kenntnisse aus der Referendarausbildung der zweistufigen Juristenausbildung für die Ausgestaltung der Praktika im zweiten Studienabschnitt der einstufigen Juristenausbildung nutzbar machen. Danach kann nicht zweifelhaft sein, daß das Ausmaß der Verantwortlichkeit des Ausbildungs- und Prüfungsamtes für die Praktika eine geeignete Grundlage für die Beurteilung ist, ob es sich hierbei um Bestandteile des Studiums handelte, deren Durchführung in der Hand der Hochschule lag, oder um abgrenzbare und auch tatsächlich hinreichend abgegrenzte Beschäftigungen zur Berufsausbildung, deren Gestaltung der Universität entzogen war. Die Auffassung der Revision steht auch in Widerspruch zu den Grundsätzen, die das BSG bisher seiner Rechtsprechung zu den Praktika der einstufigen Juristenausbildungen in den anderen Ländern zugrunde gelegt hat. Ihre Anwendung würde daher zu einer nicht zu rechtfertigenden rentenversicherungsrechtlichen Ungleichbehandlung der Absolventen der einstufigen Juristenausbildung in Hamburg gegenüber Absolventen der anderen einstufigen Ausbildungsgänge führen, über die bisher schon entschieden worden ist (vgl auch BSG SozR 3-2940 § 2 Nr 2 S 14).

Nicht zu folgen ist auch der Auffassung der Revision, der Feststellung des LSG, in wichtigen Fragen sei (lediglich) Einvernehmen mit der Universität hergestellt und seien die Hochschullehrer, die den jeweiligen universitären Schwerpunkt gestaltet hätten, in die Planungen einbezogen worden, müsse eine größere Bedeutung beigemessen werden. Ähnliche Einflüsse der Hochschule haben bei der einstufigen Juristenausbildung in Rheinland-Pfalz auf das Hauptpraktikum und das Wahlpraktikum sowie die sie begleitenden Arbeitsgemeinschaften bestanden (vgl BSG SozR 2200 § 1232 Nr 36 S 77/78). Das BSG hat hierin nicht eine Zuordnung der Praktika zur Hochschulausbildung gesehen, weil diese Beteiligung der Hochschule die Verantwortung des dortigen Präsidenten des Oberlandesgerichts für die Praktika und deren Leitung unberührt ließ (vgl BSG aaO). Gleiches muß für die Beteiligung der Universität Hamburg an der Ausgestaltung der Praktika im zweiten Studienabschnitt der einstufigen Juristenausbildung in Hamburg gelten. Denn an der Zuordnung der Praktika zum Verantwortungsbereich des Präsidenten des HOLG besteht nach den Feststellungen des LSG, die von der Revision ausdrücklich bestätigt worden sind, kein Zweifel.

Einen Ausnahmetatbestand der Versicherungsfreiheit hat das LSG zu Recht verneint. Die Voraussetzungen des § 4 Abs 1 Nr 4 AVG (Werkstudenten-Privileg) lagen nicht vor, weil die Absolventen der einstufigen Juristenausbildung in Hamburg wie der Kläger in den Praxiszeiten zu ihrer Ausbildung beschäftigt und lediglich neben dieser Beschäftigung immatrikuliert waren; sie waren nicht ihrem gesamten Erscheinungsbild nach Studenten (vgl BSGE 64, 130, 138 = SozR 2200 § 1232 Nr 26 S 80; BSGE 66, 211, 214/215 = SozR 3-2940 § 2 Nr 1 S 4; BSG SozR 3-2940 § 2 Nr 2 S 14). Versicherungsfreiheit nach § 6 Abs 1 Nr 2 oder 3 AVG bestand nicht, weil der Kläger, wie das LSG unter Bezugnahme auf das Urteil des SG vom 4. Juni 1996 festgestellt hat, während der Praktika weder Beamter war noch ihm als Beschäftigten der Beigeladenen zu 1) Anwartschaft auf lebenslängliche Versorgung und Hinterbliebenenversorgung nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen gewährleistet war.

Das Urteil des LSG erweist sich somit insgesamt als zutreffend. Die Revision der Beigeladenen zu 1) war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

NJW 1999, 2919

NZA 1999, 756

BRAK-Mitt. 1999, 280

KVuSR 1999, 128

SozSi 1999, 379

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