Beteiligte

Klägerin und Revisionsklägerin

Beklagte und Revisionsbeklagte

 

Tatbestand

I

Die Beteiligten streiten um die Förderung einer beruflichen Umschulung zur Sozialpädagogin.

Die 1944 geborene Klägerin war von 1967 bis 1974 als Stewardeß beschäftigt. Da sie den Beruf aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben konnte, hatte ihr die Beklagte durch bindend gewordenen Bescheid vom 6. Juni 1975 eine Umschulungsförderung zum Beruf der Erzieherin für die Dauer eines zweijährigen Fachschulbesuchs bewilligt. Die Beklagte war damit einem Vorschlag des Arbeitsamtes gefolgt, in dessen Beratungsgespräch mit der Klägerin mehrere Umschulungsmöglichkeiten, darunter solche zur Sozialpädagogin und zur Erzieherin erörtert worden waren; dabei hatte sich die Klägerin für die Ausbildung zur Erzieherin entschieden. Diese Ausbildung hatte das Arbeitsamt als eine zweijährige Fachschulausbildung bezeichnet; ihr folge ein Berufspraktikum, das jedoch nicht mehr eigentlicher Teil der Ausbildung sei; während des Praktikums werde bereits Vergütung gewährt.

Die Klägerin begann den Fachschulbesuch am 6. August 1975 und bezog u.a. Übergangsgeld. Mit Schreiben vom 14. September 1975 teilte sie der Beklagten mit, sie habe am 6. September 1975 die Zulassung zum Studium der Sozialpädagogik an der Fachhochschule in F… für das Wintersemester 1975 erhalten und wolle diese - für sie letzte - Chance zur höheren Qualifikation wahrnehmen, zumal sie dadurch später eine größere berufliche Sicherheit erreiche. Obwohl sie sich über die möglichen Konsequenzen der Beklagten im klaren sei, bitte sie, die Förderungsmöglichkeit zu prüfen. Die Beklagte antwortete am 29. September 1975, die Kosten für die Umschulung zur Sozialpädagogin könnten wegen Überschreitens des nach § 14a Abs. 3 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) grundsätzlich nur förderungsfähigen Zeitraums von zwei Jahren nicht übernommen werden.

Inzwischen hatte die Klägerin am 18. September 1975 die Umschulung zur Erzieherin abgebrochen und am 22. September 1975 mit dem Studium der Sozialpädagogik begonnen. Sie beantragte am 26. Oktober 1975 bei der Beklagten nochmals eine Überprüfung mit dem Ziel der eventuell nur teilweisen Förderung. Mit Bescheid vom 5. Februar 1976 lehnte die Beklagte erneut den mit Schreiben vom 14. September und 26. Oktober 1975 gestellten Antrag auf Übernahme der Kosten für die Ausbildung zur Sozialarbeiterin ab, weil die Klägerin mit der bewilligten zweijährigen Ausbildung zur Erzieherin habe voll rehabilitiert werden können. Mit der gleichen Begründung wurde der Widerspruch der Klägerin zurückgewiesen; der Widerspruchsbescheid vom 20. Mai 1976 wies zusätzlich auf die zeitlichen Beschränkungen nach § 14a Abs. 3 AVG hin; bei der Klägerin sei angesichts ihres beruflichen Werdeganges bereits als Ausnahmefall eine länger als zwei Jahre dauernde Maßnahme bewilligt worden; die Förderungsdauer bei der Ausbildung zur Sozialpädagogin überschreite diesen Zeitraum noch erheblich mehr, weil dieses Studium sechs Semester umfasse und außerdem das anschließende einjährige Praktikum zu berücksichtigen sei.

Das Sozialgericht (SG) hielt die Ablehnung der beantragten Förderung für ermessensfehlerhaft; es hat die Beklagte verurteilt, der Klägerin einen neuen Bescheid zu erteilen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) die Klage abgewiesen. Nach seiner Ansicht ist der Beklagten darin zuzustimmen, daß der begehrten Umschulungsförderung bereits § 14a Abs. 3 Satz 2 AVG entgegensteht. Nach dem Erlaß des Hessischen Kultusministers vom 8. Januar 1970 werde die staatliche Anerkennung als graduierter Sozialpädagoge erst nach dem Berufspraktikum erteilt; es handele sich also um eine bei ganztägigem Unterricht länger als zwei Jahre dauernde Maßnahme. Solche "längerdauernde Maßnahmen" sollten nur dann gefördert werden, wenn der Versicherte nur dadurch eingegliedert werden könne. Hier habe die Beklagte jedoch bereits eine bindende Förderungszusage für den Beruf der Erzieherin gegeben. Allerdings enthalte das Gesetz keine ausdrückliche Regelung für den Fall des Abbruchs einer bewilligten Maßnahme. Daraus sei aber zu schließen, daß diese grundsätzlich durchzuführen sei, es sei denn, der Versicherte werde durch von ihm nicht zu vertretende Umstände zum Abbruch gezwungen. Diese Voraussetzungen seien nicht erfüllt, weil die Klägerin durch die Umschulung zur Erzieherin eingegliedert werden könne. Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung dieser Frage sei der Monat Juni 1975, in dem die Beklagte dem Rehabilitationsantrag stattgegeben habe. Damals sei eine Verschlechterung der Vermittlungsaussichten in dem Beruf der Erzieherin zwar absehbar gewesen, klar abgezeichnet habe sie sich erst im Herbst 1975. Ungeachtet dessen seien Arbeitsplätze für Erzieherinnen aber immer noch in nennenswertem Umfang vorhanden. Zudem habe die beigeladene Bundesanstalt für Arbeit (BA) als die sachkundige Stelle für die Beurteilung des Arbeitsmarktes wesentliche Unterschiede zwischen den Berufschancen für Erzieherinnen und Sozialpädagoginnen verneint. Ebensowenig wie von der Beklagten könne die Klägerin schließlich von der Beigeladenen die Förderung der Umschulung zur Sozialpädagogin verlangen; dem stünden die - § 14a Abs. 3 Satz 2 AVG im wesentlichen entsprechenden - Vorschriften des § 56 Abs. 4 Satz 2 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) i.d.F. des Rehabilitations-Angleichungsgesetzes (RehaAnglG) und § 22 Abs. 2 der Anordnung des Verwaltungsrates der BA über die Arbeits- und Berufsförderung Behinderter (AReha) vom 31. Juli 1975 entgegen.

Das LSG hat die Revision zugelassen, weil die Auslegung des § 14a Abs. 3 Satz 2 AVG bei Abbruch einer bereits bewilligten Umschulung der grundsätzlichen Klärung bedürfe.

Die Klägerin hat das Rechtsmittel eingelegt; sie beantragt (sinngemäß),das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG zurückzuweisen.

Sie rügt eine Verletzung materiellen und formellen Rechts. Der Wechsel des Umschulungsplatzes sei nach den Regeln über die Bestandskraft von Verwaltungsakten bei geänderten Umständen zu beurteilen. Neue Fakten seien die nicht mehr erwartete Zulassung zum Studium der Sozialpädagogik und die Einsicht in die im Herbst 1975 gegebene Arbeitsmarktsituation mit den gegenüber der Sozialpädagogin ungünstigeren Berufs- und Erwerbschancen der Erzieherin gewesen. Der Beruf der Sozialpädagogin entspreche außerdem mehr ihren Neigungen und nähere sich dem Lohnniveau einer Stewardeß stärker als der der Erzieherin. Die Beklagte habe durch den schon nach fünf Wochen erfolgten Umschulungsabbruch keine erheblichen finanziellen Nachteile erlitten. Die Ausbildung zur Sozialpädagogin sei nicht länger als die der Erzieherin; beide Ausbildungen umfaßten drei Jahre; die Sozialpädagogin könne nämlich schon während des berufspraktischen Jahres ihre Arbeitskraft voll dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stellen. Schließlich rügt die Klägerin Verletzungen der Aufklärungspflicht.

Die Beklagte und die Beigeladene beantragen,die Revision zurückzuweisen.

Die Beigeladene ist der Ansicht, daß § 57 Satz 1 AFG wegen der Zuständigkeit der Beklagten ihre Verurteilung auf jeden Fall ausschließt.

II

Die Revision der Klägerin ist nicht begründet.

Dem LSG ist im Ergebnis darin zuzustimmen, daß der Klage weder gegenüber der beklagten Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) noch gegenüber der beigeladenen BA stattzugeben ist.

Das hier geltend gemachte Begehren auf geldliche Förderung der Umschulung zur Sozialpädagogin ist allerdings nicht damit gegenstandslos geworden, daß die Klägerin schon vor der Erteilung des hier angefochtenen Bescheides vom 5. Februar 1976 mit der Umschulung zur Sozialpädagogin begonnen hat. Zwar sind alle Leistungen zur Rehabilitation final auf den Zweck der Rehabilitation ausgerichtet; auch die geldlichen Leistungen des Versicherungsträgers für eine Umschulung sind "zur Rehabilitation" (§13 AVG) bestimmt; sie können daher grundsätzlich nur für eine zukünftige, nicht für eine zurückliegende Maßnahme begehrt und bewilligt werden. Die Klägerin hat jedoch die Förderung der Umschulung zur Sozialpädagogin noch vor deren Beginn beantragt; sie hat im Antrag vom 26. Oktober 1975 ihren vorherigen Antrag vom 14. September 1975 aufgegriffen; dementsprechend hat die Beklagte im angefochtenen Bescheid erneut über diesen An trag entschieden. Da Rehabilitation regelmäßig keinen Aufschub zuläßt, gerade bei Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation vielmehr oft ein rascher Entschluß gefaßt werden muß, darf es einem Versicherten bei notwendiger Rehabilitation nicht zum Nachteil gereichen, wenn er nach der Antragstellung seine Rehabilitation vorerst ohne Zutun des Versicherungsträgers selbst betrieben hat. In einem solchen Falle ist der Versicherte bei begründetem Antrag so zu stellen, als ob er die beantragten Leistungen rechtzeitig erhalten hätte; geldliche Leistungen sind dann noch im nachhinein zu gewähren. Indes liegt hier kein Fall eines begründeten Antrages vor.

Der vorliegende Fall ist dadurch gekennzeichnet, daß die Beklagte über das wegen geminderter Erwerbsfähigkeit der Klägerin als Stewardeß geltend gemachte Begehren auf Förderung einer Umschulung schon durch einen bindend gewordenen Bescheid entschieden hat. Jener Bescheid ist dabei nicht so zu verstehen, als habe er nur die Förderung der Umschulung zur Erzieherin betroffen; der Regelungsgehalt ist umfassender gewesen. Gegenstand der Regelung war die Förderung der Umschulung zu einem anderen Beruf überhaupt. Wenn als solcher der Beruf der Erzieherin ausgewählt worden ist, so bedeutete diese Entscheidung darum zugleich, daß die Beklagte die Umschulung zu einem anderen Beruf nicht hat fördern wollen. Dementsprechend schließt die dem Bescheid vom 6. Juni 1975 gem. § 77 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zukommende Bindungswirkung es grundsätzlich aus, die Beklagte nun zu einer anderen oder auch nur zu einer erneuten Entscheidung über die Umschulungsförderung aufgrund des damals gegebenen Sachverhalts zu verpflichten. Dies ist auch nicht aus dem Gesichtspunkt des sogenannten Zweitbescheides möglich; die Beklagte hat nämlich weder in dem angefochtenen Bescheid vom 5. Februar 1976 noch in dem folgenden Widerspruchsbescheid zu erkennen gegebene daß sie auf die Bindungswirkung des ersten Bescheides vom 6. Juni 1975 verzichte und das Förderungsbegehren der Klägerin nochmals völlig neu sachlich prüfe.

Damit stellt sich die Frage, ob ein Versicherter wie hier die Klägerin eine neue Entscheidung des Versicherungsträgers über die Umschulungsförderung dann begehren kam, wem sich nach der Bescheiderteilung der maßgebend gewesene Sachverhalt geändert hat; dabei könnte die neue Entscheidung wie die frühere wiederum nur eine Ermessensentscheidung sein und die Bindungswirkung des früheren Bescheides wegen des geänderten Sachverhalts kein Hindernis mehr bilden. Das LSG hat zutreffend erkannt, daß das AVG diese Frage nicht regelt; er sagt weder über die Möglichkeit noch über die Pflicht des Versicherungsträgers zu einer neuen Entscheidung etwas aus. Die Lösung muß daher aus den bei der Rehabilitation zu beachtenden Sachgesichtspunkten gefunden werden. Dabei zeigt sich einerseits, daß Versicherter und Versicherungsträger (und die hinter ihm stehende Versichertengemeinschaft) regelmäßig ein Interesse daran haben und haben müssen, daß eine Umschulung, deren Förderung der Versicherungsträger bindend bewilligt hat, auch tatsächlich durchgeführt wird; andererseits besteht jedoch kein vernünftiger Grunde auf der Durchführung der Umschulung ungeachtet neuer Erkenntnisse und Umstände in jedem Falle zu bestehen, etwa auch dann noch, wenn sich z.B. nachträglich die mangelnde Eignung des Versicherten für den Umschulungsberuf herausstellt. Wägt man das ab, so wird mm hiernach bei geänderten Umständen dem Versicherten zwar das Recht geben müssen, vom Versicherungsträger eine neue Entscheidung über die Umschulungsförderung zu verlangen, dies jedoch nur dann, wenn sich der Sachverhalt in wesentlicher Beziehung geändert hat, wenn also triftige Gründe für einen Umschulungswechsel bestehen. Solche hat die Beklagte im vorliegenden Falle zu Recht verneint.

Nicht zu übersehen ist dabei allerdings, daß die Klägerin Gründe geltend machen kann, die aus ihrer Sicht den Umschulungswechsel verständlich machen. So kann sie darauf verweisen, daß sie erst nach dem 6. Juni 1975 die Zulassung zum Studium der Sozialpädagogik erhalten und erst damit die Möglichkeit zur Umschulung auf einen Beruf erlangt hat, der beruflich höher qualifiziert ist, als der der Erzieherin und der ihren Neigungen wie ihren Eignungen wohl mehr entspricht. Dem ist aber schon entgegenzuhalten, daß das Gesetz bei der Auswahl der berufsfördernden Maßnahmen nur eine "angemessene" Berücksichtigung von Eignung und Neigung verlangt (§ 14a Abs. 2 Satz 2 AVG); die Beklagte ist darum nicht gehalten, insbesondere der Neigung des Versicherten schlechthin zu folgen. Wie der 1. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) entschieden hat (BSGE 46, 198), ist es ferner nicht Aufgabe des Rentenversicherungsträgers, im Rahmen der beruflichen Rehabilitation dem einzelnen Versicherten eine beruflich möglichst hohe Qualifikation zu finanzieren. Hinzu kommt, daß die Beklagte schon bei der Bescheiderteilung im Juni 1975 die Eignung und Neigung der Klägerin angemessen berücksichtigen mußte und daß der damals ausgewählte Beruf der Erzieherin dieser Forderung entsprach.

Nicht im gleichen Maße kann die Klägerin sich auf eine Veränderung der Arbeitsmarktsituation berufen. Bei der beruflichen Rehabilitation nach dem AVG ist zwar auch, obwohl das Gesetz hierzu keine besonderen Bestimmungen trifft, auf die Lage des Arbeitsmarktes Rücksicht zu nehmen; dies ergibt sich aus der allgemeinen Vorschrift des § 14a Abs. 2 Satz 1 AVG, wonach die berufsfördernden Leistungen darauf auszurichten sind, den Betreuten möglichst auf Dauer beruflich einzugliedern. Dem würde es widersprechen, die Umschulung für einen Beruf zu fördern, in dem der Versicherte voraussichtlich nach Abschluß der Umschulung praktisch keine Chance zur Erlangung eines Arbeitsplatzes hat. Ein solcher Fall war hier jedoch nicht gegeben. Dabei spielt es keine Rolle, ob man, wie es wohl geboten wäre, auf den Zeitpunkt des Abbruchs der Umschulung oder auf den des Beginns des Studiums der Sozialpädagogik abstellt. Die veränderte Arbeitsmarktsituation könnte als Grundlage für einen Umschulungswechsel nur erheblich sein, wenn sich die Aussichten zur Erlangung eines späteren Arbeitsplatzes im Umschulungsberuf tiefgreifend verschlechtert hätten, etwa dann, wenn sich infolge technologischer Änderungen die Zahl der Arbeitsplätze für Angehörige bestimmter Berufe drastisch vermindert. Anders ist es bei bloßer Verschlechterung der Vermittlungsmöglichkeiten, die sich im Rahmen der allgemeinen Schwankungen auf dem Arbeitsmarkt halten; es ist auch im Rahmen von § 14a Abs. 2 Satz 1 AVG nicht Sache des Rentenversicherungsträgers, dem Versicherten das Arbeitsmarktrisiko in vollem Umfang abzunehmen. Nach den insoweit unangefochtenen und für den Senat darum bindenden Feststellungen des LSG ist die im September 1975 festzustellende Verschlechterung der Berufsaussichten für Erzieherinnen nicht über den Rahmen von allgemeinen Schwankungen auf dem Arbeitsmarkt hinausgegangen; das LSG hat sogar festgestellt, daß zwischen den Berufschancen der Erzieherin und denen der Sozialpädagogin keine wesentlichen Unterschiede bestehen.

Der frühere Beruf der Klägerin als Stewardeß war bereits bei der Entscheidung der Beklagten für die Förderung zur Umschulung zur Erzieherin, wie es der Vorschrift des § 14a Abs. 2 Satz 2 AVG entsprach, angemessen berücksichtigt worden. Insoweit mag es zwar sein, daß der Verdienst der Sozialpädagogin dem Verdienst einer Stewardeß näherkommt, als der Verdienst einer Erzieherin. Indessen ist zu bedenken, daß der Beruf der Stewardeß im Gegensatz zu dem der Erzieherin und zu dem der Sozialpädagogin nur eine begrenzte Zeit von Jahren ausgeübt werden kann. Unter diesen Umständen bestand für die Beklagte kein Anlaß, ein Näherkommen an die wirtschaftliche Situation einer Stewardeß als erheblichen Grund für den Umschulungswechsel anzuerkennen.

Sind sonach die Gründe der Klägerin für einen Umschulungswechsel kaum von wesentlichem Gewicht im Rahmen des § 14a AVG, so weist die Beklagte andererseits zu Recht darauf hin, daß die Klägerin mit den neuen Anträgen die Förderung einer längeren Umschulung verlangt. Dabei ist zunächst davon auszugehen, daß in den Bescheiden vom 6. Juni 1975 nur die Förderung eines zweijährigen Fachschulbesuches bewilligt und eine Entscheidung über eine mögliche weitere Förderung während der Ableistung des einjährigen Berufspraktikums der Erzieherin noch nicht getroffen worden war; das bestätigen zusätzlich die damaligen Ausführungen des Arbeitsamtes, daß das Berufspraktikum der Erzieherin nicht mehr eigentlicher Teil der Ausbildung sei. Hiernach würde die Klägerin also schon für das dreijährige Studium der Sozialpädagogik eine längere Förderung begehrt haben, ohne daß dafür die Voraussetzungen des § 14a Abs. 3 Satz 2 AVG erfüllt wären; nach dieser Vorschrift sollen Leistungen für die berufliche Umschulung in der Regel nur erbracht werden, wenn die Maßnahme bei ganztägigem Unterricht nicht länger als zwei Jahre dauert; der Ausnahmefall, daß der Betreute nur durch die länger dauernde Maßnahme eingegliedert werden kann, ist nicht erfüllt, weil die Klägerin nach dem bindend gewordenen Bescheid vom 6. Juni 1975 auch durch eine zweijährige Fachschulausbildung zur Erzieherin eingegliedert werden konnte.

Selbst wenn man jedoch annimmt, die Beklagte hätte sich im Bescheid vom 6. Juni 1975 schon für die Förderung einer dreijährigen Ausbildung zur Erzieherin (einschließlich des Berufspraktikums der Erzieherin) entschieden, so wäre auch dann eine Differenz in der Dauer der Ausbildung zur Erzieherin einerseits und zur Sozialpädagogin andererseits gegeben. Wie schon hervorgehoben, soll die Umschulung die Ausübung eines neuen Berufs ermöglichen. Sie ist daher grundsätzlich bis zur Erreichung des angestrebten Berufszieles zu fördern. Diesem Ziel entsprechend ist die Umschulung erst dann beendet, wenn sie zu dem Abschluß geführt hat, der für die Annahme des angestrebten Berufes auf dem Arbeitsmarkt Voraussetzung ist. Insoweit gelten für die Umschulung als Rehabilitationsmaßnahme in der Rentenversicherung die gleichen Grundsätze, wie sie das BSG zur Umschulung nach dem AFG, sei es als Rehabilitationsmaßnahme, sei es als Maßnahme der beruflichen Bildung, entwickelt hat (BSGE 46, 198). In letzterer Hinsicht ist bereits entschieden, daß die Umschulung zum Grundschullehrer erst mit der zweiten Lehrerprüfung (vgl. BSG 37, 223 und BSG 40, 185) und die Umschulung zum Masseur und medizinischen Bademeister erst mit Abschluß des Nachpraktikums (vgl. SozR 4100 § 47 Nr. 12) beendet sei. In Übernahme dieser Grundsätze ist demnach sowohl im Falle der Erzieherin als auch im Falle der Sozialpädagogin die Umschulung erst mit Ablauf des jeweiligen Berufspraktikums als beendet anzusehen, ohne daß es dabei eine Rolle spielt, in welchem Umfange schon während des Berufspraktikums mit oder ohne Arbeitsvertrag auf dem Arbeitsmarkt Verdienst erzielt werden kann. Steht aber sonach eine dreijährige Ausbildung zur Erzieherin einer vierjährigen Ausbildung zur Sozialpädagogin gegenüber, so ist zu beachten, daß § 14a Abs. 3 Satz 2 AVG über seinen Wortlaut hinaus einen weiterreichenden Grundsatz enthält; er besagt; daß bei länger als zwei Jahre dauernden Maßnahmen der Versicherungsträger regelmäßig nur die kürzere Ausbildung fördern darf, wenn der Versicherte durch sie eingegliedert werden kann (BSGE 46, 198).

Nach alledem bedarf es keines Eingehens mehr auf die Tatsache, daß die Umschulung zur Erzieherin schon früher als die Umschulung zur Sozialpädagogin begonnen hatte und daß die Beklagte für die Umschulung zur Erzieherin bereits Mittel in einer nicht festgestellten, aber nicht schlechthin bedeutungslosen Höhe erbracht hatte. Das Gesamtbild der im September 1975 gegebenen Situation der Klägerin ergibt jedenfalls nicht, daß die Beklagte ihr triftige Gründe für einen Umschulungswechsel zubilligen mußte, die das Interesse an der grundsätzlichen Durchführung der früher ausgewählten Umschulung zur Erzieherin überstiegen. Die Ablehnung der Förderung der von der Klägerin angestrebten Umschulung zur Sozialpädagogin ist hiernach nicht rechtswidrig gewesen.

An diesem Ergebnis vermögen auch die Rügen der Klägerin von Verletzungen der Aufklärungspflicht durch das LSG und die mit einer dieser Rügen zusammenhängende Rüge der Verletzung des Gleichheitssatzes durch die Beklagte nichts zu ändern. Die letztere Rüge greift, schon deshalb nicht durch, weil die Klägerin nicht dargetan hat, daß in dem anderen von der Beklagten geregelten Förderungsfall ebenfalls ein Umschulungswechsel vorgenommen worden ist. Davon abgesehen könnte die Beklagte wegen Verstoßes gegen den Gleichheitssatz ermessensfehlerhaft nur dann gehandelt haben, wenn ihre Entscheidung im vorliegenden Falle im Widerspruch zu einer ständigen und gleichmäßigen Verwaltungsübung stünde (vgl. Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, 10. Aufl. S. 245 f.; , BVerwGE 46, 89 ff.); für eine solche Verwaltungsübung bietet die Berufung auf einen anders entschiedenen Einzelfall allein noch keinen genügenden Anhalt. Die weiteren Verfahrensrügen betreffen Tatsachen, die nicht entscheidungserheblich sind; es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob diese Verfahrensrügen den formellen Anforderungen des § 164 Abs. 2 SGG genügen.

Ebenfalls im Ergebnis zu Recht hat das LSG schließlich nicht gem. § 75 Abs. 5 SGG die beigeladene BA verurteilt. Einer Verpflichtung der Beigeladenen zu der von der Klägerin begehrten Umschulungsförderung steht, wie die Beigeladene zutreffend einwendet, auf jeden Fall § 57 Satz 1 AFG entgegen. Nach dieser Vorschrift darf die BA berufsfördernde Maßnahmen zur Rehabilitation nur gewähren, sofern nicht ein anderer Rehabilitationsträger nach dem RehaAnglG zuständig ist. In diesem Gesetz , finden sich mehrfach Vorschriften, welche die Begriffe "zuständig" bzw. "Zuständigkeit" im Hinblick auf einen Rehabilitationsträger verwenden, so insbesondere in § 6 Abs. 1 RehaAnglG; danach richtet sich die Zuständigkeit des Rehabilitationsträgers nach den für ihn geltenden gesetzlichen Bestimmungen. Dabei kann kein Zweifel bestehen, daß mit der Zuständigkeit des Rehabilitationsträgers nicht seine konkrete Verpflichtung zu Rehabilitationsmaßnahmen im Einzelfall gemeint sein kann; das bestätigt § 13 Abs. 3 AVG, wonach im dort genannten Falle "Verpflichtung und Zuständigkeit" des anderen Rehabilitationsträgers unberücksichtigt bleiben; auch dort stellt also das Gesetz beide Begriffe nicht gleich. Die Zuständigkeit umfaßt nur einen Teil der Voraussetzungen für die Verpflichtung im Einzelfall; sie bestimmt sich nach Merkmalen, die für einen Personenkreis allgemein gelten; dabei können Merkmale einer Person oder Ursachen der Behinderung die maßgebenden Kriterien bilden. Für die Beklagte ist die Zuständigkeit in § 13 AVG geregelt; dort ist bestimmt, wer "Versicherter" im Sinne der Rehabilitationsvorschriften des AVG ist; hinsichtlich dieses Personenkreises ist die Beklagte für Rehabilitationsmaßnahmen zuständig. Die Klägerin war Versicherte in diesem Sinne (in der hier noch anzuwendenden Fassung der Vorschrift vor der Änderung zum 1. Juli 1978). Damit ist die Beklagte der zuständige Rehabilitationsträger. Nach dem eindeutig erscheinenden Wortlaut des § 57 Satz 1 AFG bedeutet dies, daß die Beklagte berufsfördernde Leistungen der Klägerin nicht gewähren darf.

Dieser Gesetzesauslegung stehen Urteile des 7. Senats vom 11. März 1976 (BSGE 41, 241, 245) und vom 11. Mai 1976 (SozR 4100 § 57 Nr. 3) nicht entgegen. Der 7. Senat hat dort die Ansicht vertreten, § 57 AFG habe nicht den Sinn eines vollständigen Ausschlusses von Leistungen an Behinderte, wenn ein anderer Träger gleiche oder ähnliche Maßnahmen erbringen müsse; die in der Vorschrift zum Ausdruck kommende Subsidiarität der Leistungsverpflichtung besage lediglich, daß die BA die ihr nach dem AFG obliegenden Leistungen unter Berücksichtigung der Leistungen anderer Rehabilitationsträger zu erbringen, sie also gegebenenfalls "aufzustocken" habe. Diese Entscheidungen betrafen Fälle, in denen § 57 AVG noch in der Fassung vor dem RehaAnglG zugrunde zu legen war; der Bedingungssatz lautete damals "soweit nicht ein anderer Träger zuständig ist". Davon abgesehen ging es seinerzeit um Fragen der Leistungsaufstockung, ein Fall, der hier nicht gegeben ist. Für die Rechtslage seit dem RehaAnglG ist in diesem Zusammenhang überdies zu beachten, daß § 58 Abs. 2 AVG i.d.F. des RehaAnglG in seinem Satz 2 die BA verpflichtet, ihre Leistungen in Übereinstimmung mit den für die anderen Rehabilitationsträger geltenden gesetzlichen Vorschriften zu regeln. Damit ist, wie auch die Vorschriften über die Rehabilitationsvoraussetzungen ergeben, eine weitgehende Angleichung der Leistungen und ihrer gesetzlichen Voraussetzungen vom Gesetzgeber gewollt. Gerade das bekräftigt aber die hier vorgenommene Auslegung des § 57 Satz 1 AFG in der Fassung des RehaAnglG; es ist nämlich nicht einzusehen, warm bei grundsätzlich gleichen Leistungsbedingungen, wenn der Rentenversicherungsträger zu Recht eine Rehabilitationsmaßnahme ablehnt, dann stets noch ein Anspruch gegen die BA mitgeprüft werden müßte. Dem läßt sich nicht entgegenhalten, daß § 56 AFG einen Rechtsanspruch gibt, § 13 AVG dagegen nur einen Anspruch auf eine fehlerfreie Ermessensentscheidung. Dieser Differenzierung bei im übrigen gleichem oder wesentlich gleichem Text der Vorschriften kommt kein besonderes Gewicht zu; der Unterschied rechtfertigt jedenfalls nicht eine Umdeutung des Begriffes "zuständig ist" in § 57 Satz 1 AFG in "verpflichtet ist". Sollte der Rentenversicherungsträger in einem Falle Leistungen lediglich in Ausübung seines Ermessens versagen, während die BA im Falle ihrer Zuständigkeit diese Leistungen erbringen müßte, so läge die Folgerung näher, dem Rentenversicherungsträger in diesem Fall die Berufung auf Ermessenserwägungen zu versagen.

Als Folge dieser Auslegung des § 57 Satz 1 AFG ergibt sich, daß im vorliegenden Falle die BA jedenfalls nicht nach § 75 Abs. 2 SGG beizuladen war; ihre Beiladung wäre nach dieser Vorschrift nur angebracht gewesen, wenn die Eigenschaft der Klägerin als Versicherter i.S. des § 13 AVG zweifelhaft gewesen wäre.

Nach alledem war die Revision mit der sich aus § 193 SGG ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen (§ 170 Abs. 1 SGG).11 RA 36/78

Bundessozialgericht

Verkündet am 15. März 1979

 

Fundstellen

BSGE, 92

JZ 1979, 481

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