Entscheidungsstichwort (Thema)

Gewährung einer Regelleistung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Einer Beitragserstattung nach RVO § 1303 Abs 1 S 1 steht nicht entgegen, daß die Versicherungspflicht bereits in der Zeit vor dem Inkrafttreten der Vorschrift am 1972-10-19 entfallen ist (Anschluß an BSG 1959-07-01 4 RJ 239/57 = BSGE 10, 127, BSG 1959-11-20 1 RA 74/58 = BSGE 11, 69, BSG 1961-02-16 3 RJ 20/60 = BSGE 14, 33).

2. Der Ausschluß eines im Ausland wohnenden Ausländers von dem Recht zur freiwilligen Versicherung durch RVO § 1233 Abs 1 begegnet jedenfalls dann keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn der Ausländer bis zum Inkrafttreten der Vorschrift von dem Recht der freiwilligen Weiterversicherung keinen Gebrauch gemacht hatte.

3. Eine Regelleistung ist iS RVO § 1303 Abs 5 nur dann gewährt worden, wenn sie dem Versicherten tatsächlich erbracht worden ist. Die bloße Bewilligung oder Feststellung reicht nicht aus.

 

Leitsatz (redaktionell)

Wird eine Zeitrente wegen Erwerbsunfähigkeit bewilligt, zugleich aber im Hinblick auf den Auslandsaufenthalt des Berechtigten das Ruhen dieser Rente festgestellt, so ist hierdurch eine Regelleistung iS von RVO § 1303 Abs 5 = AVG § 82 Abs 5 nicht gewährt worden.

 

Normenkette

RVO § 1233 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1972-10-16, § 1303 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1972-10-16, Abs. 5 Fassung: 1957-02-23; ArVNG Art. 2 § 27a Fassung: 1972-10-16; RVO § 1315 Abs. 1 Fassung: 1960-02-25; AVG § 94 Abs. 1 Fassung: 1960-02-25

 

Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 07.09.1976; Aktenzeichen L 18 J 56/75)

SG Düsseldorf (Entscheidung vom 25.01.1975; Aktenzeichen S 14 J 199/74)

 

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 7. September 1976 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger dessen außergerichtliche Kosten auch für das Revisionsverfahren zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten darum, ob die Beklagte dem Kläger Beiträge zu erstatten hat.

Der Kläger ist jordanischer Staatsangehöriger. Er war von August 1961 bis April 1969 im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland versicherungspflichtig beschäftigt und kehrte im Herbst 1969 in seine Heimat zurück. Seinen Antrag vom Juli 1970 auf Erstattung der Hälfte der entrichteten Beiträge lehnte die Landesversicherungsanstalt (LVA) Oberfranken und Mittelfranken ab (Bescheid vom 6. Oktober 1970), weil der Kläger das Recht zur freiwilligen Weiterversicherung habe (§ 1303 Abs 1 iVm § 1233 Abs 1 der Reichsversicherungsordnung -RVO- in der damals geltenden Fassung des Rentenversicherungs-Änderungsgesetzes vom 9. Juni 1965, BGBl I S. 476).

Mit Bescheid vom 13. Oktober 1972 erkannte die Beklagte einen Anspruch des Klägers auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit für die Zeit vom 1. November 1970 bis zum 31. Dezember 1971 an. Zugleich stellte sie im Hinblick auf den Auslandsaufenthalt des Klägers das Ruhen der Rente fest (§ 1315 Abs 1 RVO).

Einen erneuten Antrag des Klägers auf Beitragserstattung vom 4. Februar 1974 lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 20. Mai 1974 ab, weil dem Kläger mit der Erwerbsunfähigkeitsrente eine Regelleistung aus der Versicherung gewährt worden sei (§ 1303 Abs 5 RVO).

Die dagegen gerichtete Klage hat das Sozialgericht (SG) Düsseldorf abgewiesen (Urteil vom 24. Januar 1975). Auf die zugelassene Berufung hat das Landessozialgericht (LSG) das Urteil des SG abgeändert und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 20. Mai 1974 verurteilt, für den Kläger die Beitragserstattung durchzuführen; es hat die Revision zugelassen (Urteil vom 7. September 1976). Zur Begründung hat es ausgeführt:

Die Rechtsverbindlichkeit des Bescheides vom 6. Oktober 1970 stehe der erneuten Geltendmachung des Anspruchs auf Beitragserstattung nicht entgegen, weil dieser nunmehr auf § 1303 RVO idF des Rentenreformgesetzes (RRG) vom 16. Oktober 1972 (BGBl I S. 1965) gestützt werde. Dem Kläger stehe ein Anspruch auf Beitragserstattung zu. Ihm sei nicht im Sinne des § 1303 Abs 5 RVO eine Regelleistung aus der Versicherung gewährt worden. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch sei unter "Gewährung" einer Leistung nicht schon deren Bewilligung, sondern erst ihre tatsächliche Erbringung zu verstehen. Dies entspreche auch dem Sinn und Zweck der Vorschriften und den mit dem System der gesetzlichen Rentenversicherung verfolgten sozialpolitischen Zielen. Diese Ziele könnten nicht schon dadurch verwirklicht werden, daß Leistungen zwar formell bewilligt, tatsächlich aber nicht ausgezahlt würden. Demgemäß gehe das Rentenrecht von dem "Normalfall" der tatsächlichen Erbringung einer Regelleistung aus. Im Vergleich dazu liege ein Ausnahmefall vor, wenn zwar das Bestehen eines Anspruchs auf eine Regelleistung festgestellt, zugleich aber deren Ruhen angeordnet werde. Von diesem Ausnahmefall sei der Gesetzgeber in § 1303 Abs 5 RVO nicht ausgegangen. Daß eine Beitragserstattung nur dann ausgeschlossen sei, wenn der Versicherte eine Regelleistung tatsächlich erhalten habe, werde durch Rechtsprechung und Literatur bestätigt und sei in früheren Rentengesetzen ausdrücklich geregelt worden.

Zur Begründung ihrer Revision trägt die Beklagte vor: Auch eine bewilligte, aber ruhende Rentenleistung sei im Sinne des § 1303 Abs 5 RVO "gewährt" worden. Das Ruhen betreffe nur die Auszahlung des Rentenbetrages. Die Argumentation des LSG werde bedenklich, wenn sie auf den Fall der Bewilligung einer Dauererwerbsunfähigkeitsrente übertragen werde. Hier sei es möglich, daß der Ruhenstatbestand entfalle und die ruhende Rentenleistung dem Versicherten tatsächlich zugute komme. In diesem Falle müßten nach der Rechtsauffassung des LSG die Beiträge erstattet werden, ohne daß der Versicherungsträger vor einer späteren Geltendmachung des Rentenanspruches geschützt wäre. Denn er sei im allgemeinen nicht in der Lage, den einmal bindend gewordenen Rentenbescheid zu widerrufen. Daß es sich im vorliegenden Fall lediglich um eine Zeitrente handele, ändere an der Problematik nichts.

Die Beklagte beantragt sinngemäß,

das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 7. September 1976 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 24. Januar 1975 zurückzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und ist der Ansicht, die Beklagte könne einem eventuellen neuen Rentenbegehren jederzeit die Beitragserstattung entgegenhalten, weil diese eine Abfindung darstelle.

II.

Die durch Zulassung statthafte Revision der Beklagten ist zulässig, aber nicht begründet.

Das Berufungsgericht hat die Beklagte zu Recht verpflichtet, für den Kläger die Beitragserstattung durchzuführen.

Zuzustimmen ist dem LSG zunächst darin, daß die Rechtsverbindlichkeit des Bescheides der LVA Oberfranken und Mittelfranken vom 6. Oktober 1970 der erneuten Geltendmachung eines Anspruchs auf Beitragserstattung nicht entgegensteht. Dies ergibt sich bereits daraus, daß nach § 77 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) der nicht oder erfolglos angefochtene Verwaltungsakt nur für die "Beteiligten" in der Sache bindend wird. An dem durch den Bescheid vom 6. Oktober 1970 beendeten Erstattungsverfahren ist die Beklagte nicht beteiligt gewesen.

Der Anspruch auf Beitragserstattung richtet sich nach der im Zeitpunkt der Antragstellung maßgebenden Sach- und Rechtslage (BSGE 36, 125). Der Kläger hat die Erstattung der Beiträge am 4. Februar 1974 beantragt. Anspruchsgrundlage ist somit § 1303 RVO idF des RRG (= nF). Wach § 1303 Abs 1 Satz 1 RVO nF ist dem Versicherten auf Antrag die Hälfte der nach dem 20. Juni 1948 im Bundesgebiet entrichteten Beiträge zu erstatten, wenn ua die Versicherungspflicht in allen Zweigen der gesetzlichen Rentenversicherung entfällt, ohne daß das Recht zur freiwilligen Versicherung besteht. Der Kläger erfüllt diese Voraussetzungen. Dem steht nicht entgegen, daß seine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung schon in der Zeit vor Inkrafttreten der Bestimmung geendet hat. Die Verwendung der Gegenwartsform für das einleitende Wort ("entfällt") bedeutet nicht, daß eine Beitragserstattung lediglich bei Beendigung der Versicherungspflicht in der Zeit nach Inkrafttreten des RRG zulässig ist. Zu der insoweit gleichlautenden Vorschrift des § 1303 Abs 1 RVO idF des Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (ArVNG) hat das Bundessozialgericht (BSG) wiederholt ausgesprochen, es reiche aus, wenn im Zeitpunkt des Antrages auf Beitragserstattung die Versicherungspflicht entfallen sei. Darüber, wann dies geschehen sein müsse, besage die Vorschrift ausdrücklich nichts. Aus dem Fehlen einer den Art 2 §§ 27 und 28 ArVNG vergleichbaren Übergangsbestimmung, aus dem rechtssystematischen Zusammenhang des § 1303 mit § 1233 RVO sowie aus dem Zweck der Vorschrift müsse geschlossen werden, daß die Versicherungspflicht auch in der Zeit vor dem Inkrafttreten der Bestimmung entfallen sein könne (vgl BSGE 10, 127, 129 f.; 11, 69, 70; 14, 33, 34 f.). Diese Erwägungen gelten in gleicher Weise für § 1303 Abs 1 RVO nF. Sie finden eine weitere Stütze in der durch das RRG eingefügten Übergangsregelung des Art 2 § 27a ArVNG. Danach haben Personen, deren Recht zur freiwilligen Weiterversicherung am 31. Dezember 1972 endet, Anspruch auf Beitragserstattung nach § 1303 Abs 1 Sätze 1 und 2 RVO, auch wenn sie ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt vor dem 1. Januar 1973 außerhalb des Geltungsbereiches des Gesetzes genommen haben. Die Zeitangaben 31. Dezember 1972 und 1. Januar 1973 beruhen auf einem redaktionellen Versehen des Gesetzgebers; gemeint sind die Zeitpunkte des Außerkrafttretens des § 1303 Abs 1 RVO aF (18. Oktober 1972) bzw des Inkrafttretens des § 1303 Abs 1 RVO nF (19. Oktober 1972; vgl Art 6 § 8 Abs 2 RRG) (Gesamtkommentar zur RVO, Stand Dezember 1977, § 1303, Anm 1a, S. 181; Verbandskommentar, Stand Juli 1976, § 1303, Anm 4a, S. 5). Art 2 § 27a ArVNG besagt somit, daß einer Beitragserstattung die Begründung des Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthaltes im Ausland vor dem Inkrafttreten des § 1303 Abs 1 RVO nF nicht entgegensteht. Dasselbe muß dann aber auch für die Beendigung der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung gelten, weil sie im Regelfall eine Folge der Begründung des Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthaltes im Ausland ist.

Für den Kläger besteht ferner nicht das Recht zur freiwilligen Versicherung. Durch die Begrenzung dieses Rechts auf Personen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Geltungsbereich der RVO sowie auf im Ausland wohnhafte oder sich gewöhnlich aufhaltende Deutsche im Sinne des Art 116 Abs 1 des Grundgesetzes -GG- (§ 1233 Abs 1 RVO nF) ist das Recht des Klägers zur freiwilligen Weiterversicherung (§ 1233 Abs 1 Satz 1 RVO aF) beseitigt worden und er zur freiwilligen Versicherung nicht mehr berechtigt. Diese Neuregelung begegnet jedenfalls unter der Voraussetzung, daß der Versicherte bis zum Inkrafttreten des RRG von dem ihm zustehenden Recht der freiwilligen Weiterversicherung keinen Gebrauch gemacht hat, insbesondere angesichts der mit ihr in engem sachlichen Zusammenhang stehenden Erweiterung des Rechts auf Beitragserstattung durch Art 2 § 27a ArVNG keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl Vorlagebeschluß des LSG Berlin vom 17. August 1976 - L 12 An 57/75 - ; dazu Jansen, DAngVers 1977, 386).

Die Beteiligten streiten im wesentlichen darum, ob durch die Bewilligung der Erwerbsunfähigkeitsrente auf Zeit mit Bescheid vom 13. Oktober 1972 eine Beitragserstattung ausgeschlossen ist. Nach § 1303 Abs 5 RVO in der seither unveränderten Fassung des ArVNG vom 23. Februar 1957 (BGBl I S. 45) sind, wenn dem Versicherten eine Regelleistung aus der Versicherung gewährt worden ist, nur die später entrichteten Beiträge zu erstatten. Damit wäre bei Anwendbarkeit der Vorschrift die Erstattung von Beiträgen an den Kläger ausgeschlossen; er hat diese ausnahmslos in der Zeit vor Bewilligung der Erwerbsunfähigkeitsrente entrichtet. Indes sind die Voraussetzungen des § 1303 Abs 5 RVO nicht erfüllt. Zwar stellt die auf Zeit bewilligte Erwerbsunfähigkeitsrente (§ 1247 iVm § 1276 RVO in seiner hier maßgeblichen Fassung vor dem Inkrafttreten des Zwanzigsten Rentenanpassungsgesetzes - 20. RAG- vom 27. Juni 1977, BGBl I S. 1040) eine Regelleistung im Sinne des § 1235 RVO und damit auch des § 1303 Abs 5 RVO dar. Diese Regelleistung ist dem Kläger jedoch nicht "gewährt" worden.

Unter "Gewährung" einer Leistung ist dem allgemeinen Sprachgebrauch nach deren Zahlung oder, soweit es sich nicht um eine Geldleistung handelt, deren tatsächliche Erbringung zu verstehen (vgl Ommer, SGb 1977, 442, 445). Dem allgemeinen Sprachgebrauch kommt jedoch bei der Auslegung von Rechtsvorschriften nur bedingte Bedeutung zu (Urteil des BSG vom 14. Juli 1977 - 4 RJ 107/76 -). Das gilt auch, soweit im Recht der gesetzlichen Rentenversicherung der Begriff des "Gewährens" verwendet wird. Dieser Begriff ist mehrdeutig (vgl BSG SozR G 131 § 72a Nr 1). Einmal kann darunter allein die Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen oder die daraufhin erfolgende Feststellung oder Bewilligung der Leistung zu verstehen sein; zum anderen kann aber Gewährung auch gleichbedeutend sein mit Zahlung, Zuwendung oder tatsächlicher Erbringung (vgl Urteil des BSG vom 25. Oktober 1977 - 8/12 RKg 8/77 -). Bei dieser verbalen Mehrdeutigkeit ist die Bedeutung des Begriffs aus Sinn und Zweck der jeweiligen Norm zu ermitteln, innerhalb derer er verwendet wird (vgl BSGE 28, 214, 215 f.). Sinn und Zweck des § 1303 RVO gebieten eine Auslegung des in Abs 5 enthaltenen Begriffes "gewährt" dahingehend, daß darunter nicht schon die Bewilligung oder Feststellung einer Regelleistung, sondern ausschließlich deren tatsächliche Erbringung, bei Geldleistungen also die Zahlung zu verstehen ist (ebenso zu § 146 Abs 3 AVG in seiner bis zum 30. Juni 1977 geltenden Fassung Urteil des BSG vom 15. Dezember 1977 - 11 RA 74/77 -).

Beiträge sind die Gegenleistung des Versicherten für die Übernahme des Risikos eines Versicherungsfalles durch den Versicherungsträger bzw. die Versichertengemeinschaft. Allein von dieser Funktion her konnten sie an sich selbst dann nicht erstattet werden, wenn ein Versicherungsfall nicht eintritt oder im Falle seines Eintritts mangels Erfüllung der hierfür erforderlichen weiteren Voraussetzungen keinen Leistungsanspruch auslöst (vgl BSG SozR RVO § 1303 Nr 7). Gleichwohl ist zur Vermeidung von Unbilligkeiten (BSGE 14, 33, 35; BSG SozR aaO) anläßlich der Rentenreform des Jahres 1957 im Hinblick auf die Erschwerung des Weiterversicherungsrechts die Möglichkeit der Beitragserstattung eingeführt worden, um demjenigen, der mangels Erfüllung der nunmehr erforderlichen Vorversicherungszeit von 60 Kalendermonaten die Versicherung nicht freiwillig fortsetzen konnte, hierzu auch nicht nach Art 2 § 4 Abs 1 ArVNG berechtigt war (vgl dazu BSGE 14, 33) und somit seine bisher in aller Regel unzulängliche Beitragsleistung nicht mehr durch Entrichtung weiterer freiwilliger Beiträge zur Grundlage eines künftigen Leistungsanspruchs machen konnte, eine Entschädigung oder einen Ausgleich für diesen Rechtsverlust zu bieten (BSGE 14, 33, 35, 37; 23, 238, 239; 41, 89, 90). Dabei handelt es sich um eine Art "Prämienrückgewähr" als Ausgleich dafür, daß das von der Versichertengemeinschaft übernommene Versicherungsrisiko nicht eingetreten ist und nach dem im Zeitpunkt der Antragstellung vorhersehbaren Verhältnissen für den Fall eines zukünftigen Eintritts nicht zu einer Belastung der Versichertengemeinschaft führen wird (vgl BSG SozR RVO § 1303 Nr 7). Diese Zweckbestimmung hat die Beitragserstattung auch nach Inkrafttreten des RRG beibehalten. Zwar hat sich dadurch, daß anstelle der bis dahin nur unter begrenzten Voraussetzungen zulässigen freiwilligen Weiterversicherung nunmehr grundsätzlich allen Personen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Geltungsbereich der RVO und darüber hinaus den im Ausland lebenden Deutschen im Sinne des Art 116 Abs 1 GG das Recht der freiwilligen Versicherung für Zeiten nach Vollendung des 16. Lebensjahres eingeräumt worden ist, die praktische Bedeutung der Beitragserstattung wesentlich verringert. Das Bedürfnis nach einem Ausgleich für den Wegfall des Versicherungsrisikos bei ausländischen Staatsangehörigen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt außerhalb des Geltungsbereiches der RVO hat sich hingegen eher noch verstärkt. Diese ehemals Versicherten sind nicht nur nicht in den Kreis der durch das Recht zur freiwilligen Versicherung Begünstigten einbezogen; ihnen ist darüber hinaus, sofern sie bis zum Inkrafttreten des RRG zur freiwilligen Weiterversicherung berechtigt gewesen sind, diese Berechtigung insoweit übergangslos (BSG SozR 2200 § 1303 Nr 5; vgl aber Art 2 § 27a ArVNG) genommen worden. Für diesen Personenkreis treffen die Gesichtspunkte, die eine Beitragserstattung rechtfertigen und für ihre Zweckbestimmung maßgebend sind, somit nach wie vor zu. Dem hat der Gesetzgeber des RRG durch die Einfügung des Art 2 § 27a ArVNG Rechnung getragen.

Von dieser grundsätzlichen Zweckbestimmung der Beitragserstattung ist auch bei der Auslegung des § 1303 Abs 5 RVO, selbst wenn es sich hierbei um eine bloße Berechnungsvorschrift handeln sollte (so Koch/Hartmann/v.Altrock/Fürst, Das Angestelltenversicherungsgesetz, 2./3. Aufl, § 82, Anm D I, E I und IV 1), und insbesondere des darin verwendeten Begriffes "gewährt" auszugehen. Soll die Beitragserstattung einen Ausgleich für den Wegfall des von der Versichertengemeinschaft übernommenen Versicherungsrisikos bieten, so kann der Begriff "gewährt" nur dahin ausgelegt werden, daß darunter die tatsächliche Erbringung einer Regelleistung, bei Renten also deren Zahlung, zu verstehen ist. Hingegen liegt eine Gewährung nicht schon in der bloßen Bewilligung oder Feststellung einer Leistung. Diese führt noch nicht zu einer Belastung der Versichertengemeinschaft und ist für sich allein risikoneutral. Das Versicherungsrisiko tritt erst dadurch ein, daß die festgestellte oder bewilligte Leistung tatsächlich erbracht und hierdurch die Versichertengemeinschaft effektiv belastet wird. Erst von diesem Zeitpunkt an ist der Zweck der Beitragserstattung nicht mehr erreichbar und diese deswegen sachlich nicht mehr gerechtfertigt. Allein für die Bewilligung oder Feststellung einer Regelleistung gilt dies hingegen nicht.

Zu Unrecht bezieht sich die Beklagte zur Begründung ihrer gegenteiligen Auffassung auf das Urteil des erkennenden Senats vom 14. Februar 1968 (BSG SozR G 131 § 72a Nr 1). Hierin hat der Senat ausgesprochen, daß im Sinne des § 72a Abs 1 Satz 6 G 131 eine Regelleistung auch dann gewährt worden und somit eine Erstattung der bis dahin entrichteten Beiträge ausgeschlossen ist, wenn ein dem Versicherten vor dem Eingang des Rückforderungsantrags bereits bindend bewilligtes Heilverfahren erst nach dem Eingang des Rückforderungsantrags, aber vor der Entscheidung des Versicherungsträgers über diesen Antrag durchgeführt worden ist. Der damals zu entscheidende Streitfall ist somit gerade dadurch charakterisiert worden, daß dem Versicherten eine Regelleistung effektiv erbracht worden ist, wenn auch erst in der Zeit zwischen dem Eingang des Rückforderungsantrages und der Entscheidung hierüber. Im übrigen hat der Senat seinem Urteil ausdrücklich (aaO, S. Aa 2 unten) die Auffassung zugrunde gelegt, daß die Rückzahlung von Versicherungsbeiträgen nur bei einer tatsächlich erbrachten Regelleistung ausgeschlossen ist.

Dem Kläger ist nicht eine Regelleistung aus der Versicherung gewährt worden. Zwar hat ihm die Beklagte mit Bescheid vom 13. Oktober 1972 eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Zeit vom 1. November 1970 bis 31. Dezember 1971 bewilligt. Zugleich hat sie jedoch im Hinblick auf den Auslandsaufenthalt des Klägers (§ 1315 Abs 1 RVO) das Ruhen dieser Rente festgestellt. Hierdurch sind bei grundsätzlicher Erhaltung des Stammrechts bis zum 31. Dezember 1971 (§ 1276 Abs 2 Satz 1 RVO) die sich daraus ergebenden Ansprüche auf die jeweiligen Einzelleistungen nicht entstanden mit der Folge, daß sie auch im Falle einer Beendigung des Ruhenstatbestandes nicht nachträglich erfüllt werden können (vgl Großer Senat des BSG in BSGE 33, 280, 286; Urteil des Senats vom 31. August 1977 - 1 RA 15/76 - mwN). Dem Erstattungsantrag des Klägers ist somit zu entsprechen.

Der Senat hat keine Veranlassung zur Entscheidung der Frage, ob der Erstattungsanspruch jedenfalls dann auf die nach der Gewährung einer Regelleistung entrichteten Beiträge beschränkt ist, wenn es sich bei der Regelleistung um eine nicht auf Zeit, sondern auf Dauer bewilligte Rente handelt und diese zwar im Zeitpunkt des Antrages auf Beitragserstattung ruht, der Ruhenstatbestand jedoch wieder beseitigt werden könnte. Gegenüber den insoweit geäußerten Bedenken der Beklagten ist allerdings auf § 1303 Abs 7 RVO zu verweisen; im gegebenen Falle wird zu prüfen sein, ob die "Verfallsklausel" auch Ansprüche auf bereits festgestellte, aber noch nicht erbrachte Regelleistungen erfaßt und § 1303 Abs 7 RVO damit eine andere Bestimmung im Sinne des § 77 SGG darstellt.

Der vorliegende Sachverhalt erfordert eine solche Prüfung nicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1652144

BSGE, 67

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