Entscheidungsstichwort (Thema)

GmbH-Geschäftsführer - Gehaltsfortzahlung - freiwillige Versicherung - Verletztengeld - Ruhen

 

Leitsatz (redaktionell)

Das Verletztengeld eines freiwillig unfallversicherten GmbH-Geschäftsführers ruht, soweit er das Geschäftsführerentgelt weiterbezieht.

 

Normenkette

RVO § 545; BGB § 616; SGB IV § 14 Abs. 1; RVO § 560 Abs. 1 S. 2; SGB IV § 15 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

LSG Bremen (Entscheidung vom 14.07.1994; Aktenzeichen L 2 U 9/94)

SG Bremen (Entscheidung vom 16.12.1993; Aktenzeichen S 5 U 135/93)

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten sind Ansprüche auf Rückforderung, Erstattung und Zahlung von Verletztengeld streitig.

Der Kläger war nach dem Anstellungsvertrag vom 1. März 1991 Geschäftsführer der Tischlerei und Innenausbau L. GmbH, die er zusammen mit seiner Ehefrau im Januar 1991 gegründet hatte, wobei der Kläger eine Stammeinlage von 45.000,- DM und seine Ehefrau eine solche von 5.000,- DM übernahmen. Nach § 5 des Anstellungsvertrages erhielt er als Geschäftsführer ein jeweils am Monatsende zu zahlendes festes Monatsgehalt von 9.000,- DM brutto.

Der Kläger war bei der Beklagten bereits seit dem Jahre 1987 als Inhaber der Firma Tischlerei und Innenausbau L. freiwillig mit einer Versicherungssumme von 28.800,- DM gegen Arbeitsunfälle versichert.

Am 4. April 1991 erlitt der Kläger bei einem Arbeitsunfall Verletzungen am linken Handgelenk. Unfallbedingt war er bis 31. Mai 1991 arbeitsunfähig erkrankt. Nach Einsicht in den Geschäftsführeranstellungsvertrag ging die Beklagte davon aus, daß der Kläger keinen Anspruch auf Gehaltsfortzahlung für den Krankheitsfall habe. Sie übersandte dem Kläger einen Abdruck ihres an die Allgemeine Ortskrankenkasse (AOK) Bremen/Bremerhaven gerichteten Bescheides vom 23. Mai 1991, in dem sie diese anwies, dem Kläger ab dem 4. April 1991 Verletztengeld in Höhe von täglich 64,- DM zu zahlen. Der Kläger erhielt für 57 Tage Verletztengeld in Höhe von insgesamt 3.648,- DM.

Am 16. August 1991 zog sich der Kläger bei einem weiteren Arbeitsunfall Frakturen des Brust-, des rechten Schlüsselbeins sowie des zwölften Brustwirbelkörpers zu. Die Beklagte überwies dem Kläger aus Anlaß dieses Unfalles einen Vorschuß auf das Verletztengeld in Höhe von 7.000,- DM.

Die Steuerberaterin des Klägers teilte der Beklagten mit Schreiben vom 16. April 1992 ua mit, der Kläger habe seine Bezüge als Geschäftsführer ohne Kürzung für das ganze Jahr 1991 erhalten. Nach der beigefügten Abrechnung der Bezüge für August 1991 wurden Sozialversicherungsbeiträge nicht abgeführt.

Mit Bescheid vom 26. Oktober 1992 nahm die Beklagte daraufhin den Bescheid vom 23. Mai 1991 über die Gewährung von Verletztengeld aus Anlaß des Arbeitsunfalles vom 4. April 1991 zurück und forderte die Erstattung der erbrachten Leistungen in Höhe von 3.648,- DM. Die Zahlung sei zu Unrecht erfolgt, weil der Anspruch auf Verletztengeld wegen der ungekürzten Gehaltsfortzahlung gemäß § 560 Abs 1 Satz 2 Reichsversicherungsordnung (RVO) geruht habe. Sie habe erst durch das Schreiben der Steuerberaterin vom 16. April 1992 erfahren, daß der Kläger sein Gehalt ohne Kürzung für die ganze Zeit weiter erhalten habe. Der Kläger genieße keinen Vertrauensschutz hinsichtlich des Bestandes des Verwaltungsaktes, weil ihm die Rechtswidrigkeit der Entscheidung und der Zahlung bekannt gewesen sei. Sowohl durch das Schreiben vom 26. April 1991 als auch durch den Auftrag vom 23. Mai 1991 an die AOK sei er darauf hingewiesen worden, daß Verletztengeld nur zu zahlen sei, soweit er Arbeitsentgelt nicht erhalte. Die Rückzahlung des Betrages sei auch bei Abwägung seines und des öffentlichen Interesses der Gemeinschaft der Beitragszahler zumutbar. Der Widerspruch des Klägers hiergegen blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 10. Dezember 1992).

Mit einem weiteren Bescheid vom 26. Oktober 1992 lehnte es die Beklagte ab, dem Kläger aus Anlaß des Unfalles vom 16. August 1991 für die Zeit der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit vom 16. August 1991 bis 15. Februar 1992 Verletztengeld zu gewähren. Der Anspruch auf diese Leistung habe für die gesamte Zeit wegen der Fortzahlung des ungekürzten Gehaltes als Geschäftsführer geruht. Auch der Widerspruch des Klägers gegen diesen Bescheid war erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 10. Dezember 1992).

Während der anschließenden sozialgerichtlichen Verfahren hat die Beklagte mit Bescheid vom 11. Mai 1993 wegen der Folgen des Arbeitsunfalles vom 16. August 1991 eine vorläufige Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 30 vH gewährt. Dabei hat sie auf die ab 16. Februar 1992 zustehenden Rentenleistungen den Vorschuß in Höhe von 7.000,- DM angerechnet. Der insoweit vom Kläger eingelegte Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 10. Juni 1993).

Das Sozialgericht (SG) hat die Klagen jeweils abgewiesen (Urteile vom 16. Dezember 1993). Der Kläger habe keinen Anspruch auf Verletztengeld während der Zeiten der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit, weil diese Ansprüche wegen Fortzahlung des Entgeltes als Geschäftsführer geruht hätten. Der Kläger genieße auch keinen Vertrauensschutz in die Bestandskraft des Bescheides vom 23. Mai 1991, weil er im Hinblick auf das Schreiben der Beklagten vom 26. April 1991 iVm dem ihm übersandten Merkblatt sowohl über Art und Umfang der zustehenden Leistungen als auch aufgrund der Ausführungen im Zahlungsauftrag über Verletztengeld an die AOK die Rechtswidrigkeit des begünstigenden Verwaltungsaktes gekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht gekannt habe. Auch die Anrechnung des Vorschusses, den der Kläger aus Anlaß der durch den Arbeitsunfall vom 16. August 1991 bedingten Arbeitsunfähigkeit erhalten habe, auf die bewilligte Verletztenrente sei rechtmäßig.

Das Landessozialgericht (LSG) hat durch Urteil vom 14. Juli 1994 die Urteile des SG und die Bescheide der Beklagten, die Rücknahme der Bewilligung und die Rückforderung des aus Anlaß des Arbeitsunfalles vom 4. April 1991 gewährten Verletztengeldes und die Ablehnung der Gewährung von Verletztengeld aus Anlaß des Arbeitsunfalles vom 16. August 1991 betreffend aufgehoben sowie die Beklagte verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 16. August 1991 bis 15. Februar 1992 Verletztengeld unter Anrechnung des gezahlten Vorschusses in Höhe von 7.000,- DM zu gewähren. Das LSG hat ferner den Bescheid der Beklagten über die Gewährung von Verletztenrente aufgehoben, soweit der Vorschuß in Höhe von 7.000,- DM auf die zu zahlende Rente angerechnet wurde. Zur Begründung hat es ua ausgeführt: Der Bescheid über die Zahlung von Verletztengeld für den Zeitraum vom 4. April 1991 bis 31. Mai 1991 sei rechtmäßig gewesen. Der Anspruch habe nicht gemäß § 560 Abs 1 Satz 2 RVO geruht. Denn der Kläger habe in dieser Zeit weder Arbeitsentgelt noch Arbeitseinkommen erhalten. Bei dem weiter gezahlten Geschäftsführergehalt habe es sich nicht um derartige Leistungen gehandelt. Vielmehr hätten diese Zahlungen Entnahmen aus dem Kapitalbestand der GmbH dargestellt. Der Kläger habe aus dem gleichen Grund auch Anspruch auf die Zahlung von Verletztengeld für die Zeit vom 16. August 1991 bis 15. Februar 1992, auf das der gewährte Vorschuß von 7.000,- DM anzurechnen sei. Die bewilligte Verletztenrente sei daher ab dem 16. Februar 1992 in voller Höhe auszuzahlen.

Mit der - vom LSG zugelassenen - Revision rügt die Beklagte die Verletzung materiellen Rechts (§ 560 Abs 1 Satz 2 RVO). Der Anspruch auf Verletztengeld habe jeweils geruht. Denn der Kläger habe - entgegen der Auffassung des LSG - während der Dauer der Zeiten der Arbeitsunfähigkeit aufgrund der Fortzahlung des Geschäftsführergehaltes Arbeitsentgelt bzw Arbeitseinkommen erhalten.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts Bremen vom 14. Juli 1994 aufzuheben

und die Klagen abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Er habe in der streitigen Zeit weder Arbeitsentgelt noch Arbeitseinkommen erhalten. Das Geschäftsführergehalt habe keine Arbeitnehmervergütung aus einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis dargestellt. Bei dem Gehalt habe es sich auch um kein Arbeitseinkommen gehandelt, sondern um Entnahmen aus der Substanz des Unternehmens. Selbst wenn dies nicht zutreffe, würden für das Rückforderungsbegehren die gesetzlichen Voraussetzungen fehlen, da ihm die vermeintliche Rechtswidrigkeit der begünstigenden Entscheidung nicht bekannt gewesen und auch infolge grober Fahrlässigkeit nicht unbekannt geblieben sei.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫).

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist begründet. Auf ihre Revision war das Urteil des LSG im vollen Umfang aufzuheben.

Hinsichtlich der Rücknahme der Bewilligung sowie der Rückforderung des Verletztengeldes, das aus Anlaß des Arbeitsunfalles vom 4. April 1991 gewährt worden war, war der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.

Nach § 50 Abs 1 Sozialgesetzbuch - Zehntes Buch - (SGB X) sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten, soweit ein rechtswidriger Verwaltungsakt aufgehoben wird. Die Beklagte hat den Verwaltungsakt vom 23. Mai 1991 über die Bewilligung von Verletztengeld aus Anlaß des Arbeitsunfalles vom 4. April 1991 gemäß § 45 Abs 2 Satz 3 Nr 3 SGB X für die Vergangenheit zurückgenommen. Die Beklagte ist zu Recht davon ausgegangen, daß die Bewilligung des Verletztengeldes für den Zeitraum vom 4. April 1991 bis 31. Mai 1991 aufgrund des Verwaltungsaktes vom 25. Mai 1991 von Anfang an rechtswidrig war, weil der Anspruch auf Verletztengeld in voller Höhe ruhte.

Nach § 560 Abs 1 Satz 1 RVO erhält der verletzte Versicherte Verletztengeld, solange er - wie hier - infolge des Arbeitsunfalles arbeitsunfähig iS der Krankenversicherung ist und keinen Anspruch auf Übergangsgeld nach den §§ 568, 568a Abs 2 oder 3 RVO hat.

Die Gewährung von Verletztengeld in der gesetzlichen Unfallversicherung setzt voraus, daß der Verletzte versichert war. Die Vorinstanzen sind zutreffend davon ausgegangen, daß der Kläger gegen die Folgen von Arbeitsunfällen bei der Beklagten versichert war.

Der Kläger war nicht nach § 539 Abs 1 Nr 1 RVO als Beschäftigter der GmbH versichert. Beschäftigung ist nach § 7 Abs 1 Sozialgesetzbuch - Viertes Buch - (SGB IV) die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Der Kläger stand als Geschäftsführer in keinem abhängigen Dienstverhältnis. Der Geschäftsführer einer GmbH kann je nach den Umständen des Falles abhängig Beschäftigter oder Selbständiger sein. Es kommt dabei nicht allein auf die rechtliche Ausgestaltung des Dienstverhältnisses, sondern auf die tatsächlichen Verhältnisse an, wobei zwischen der gesellschaftsrechtlichen Organstellung des Geschäftsführers und seinem Anstellungsverhältnis zur Gesellschaft zu unterscheiden ist (vgl Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 11. Aufl, S 470o I). Ist er zugleich Gesellschafter, hängt die Entscheidung davon ab, ob er bestimmenden Einfluß auf die Entscheidungen der Gesellschaft ausübt (BSGE 13, 196; 38, 53; BSG SozR 2100 § 7 Nr 7). Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH mit einem Kapitalanteil von mindestens 50 vH oder einer Sperrminorität bei entsprechenden besonderen Vereinbarungen im Gesellschaftsvertrag sind nach der ständigen Rechtsprechung des BSG nicht abhängig beschäftigt, weil sie einen maßgeblichen Einfluß auf die Geschicke der Gesellschaft haben (BSGE 42, 1; BSGE 38, 53; BSG Urteil vom 25. Oktober 1989 - 2 RU 12/89 - = USK 8998). Sie können aufgrund ihres maßgeblichen Einflusses auf die Entscheidungen der Gesellschaft jeden ihnen nicht genehmen Beschluß verhindern (BSG Urteil vom 25. Oktober 1989 aaO). Es fehlt dann die das versicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnis kennzeichnende persönliche Abhängigkeit. Der Kläger stand danach bei Anwendung dieser Grundsätze in keinem abhängigen Beschäftigungsverhältnis zur GmbH, denn als Geschäftsführer mit einem Geschäftsanteil von 90 vH des Stammkapitals hatte er einen beherrschenden Einfluß. Auch die Ausgestaltung seines Geschäftsführer-Anstellungsvertrages und die darauf beruhende Ausübung seiner Tätigkeit als Geschäftsführer zeigen, daß er gegenüber der anderen Gesellschafterin - seiner Ehefrau - nicht weisungsgebunden wie ein Beschäftigter war.

Es kann dahinstehen, ob für den Kläger bereits beim Abschluß des Geschäftsführervertrages eine freiwillige Versicherung entsprechend § 545 RVO in der damals geltenden Fassung rechtlich möglich war (vgl BSGE 60, 29, 34; BSG Urteil vom 25. Oktober 1989 - 2 RU 12/89 - USK 8998). Das Recht, sich freiwillig gegen Arbeitsunfälle zu versichern, wurde für Personen, die wie ein Unternehmer selbständig in Kapital- oder Personenhandelsgesellschaften regelmäßig wie ein Unternehmer tätig sind, ausdrücklich erst durch die Neufassung des § 545 Abs 1 Satz 1 RVO (Art 8 Nr 2 Rentenüberleitungsgesetz ≪RÜG≫ vom 25. Juli 1991 - BGBl I 1606 - mit Wirkung ab dem 1. Januar 1992 (Art 42 Abs 1 RÜG) eingeräumt. Der Kläger war jedenfalls aufgrund einer formal-rechtlichen Versicherung unfallversichert. Zwar wird durch die Beitragszahlung allein in der Regel eine sogenannte Formalversicherung nicht begründet (BSG SozR Nrn 40 und 43 zu § 539). Ein formal-rechtliches Versicherungsverhältnis liegt in der Regel aber dann vor, wenn der Unfallversicherungsträger von der Versicherungspflicht des Betroffenen ausgeht, dh ihn als Versicherten behandelt, ohne daß die Voraussetzungen der Versicherungspflicht vorliegen (vgl BSG SozR Nrn 40 und 43 zu § 539 RVO sowie SozR 2200 § 671 Nr 1). Entsprechendes gilt, wenn von der Zulässigkeit einer freiwilligen Unternehmerversicherung ausgegangen wird und Beiträge erhoben werden. Daraus ergab sich für den Kläger ein Unfallversicherungsschutz aufgrund eines formalen Versicherungsverhältnisses, aus dem alle Rechte und Pflichten eines sachlich begründeten Versicherungsverhältnisses erwachsen (vgl BSG SozR Nr 40 zu 539 RVO). Somit bestand für den nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG arbeitsunfähigen Kläger gemäß § 560 Abs 1 Satz 1 RVO dem Grunde nach ein Anspruch auf Verletztengeld (Benz BG 1994, 223, 224).

Dem Zahlungsanspruch des Klägers steht jedoch entgegen, daß seine Bezüge als Geschäftsführer der GmbH für den Zeitraum der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit in voller Höhe weiterbezahlt wurden, was zu einem Ruhen des Verletztengeldanspruches führte. Denn nach § 560 Abs 1 Satz 2 RVO in der hier maßgebenden Fassung des Art 1 Nr 17 Buchst b des Haushaltsbegleitgesetzes 1984 vom 22. Dezember 1983 (BGBl I 1532) und des Gesundheits-Reformgesetzes vom 20. Dezember 1988 (BGBl I 2477) ruht der Anspruch auf Verletztengeld, soweit der Verletzte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen erhält.

Bei dem während der Zeit der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit ungekürzt weitergezahlten Gehalt als Geschäftsführer handelte es sich zwar nicht um Arbeitsentgelt. Dieser Begriff ist in § 14 Abs 1 SGB IV definiert. Danach umfaßt Arbeitsentgelt alle laufenden oder einmaligen Einnahmen, die aus einer Beschäftigung resultieren. Der Kläger stand jedoch, wie bereits dargelegt, nicht in einem Beschäftigungsverhältnis zur GmbH.

Durch die Fortzahlung des Gehaltes als Geschäftsführer während der Arbeitsunfähigkeit hat der Kläger aber Arbeitseinkommen iS von § 15 SGB IV aus selbständiger Tätigkeit erhalten. Arbeitseinkommen ist nach § 15 Satz 1 SGB IV der nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts ermittelte Gewinn aus selbständiger Tätigkeit (s §§ 4 bis 7g Einkommensteuergesetz ≪EStG≫). § 2 Abs 1 EStG bestimmt, daß der Einkommensteuer Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb, selbständiger Arbeit, nichtselbständiger Arbeit, Kapitalvermögen, Vermietung und Verpachtung sowie sonstige Einkünfte unterliegen. Dementsprechend gehören zu den Einkünften aus selbständiger Tätigkeit iS des § 15 SGB IV Einkünfte aus selbständiger Arbeit. Dieser Begriff der selbständigen Tätigkeit iS des § 15 Satz 1 SGB IV ist damit umfassender als der der "selbständigen Arbeit" iS des § 2 Abs 1 Nr 3 und § 18 Abs 1 EStG (BSGE 58, 277, 279). Andererseits erfaßt § 15 Satz 1 SGB IV nicht jegliches Einkommen aus einer selbständigen Tätigkeit. So gehören nicht dazu Einkünfte aus Kapitalvermögen (§§ 2 Abs 1 Nr 5, 20 EStG), aus Vermietung und Verpachtung (§§ 2 Abs 1 Nr 6, 21, 21a EStG) und sonstige Einkünfte iS des § 22 EStG (§ 2 Abs 1 Nr 7 EStG). Somit sind die diesen Einkunftsarten zugrundeliegenden wirtschaftlichen Betätigungen sozialrechtlich irrelevant (BSGE aaO S 280; Benz aaO).

Der Kläger hat die ungekürzte Gehaltsfortzahlung während seiner Arbeitsunfähigkeit aufgrund des Anstellungsvertrages als Geschäftsführer erhalten. Der Vertrag enthielt über die Weiterzahlung der Geschäftsführervergütung bei einer Verhinderung des Geschäftsführers im Krankheitsfalle zwar keine Regelung. § 616 Abs 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) in der bis 31. Dezember 1994 geltenden Fassung (insoweit gleichlautend mit § 616 BGB in der mit dem Inkrafttreten des Entgeltfortzahlungsgesetzes ab dem 1. Januar 1995 geltenden Fassung) hatte der Kläger gegen die GmbH jedoch einen Anspruch auf Weiterzahlung seines Gehaltes, weil die Vergütungspflicht der GmbH aufgrund des Anstellungsvertrages im Krankheitsfall für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit weiter bestand (Mertens in Hachenburg, GmbH-Gesetz ≪GmbHG≫, 7. Aufl 1979, § 35 RdNr 120). Der Kläger bezog damit Arbeitseinkommen nach den maßgeblichen Vereinbarungen des Anstellungsvertrages aufgrund seiner selbständigen Tätigkeit als Geschäftsführer. Dabei muß auch hier beim Kläger, der auch Gesellschafter der GmbH war, zwischen der Organstellung des Geschäftsführers und dem durch einen besonderen Vertrag geregelten Dienstverhältnis unterschieden werden. Nach diesem Anstellungsvertrag hatte der Kläger Anspruch auf die mit der GmbH als juristischer Person mit eigener Rechtspersönlichkeit vereinbarten Vergütung seiner Tätigkeit. Für die Regelung der Vergütung besteht sowohl der Art als auch der Höhe nach grundsätzlich Vertragsfreiheit (vgl Mertens in Hachenburg, aaO, § 35 Anm RdNrn 112 ff; Rohwedder/Koppensteiner, GmbHG, 2. Aufl 1990, § 35 RdNrn 64, 72).

Entgegen der Ansicht des LSG ist der Weiterbezug des Gehaltes als Geschäftsführer während der Zeit der Arbeitsunfähigkeit nicht als im Rahmen des § 560 Abs 1 Satz 2 RVO nicht zu berücksichtigende Entnahme aus dem Kapitalvermögen der GmbH zu werten. Bei Entnahme aus einer Kapitaleinlage oder bei einer vorweggenommenen Gewinnausschüttung hätten die im Geschäftsjahr insgesamt dem Kläger ausbezahlten Beträge rechnerisch wieder dem Kapital oder dem Gewinn zurückgeführt und entsprechend der Kapitalbeteiligung auf die - beiden - Gesellschafter verteilt werden müssen. Damit wäre aber der volle persönliche Arbeitseinsatz des Klägers aufgrund des Anstellungsvertrages außer Betracht geblieben. Diesen über die Gesellschafterbeteiligung hinausgehenden Einsatz für die Gesellschaft sollte durch eine der Arbeit als Geschäftsführer entsprechenden Gehaltszahlung vor der Gewinnberechnung und vor der nach dem Kapitalanteil zu verteilenden Gewinnverteilung durch das Geschäftsführergehalt Rechnung getragen werden.

Zwar kann bei Bezügen eines beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführers ein Mißbrauch des Stimmrechts im Zusammenhang mit dem Gesellschafterbeschluß über den Anstellungsvertrag in Betracht kommen, so daß die dem Gesellschafter-Geschäftsführer gezahlte Vergütung in Wahrheit auf eine getarnte Rückzahlung des Stammkapitals hinausläuft (vgl Rohwedder/Koppensteiner, aaO, § 35 RdNr 83; Rohwedder/Rohwedder, aaO, § 30 RdNr 13). Das könnte der Fall sein, wenn die Bezüge des geschäftsführenden Gesellschafters in einem deutlichen Mißverhältnis zu der vergüteten Dienstleistung stehen. Dies wäre ein Verstoß gegen das Gebot der Kapitalerhaltung gemäß § 30 Abs 1 GmbHG, wonach das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Vermögen der Gesellschaft an die Gesellschafter nicht ausgezahlt werden darf. Folge des Verstoßes gegen § 30 GmbHG wäre ein Erstattungsanspruch der Gesellschaft gemäß § 31 Abs 1 GmbHG gegen den Gesellschafter als Empfänger der unzulässigen Zahlung, was erst aufgrund einer gemäß § 42 GmbHG zu erstellenden Bilanz festzustellen wäre. Im vorliegenden Fall ist zu beachten, daß der Kläger sein Arbeitseinkommen aus seinem Arbeitseinsatz für die GmbH und nicht aus seiner Kapitalbeteiligung erhielt.

Ein Verstoß gegen § 30 GmbHG kann allerdings auch insoweit gegeben sein, als eine wesentlich überhöhte Geschäftsführervergütung insbesondere von einem - wie dem Kläger - von den Beschränkungen des § 181 BGB befreiten Gesellschafter für seine Geschäftsführung vereinbart wurde. Inwieweit das bei der Vergütung des Klägers in Höhe von 9.000,- DM monatlich der Fall sein könnte, vermag der Senat nach dem vom LSG festgestellten Sachverhalt zwar nicht zu entscheiden. Es liegen aber keine Anhaltspunkte dafür vor, daß eine Vergütung bis zu 28.800,- DM jährlich überhöht gewesen ist. Diese Summe entspräche dem nach der Satzung der Beklagten maßgebenden Jahresarbeitsverdienst.

Somit ruhte der Anspruch auf Verletztengeld wegen der Fortzahlung des Gehaltes als Geschäftsführer der GmbH während der Zeit der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit vom 4. April 1991 bis 31. Mai 1991 in vollem Umfang.

Ob die rechtswidrige Bewilligung des Verletztengeldes für den streitigen Zeitraum zurückgenommen werden darf, kann vom Senat nicht beurteilt werden. Es fehlen - vom Rechtsstandpunkt des LSG folgerichtig - tatsächliche Feststellungen darüber, ob die weiteren Voraussetzungen für eine Rücknahme des rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes gemäß § 45 Abs 2 Satz 3, Abs 4 Satz 1 SGB X gegeben sind. Die Rücknahme eines - wie hier - rechtswidrigen begünstigenden und bestandskräftigen Verwaltungsaktes für die Vergangenheit ist nach § 45 Abs 1 iVm Abs 4 Satz 1 SGB X nur zulässig, soweit nicht ein bestehendes Vertrauen des Begünstigenden auf den Bestand des Verwaltungsaktes unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Liegen diese Voraussetzungen vor, kommt es ferner darauf an, ob die Verwaltung ermessensfehlerfrei davon Gebrauch gemacht hat.

Es fehlt damit auch an der Entscheidungsgrundlage für die Erstattungsforderung der Beklagten, die sich aus § 50 Abs 1 SGB X ergäbe. Nach § 50 Abs 1 Satz 1 SGB X sind, soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist, bereits erbrachte Leistungen zu erstatten.

Das LSG wird die erforderlichen Feststellungen nachzuholen haben.

Entgegen der Auffassung des LSG ist auch der Bescheid der Beklagten vom 26. Oktober 1992 idF des Widerspruchsbescheides vom 10. Dezember 1992 rechtmäßig, mit dem die Beklagte die Gewährung von Verletztengeld abgelehnt hat. Insoweit war das angefochtene Urteil aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das klageabweisende Urteil des SG vom 14. Juli 1994 zurückzuweisen. Wie bereits zum Verletztengeldanspruch aus Anlaß des Arbeitsunfalles vom 4. April 1991 dargelegt, ruhte der Anspruch nach § 560 Abs 1 Satz 2 RVO im vollen Umfang wegen der Gehaltsfortzahlung als Geschäftsführer während der Zeit unfallbedingter Arbeitsunfähigkeit des Klägers.

Soweit die Beklagte den gewährten Vorschuß des Verletztengeldes aus Anlaß des Arbeitsunfalles vom 16. August 1991 mit dem Anspruch auf Verletztenrente aus Anlaß dieses Unfalles gemäß § 51 Sozialgesetzbuch - Erstes Buch - (SGB I) aufgerechnet hat, war insoweit ebenfalls unter Aufhebung des Urteils des LSG die Berufung des Klägers gegen das klageabweisende Urteil des SG vom 14. Juli 1994 zurückzuweisen.

Nach den Feststellungen des LSG hat die Beklagte gemäß § 42 Abs 1 SGB I dem Kläger einen Vorschuß in Höhe von 7.000,- DM auf das aus Anlaß des Arbeitsunfalles vom 16. August 1991 zu gewährende Verletztengeld gezahlt. Der Anspruch auf Gewährung von Verletztengeld ruhte jedoch im vollen Umfang. Nach § 42 Abs 2 Satz 2 SGB I sind die die zustehende Leistung übersteigende Vorschußleistungen vom Empfänger zu erstatten. Die Beklagte hatte demgemäß einen Erstattungsanspruch gemäß § 42 Abs 2 Satz 2 SGB I in Höhe von 7.000,- DM. Diese Erstattung erfolgte durch Aufrechnung seitens der Beklagten mit dem Anspruch auf Verletztenrente. Sie war gemäß § 51 Abs 1 SGB I zulässig. Bei dem Nachzahlungsbetrag hinsichtlich der Verletztenrente handelte es sich nicht um Ansprüche auf einmalige Geldleistungen iS von § 54 Abs 1 SGB I. Damit erwies sich die Aufrechnung als rechtmäßig.

Das LSG hat auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden.

 

Fundstellen

BSGE 77, 169-175 (Leitsatz 1 und Gründe)

BSGE, 169

DStR 1996, 1338 (Kurzwiedergabe)

RegNr, 22313 (BSG-Intern)

BAGUV, RdSchr 23/96 (Gründe)

EzS, 128/162 (Gründe)

HVBG-INFO 1996, 2776 (Leitsatz)

HVBG-INFO 1996, 829-835 (Gründe)

NZS 1996, 343-346 (Leitsatz 1 und Gründe)

SGb 1996, 487-493 (Leitsatz 1 und Gründe)

SozR 3-2200 § 560, Nr 2 (Leitsatz 1 und Gründe)

SozR 3-2400 § 15, Nr 3 (Leitsatz)

SozSich 1997, 318 (Kurzwiedergabe)

SozSi 1997, 318

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