Beteiligte

Klägerin und Revisionsklägerin

Beklagte und Revisionsbeklagte

 

Tatbestand

I

Streitig ist das Bestehen eines Lastenausgleichsanspruchs gemäß § 788 der Reichsversicherungsordnung (RVO).

Der Elektroinstallateur J.B. (B.) leistete in der Zeit vom 3. April 1978 bis zum 30. Juni 1979 Grundwehrdienst. Vor seiner Einberufung zur Bundeswehr war er bei der Firma E.-K. in L.-H. beschäftigt, bei der er nach Beendigung des Grundwehrdienstes ab 1. Juli 1979 auch wieder tätig werden wollte. Am 29. Juni 1979 half B., nachdem er bereits einige Tage vor dem Ablauf der Dienstpflicht von der Bundeswehr beurlaubt worden war, in einem landwirtschaftlichen Unternehmen bei der Heuernte, wobei er einen Arbeitsunfall erlitt.

Die Klägerin gewährte B. daraufhin für die Zeit vom 30. Juni bis zum 22. August 1979 ein kalendertägliches Übergangsgeld in Höhe von 42, 05 DM sowie mit Bescheid vom 25. August 1980 wegen der Folgen des Arbeitsunfalls für die Zeit ab 23. August 1979 eine vorläufige Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 40 v.H. Die Rente wurde nach einem von B. als Elektroinstallateur erzielten Jahresarbeitsverdienst in Höhe von 20.125, 58 DM berechnet. Mit Bescheid vom 7. Mai 1981 bewilligte die Klägerin dem Verletzten B. für die Zeit ab 1. Juni 1981 eine Dauerrente, wobei die Berechnungsgrundlage gegenüber der Bewilligung der vorläufigen Rente unverändert blieb. Mit Schreiben vom 21. Mai 1980 begehrte die Klägerin Lastenausgleich gemäß § 788 RVO unter Hinweis darauf, daß für eine Vergleichsperson i.S. der Vorschrift der JAV 15.120,-- DM und der Regellohn 42, 53 DM - Übergangsgeld 34, 03 DM - betragen würden. Die Beklagte verweigerte eine Lastenbeteiligung mit der Begründung, der Verletzte B. habe im Unfallzeitpunkt Wehrdienst bei der Bundeswehr geleistet und noch nicht wieder bei ihrer Mitgliedsfirma gearbeitet.

Mit der am 14. Oktober 1980 erhobenen Klage hat die Klägerin beantragt, festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet sei, ihr ihre Leistungen gemäß den Vorschriften des § 788 RVO zu erstatten. Das Sozialgericht Münster hat der Klage durch Urteil vom 11. Mai 1982 stattgegeben und festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin die Leistungen an den Verletzten B. zu erstatten, soweit sie über das hinausgehen, was für einen mit gleichen Arbeiten dauernd in der Landwirtschaft Beschäftigten zu leisten ist. Der Verletzte B. sei während seiner vorübergehenden Tätigkeit in dem landwirtschaftlichen Betrieb noch in seiner hauptberuflichen Tätigkeit (Elektrofirma K) beschäftigt und somit bei der Beklagten im Rahmen der gesetzlichen Unfallversicherung versichert gewesen.

Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (LSG) das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 24. Januar 1984). Zunächst handele es sich bei dem Klagebegehren nicht nur um eine Feststellungs-, sondern insoweit auch um eine Leistungsklage, als die Beteiligten über die Verteilung der Entschädigungslast für die Vergangenheit streiten. Die Voraussetzungen eines Ausgleichsanspruchs i.S. des § 788 RVO seien jedoch nicht gegeben, weil der Verletzte B. zum Unfallzeitpunkt in seiner hauptberuflichen Tätigkeit nicht bei einem Träger der allgemeinen Unfallversicherung, hier der Beklagten, versichert gewesen sei. Es habe keine Versicherungspflicht i.S. des § 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO in der gesetzlichen Unfallversicherung aufgrund des Arbeitsverhältnisses des B. mit dem Inhaber der Firma E.-K. bestanden. Das Arbeitsverhältnis im Sinne des Arbeitsrechts habe zwar rechtlich fortbestanden, es habe aber während des Grundwehrdienstes des B. vom 3. April 1978 bis zum 30. Juni 1979 gemäß § 1 Abs. 1 des Arbeitsplatzschutzgesetzes (ArbPlSchG) geruht mit der Folge, daß die beiderseitigen Hauptpflichten, die der Arbeitsleistung und der Lohnzahlung, außer Kraft gewesen seien. Der Begriff des Arbeitsverhältnisses i.S. des § 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO sei jedoch nicht identisch mit dem arbeitsrechtlichen Begriff. Im Unfallversicherungsrecht komme es entscheidend auf die tatsächlichen Verhältnisse an. Für die Beurteilung der Versicherungspflicht seien grundsätzlich die Aufnahme der tatsächlichen Arbeit durch den Arbeitnehmer, ggf. dessen Dienstbereitschaft, die Art der tatsächlich geleisteten Arbeit sowie die Verfügungsgewalt des Arbeitgebers maßgebend. Zwar könne auch für Zeiten, in denen tatsächlich nicht gearbeitet werde, der Arbeitsvertrag aber rechtlich weiterbestehe und grundsätzlich Dienstbereitschaft des Arbeitnehmers und Verfügungsbefugnis des Arbeitgebers vorhanden seien, eine versicherungspflichtige Beschäftigung fortdauern. Dies sei vorliegend jedoch nicht der Fall. Das Beschäftigungsverhältnis sei nicht nur - wie z.B. beim Streik - suspendiert, sondern unterbrochen gewesen. Aufgrund des Ruhens des Arbeitsverhältnisses gemäß § 1 Abs. 1 ArbPlSchG hätten die Hauptpflichten aus dem Arbeitsvertrag während des Grundwehrdienstes unabhängig vom Willen der Vertragsparteien nicht wirksam werden können. Für einen verhältnismäßig längeren Zeitraum sei eine tatsächliche Arbeitsleistung des B. für die Elektrofirma nicht möglich gewesen. Ebenso sei das Weisungsrecht des Arbeitgebers während des Grundwehrdienstes nicht - auch nicht latent -, bestehen geblieben. Die Pflicht zur Erbringung der Arbeitsleistung sowie die Verfügungsbefugnis des Arbeitgebers seien für die Zeit des Grundwehrdienstes aufgehoben gewesen, sie hätten erst danach wieder aufleben können. Die Auffassung, wonach der B. im Unfallzeitpunkt nicht bei einem Träger der allgemeinen Unfallversicherung versichert gewesen sei, werde sowohl durch § 209a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 RVO als auch dadurch gestützt, daß Grundlage für den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung die tatsächliche Ausführung einer Arbeit sei. Für den Fortbestand des Unfallversicherungsschutzes nach § 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO während des Grundwehrdienstes sei darüber hinaus kein sachlicher Grund gegeben, da das Soldatenversorgungsgesetz (SVG) dem Grundwehrdienstleistenden Schutz vor einem wehrdienstbedingten Unfall gewähre, weshalb Berechtigte nach dem SVG in der gesetzlichen Unfallversicherung gemäß § 541 Abs. 1 Nr. 2 RVO grundsätzlich versicherungsfrei seien. Eine andere Beurteilung sei auch nicht im Hinblick auf die Regelung des § 576 Abs. 4 RVO geboten, die bezüglich des Jahresarbeitsverdienstes an das durch den Grundwehrdienst unterbrochene Beschäftigungsverhältnis anknüpfe. Die Vorschrift betreffe nur die Berechnung der Verletztenrente. Obwohl die Klägerin bei der Anwendung des § 576 Abs. 4 RVO Mehraufwendungen zu erbringen habe, komme eine Auslegung des § 788 RVO zu ihren Gunsten nicht in Betracht, da es nicht gerechtfertigt sei, einen Unfallversicherungsträger, bei dem im Unfallzeitpunkt keine Versicherung bestanden habe, zum Ersatz von Mehraufwendungen und mithin zur teilweisen Leistung zu verpflichten.

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts, insbesondere der §§ 788, 576 Abs. 4 RVO sowie der Vorschriften des ArbPlSchG. Die Voraussetzungen des § 788 RVO für einen Ausgleich durch die Beklagte seien erfüllt. Das bis zum Beginn des Grundwehrdienstes bei einem Mitgliedsbetrieb der Beklagten bestehende Beschäftigungsverhältnis habe auch in der Folgezeit fortbestanden, lediglich das Arbeitsverhältnis habe nach § 1 Abs. 1 ArbPlSchG geruht. Es sei rechtlich unerheblich, daß der Verletzte zum Unfallzeitpunkt kein Einkommen aus einer gewerblichen Tätigkeit bezogen habe. Das Gesetz fordere lediglich eine hauptberufliche Tätigkeit, die bei einem Träger der allgemeinen Unfallversicherung versichert sei. Bestehe aber das Arbeitsverhältnis fort, so ergebe sich die Ausgleichspflicht der Beklagten aus dem vom Gesetzgeber mit dem Lastenausgleich erfolgten Zweck. Dieser sei in erster Linie deshalb vorgeschrieben, weil die gewerbliche Berufsgenossenschaft die von ihren Mitglieds-Unternehmen zu zahlenden Umlagen nach den höheren Arbeitseinkommen der Versicherten erhalte und dies im Falle eines Arbeitsunfalles bei einer vorübergehenden Tätigkeit in der Landwirtschaft dazu führe, daß die landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft an den Verletzten Leistungen nicht nach den Arbeitseinkommen der Versicherten in der Landwirtschaft, sondern nach den höheren Arbeitseinkommen der Versicherten der gewerblichen Berufsgenossenschaft gewähren müsse. Der geltend gemachte Lastenausgleichsanspruch sei aber auch unter Berücksichtigung des § 576 Abs. 4 RVO gerechtfertigt. Der höhere Jahresarbeitsverdienst des Verletzten B. ergebe sich aus dieser Vorschrift. Sie (die Klägerin) sei nur deshalb verpflichtet gewesen, einen dementsprechend höheren Jahresarbeitsverdienst der Rentenberechnung zugrunde zu legen, weil der Verletzte in einem der allgemeinen Unfallversicherung angehörenden Betrieb ein höheres Einkommen erzielt habe. Dieses höhere Einkommen des Verletzten sei aber von der Umlage der Beklagten mit erfaßt worden. Die Beklagte habe also Beiträge auch unter Mitberücksichtigung des Einkommens des Verletzten, welches jetzt für die Rentenberechnung herangezogen werden müsse, erhalten.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 24. Januar 1984 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 11. Mai 1982 zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Ergänzend trägt sie vor, daß für die Feststellung des Jahresarbeitsverdienstes immer die tatsächlich erzielten Einkünfte im Jahr vor dem Unfallereignis maßgeblich seien. Da der Unfall sich in der Landwirtschaft ereignet habe und der Verletzte B. im Jahr vor dem Unfall keine Einkünfte aus seiner Tätigkeit bei der Firma E.-K. erzielt habe, sei der Jahresarbeitsverdienst aus der in der Landwirtschaft erarbeiteten Entlohnung und dem bezogenen Wehrsold zu ermitteln.

II

Die zulässige Revision ist nicht begründet.

Die Klägerin begehrt nach dem Wortlaut des von ihr gestellten Antrags die Feststellung, daß die Beklagte verpflichtet sei, ihr ihre Leistungen gemäß den Vorschriften des § 788 RVO zu erstatten. Hiernach handelt es sich - im Gegensatz zur vom LSG vertretenen Auffassung - nicht um eine Feststellungs- und Leistungsklage, sondern nur um eine Feststellungsklage i.S. des § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG (Meyer-Ladewig, SGG, 2. Aufl., § 55, RdNr. 19).

Die erhobene Feststellungsklage ist daher zulässig, sie ist jedoch nicht begründet.

Rechtsgrundlage des erhobenen Ausgleichsanspruchs ist § 788 RVO. Hiernach hat der Träger der allgemeinen Unfallversicherung der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft die an den Verletzten erbrachten Leistungen zu erstatten, soweit sie über das hinausgehen, was für einen mit gleichen Arbeiten dauernd in der Landwirtschaft Beschäftigten zu leisten ist; Voraussetzung dafür ist, daß der Verletzte nur vorübergehend in der Landwirtschaft tätig und zur Zeit des Unfalls hauptberuflich bei einem Träger der allgemeinen Unfallversicherung versichert ist.

Das LSG hat einen solchen Ausgleichsanspruch der Klägerin aus § 788 RVO zu Recht verneint, da dessen Voraussetzungen nicht gegeben sind. Der Verletzte B. war zum Unfallzeitpunkt (29. Juni 1979) nicht bei der Beklagten als einem Träger der allgemeinen Unfallversicherung versichert. Die Frage, ob B. zur Zeit des Unfalls bei der Beklagten versichert gewesen ist, hängt davon ab, ob nach den für das Vorliegen eines Versicherungsverhältnisses in der gesetzlichen Unfallversicherung maßgebenden Vorschriften des § 539 RVO ein Versicherungsverhältnis zwischen B. und der Beklagten aufgrund des zwischen B. und der Mitgliedsfirma der Beklagten, der Firma E.-K. geschlossenen Arbeitsverhältnis bestanden hat. Dies ist nach der hier in Betracht kommenden Vorschrift des § 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO zu verneinen.

Gemäß § 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO sind zwar die aufgrund eines Arbeits-, Dienst- oder Lehrverhältnisses Beschäftigten gegen Arbeitsunfall in der gesetzlichen Unfallversicherung versichert.

Ein solches, die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Unfallversicherung begründendes Arbeitsverhältnis zwischen B. und der Firma E.-K. lag unstreitig bis zum Antritt des Grundwehrdienstes vor. Im arbeitsrechtlichen Sinne hat das Arbeitsverhältnis auch während des Grundwehrdienstes aufgrund der besonderen Regelung in § 1 Abs. 1 ArbPlSchG fortbestanden; es hat nach dieser Vorschrift Iediglich geruht. Die beiderseitigen Hauptpflichten, insbesondere die Pflicht des B. zur Arbeitsleistung und diejenige des Arbeitgebers zur Lohnzahlung, waren für die Dauer des Grundwehrdienstes entfallen (vgl. BAG AP Nr. 1 zu § 1 ArbPlSchG; Wehrdienst und Sozialversicherung - Zusammenfassende Darstellung des Rechts der Kranken-, Arbeitslosen- und Rentenversicherung der Soldaten der Bundeswehr - WuSV, § 1 ArbPlSchG Anm. 3a, b; Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 5. Aufl., S 1038).

Nach der Rechtsprechung des BSG (BSGE 43, 60, 61; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 10. Aufl., S. 470b m.w.N.) sind der arbeitsrechtliche Begriff des Arbeitsverhältnisses und derjenige des Arbeits-, Dienst- bzw. Beschäftigungsverhältnisses i.S. des Sozialversicherungs-, also auch des Unfallversicherungsrechts i.S. des § 539 Abs. Nr. 1 RVO, nicht gleichzusetzen. Allein aus der Tatsache des Fortbestehens des Arbeitsverhältnisses nach den arbeitsrechtlichen Schutzvorschriften des ArbPlSchG kann daher nicht der Schluß gezogen werden, auch das (sozialrechtliche) Versicherungsverhältnis des § 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO zwischen B. und der Beklagten habe während des Grundwehrdienstes des B. fortbestanden. Sowohl nach dem bis zum Inkrafttreten des Vierten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB IV) geltenden Recht, insbesondere der Rechtsprechung des BSG, als auch unter der für alle Zweige der Sozialversicherung nunmehr geltenden Vorschrift des § 7 Abs. 1 SGB IV, nach dem unter dem Begriff der "Beschäftigung" die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis zu verstehen ist, sind für das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses i.S. des § 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO nicht die arbeitsrechtlichen vertraglichen Regelungen, sondern die tatsächlichen Verhältnisse maßgebend (Brackmann, a.a.O., S. 469h unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BSG vor Inkrafttreten des SGB IV, S. 470 zur Rechtslage unter dem geltenden Recht des § 7 Abs. 1 SGB IV; Watermann/Lauterbach, Gesetzliche Unfallversicherung, 3. Aufl., § 539 RVO Anm. 6a, 9; Merten in GK-SGB IV § 7 Anm. 15).

Charakteristisches Merkmal der Beschäftigung als nichtselbständige Arbeit ist die persönliche Abhängigkeit von dem Arbeitgeber (s. zusammenfassend Krasney in Schrammel - Herausgeber -, Versicherungs- und Beitragspflicht in der Sozialversicherung, Wiener Beiträge zum Arbeits- und Sozialrecht, Bd. 21; 1985, S. 1, 3 m.w.N. auch zur - nur - ergänzenden Funktion der wirtschaftlichen Abhängigkeit). Als Kriterien der persönlichen Abhängigkeit werden insbesondere angesehen das Direktionsrecht des Arbeitgebers bzw. die Weisungsgebundenheit des Beschäftigten, die Eingliederung in den Betrieb, die sich vornehmlich in der Überwachung der Arbeitszeit und der Arbeitsfolge sowie der Regelung des Arbeitsverfahrens, insbesondere aber im zweckmäßigen Einsatz der Arbeitskraft und dem Unterworfensein unter Kontrollen äußert (Brackmann a.a.O. S. 306n, 470 e; Krasney a.a.O. S. 5). Bereits diese Merkmale des Beschäftigungsverhältnisses waren alle während der Wehrdienstzeit bis zu der vorgesehenen Wiederaufnahme der Arbeit am 1. Juli 1979 nicht erfüllt, da vor allem keine Arbeit verrichtet wurde und werden konnte. Schon deshalb lag in dieser Zeit ein Beschäftigungsverhältnis nicht vor. Eine ausdrückliche gesetzliche Regelung über das Weiterbestehen und zugleich Ruhen des Beschäftigungsverhältnisses ist anders als für das Arbeitsverhältnis nicht getroffen.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung der Rechtsprechung, nach der ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis auch ohne tatsächliche Arbeitsleistung, also auch bei in der Regel nicht langfristigen Unterbrechungen der Arbeit, vorliegen kann, da das Merkmal der tatsächlichen Arbeitsleistung nicht ein notwendiger Bestandteil einer versicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit ist (BSGE 37, 10, 13; 41, 41, 52 f.; Brackmann, a.a.O., § 309n ff. für die Krankenversicherung, S. 470a m.w.N. für die Unfallversicherung, Krasney a.a.O. S. 25ff.). Voraussetzung für den Fortbestand des Arbeits- oder Dienstverhältnisses im unfallversicherungsrechtlichen Sinn trotz tatsächlich nicht verrichteter Arbeit ist jedoch, daß die Arbeitsunterbrechung nur vorübergehend ist, d.h., daß das Arbeits- oder Dienstverhältnis nach dem Willen der Beteiligten fortgesetzt werden soll, daß der Arbeitnehmer auch während der Arbeitsunterbrechung dienstbereit ist und noch der Verfügungsgewalt des Arbeitgebers untersteht (Brackmann, a.a.O., S. 472k unter Hinweis auf BSG SozR RVO § 537 a.F. Nr. 19). Hieran fehlt es jedoch. B. war - wie bereits aufgezeigt - während der Dauer seines Grundwehrdienstes weder bereit noch in der Lage bei seinem Arbeitgeber, der Mitgliedsfirma der Beklagten, zu arbeiten (zur Frage der Arbeits- Dienstbereitschaft vgl. BSGE 41, 41, 52 unter Hinweis auf BSE 37, 10, 14). Ebenso bestand die Verfügungsgewalt des Arbeitgebers nicht fort. Während des Grundwehrdienstes war B. kraft Gesetzes aufgrund des bestehenden Wehrdienstverhältnisses ausschließlich zur Dienstleistung bei der Bundeswehr, nicht aber bei seinem Arbeitgeber verpflichtet.

Für den Fortbestand des Unfallversicherungsschutzes nach § 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO aufgrund der zuvor ausgeübten Tätigkeit während des Grundwehrdienstes besteht im übrigen - anders als hinsichtlich des Schutzes des Arbeitsplatzes - kein Bedürfnis, da die Vorschriften des SVG den notwendigen Schutz gewähren. Nach den §§ 80, 81 SVG wird Wehrdienstleistenden im Falle einer Wehrdienstbeschädigung Versorgung in entsprechender Anwendung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) gewährt, weshalb dieser Personenkreis gemäß § 541 Abs. 1 Nr. 2 RVO in der gesetzlichen Unfallversicherung grundsätzlich versicherungsfrei ist (vgl. Watermann/Lauterbach, a.a.O., § 541 Anm. 10, 11).

Ein Lastenausgleichsanspruch der Klägerin ist darüber hinaus nicht, wie von ihr vertreten, unter Berücksichtigung des § 576 Abs. 4 RVO gerechtfertigt. Nach dieser Vorschrift gilt für jemanden, der aufgrund der Wehrpflicht Wehrdienst oder Zivildienst leistet und einen Arbeitsunfall erleidet, für den ihm Beschädigtenversorgung nicht zusteht, als Jahresarbeitsverdienst das Arbeitseinkommen, das der Verletzte, im Jahr vor seinem Diensteintritt in die Bundeswehr oder den Zivildienst gehabt hat, oder, falls dies für den Verletzten günstiger ist, nach dem zum Zeitpunkt des Arbeitsunfalls geltenden Tarifrecht gehabt hätte, wenn er den Dienst in der Bundeswehr oder den Zivildienst nicht angetreten hätte. Die Auffassung der Beklagten, wonach der Jahresarbeitsverdienst im vorliegenden Fall aus der in der Landwirtschaft erzielten Vergütung und dem bezogenen Wehrsold zu ermitteln ist, widerspricht nicht nur dem Wortlaut, sondern vor allem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung des § 576 Abs. 4 RVO (vgl. auch Lauterbach, Unfallversicherung Kommentar, § 576 RVO Anm. 15). Die Klägerin weist zwar zutreffend darauf hin, daß das von B. im letzten Jahr vor der Einberufung zur Bundeswehr bezogene Arbeitsentgelt, das der Ermittlung des Jahresarbeitsverdienstes gemäß § 576 Abs. 4 RVO zugrundezulegen ist, gemäß § 725 Abs. 1 RVO von der Umlage der Beklagten erfaßt worden ist. Der Sinn und Zweck des in § 788 vorgeschriebenen Lastenausgleichs besteht aber darin, bei gleichzeitiger Versicherung durch eine hauptberufliche Tätigkeit die landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft von den besonderen Belastungen freizuhalten, die ihr im Falle eines Arbeitsunfalles durch die vorübergehende Tätigkeit berufsfremder Personen dadurch entstehen, weil die gewerbliche Berufsgenossenschaft die von den bei ihr versicherten Unternehmern zu zahlenden Umlagen nach den höheren Arbeitseinkommen der Versicherten erhält und diese nunmehr zu höheren Leistungen der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft an den Verletzten führen, als diese sonst gewähren müßte (BSG SozR RVO § 942 a.F. Nr. 3; BSG SozR 2200 § 788 Nr. 2; Vollmer, Die Sozialversicherung 1969, 24; Bick, SdL 1976, 166; Podzun, Der Unfallsachbearbeiter, Kennziffer 440 S. 35). Nach dem höheren Arbeitseinkommen eines Versicherten erhält der Träger der allgemeinen Unfallversicherung Beiträge jedoch nur dann, wenn im Zeitpunkt des Unfalls eine Versicherung aus der hauptberuflichen Tätigkeit besteht. Deshalb geht § 788 RVO davon aus, daß der Verletzte, d.h. hier der B., zum Unfallzeitpunkt bei einem Träger der allgemeinen Unfallversicherung, hier der Beklagten, versichert sein muß (BSG SozR 2200 § 788 Nr. 2). Der in der gesetzlichen Unfallversicherung versicherte Personenkreis wird aber durch die §§ 539 bis 545 RVO festgelegt, hiernach war B. zum Unfallzeitpunkt - wie ausgeführt - nicht bei der Beklagten versichert. Die Vorschrift des § 576 RVO dagegen - ebenso wie die des § 571 Abs. 1 RVO - ist ohne Bedeutung für die Frage, welcher Personenkreis in der gesetzlichen Unfallversicherung versichert ist und welcher nicht. Diese befindet sich im 2. Abschnitt des Dritten Buchs der RVO, der die Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung regelt, unter dem Buchst. B (Leistungen nach Eintritt des Arbeitsunfalls) Ziffer III (Entschädigung durch Rente und sonstige Leistungen in Geld) und enthält ausschließlich eine Sonderregelung zur Berechnung des Jahresarbeitsverdienstes für Beamte und Soldaten. Die Rechtslage ist nicht anders, als wenn jemand z.B. einen Monat nach Aufgabe seiner beruflichen Tätigkeit bei einer nur vorübergehenden Tätigkeit in der Landwirtschaft einen Arbeitsunfall erleidet. Die landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft kann auch hier von der für die früher ausgeübte hauptberufliche Tätigkeit zuständige Berufsgenossenschaft einen Ausgleich nach § 788 RVO nicht verlangen.

Ein Lastenausgleich zwischen der Klägerin und der Beklagten nach § 788 RVO kommt somit mangels eines bestehenden Versicherungsverhältnisses zwischen B. und der Beklagten zum Unfallzeitpunkt nicht in Betracht.

Die Revision der Klägerin war daher zurückzuweisen.

Eine Kostenentscheidung entfällt (s. § 193 Abs. 4 SGG).2 RU 14/84

Bundessozialgericht

Verkündet am

12. Dezember 1985

 

Fundstellen

Dokument-Index HI518253

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