Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 23. März 1984 – L 4 Kr 2361/81 – wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Der Kläger begehrt Erstattung der Kosten für die Pflege seiner neugeborenen Tochter Gino in den Städtischen Krankenanstalten …. Gino wurde am 3. August 1979 geboren. Für ihre Pflege in der Zeit vom 3. bis zum 10. August 1979 stellten die Städtischen Krankenanstalten 397,20 DM in Rechnung (Pflegesatz eines gesunden Säuglings). Die Beklagte teilte dem Kläger mit, Anspruch auf Familienhilfe für Gino bestehe ab 3. August 1979, für seine Ehefrau ab 3. Oktober 1979. Mit Bescheid vom 31. Oktober 1979 (Widerspruchsbescheid vom 4. Februar 1980) lehnte sie die Erstattung, der Pflegekosten für Gino ab, weil sie Teil der Entbindungsanstaltspflege seien. Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte verurteilt, dem Kläger die Pflegekosten in Höhe von 397,20 DM zu erstatten. Dieses Urteil hat das Landessozialgericht (LSG) aufgehoben und die Klage abgewiesen.

In den Gründen hat das LSG ausgeführt, die geltend gemachte Erstattung könne der Kläger nicht aus einem Anspruch auf Mutterschaftshilfe für seine Ehefrau gemäß § 205a der Reichsversicherungsordnung (RVO) herleiten. Der Kläger habe für seine Ehefrau keinen Anspruch auf Mutterschaftshilfe gehabt, da sie im August 1979 als Obersteuersekretärin ein Bruttoeinkommen von 1.868,64 DM gehabt habe. Für Gino bestehe allerdings der Familienhilfeanspruch seit ihrer Geburt. Ginos Aufenthalt in den Städtischen Krankenanstalten sei aber nicht durch Krankheit bedingt gewesen, sondern habe sich aus der Natur der Sache und dem Aufenthalt der nach der Entbindung selbst noch pflegebedürftigen Mutter ergeben. Anhaltspunkte für eine krankheitsbedingte, Behandlungsbedürftigkeit der Tochter bestünden nicht. Für die, gesunde Tochter könne die Anstaltspflege auch nicht als Teilleistung der Mutterschaftshilfe gewährt werden. Das Ergebnis sei unter, Berücksichtigung von Sinn und Zweck der gesetzlichen Familienkranken- und Mutterschaftshilfe nicht zu korrigieren.

Der Kläger macht mit der Revision geltend, die Anstaltspflege des Neugeborenen könne nicht als Annex zur Leistungsberechtigung der Mutter qualifiziert werden, denn der Katalog der § 195 ff. RVO sei nicht ausschließlich auf die Mutter abgestellt. Schon die Hilfe und Wartung nach § 195 Ziff. 3 RVO sei nicht nur der Mutter, sondern auch dem Gewarteten zu gewähren. Die Leistungen der Mutterschaftshilfe kämen nicht allein der Mutter zugute; Destinatär könnten vielmehr auch der Vater oder das Neugeborene sein. Dies ergebe sich auch aus § 196 RVO i.V.m. §§ 181 Abs. 1, 182 RVO sowie aus den Kinder- und den Mutterschaftsrichtlinien. Nach den Mutterschaftsrichtlinien sollten durch die ärztliche Betreuung während der Schwangerschaft und nach der Entbindung mögliche Gefahren für Leben und Gesundheit von Mutter und Kind abgewendet werden.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 23. März 1984 – L 4 Kr 2361/81 – aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Pflegekosten für die am 3. August, 1979 geborene Tochter des Klägers in Höhe von 397,20 DM für die Zeit vom 3. bis zum 10. August 1979 zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

II.

Die Revision ist nicht begründet. Mit Recht hat das LSG das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig. Dem Kläger steht kein Anspruch auf die begehrte Erstattung der Pflegekosten zu.

Der Senat stimmt dem Urteil des LSG auch in den Gründen zu. Im einzelnen hat das LSG zutreffend dargelegt, daß der Kläger die Erstattung der Pflegekosten für das Kind nicht aus dem Anspruch auf Mutterschaftshilfe für seine Ehefrau herleiten kann. Der Anspruch aus der hier allein in Betracht kommenden Vorschrift des § 205a RVO stet dem Versicherten zu. Indessen wird die Leistung nicht für den Versicherten gewährt. Destinatär der Leistung ist vielmehr der Familienangehörige. In seiner Person müssen die Voraussetzungen des § 205 RVO erfüllt sein. Da die Ehefrau des Klägers nach den Feststellungen des LSG, mehr als 399,– DM verdient hat, steht ihm gemäß § 205 RVO i.d.F. durch Art 4 § 1 des 21. Rentenanpassungsgesetzes vom 25. Juli 1978 (BGBl. I 1089) für sie keine Mutterschaftshilfe zu.

Der Kläger kann die Erstattung der Pflegekosten ferner nicht als Leistung der Familienkrankenhilfe für seine Tochter Gino verlangen. Auch insoweit ist der Begründung des LSG ohne Einschränkung zuzustimmen. Der Anspruch auf Leistungen der Familienkrankenpflege setzt nach § 205 RVO i.V.m. § 182 RVO das Vorliegen einer Krankheit der Person voraus, für die dem Versicherten die Familienkrankenhilfe zusteht. Nach den Feststellungen des LSG hat sich die Tochter Gino aber nicht aus krankheitsbedingten Gründen in den Städtischen Krankenanstalten … aufgehalten; es bestehen keine Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Krankheit. Diese Feststellungen hat der Kläger nicht mit Revisionsgründen angegriffen, so daß sie für den Senat bindend sind (§ 163 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-).

Der Kläger kann die geltend gemachte Erstattung der Pflegekosten nicht als Teilleistung der Mutterschaftshilfe verlangen. Wie das LSG zutreffend dargelegt hat, spricht der Wortlaut des Gesetzes schon durch die Bezeichnung der Leistungen als solche der Mutterschaftshilfe dafür, daß die Leistungen nach den §§ 195 ff. SVO für die Mutter und nicht für das Neugeborene zu gewähren sind. Die Leistungen, der Mutterschaftshilfe unterscheiden sich von denjenigen der Krankenhilfe nach §§ 182 ff. RVO hauptsächlich dadurch, daß sie keinen regelwidrigen Körperzustand voraussetzen. Vielmehr sind eine normal verlaufende Schwangerschaft und die Entbindung ein natürlicher Lebensvorgang. (Krauskopf/Schroeder-Printzen, Soziale Krankenversicherung, Anm. 3 vor § 195 RVO). Die besonderen in den §§ 195 ff. RVO geregelten Leistungen sind aber andererseits schon nach der Bezeichnung als Mutterschaftshilfe nur für die Mutter bestimmt. Deshalb ist leistungsberechtigt nach §§ 196 ff. RVO „die Versicherte”, während sonst in der RVO der in der Sprache des Gesetzes geschlechtsunspezifisch verwandte männliche Artikel („der Versicherte”) benutzt wird (z.B. in §§ 182a, 182b, 1236, 1246 RVO). Nach § 196 RVO hat die Versicherte „während der Schwangerschaft” Anspruch auf ärztliche Betreuung und auf Hebammenhilfe. Wenn sie diesen Anspruch außerdem auch nach der Entbindung hat, dann kann kein allgemeiner, nur zeitlich (nämlich auf die Zeit nach der Entbindung) beschränkter Anspruch eines völlig unbestimmten Personenkreises gemeint sein, sondern ebenfalls nur ein Anspruch der Mutter. Dasselbe gilt für § 197 RVO. Eindeutig beschränkt auf die Frau, die entbunden hat, sind auch die Leistungen der §§ 198 und 200 ff. RVO. Im Hinblick auf diesen Zusammenhang kann für die Bestimmung des § 199 nichts anderes gelten.

Der Kläger hat dagegen dargelegt, aus § 196 i.V.m. § 181 Abs. 1 und § 182 RVO sowie aus den Kinder- und den Mutterschaftsrichtlinien ergebe sich, daß die Leistungen der Mutterschaftshilfe nicht nur der Mutter zukämen, sondern daß auch das Neugeborene Destinatär der Leistungen sein könne. Dies trifft nicht zu. Insbesondere ist in § 196 nicht auf § 181 Abs. 1 Ziffer 1 RVO Bezug genommen. Danach haben Kinder bis zur Vollendung des 4. Lebensjahres Anspruch auf Untersuchungen zur Früherkennung von Krankheiten, die eine normale körperliche oder geistige Entwicklung in besonderem Maß gefährden. Demgemäß haben auch die Kinderrichtlinien (Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und. Krankenkassen über die Früherkennung von Krankheiten bei Kindern bis zur Vollendung des 4. Lebensjahres vom 26. April 1976) nichts mit der ärztlichen Betreuung nach § 196 RVO zu tun. Nach den Mutterschaftsrichtlinien (Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über die ärztliche Betreuung während der Schwangerschaft und nach der Entbindung i.d.F. vom 16. Dezember 1974 – Beilage Nr. 12/75 zum BAnz 1975 Nr. 59) sind ärztliche Betreuung i.S. des § 196 RVO solche Maßnahmen, welche der Überwachung des Gesundheitszustandes der Schwangeren bzw. der Wöchnerinnen dienen, soweit sie nicht ärztliche Behandlung i.S. der § 182 RVO und 13 KVLG darstellen (Richtlinien Ziffer 6). Bei jedem Kind einer Rh-negativen Mutter sind der Rh-Faktor D und je nach dem Ergebnis auch die Blutgruppe zu bestimmen. Diese Maßnahmen dienen aber nur dazu, der Wöchnerin rechtzeitig Spritzen zu verabreichen, um einen schnellen Abbau der in den mütterlichen Kreislauf übergetretenen fetalen Rh-positiven Erythrozyten zu bewirken und die Bildung von Antikörpern zu verhindern (Abschnitt D der Richtlinien). Sie dienen also nicht der ärztlichen Betreuung des Kindes.

Der Kläger hat weiter dargelegt, die Leistungen der Hilfe und Wartung gemäß § 195 Ziffer 3 RVO i.V.m. § 199, Abs. 2 RVO seien nicht nur der Mutter, sondern auch dem Gewarteten zu gewähren. Insbesondere zeige sich dies, wenn die familienhilfeberechtigte Mutter bei der Geburt sterbe; dann habe der Versicherte Anspruch auf Hilfe bei der Pflege des Säuglings. Diese Ansicht trifft nicht zu. Die Rechtsnatur der Hilfe und Wartung durch Hauspflegerinnen ist umstritten. Nach der einen Ansicht wird diese Leistung nur anstelle der Entbindungsanstaltspflege gewährt, dementsprechend ist sie von der Haushaltshilfe zu unterscheiden, die für den Versicherten bzw. die Ehefrau im Haushalt durch hausfrauliche Tätigkeiten erbracht wird und demgemäß auch der Versorgung des Kindes dient; die Gegenmeinung geht dahin, daß der Ausdruck Hauspflegerinnen umfassend ist und auch Leistungen im Haushalt umfaßt (vgl. Krauskopf/Schroeder-Printzen, a.a.O., § 199 RVO Anm. 2 und 3, Peters, Handbuch der Krankenversicherung § 199 RVO Anm. 10; Töns, DOK 1968, 169, 170 f.). Welcher Meinung der Vorzug zu geben ist, kann im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben. Selbst wenn die Hauspflege neben der Pflege der Schwangeren bzw. der Wöchnerin auch die Führung und Aufrechterhaltung des Haushalts umfaßt und damit mittelbar der Versorgung des Kindes dient, handelt es sich doch um eine Leistung für die schwangere Frau bzw. die Mutter. Die Hauspflegerin würde insoweit Aufgaben der Frau oder Mutter übernehmen, die deshalb versichert oder familienhilfeberechtigt sein muß. Dagegen sind die übrigen Haushaltsangehörigen allenfalls Nutznießer der Wartung und Hilfe. Es ist für die Leistung der Hilfe und Wartung wie für die Haushaltshilfe nach § 185b RVO unerheblich, ob die übrigen Haushaltsangehörigen einen versicherungsrechtlichen Status – sei es als Versicherte oder als Familienhilfeberechtigte – haben.

Der Versicherte kann allerdings auch einen Anspruch auf Pflege des gesunden Neugeborenen in einer Entbindungsanstalt haben. Dazu hat das LSG auf die Rechtsprechung des Reichsversicherungsamtes (RVA) hingewiesen, nach der Anstaltspflege für das Neugeborene als Nebenleistung zu der der Mutter oder für sie zu gewährenden Entbindungsanstaltspflege zu erbringen ist. Dem Kläger steht aber auch dieser Anspruch nicht zu. Entbindungsanstaltspflege nach § 199 RVO für, das Kind hat die Krankenkasse nur dann zu leisten, wenn sie der Mutter Pflege in einer Entbindungs- oder Krankenanstalt nach § 199 gewehrt. Mit dem LSG läßt sich die Leistung für das Kind als streng akzessorisch bezeichnen. Der Anspruch für das Kind ist nämlich nur deshalb begründet, weil die der Mutter zu erbringende Pflege in der Anstalt sinnvoll und damit rechtlich einwandfrei nur erbracht werden kann, wenn auch die Pflegekosten für das Kind übernommen werden. Um der Gesundheit der Mutter willen und aus, anderen Gründen ist es angezeigt, Mutter und Kind im Regelfall während der ersten Zeit nach der Entbindung nicht zu trennen. Die Mutter könnte die gesetzliche Leistung nach § 199 RVO in der Regel nicht in Anspruch nehmen, wenn das Kind nicht mit in der Anstalt aufgenommen würde. Durch die Mitaufnahme des Kindes wird die Leistung an die Mutter erst, ermöglicht. Die Kosten für den Aufenthalt des Neugeborenen in der Entbindungs- oder Krankenanstalt sind deshalb als Teil des Mutterschaftshilfeanspruchs anzusehen (RVA AN 1931, 220). Da der Kläger keinen Anspruch auf die Hauptleistung der Anstaltspflege nach § 199 RVO für seine Ehefrau hat, kann er auch nicht die Anstaltspflege für seine Tochter verlangen.

In Übereinstimmung mit der Begründung durch das LSG hat der Senat dieses Ergebnis schließlich unter Berücksichtigung des Sinns und Zwecks der gesetzlichen Familienkranken- und Mutterschaftshilfe für gerechtfertigt. Es ist danach nicht geboten, einen eigenständigen Anspruch des Versicherten auf Anstaltspflege für das neugeborene Kind unabhängig vom Anspruch für die Mutter zu begründen. Durch die Leistungen der Familienmutterschaftshilfe wird der Versicherte vor den. wirtschaftlichen Folgen der Schwangerschaft und der Entbindung seiner Familienangehörigen geschützt. Er erhält die Leistungen gemäß §§ 205a i.V.m. 205 RVO aber nur, wenn dem Angehörigen nach seinem Einkommen nicht zugemutet werden kann, sich selbst zu schützen. Nach dem Gesetz ist dafür nicht erforderlich, daß für den Angehörigen eine entsprechende Kranken- oder Mutterschaftsversicherung besteht. Wenn aber demgemäß das Hauptrisiko der Mutterschaft eines Angehörigen von der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen sein kann, dann muß die Krankenkasse auch nicht das geringere Risiko der notwendigen Anstaltspflege für das Kind abdecken.

Aus allen diesen Gründen ist die Revision mit der Kostenfolge aus § 193 SGG zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI582843

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