Verfahrensgang

LSG Berlin (Urteil vom 28.11.1984; Aktenzeichen L 9 Kr 26/83)

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 28. November 1984 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten auch für das Revisionsverfahren nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Streitig ist ein Anspruch der Klägerin auf Mutterschaftsgeld während der Zeit des Mutterschaftsurlaubs.

Die Klägerin ist Deutsche. Sie lebt in Australien. Seit 1974 ist sie bei dem Goethe-Institut in Canberra, Australien, beschäftigt. Dem Beschäftigungsverhältnis liegt seit dem 15. Juli 1974 ein schriftlicher Arbeitsvertrag vom 30. Oktober 1974 zugrunde, wonach sie ab 15. Juli 1974 auf unbestimmte Zeit als Programmleiterin der Nebenstelle Canberra (Angestellte, Ortskraft) bei der Zweigstelle in Melbourne weiterbeschäftigt wird. Als zwischen den Vertragsparteien unmittelbar vereinbart gilt der jeweilige für das Goethe-Institut maßgebende Tarifvertrag zur Regelung der Arbeitsbedingungen der bei den Zweigstellen/Dozenturen beschäftigten deutschen nichtentsandten Angestellten.

Im Anschluß an die Geburt ihres Sohnes am 7. November 1979 zahlte der Arbeitgeber ihr für die Dauer der Schutzfrist das Gehalt weiter.

Nachdem die Klägerin den Mutterschaftsurlaub von sechs Monaten in Anspruch genommen hatte, beantragte sie für diese Zeit Mutterschaftsgeld zu Lasten des Bundes.

Das Bundesversicherungsamt lehnte diesen Antrag ab, weil Mutterschaftsgeld nur Beschäftigten im Inland gewährt werden könne; „Ortskräfte” im Ausland hätten diesen Anspruch dagegen nicht.

Die Klage ist vor dem Sozialgericht (SG) und dem Landessozialgericht (LSG) ohne Erfolg geblieben. Das LSG hat ua ausgeführt: Mutterschaftsgeld nach § 13 Abs. 2 und 3 des Mutterschutzgesetzes (MuSchG) könnten nur Arbeitnehmerinnen erhalten, deren Arbeitsverhältnis im Inland bestehe, weil sich die Schutzvorschriften dieses Gesetzes nur an Personen wenden, die im Inland beschäftigt seien. Wegen des engen Zusammenhanges zwischen den Leistungen und den mutterschutzrechtlichen Vorschriften komme daher auch für die Leistungen nur ein diesen Schutzvorschriften unterworfenes Arbeitsverhältnis in Betracht. Die Klägerin sei nicht zur (vorübergehenden) Dienstleistung von ihrem Arbeitgeber in das Ausland entsandt worden, sondern von der im Ausland ansässigen Zweigstelle des Goethe-Instituts eigens für eine Beschäftigung im Ausland angestellt worden; das Arbeitsverhältnis habe ausschließlich im Ausland realisiert werden sollen. Dieses Beschäftigungsverhältnis unterliege daher nicht den Vorschriften über die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung und ebensowenig der Beitragspflicht zur Bundesanstalt für Arbeit (BA). Maßgebend sei nämlich der Beschäftigungsort. Zwar könnten die Parteien des Arbeitsverhältnisses autonom bestimmen, daß deutsches Recht auf das Arbeitsverhältnis angewendet werden solle. Damit seien auch die arbeitsschutzrechtlichen Normen des MuSchG anwendbar. Die Arbeitsvertragsparteien könnten aber keine Verpflichtungen Dritter begründen.

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 13 MuSchG und des § 3 des Tarifvertrags für die Goethe-Institute (TVG). Für im Ausland geschlossene Arbeitsverhältnisse könnten die Parteien die Geltung des deutschen materiellen Arbeitsrechts vereinbaren. Eine Beschränkung auf die für die eigenen Rechte und Pflichten maßgebende Rechtsordnung werde nicht verlangt. Im übrigen seien sie, die Klägerin, und die Bundesrepublik Deutschland als Arbeitgeber tarifgebunden. Sie sei Mitglied der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft. Damit unterliege das Angestelltenverhältnis den Bestimmungen des Tarifvertrages zur Regelung der Arbeitsbedingungen der bei den Zweigstellen des Goethe-Instituts im Ausland beschäftigten deutschen nichtentsandten Angestellten vom 19. November 1973 in der ab 1. Januar 1976 gültigen Fassung des Änderungsvertrages vom 14. Dezember 1976. Zweifelsfrei richte sich daher das Arbeitsverhältnis nicht nach australischem, sondern nach deutschem Recht. Somit sei auch das MuSchG anzuwenden. Durch § 2 TVG seien die nichtentsandten Ortskräfte den Angestellten im Bundesgebiet rechtlich gleichgestellt. Es sei auch davon auszugehen, daß die Schutzvorschriften des MuSchG beachtet würden. Es sei daher nicht einzusehen, daß die Bestimmungen über das Mutterschaftsgeld nicht anwendbar seien. Der Arbeitgeber sei die Bundesrepublik Deutschland und damit Garant für die Einhaltung des Mutterschutzes in seinen Auslandsvertretungen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 28. November 1984 sowie das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 18. März 1983 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 2. Dezember 1980 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 3. Juni 1981 zu verurteilen, der Klägerin für die Dauer des Mutterschaftsurlaubs Mutterschaftsgeld zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil des LSG für zutreffend.

Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) einverstanden.

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Das SG hat ihre Klage zu Recht abgewiesen und das LSG ihre Berufung zutreffend zurückgewiesen; die Klägerin hat keinen Anspruch auf Mutterschaftsgeld während der Zeit ihres Mutterschaftsurlaubs.

Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), der auch der erkennende Senat folgt, der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit eröffnet. Auch Streitigkeiten über Mutterschaftsgeld für Mütter, die nicht gesetzlich krankenversichert sind, sind den Angelegenheiten der Sozialversicherung im Sinne des § 51 Abs. 1 SGG zuzurechen, obwohl sie ihre Rechtsgrundlage in § 13 MuSchG haben und dieses Gesetz nicht Bestandteil des Sozialgesetzbuchs ist (Art. II § 1 SGB I). Entscheidend ist die Sachnähe dieses Anspruchs zu den Leistungen der Sozialversicherung, zu denen auch das Mutterschaftsgeld als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung gehört (§ 21 Abs. 1 Nr. 4 SGB I). Der in § 13 Abs. 1 MuSchG geregelte Anspruch auf Mutterschaftsgeld für versicherte Frauen ist in dessen Abs. 2 – wenn auch in eingeschränktem Umfang und zu Lasten des Bundes – unter bestimmten Voraussetzungen auch den nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherten Frauen eingeräumt, wenn sie wie versicherungspflichtige Beschäftigte in einem abhängigen Arbeitsverhältnis stehen. Der Umstand, daß die zahlende Stelle nicht ein Träger der gesetzlichen Sozialversicherung, sondern das Bundesversicherungsamt ist, steht dem nicht entgegen. Die Sachnähe wird durch die angeordnete entsprechende Anwendung der Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO) unterstrichen (BSGE 33, 127; Urteile des 3. Senats des BSG vom 24. November 1983 – 3 RK 41/82 – = USK 83152 und vom 15. November 1984 – 3 RK 51/83 – = SozR 7830 § 13 Nr. 7; Urteil des erkennenden Senats vom 29. Januar 1985 – 8 RK 44/83 – = USK 8505).

Die örtliche Zuständigkeit des SG Berlin folgt aus § 57 Abs. 3 SGG, wonach unter anderem der Sitz des Beklagten maßgebend ist, wenn der Kläger seinen Wohnsitz im Ausland hat – wie hier die Klägerin in Australien.

Der streitige Anspruch der Klägerin folgt nicht aus § 200 Abs. 4 RVO in Verbindung mit § 8a MuSchG – beide in der hier anzuwendenden, bis zum 31. Dezember 1985 gültig gewesenen Fassung (vgl. §§ 22 Nr. 2, 38 Nr. 1, 41 des Bundeserziehungsgeldgesetzes vom 6. Dezember 1985 – BGBl I, 2154), denn die Klägerin war in der streitigen Zeit nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert. Sie hatte weder ihren Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich der RVO – das heißt, in der Bundesrepublik Deutschland oder im Land Berlin –, so daß die Vorschriften des Sozialgesetzbuches (SGB) für sie nicht gelten (§ 30 SGB I). Sie unterlag auch nicht als sogenannte entsandte Arbeitnehmerin nach § 4 Sozialgesetzbuch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung – (SGB IV) den Regelungen der bundesdeutschen Krankenversicherung; sie war vielmehr als sogenannte Ortskraft im Ausland eingestellt worden und das Beschäftigungsverhältnis sollte ausschließlich im Ausland erfüllt werden, was im übrigen in dem zugrunde liegenden Arbeitsvertrag ausdrücklich gesagt ist. Dabei ist es nach dem das bundesdeutsche Sozialversicherungsrecht beherrschenden Territorialitätsgrundsatz rechtlich ohne Bedeutung, daß sie Deutsche ist und der Arbeitgeber seinen (Haupt-)Sitz in der Bundesrepublik Deutschland hat. Die Klägerin war lediglich nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) rentenversicherungspflichtig.

Die Klägerin hat aber auch nach § 13 Abs. 3 MuSchG, in der ebenfalls bis zum 31. Dezember 1985 gültig gewesenen Fassung (vgl. § 38 Nr. 1 des Gesetzes vom 6. Dezember 1985 – aaO –), keinen Anspruch auf Mutterschaftsgeld. Das MuSchG gehört zu einem großen Teil zum bundesdeutschen Arbeitsrecht. Sein räumlicher Geltungsbereich richtet sich nach dem Arbeitsort (Gröninger/Thomas, Mutterschutzgesetz, § 1 Anm. 9; vgl. auch BSGE 34, 76, 78). Im Gegensatz zu bundesdeutschem Sozialversicherungsrecht, welches indisponibel ist, das heißt, dessen Anwendbarkeit auf bestimmte Arbeitsverhältnisse zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer weder positiv noch negativ vereinbart werden kann, können die Beteiligten bei Arbeitsverhältnissen mit Auslandsberührung bundesdeutsches Arbeitsrecht zur Grundlage von Arbeitsverhältnissen im Ausland machen, auf die sich der räumliche Geltungsbereich des MuSchG nicht erstreckt. Sie können nämlich das Arbeitsstatut vereinbaren (BAG AP Nr. 6, 11 und 12 Internationales Privatrecht/Arbeitsrecht). Dabei ist es unerheblich, ob es sich um Einzelvereinbarungen handelt oder die Beteiligten – weil sie tarifgebunden sind – Einzelvereinbarungen nicht zu treffen brauchen. Auch kollektive Arbeitsvereinbarungen wirken sich jeweils auf das einzelne Arbeitsverhältnis aus. Die wirksame Vereinbarung eines Arbeitsstatuts nach deutschem Arbeitsrecht ist die rechtliche Folge der Privatautonomie der Beteiligten. Sie findet deshalb ihre Grenze dort, wo die Vertragsfreiheit der Beteiligten endet, das heißt, dort wo sie eingegangene Verpflichtungen selbst erfüllen können. Soweit das MuSchG daher Vorschriften enthält, die vom Arbeitgeber zu erfüllen sind – etwa die Gewährung von Mutterschaftsurlaub unter den im MuSchG genannten Voraussetzungen sowie dessen Umfang –, kann deren Anwendbarkeit rechtswirksam vereinbart werden. Öffentlich-rechtliche Ansprüche dagegen, das heißt solche etwa gegen Versicherungsträger oder andere öffentlich-rechtliche Stellen, können im Zusammenhang mit Arbeitsverhältnissen außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs des deutschen Arbeitsrechts ebensowenig zwischen den privaten Parteien des Arbeitsverhältnisses rechtswirksam vereinbart werden, wie sie für Arbeitsverhältnisse im Inland abbedungen werden können. Sie sind nicht Gegenstand des privaten Arbeitsrechts. Bei einem Arbeitsverhältnis im Ausland unter deutschem Arbeitsstatut sind die Vorschriften des MuSchG, soweit sie „öffentlich-rechtlich” sind – das heißt, wie § 13 Abs. 3 MuSchG Sozialleistungen gewähren –, unanwendbar, weil ihre Erzwingung nicht in Betracht kommt, auch wenn der Arbeitgeber dem Zugriff der inländischen Behörden ausgesetzt ist (Gamillscheg, Internationales Arbeitsrecht 1959, S 268). Bei der Beschäftigung von „Ortskräften” im Ausland ist es nach den für Rechtsverhältnisse mit „Auslandsberührung” geltenden Grundsätzen nicht rechtserheblich, ob der Arbeitgeber Deutscher ist, seinen Sitz in der Bundesrepublik Deutschland oder im Ausland hat, ob er eine natürliche oder juristische Person des Privatrechts oder des öffentlichen Rechts ist. Auch öffentlich-rechtliche Arbeitgeber, seien sie Anstalten, Körperschaften oder Stiftungen des öffentlichen Rechts oder Gebietskörperschaften, unterliegen dem zwingenden deutschen Recht in derselben Weise wie private Arbeitgeber. Andererseits reicht auch ihre Autonomie, ein bestimmtes Arbeitsstatut mit Arbeitnehmern zu vereinbaren, nicht weiter als diejenige privater Arbeitgeber. Aus einer besonderen, weitergehenden Verpflichtung öffentlich-rechtlicher Arbeitgeber im Sinne einer „Garantie” für die Einhaltung eines vereinbarten Arbeitsstatuts kann jedenfalls nicht hergeleitet werden, daß mit ihnen getroffene Vereinbarungen über die Anwendbarkeit deutschen Arbeitsrechts öffentlich-rechtliche Sozialleistungsansprüche begründet werden können. So hat etwa das Bundesarbeitsgericht (BAG) in seinem Urteil vom 10. Mai 1962 (AP Nr. 6 aaO) schon allein die Anwendbarkeit deutschen Arbeitsrechts nicht damit begründet, daß der Arbeitgeber die Bundesrepublik Deutschland und der Arbeitnehmer Deutscher waren, sondern diese Umstände nur als Beweistatsachen dafür mitherangezogen, daß die Anwendbarkeit deutschen Arbeitsrechts vereinbart war. Welchen Rechtsstatus das Goethe-Institut als Arbeitgeber der Klägerin hat, ist daher für den streitigen Anspruch gegen die Beklagte nicht von Bedeutung.

Ob die Klägerin aus dem Arbeitsvertrag gegen ihren Arbeitgeber einen, dem in § 13 Abs. 3 MuSchG aF bezeichneten Anspruch entsprechenden Anspruch hat, ist nicht Gegenstand dieses Rechtsstreits.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI921567

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