Entscheidungsstichwort (Thema)

Künstlersozialabgabe. Definition: Unternehmen, Konzertdirektion. Gemeinde. Jugendarbeit. Rockkonzert. Veranstaltung. Häufigkeit. Amateurkünstler. Fahrkostenersatz

 

Leitsatz (amtlich)

Eine Gemeinde, die im Rahmen ihrer Jugendarbeit zwei- bis dreimal jährlich Rockkonzerte veranstaltet, ist als Unternehmen, das eine Konzertdirektion betreibt, nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz abgabepflichtig.

 

Normenkette

KSVG § 24 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, Abs. 2, § 25 Abs. 1 Fassung: 1988-12-20

 

Verfahrensgang

LSG Niedersachsen (Urteil vom 24.11.1993; Aktenzeichen L 4 Kr 165/91)

SG Oldenburg (Urteil vom 09.10.1991; Aktenzeichen S 6 Kr 117/90)

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten werden die Urteile des Sozialgerichts Oldenburg vom 9. Oktober 1991 und des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 24. November 1993 aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Die klagende Gemeinde betreibt als unselbständige kommunale Einrichtung im Rahmen der Jugendhilfe ein Jugendzentrum als Freizeitstätte. Dort veranstaltet sie als Teil der Jugendarbeit ca zwei- bis dreimal jährlich Konzerte, bei denen Amateur- und Nachwuchsmusikern die Möglichkeit gegeben wird, öffentlich aufzutreten. 1989 zahlte die Klägerin dafür Honorare iH von insgesamt 3.870,00 DM. Die beklagte Künstlersozialkasse stellte mit den angefochtenen Bescheiden fest, daß die Klägerin wegen dieser Tätigkeit für die Zeit ab Januar 1989 nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG) abgabepflichtig ist (Bescheid vom 9. Mai 1990; Berichtigungsbescheid vom 5. September 1990; Widerspruchsbescheid vom 18. Oktober 1990). Außerdem zog sie die Klägerin für den Zeitraum Januar 1989 bis einschließlich Mai 1991 iH von 490,54 DM zur Künstlersozialabgabe heran (Bescheide vom 23. Juli 1990, 25. Mai 1991 und 24. Juni 1991).

Das Sozialgericht (SG) hat sämtliche Bescheide aufgehoben (Urteil vom 9. Oktober 1991). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen (Urteil vom 24. November 1993). Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist die Klägerin weder nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 KSVG noch nach § 24 Abs. 2 KSVG dem Grunde nach abgabepflichtig. Die Abgabepflicht nach der ersteren Vorschrift scheitere daran, daß sie kein Unternehmen sei, dessen Zweck darauf gerichtet sei, künstlerische Werke aufzuführen oder künstlerische Leistungen darzubieten. Die Darbietung von Rockkonzerten sei nicht Zweck – auch kein Nebenzweck – des Jugendzentrums, sondern nur ein Mittel, um die Aufgabe der Jugendförderung zu erfüllen. Nach § 24 Abs. 2 KSVG sei die Klägerin deshalb nicht abgabepflichtig, weil sie nur gelegentlich Aufträge an selbständige Künstler erteile. Die zwei bis drei Konzerte pro Jahr fänden weder in regelmäßigen Abständen noch zu festen Zeitpunkten statt. Die Klägerin sei auch kein Unternehmen iS des § 24 Abs. 2 KSVG, da sie keine künstlerische oder publizistische Werke für Zwecke ihres Unternehmens nutze, um im Zusammenhang mit dieser Nutzung Einnahmen zu erzielen.

Dagegen richtet sich die vom LSG zugelassene Revision der Beklagten. Sie rügt eine Verletzung des § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 KSVG. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts komme es nicht darauf an, welche weitergehenden Zwecke die Klägerin mit der Veranstaltung von Konzerten im Jugendzentrum verfolge.

Die Beklagte beantragt,

die angefochtenen Urteile aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt.

die Revision zurückzuweisen.

Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden.

 

Entscheidungsgründe

II

Auf die Revision der Beklagten war sowohl die Klage gegen den Bescheid über die Feststellung der Abgabepflicht als auch die Klage gegen die Bescheide über die Festsetzung der Abgabeschuld abzuweisen.

1) Die Beklagte hat zu Recht festgestellt, daß die Klägerin dem Grunde nach ab Januar 1989 der Abgabepflicht nach dem KSVG unterliegt.

a) Hierzu bedarf es nicht der Entscheidung, inwieweit bei Erlaß des angefochtenen Bescheides (vom 5. September 1990) über die Abgabepflicht die vorangegangene Feststellung der Abgabepflicht im ursprünglichen Bescheid (vom 9. Mai 1990) bindend war. Die Beklagte hat im angefochtenen Bescheid über die Abgabepflicht neu entschieden, ohne sich auf die Bindungswirkung des früheren Bescheides zu berufen. Das Gericht hat in einem solchen Fall die Abgabepflicht ohne Bindung an die im Verwaltungsakt gegebene Begründung unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt zu prüfen. Der im Verwaltungsakt genannte Abgabetatbestand kann den Prüfungsumfang nur dann ausnahmsweise beschränken, wenn damit die Abgabepflicht auf einen bestimmten, organisationsmäßig abgrenzbaren Teilbereich des Unternehmens begrenzt werden soll (vgl zur Produktion von Werbesendungen und Unterhaltungssendungen BSG SozR 3-5425 § 24 Nr. 7). Soweit die Beklagte die Abgabepflicht früher auf § 24 Abs. 2 KSVG und nunmehr allein auf § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 KSVG stützt, betrifft die Abgabepflicht jeweils das ganze Unternehmen Jugendzentrum. Darin liegt entgegen der Auffassung der Beklagten keine „Umdeutung” iS von § 43 des Sozialgesetzbuchs – Zehntes Buch – (SGB X), sondern nur eine Auswechslung der Begründung, weil sich der Verfügungssatz nicht geändert hat und Ermessenserwägungen keine Rolle spielen.

Maßgebend ist § 24 KSVG idF des Gesetzes vom 20. Dezember 1988 (BGBl I 2606), die am 1. Januar 1989 in Kraft getreten ist (im folgenden: KSVG 1989). Nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 KSVG 1989 ist ein Unternehmer zur Künstlersozialabgabe verpflichtet, der eine Theater-, Konzert- und Gastspieldirektion sowie ein sonstiges Unternehmen betreibt, dessen Zweck darauf gerichtet ist, künstlerische Werke aufzuführen oder künstlerische Leistungen darzubieten.

b) Die Klägerin betätigt sich mit dem Betrieb des Jugendzentrums wie eine Konzertdirektion. Der Gesetzgeber hat den Begriff der Konzertdirektion – soweit ersichtlich – nur in § 24 KSVG verwandt und ihn dort nicht näher erläutert. Betreiber von Theater-, Konzert- oder Gastspieldirektionen sind nach dem Wortsinn Unternehmen, die dafür sorgen, daß Theater gespielt oder ein Konzert veranstaltet wird, ohne selbst Träger von Theatern oder Orchestern zu sein (Nordhausen in Finke/Brachmann/Nordhausen, KSVG, 2. Aufl, § 24 RdNr. 74 unter Berufung auf den Musik-Brockhaus, 1982; vgl auch BSGE 74, 117, 119 f = SozR 3-5425 § 24 Nr. 4). Die Klägerin führt Konzerte als Trägerin des Jugendzentrums ohne Einsatz eigener Orchestergruppen durch. Sie sorgt nach den Feststellungen des LSG dafür, daß Konzerte veranstaltet werden. Sie hat Musiker verpflichtet, an bestimmten Orten und zu bestimmten Zeiten aufzutreten. Der Abgabetatbestand Konzertdirektion erfordert nur eine solche Betätigung und nicht zusätzlich, daß sich ein solches Unternehmen als Konzertdirektion bezeichnet oder seine Tätigkeit selbst in diesem Sinne einschätzt (BSG SozR 3-5425 § 24 Nr. 2). Der Wertung als Konzertdirektion steht damit nicht entgegen, daß die Klägerin die Veranstaltungen nur als Teil der Jugendarbeit ansieht.

c) Die Klägerin erfüllt hinsichtlich ihrer Betätigung als Konzertdirektion auch die Voraussetzungen eines „Unternehmens”.

Die Klägerin hat zwar im Revisionsverfahren wie in den Vorinstanzen die Auffassung vertreten, das Jugendzentrum sei keine kommerzielle, auf Gewinnerzielung ausgerichtete Einrichtung und unterliege deshalb nicht der Abgabepflicht. Die Konzerte dienten nicht der Einnahmenerzielung, sondern der Jugendarbeit.

Der Begriff „Unternehmen”, wie er insbesondere zum Unfallversicherungsrecht entwickelt wurde, bezeichnet eine planmäßige, für eine gewisse Dauer bestimmte Vielzahl von Tätigkeiten, die auf einen einheitlichen Zweck gerichtet sind und mit einer gewissen Regelmäßigkeit ausgeübt werden; obwohl dieser Unternehmensbegriff eine auf Erwerb gerichtete Tätigkeit nicht verlangt, ist ihm die Risikotragung eigen (vgl BSGE 42, 126, 128 = SozR 2200 § 539 Nr. 24; BSGE 36, 111, 115 = SozR Nr. 1 zu § 653 RVO). Zum KSVG hat das BSG den Unternehmensbegriff in ständiger Rechtsprechung in Anlehnung an die Begründung zum Entwurf des KSVG (BT-Drucks 9/26 S 16) als eine auf die Erzielung von Einnahmen ausgerichtete, nachhaltige (nicht nur gelegentliche) Tätigkeit definiert (vgl BSGE 64, 221, 224 = SozR 5425 § 24 Nr. 2). In der Literatur (vgl Finke/Brachmann/Nordhausen, KSVG, 2. Aufl, § 24 RdNr. 15 f) wird diese Definition insbesondere im Hinblick auf die juristischen Personen des öffentlichen Rechts als zu eng angesehen und auch bei voller Subventionierung des Unternehmens die Abgabepflicht bejaht. Für diese Auffassung spricht, daß in der bis zur Änderung durch das Gesetz vom 20. Dezember 1988 gültigen Fassung des § 24 Abs. 2 KSVG zB Rundfunkanstalten und Musikschulen ausdrücklich erwähnt worden sind. Durch die Novellierung vom 20. Dezember 1988 wurde auf die ausdrückliche Erwähnung der öffentlich-rechtlichen Unternehmen allein deshalb verzichtet, weil dies als eindeutig und überflüssig angesehen wurde (BT-Drucks 11/2964 S 18 zu Nr. 5). Musikschulen sind auch nach der Neufassung abgabepflichtige Unternehmen, und das BSG hat die Abgabepflicht einer kommunalen Musikschule bejaht, ohne die Erzielung von Einnahmen ausdrücklich zu erwähnen (vgl BSGE 69, 259, 262 und 263 = SozR a.a.O.). Die Rechtsprechung hat es deshalb genügen lassen, daß die Kunstverwertung im Zusammenhang mit der Erfüllung von Aufgaben steht, die aus Haushaltszuweisungen, Beiträgen oder anderen Einnahmen finanziert wird (vgl BSG SozR 3-5425 § 24 Nr. 6 und 8). Hieran ist festzuhalten. Das KSVG hat bewußt davon abgesehen, öffentlich-rechtlich organisierte Unternehmen, deren Zweck die Erfüllung öffentlicher Aufgaben und nicht eine Gewinnerzielung ist, von der Abgabepflicht auszunehmen. Damit wird der Grundsatz, daß der professionelle Vermarkter von Kunst, der Kunstwerke im Rahmen einer der in § 24 KSVG genannten Tätigkeiten für seine Zwecke erwirbt, neben dem Preis für das Kunstwerk einen Beitrag zur sozialen Sicherung des Künstlers leisten muß, auch auf eine Kunst-Verwertung zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben angewandt. Auch für die bei einer Tätigkeit des § 24 KSVG für die Erfüllung öffentlicher Aufgaben verwertete Kunst ist der volle Gegenwert einschließlich der Abgabe für die soziale Sicherung der Künstler zu entrichten.

Dem vom LSG herangezogenen Gesetz für Jugendwohlfahrt (JWG), das zum 1. Januar 1991 außer Kraft getreten ist, und dem nunmehr anzuwendenden Sozialgesetzbuch – Achtes Buch – (SGB VIII) ist kein Anhalt dafür zu entnehmen, daß die Verwertung von Kunst zur Förderung der Erziehung Jugendlicher es rechtfertigt, dem Künstler nur die vereinbarte Gegenleistung ohne die Abgabe für die soziale Sicherung zukommen zu lassen. Die Auslegung des Unternehmensbegriffs des KSVG ist deshalb auch auf die Erfüllung von Aufgaben nach dem SGB VIII anzuwenden.

Die hiernach geforderten Voraussetzungen sind nach den Feststellungen des LSG erfüllt. Die Klägerin zahlte 1989 Honorare iH von insgesamt 3.870,00 DM, die durch erzielte Eintrittsgelder nur teilweise gedeckt wurden. Die weitere Feststellung, die Darbietung von Rockkonzerten sei nicht Zweck, auch nicht Nebenzweck, des Jugendzentrums, besagt nicht, daß die von der Klägerin hierzu verbrauchten Haushaltsmittel zweckwidrig eingesetzt wurden. Vielmehr war die Durchführung der Konzerte auch nach Auffassung des LSG ein geeignetes Mittel zur Aufgabenerfüllung.

Das LSG vertritt im Zusammenhang mit den vorstehenden Feststellungen die Auffassung, die Klägerin sei kein Unternehmen iS des § 24 KSVG 1989, weil die Darbietung von Rockkonzerten nicht Zweck – auch kein Nebenzweck – des Jugendzentrums ist, sondern nur ein Mittel, um die Aufgabe der Jugendförderung zu erfüllen. Die Erfüllung dieser Aufgabenstellung erfordere nicht regelmäßig die Vermarktung von Werken selbständiger Künstler oder Publizisten. Der dem zugrundeliegenden Annahme, ein Unternehmen der Konzertdirektion liege nur vor, wenn die Aufführung von Konzerten Endzweck oder übergeordneter Zweck des Unternehmens sei, vermag der Senat nicht zuzustimmen (vgl Urteil vom 14. Dezember 1994, 3/12 RK 62/93).

d) Die Klägerin veranstaltet für die Wertung als „Unternehmen” auch mit hinreichender Häufigkeit Konzerte. Sie betreibt die Tätigkeit mit der durch den Begriff des Unternehmens und der Formulierung „mit einer gewissen Regelmäßigkeit” (BSGE 42, 126, 128 = SozR 2200 § 539 Nr. 24; BSGE 36, 111, 115 = SozR Nr. 1 zu § 653 RVO) geforderten Nachhaltigkeit (BSGE 64, 221, 224 = SozR 5425 § 24 Nr. 2; SozR 3-5425 § 24 Nrn 6 und 8). Das Erfordernis der Nachhaltigkeit wird – abgesehen von außerordentlich großen Maßnahmen mit einer mehrjährigen Vorbereitung – regelmäßig nicht mit einer einmaligen Durchführung einer Veranstaltung erfüllt, sondern erfordert eine Betätigung, die auf Wiederholung und unbestimmte Dauer angelegt ist. Ob dieses Merkmal der Wiederholung und Dauerhaftigkeit dem entspricht, was § 24 Abs. 2 KSVG mit der Formulierung „nicht nur gelegentlich” zum Ausdruck bringt, kann hier offenbleiben.

Das BSG hat in seiner Rechtsprechung bereits eine Betätigung als Konzertdirektion bejaht, wenn ein Volksbildungswerk, das nicht über ein eigenes Orchester verfügte, jährlich sechs bis acht Konzerte mit fremden, in den meisten Fällen dafür honorierten Musikern veranstaltete und dabei überwiegend Einnahmen erzielte, sofern eine Umstellung der Betriebsweise technisch möglich ist (BSG Urteil vom 8. Dezember 1988 – 12 RK 8/88 = SozSich 1989, 351 = BR/Meurer, KSVG, § 24). Der erkennende Senat hat diese Rechtsprechung fortgesetzt (zur Abgabepflicht eines Kunstvereins wegen Betreibens von Kunsthandel bei wechselnden Verkaufs- und Präsentationsausstellungen und einer großen Jahresausstellung vgl BSG SozR 3-5425 § 24 Nr. 5). Insoweit sind sowohl Bedeutung und Umfang der Maßnahme als auch deren Häufigkeit im Jahr zu berücksichtigen. Der vorliegende Rechtsstreit gibt keine Veranlassung, abschließend festzulegen, welche Mindesthäufigkeit der Durchführung von Veranstaltungen zu verlangen ist. Es ist auch zweifelhaft, ob sich eine solche Mindestgrenze allgemein wird festlegen lassen. Denn auch Veranstaltungen, die nur im Abstand von mehreren Jahren stattfinden, können wegen ihres großen Organisationsaufwands den alleinigen Gegenstand von Unternehmen bilden, wie es etwa bei großen Kunstausstellungen der Fall ist. Solche Unternehmen entsprechen trotz der eher seltenen Repräsentation in der Öffentlichkeit dennoch dem Leitbild des typischen Kunstvermarkters, weil die wesentliche Unternehmenstätigkeit in der Vorbereitungsphase liegt und dabei typischerweise ebenfalls schon Leistungen selbständiger Künstler in Anspruch genommen werden. Allgemein wird sich sagen lassen, daß die Häufigkeit der Veranstaltungen in ihrer Bedeutung für die Abgabepflicht um so geringer ist, je umfangreicher und gezielter die organisatorischen Vorbereitungen sind.

Nach den Feststellungen des LSG fanden etwa 2 bis 3 Konzerte jährlich statt; die Klägerin zahlte 1989 etwa 3.870,00 DM als Honorare. Das Ausmaß der organisatorischen Vorbereitung der einzelnen Konzerte ist von den Tatsacheninstanzen im einzelnen nicht festgestellt. Es kann aber im Revisionsverfahren unterstellt werden, daß die Organisation nicht sehr aufwendig ist und keine besondere Einrichtung iS einer ständigen Geschäftsstelle oder die Anstellung einer ausschließlich mit dieser Aufgabe betrauten Person verlangt. Die Klägerin hält sich für berechtigt und verpflichtet, im Rahmen der ihr obliegenden Aufgaben zur Förderung der Wohlfahrt der Jugend Konzerte durchzuführen, die die Jugendlichen ansprechen und auf diese Weise für die Jugendarbeit zugänglich machen. Sie beabsichtigt deshalb auch, diese Aktivitäten auf unbestimmte Dauer fortzusetzen. Dem steht nicht entgegen, daß nach ihrem Vorbringen die Initiative jeweils von den Musikgruppen ausgeht und daß die Klägerin sich auch bei den Musikgruppen nicht von sich aus als Veranstalterin anbietet.

Bei einer Häufigkeit von zwei bis drei Veranstaltungen pro Jahr liegt auch ohne weitreichende Planung und Organisation eine hinreichend intensive unternehmerische Tätigkeit vor, um sie der Abgabepflicht nach dem KSVG zu unterwerfen. Denn tatsächlich fallen – wie die Bescheide über die Feststellung der Abgabenhöhe zeigen – Honorare an selbständige Künstler in einer Höhe an, die nicht als Bagatellsummen zu vernachlässigen sind; außerdem hängt es nur von den jeweiligen Umständen ab, in welcher Höhe Honorarzahlungen tatsächlich anfallen. Es kann nicht ausgeschlossen werden, daß sie in einem bestimmten Jahr deutlich höher liegen, sei es, weil die Häufigkeit der Veranstaltungen zunimmt, sei es, weil die gezahlten Honorare höher sind. Bei dieser aufgrund der bisherigen Aktivitäten der Klägerin denkbaren Spannbreite künftiger iS des KSVG relevanter Tätigkeiten braucht nicht darauf eingegangen zu werden, ob trotz Vorliegens einer der in § 24 KSVG beschriebenen abgabepflichtigen Tätigkeiten die Abgabepflicht dem Grunde nach mit ihren besonderen Meldepflichten ausnahmsweise zu verneinen ist, weil abgabepflichtige Honorarzahlungen praktisch nicht anfallen und auch künftig nicht anfallen können (vgl Urteil des Senats vom 25. Januar 1995 – 3/12 RK 61/93 – zur Abgabepflicht eines landwirtschaftlichen Museums, zur Veröffentlichung vorgesehen).

2) Damit sind auch die Bescheide über die Beitragshöhe, die die Vorinstanzen zutreffend gemäß den §§ 86, 96 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) in das Verfahren einbezogen haben (vgl dazu Urteil des Senats vom 20. April 1994 – 3/12 RK 31/92 – BSGE 74, 118 = SozR 3-5425 § 24 Nr. 4), rechtmäßig. Gegen die Höhe der festgesetzten Beiträge sind von der Klägerin keine Einwendungen erhoben worden. Diese hat lediglich ihre Abgabepflicht bestritten. Ihr Vorbringen, eine Gage werde in Form eines Fahrtkostenzuschusses oder als Auszahlung des erzielten Eintrittsgeldes bezahlt, ist rechtlich unerheblich. Das gilt auch, soweit damit geltend gemacht wird, die Beklagte habe die gezahlten Entgelte auch insoweit zur Abgabe herangezogen, als an Amateurkünstler ausschließlich eine Fahrtkostenerstattung gezahlt worden sei. Hierzu hat das LSG offen gelassen, ob es sich bei den Nachwuchsmusikern, an die Entgelte gezahlt wurden, um selbständige Künstler handelte, die ihre Tätigkeit erwerbsmäßig und nicht nur vorübergehend ausüben, oder ob es sich, wie von der Klägerin behauptet, um Amateurkünstler handelte.

Die an Künstler gezahlten Entgelte sind indes nach § 25 Abs. 1 KSVG 1989 auch insoweit abgabepflichtig, als an sogenannte Amateurkünstler lediglich Fahrtkostenzuschüsse gezahlt wurden. Bemessungsgrundlage sind alle Entgelte für künstlerische oder publizistische Werke an selbständige Künstler oder Publizisten, auch wenn diese selbst nach dem KSVG nicht versicherungspflichtig sind. Der Begriff „selbständiger Künstler” in § 25 KSVG erfordert nicht, daß der Künstler erwerbsmäßig (und damit nicht als Amateur) tätig wird. Mit dem Merkmal selbständig werden lediglich Entgelte an solche Künstler ausgeklammert, die beim abgabepflichtigen Unternehmer abhängig beschäftigt sind. Eine weitergehende Bedeutung, insbesondere im Sinne einer selbständigen Erwerbstätigkeit, kommt dem Merkmal nicht zu. Die ursprüngliche Fassung der Vorschrift läßt das klar erkennen: Hiernach waren abgabepflichtig Entgelte, die der Abgabepflichtige „an Künstler und Publizisten im Sinne des § 2 zahlt, auch wenn die künstlerische oder publizistische Tätigkeit nur vorübergehend oder nicht erwerbsmäßig ausgeübt wird.” Der Wegfall der Voraussetzung einer Versicherungspflicht nach § 2 KSVG sollte die Abgabepflicht erweitern und nicht einengen. Mit der Formulierung „auch wenn diese selbst nach dem KSVG nicht versicherungspflichtig sind” ist insbesondere der Tatbestand gemeint, daß ein selbständiger Künstler nach § 2 KSVG der Versicherungspflicht nach dem KSVG nicht unterliegt, weil er nicht erwerbsmäßig oder nur gelegentlich tätig wird.

Fahrtkosten gehören, auch wenn sie gesondert ausgewiesen werden, für die hier streitige Zeit ab Januar 1989 zum abgabepflichtigen Entgelt. Sie sind erst für Zeiten nach dem 1. Januar 1991 nach § 1 der Künstlersozialversicherungs-Entgeltverordnung vom 22. Januar 1991 (BGBl I 156) in bestimmten Grenzen vom Entgelt abzuziehen (BSG SozR 3-5425 § 25 Nr. 6; BSG Urteil vom 25. Januar 1995 – 3/12 RK 49/93 –). Anhaltspunkte dafür, daß die Beitragsbescheide hiernach abzuziehende nachgewiesene Fahrtkosten berücksichtigen, sind nicht erkennbar.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

BB 1995, 1751

NJW 1995, 3206

SozSi 1997, 79

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