Beteiligte

Kläger und Revisionsbeklagter

Beklagte und Revisionsklägerin

 

Tatbestand

I.

Streitig ist ein Recht des Klägers auf Familienhilfe für seine Kinder nach § 32 des Gesetzes über eine Krankenversicherung für Landwirte (KVLG) für Zeiten ab dem 13. Juni 1979.

Der Kläger ist als landwirtschaftlicher Unternehmer bei der Beklagten versichert. Er lebt mit seiner Ehefrau in Gütertrennung; diese hat sich privat gegen Krankheit versichert. Die Einkünfte aus der Landwirtschaft sind vom 1. Juli 1979 bis 30. Juni 1980 mit ca. 47.000,-- DM angegeben. Die Ehefrau erzielt seit Januar 1979 aus Kapitalvermögen monatliche Einkünfte in Höhe von 3.250,-- DM. Die drei gemeinsamen Kinder hatten keine Einkünfte.

Mit Bescheid vom 12. Juni 1979 lehnte die Beklagte die künftige Gewährung von Familienhilfeleistungen für die Kinder ab, weil das Gesamteinkommen der Ehefrau höher als das des Klägers sei; dabei komme es nur auf die außerlandwirtschaftlichen Einkünfte an.

Die nach erfolglosem Widerspruch erhobene Klage wies das Sozialgericht (SG) Lüneburg ab, das Landessozialgericht (LSG) gab ihr statt. In seinem Urteil vom 17. Dezember 1981 stellte es fest, daß dem Kläger seit dem 13. Juni 1979 Familienhilfeleistungen für die Kinder - bei A…D… begrenzt bis zum 14. Juli 1980 - zustünden. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die Voraussetzungen des § 32 Abs. 1 Satz 2 KVLG für den Ausschluß der Familienhilfe bei Kindern seien zwar insoweit erfüllt, als die Ehefrau keiner gesetzlichen Krankenversicherung angehöre und ihre Vermögenseinkünfte - jedenfalls in den Jahren 1979 und 1980 - monatlich ein Zwölftel der Jahresarbeitsverdienstgrenze überstiegen. Streitig sei nur noch, ob auch das Gesamteinkommen der Ehefrau das des Klägers überwiege; das sei jedoch zu verneinen. Nach § 32 Abs. 1 Satz 3 KVLG seien nur beim Gesamteinkommen der Ehefrau allein die außerlandwirtschaftlichen Bezüge maßgebend; der Gesetzgeber wolle nämlich verhindern, daß der Ertrag des landwirtschaftlichen Unternehmens mehrfach zu Beitragsleistungen herangezogen werde. Bei dem versicherten Landwirt müßten dagegen die Einkünfte aus der bereits bei ihm erfaßten Landwirtschaft voll berücksichtigt werden. Nur so gelange man zu sinnvollen Ergebnissen; denn erst wenn die außerlandwirtschaftlichen Einkünfte des Ehegatten höher seien als die Landwirtschaftserträge, rechtfertige sich der Wegfall der Familienhilfe für die Kinder, weil dann der Lebensstandard der Familie überwiegend durch außerlandwirtschaftliche Einkünfte bestimmt werde. Da der Kläger aus der "von ihm betriebenen" Landwirtschaft monatliche Bezüge von knapp 4.000,-- DM und mehr erwirtschaftet habe, sei sein Gesamteinkommen höher als das Zinseinkommen der Ehefrau. Auch bei einer rein steuerrechtlichen Betrachtung wäre das Ergebnis kein anderes. Da der Kläger und seine Ehefrau in Gütertrennung lebten, seien die Gewinne aus der "von ihnen betriebenen" Landwirtschaft allein dem Kläger und nicht auch anteilig seiner Ehefrau zuzurechnen. Etwaige Änderungen in den Einkommensverhältnissen werde die Beklagte bei Eintritt des jeweiligen Versicherungsfalles zu prüfen haben.

Mit der - vom LSG zugelassenen - Revision rügt die Beklagte die unrichtige Anwendung von § 32 KVLG und eine Verletzung der §§ 103, 128 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Zwar spreche der Wortlaut des § 32 Abs. 1 Satz 3 KVLG dafür, die Einkünfte aus der Landwirtschaft nur bei dem Ehegatten des Versicherten nicht anzurechnen; eine solche Auslegung führe aber zu dem unbefriedigenden Ergebnis, daß der Großlandwirt mit reicher Ehefrau die Kinder kostenlos bei der landwirtschaftlichen Krankenkasse versichere, während der kleine Landwirt, dessen landwirtschaftliche Einkünfte unter den außerlandwirtschaftlichen Einkünften seiner Ehefrau lägen, die Kinder gegen Beiträge krankenversichern müsse. In § 32 Abs. 1 Satz 3 KVLG müsse man daher unter "Gesamteinkommen des Ehegatten" das Gesamteinkommen jedes Ehegatten verstehen, also bei beiden Ehegatten das landwirtschaftliche Einkommen unberücksichtigt lassen und nur die außerlandwirtschaftlichen Einkünfte miteinander vergleichen. Im übrigen habe das LSG die Frage, ob auch der Ehefrau landwirtschaftliche Einkünfte zuzurechnen seien, die diejenigen des Klägers minderten, und überhaupt die Einkünfte ab Januar 1981 zu Unrecht nicht geprüft.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG zurückzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist im Sinne einer Aufhebung des angefochtenen Urteils und einer Zurückverweisung des Rechtsstreits an die Vorinstanz begründet.

Bei der hier miteinander verbundenen Anfechtungs- und Feststellungsklage, die der Senat für zulässig hält (vgl. dazu das heutige Urteil in der Sache 11 RK 1/82), mußte das LSG prüfen, ob dem Kläger ab dem 13. Juni 1979 Familienhilfe für seine Kinder zustand, und zwar bei A…D… bis zum 14. Juli 1980, bei den anderen Kindern bis zur Verhandlung vor dem LSG vom 17. Dezember 1981. Demzufolge hätte das LSG auch die Gesamteinkommen im Jahre 1981 bis zur Verhandlung klären müssen. Aber auch soweit das LSG nur für die Zeit vom 13. Juni 1979 bis zum 31. Dezember 1980 zu den Gesamteinkommen der Eheleute Feststellungen getroffen hat, reichen diese für eine abschließende Entscheidung nicht aus.

Nach § 32 Abs. 1 Satz 1 KVLG in der hier maßgebenden Fassung des Art. 4 § 1 Nr. 4 des 21. Rentenanpassungsgesetzes vom 25. Juli 1978 (BGBl. I 1089) erhalten Versicherte Familienhilfe u.a. für die unterhaltsberechtigten Kinder (§ 205 Abs. 2 Reichsversicherungsordnung - RVO -), soweit diese nicht anderweit einen gesetzlichen Anspruch auf entsprechende Leistungen haben, sich im Geltungsbereich des Gesetzes aufhalten und kein Gesamteinkommen haben, das regelmäßig im Monat 390,-- DM überschreitet. Nach § 32 Art. 1 Satz 2 KVLG besteht für Kinder kein Anspruch auf Leistungen nach Satz 1, wenn der mit den Kindern verwandte Ehegatte des Versicherten nicht Mitglied bei einem Träger der gesetzlichen Krankenversicherung ist und sein Gesamteinkommen regelmäßig im Monat ein Zwölftel der Jahresarbeitsverdienstgrenze (§ 165 Abs. 1 Nr. 2 RVO) übersteigt und regelmäßig höher als das Gesamteinkommen des Versicherten ist. Geht man davon aus, daß das LSG offenbar alle Voraussetzungen des Satzes 1 bejahen wollte - dann allerdings dies auch für die Unterhaltsberechtigung und den fehlenden anderweitigen Anspruch hätte aussprechen sollen -, so hängt die Entscheidung des Rechtsstreits davon ab, ob das Gesamteinkommen der Ehefrau seit dem 13. Juni 1979 regelmäßig höher als das Gesamteinkommen des Klägers ist.

Der Begriff des Gesamteinkommens wird in § 16 SGB IV durch eine Legaldefinition umschrieben, die auch für die Bestimmungen über die Familienhilfe gilt (SozR 2200 § 205 Nrn. 22 und 23). Danach ist Gesamteinkommen die Summe der Einkünfte im Sinne des Einkommensteuerrechts (einschließlich insbesondere des Arbeitsentgelts und des Arbeitseinkommens). Die "Summe der Einkünfte" ist ein aus § 2 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) übernommener Begriff; zu ihr rechnen alle in § 2 Abs. 1 und 2 EStG beschriebenen und in den §§ 13ff. EStG im einzelnen erläuterten Einkünfte. Dabei handelt es sich stets um Einkünfte einzelner Personen; deshalb kommen (wie der Senat in seinem heutigen Urteil in der Sache 11 RK 3/81 näher ausgeführt hat) auch bei Eheleuten für jeden von ihnen nur die Einkünfte in Betracht, die ihnen selbst steuerrechtlich zuzurechnen sind. Nur die Summe dieser Einkünfte kann infolgedessen das jeweilige Gesamteinkommen bilden. Betreiben Ehegatten gemeinsam als Mitunternehmer einen landwirtschaftlichen Betrieb oder einen Gewerbebetrieb, so zählt zum Gesamteinkommen des einzelnen Ehegatten der auf ihn entfallende Gewinnanteil. (§§ 13 Abs. 5, 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG).

Zu dieser Regelung hat der Gesetzgeber in § 32 Abs. 1 Satz 3 und 4 KVLG Ausnahmebestimmungen getroffen, von denen hier Satz 3 einschlägig sein kann. Er lautet:" Bei der Feststellung des Gesamteinkommens des Ehegatten bleibt das Einkommen außer Betracht, das die Ehegatten aus dem von ihnen gemeinsam betriebenen landwirtschaftlichen Unternehmen oder aus der gemeinsamen Tätigkeit als mitarbeitende Familienangehörige erzielen." Aus dieser Bestimmung ergeben sich keine Probleme, soweit es sich um das Gesamteinkommen der Ehefrau handelt. Die Ehefrau wird von § 32 Satz 3 KVLG nur dann betroffen, wenn sie das landwirtschaftliche Unternehmen mit dem Kläger "gemeinsam betreibt" d.h. Mitunternehmer i.S. des S. 2 Abs. 2 Satz 1 KVLG wäre (vgl. dazu auch § 32 Abs. 1 Satz 4 KVLG); dann läge zugleich eine Mitunternehmerschaft i.S. der §§ 15 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 13 Abs. 5 EStG vor. Bei einem solchen gemeinsamen Betreiben des landwirtschaftlichen Unternehmens - bei dem nach § 2 Abs. 2 Satz 2 KVLG nur der das Unternehmen überwiegend leitende Ehegatte "als Unternehmer" i.S. des KVLG "gilt" - würde es § 32 Abs. 1 Satz 3 KVLG ausschließen, daß der Gewinnanteil der Ehefrau aus dem Unternehmen ihrem Gesamteinkommen zugerechnet wird. Betreibt dagegen der Kläger das landwirtschaftliche Unternehmen allein, dann fehlt es von vornherein an Einkünften der Ehefrau aus der Landwirtschaft; § 32 Abs. 1 Satz 3 KVLG geht dann für sie ins Leere.

Das Gesamteinkommen des nach dem KVLG versicherten Klägers wird dagegen, wie das LSG zutreffend erkannt hat, von § 32 Abs. 1 Satz 3 KVLG in keinem Falle berührt. Dies gilt selbst dann, wenn er das landwirtschaftliche Unternehmen mit der Ehefrau "gemeinsam betreiben" würde. Die Bestimmung ist zwar in sich widersprüchlich, weil sie anordnet, daß bei der Feststellung des Gesamteinkommens des Ehegatten das Einkommen außer Betracht bleibt, das die Ehegatten aus dem gemeinsam betriebenen landwirtschaftlichen Unternehmen erzielen; denn der Gewinnanteil des versicherten Ehegatten gehört von vornherein nicht zum Gesamteinkommen des anderen, nicht versicherten Ehegatten, so daß es einer Bestimmung, daß er bei dessen Gesamteinkommen "außer Betracht bleibt", nicht bedarf.

Die Meinung der Beklagten, auch beim Gesamteinkommen des versicherten Ehegatten, hier des Ehemannes, seien aufgrund des § 32 Abs. 1 Satz 3 KVLG dessen Einkünfte aus einem gemeinsam betriebenen landwirtschaftlichen Unternehmen außer Betracht zu lassen, ist demgegenüber weder mit dem Wortlaut noch dem Sinn dieser Bestimmung vereinbar. Nach Wortlaut und Aufbau des § 32 Abs. 1 KVLG kann sich Satz 3 nur bei "der Feststellung des Gesamteinkommens des Ehegatten", also des nach dem KVLG selbst nicht versicherten Ehegatten auswirken und sonach schlechterdings nicht auf die Feststellung des Gesamteinkommens des Versicherten bezogen werden. Es widerspräche auch dem Sinn und Zweck des § 32 Abs. 1 KVLG, wollte man die Familienhilfe für seine Kinder davon abhängig machen, daß er aus anderen Quellen als seiner Tätigkeit als landwirtschaftlicher Unternehmer höhere Einkünfte als sein Ehegatte erzielt. Dies stünde im Widerspruch zu der in § 205 RVO getroffenen Regelung, nach der unzweifelhaft bei der Gegenüberstellung der Gesamteinkommen beim Gesamteinkommen des Versicherten das die Versicherungspflicht begründende Arbeitsentgelt des Versicherten berücksichtigt wird; es wäre ferner nicht vereinbar damit, daß auch bei der Alleinunternehmereigenschaft eines Ehegatten - die § 32 Abs. 1 Satz 3 KVLG nicht betrifft - die Einkünfte aus der Landwirtschaft zu seinem Gesamteinkommen zu rechnen sind. Damit würde beim Standpunkt der Beklagten der Grundsatz verlassen, daß die Ertragskraft des landwirtschaftlichen Unternehmens die Grundlage für die landwirtschaftliche Krankenversicherung und die dafür vom Versicherten zu entrichtenden Beiträge bilden muß. Zu Recht hat das LSG ferner darauf hingewiesen, daß § 32 Abs. 1 Satz 3 KVLG nach der Entstehungsgeschichte des Gesetzes (BT-Drucks. 8/166, Begr. S. 33) verhindern soll, den Ertrag des landwirtschaftlichen Unternehmens mehrfach zu Beitragsleistungen für Krankenversicherungen heranzuziehen; der Gesetzgeber geht also erkennbar davon aus, daß Einkünfte aus der Landwirtschaft jedenfalls einmal, nämlich beim Gesamteinkommen des Versicherten berücksichtigt werden. Das weitere Vorbringen der Beklagten in der Revisionsbegründung enthält im wesentlichen nur sozialpolitische Erwägungen, die für die Auslegung des geltenden Rechts. keine Rolle spielen können; die Beklagte übersieht zudem, daß das Gesetz nur verlangt, daß das Gesamteinkommen des Versicherten das um landwirtschaftliche Einkünfte zu vermindernde Gesamteinkommen des anderen Ehegatten überwiegt; auf welcher Einkommenshöhe das geschieht, ist unerheblich.

Sind danach dem Gesamteinkommen des Klägers dessen Einkünfte aus der Landwirtschaft zuzurechnen, so kann aufgrund des vom LSG festgestellten Sachverhalts jedoch nicht beurteilt werden, ob das LSG dem Kläger zu Recht die gesamten Einkünfte aus der Landwirtschaft zugerechnet hat. Das hängt davon ab, ob der Kläger Alleinunternehmer war oder ob zwischen den Eheleuten eine Mitunternehmerschaft i.S. des § 15 EStG bestanden hat. Im letzteren Falle gehört der Gewinnanteil der Ehefrau nicht zum Gesamteinkommen des Klägers. Auch wenn bei der Berechnung der vom Kläger zu entrichtenden Beiträge zur landwirtschaftlichen Krankenversicherung die steuerrechtliche Zurechnung der Einkünfte aus der Landwirtschaft keine Rolle spielt, kann § 31 Abs. 1 Satz 3 KVLG keine Grundlage dafür bilden, den Umfang des in § 16 SGB IV festgelegten Gesamteinkommens bei dem versicherten Ehemann zu erweitern; die Vorschrift enthält nur eine Einschränkung für das Gesamteinkommen der Ehefrau.

Die Ausführungen des LSG ergeben kein klares Bild darüber, ob der Kläger das landwirtschaftliche Unternehmen allein oder zusammen mit der Ehefrau betrieben hat. Von beidem ist in dem Urteil die Rede. Die Erörterungen zu § 32 Abs. 1 Satz 3 KVLG müßten den gemeinsamen Betrieb zum Ansatz haben. Hinsichtlich der Gütertrennung ist nicht ersichtlich, ob das gesamte landwirtschaftliche Vermögen dem Kläger gehört; selbst in diesem Falle wäre eine Mitunternehmerschaft der Ehefrau zwar unwahrscheinlich, bei einer vereinbarten Mitarbeit im Betrieb, wozu ebenfalls Feststellungen fehlen, aber nicht ausgeschlossen. Stünde der Ehefrau als Mitunternehmerin ein Gewinnanteil aus den landwirtschaftlichen Einkünften zu, könnte ihr Gesamteinkommen höher als das des Klägers gewesen sein.

Das LSG wird deshalb die notwendigen tatsächlichen Feststellungen noch zu treffen haben. Bei seiner Entscheidung hat es auch über die Kosten des Revisionsverfahrens mit zu befinden.

 

Fundstellen

Breith. 1983, 772

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