Entscheidungsstichwort (Thema)

Verweisung auf ähnlich geartete Tätigkeit. Gewährung von Krankengeld als Verwaltungsakt. Eigenständigkeit der Erstattungsansprüche. Verweisung auf ähnliche bzw gleichgeartete Tätigkeiten. Begriff Arbeitsunfähigkeit. Regellohn als Vergleichsmaßstab

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zum Rechtsstreit zwischen einem Versicherten und einem Leistungsträger ist ein anderer Leistungsträger auch dann nicht notwendig beizuladen, wenn dieser wegen einer dem Versicherten gewährten Sozialleistung möglicherweise gegen den beklagten Leistungsträger einen Erstattungsanspruch hat.

2. Arbeitsunfähigkeit liegt - jedenfalls nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses - nicht vor, wenn der Versicherte andere Tätigkeiten verrichten kann, die seiner bisherigen Erwerbstätigkeit nach Art und Entgelt entsprechen. Solche Tätigkeiten müssen auf dem Arbeitsmarkt in nennenswerter Zahl vorhanden und für den Versicherten zumutbar zu erreichen sein.

3. Versicherte können nicht auf Tätigkeiten "verwiesen" werden, mit deren Übernahme eine Einkommenseinbuße von 10 % oder mehr verbunden ist.

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Hat der Versicherte zuletzt einen anerkannten Ausbildungsberuf ausgeübt, so scheidet eine Verweisung auf Tätigkeiten außerhalb dieses Berufes aus; auch innerhalb des Ausbildungsberufes muß die bisher vom Versicherten verrichtete Arbeit nach Art der Verrichtung sowie nach den erforderlichen Kenntnissen und Fertigkeiten mit der Verweisungstätigkeit grundsätzlich übereinstimmen.

2. Bei ungelernter Arbeit muß die bisher vom Versicherten verrichtete Arbeit nach der Art der Verrichtung sowie nach den erforderlichen Kenntnissen und Fertigkeiten mit der Verweisungstätigkeit grundsätzlich übereinstimmen, wobei allerdings das Spektrum der Verweisungstätigkeiten größer ist, weil die Verweisung nicht durch die engen Grenzen eines Ausbildungsberufes gekennzeichnet ist.

3. Wird einem Versicherten wegen einer für eine bestimmte Zeit bescheinigten Arbeitsunfähigkeit Krankengeld bewilligt, dann liegt damit ein Verwaltungsakt vor; der Krankengeldanspruch endet mit Ablauf der zuletzt bescheinigten Arbeitsunfähigkeit, ohne daß es eines Entziehungsbescheides nach § 48 SGB 10 bedarf.

 

Orientierungssatz

1. Bei den Erstattungsansprüchen nach den §§ 102 ff SGB 10 handelt es sich nicht um von der Rechtsposition des Versicherten abgeleitete, sondern um eigenständige Ansprüche (vgl BSG vom 13.9.1984 4 RJ 37/83 = BSGE 57, 146, 147, vom 22.5.1985 1 RA 33/84 = BSGE 58, 119, 125, vom 13.9.1984 4 RJ 63/83 = SozR 1300 § 103 Nr 3 und vom 14.5.1985 4a RJ 21/84 = SozR 1300 § 104 Nr 6).

2. In der ersten Blockfrist ist der Kreis der Tätigkeiten, die außer der bisher ausgeübten Erwerbstätigkeit als "Verweisungstätigkeiten" in Betracht kommen, sehr eng zu ziehen (vgl BSG vom 16.9.1986 3 RK 27/85, vom 16.12. 1981 GS 3/78 = BSGE 53, 22 und vom 15.11.1984 3 RK 21/83 = BSGE 57, 227, 229).

3. Für die Bestimmung des Begriffs "arbeitsunfähig" ist darauf abzustellen, welche Bedingungen das bisherige Arbeits- bzw Beschäftigungsverhältnis im wesentlichen geprägt haben und welche ähnlichen, dh dem bisherigen Arbeitsverhältnis gleichgearteten Tätigkeiten, in Betracht kommen (vgl BSG vom 15.11. 1984 3 RK 21/83 aaO).

4. Für die Frage der Ähnlichkeit kommt es darauf an, daß die bisher vom Versicherten verrichtete Arbeit nach der Art der Verrichtung sowie nach den erforderlichen Kenntnissen und Fertigkeiten mit dem Inhalt der Verweisungstätigkeit in etwa übereinstimmt. Sind die Unterschiede jedoch insgesamt so groß, daß sich der Versicherte erheblich umstellen müßte, kann von einer ähnlichen Tätigkeiten nicht mehr die Rede sein.

5. Für den Vergleich, ob die "Verweisungstätigkeit" wirtschaftlich als gleichwertig angesehen werden kann, ist von dem wegen der Arbeitsunfähigkeit entgangenen regelmäßigen Arbeitsentgelt und Arbeitseinkommen auszugehen, soweit es der Beitragsberechnung unterliegt.

 

Normenkette

SGG § 75 Abs. 2 Fassung: 1953-09-03; RVO § 182 Abs. 1 Nr. 2 S. 1; SGB 10 § 102 Fassung: 1982-11-04, § 48 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1980-08-18

 

Verfahrensgang

Bayerisches LSG (Entscheidung vom 16.05.1984; Aktenzeichen L 4 Kr 60/83)

SG München (Entscheidung vom 13.04.1983; Aktenzeichen S 37 Kr 10/82)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die beklagte Krankenkasse der Klägerin für die Zeit vom 9. Dezember 1980 bis zum 17. April 1981 Krankengeld zu gewähren hat.

Die Klägerin arbeitete in den letzten Jahren überwiegend als Aushilfsbedienung und Kellnerin, regelmäßig zur Oktoberfestzeit. In den Zwischenzeiten bezog sie Krankengeld bzw Arbeitslosenhilfe. Vom 20. September bis 5. Oktober 1980 war sie in der Schützen-Festhalle, Festwiese, München tätig. Im Anschluß an diese Beschäftigung schrieb ihr Hausarzt sie ab 6. Oktober 1980 arbeitsunfähig krank. Nachdem die Arbeitsunfähigkeit zunächst durch vertrauensärztliche Untersuchungen vom 14. und 28. Oktober 1980 bestätigt worden war, erklärte der Facharzt für Orthopädie Dr. N., daß die Klägerin ab 9. Dezember 1980 wieder arbeitsfähig sei. Daraufhin stellte die Beklagte die Zahlung des ab Beginn der Arbeitsunfähigkeit bewilligten Krankengeldes mit dem 8. Dezember 1980 ein.

Unter Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung ihres Hausarztes vom 9. Dezember 1980 beantragte die Klägerin mit Schreiben vom 16. Dezember 1980 die Weiterzahlung des Krankengeldes. Die Beklagte lehnte dies mit Bescheid vom 22. Dezember 1980 und Widerspruchsbescheid vom 8. Juli 1981 ab.

Die Klage ist in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Das Landessozialgericht (LSG) hat zur Begründung seiner Entscheidung ua ausgeführt, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Krankengeld; denn sie sei in dem hier streitigen Zeitraum nicht arbeitsunfähig gewesen. Arbeitsunfähigkeit liege nur vor, wenn der Versicherte wegen einer Krankheit die zuletzt verrichtete oder eine ähnliche Beschäftigung oder Tätigkeit nicht fortsetzen könne. Der Arzt für Orthopädie Dr. N. vom Vertrauensärztlichen Dienst der LVA O. sei nach eingehender Befunderhebung und Untersuchung zu dem Ergebnis gekommen, daß die Klägerin alle leichten Arbeiten verrichten könne und dem allgemeinen Arbeitsmarkt zur Verfügung stehe. Unter Beachtung des Arbeitsunfähigkeitsbegriffes sei damit zum Ausdruck gebracht, daß die Klägerin auch in der Lage sei, die zuletzt verrichtete Tätigkeit auszuüben. Aber selbst wenn sich die Beurteilung des Vertrauensärztlichen Dienstes nicht auf die zuletzt ausgeübte Tätigkeit bezogen haben sollte, bestehe kein Anspruch auf Krankengeld. Nachdem das auf die Dauer des Münchner Oktoberfestes befristete Arbeitsverhältnis mit Beginn der Arbeitsunfähigkeit beendet gewesen sei, hätten nicht die bei der Klägerin vorliegenden Gesundheitsstörungen sie an der Wiederaufnahme einer solchen Tätigkeit gehindert, sondern der Umstand, daß es einen solchen Arbeitsplatz in der Zeit vom 9. Dezember 1980 bis 17. April 1981 nicht gegeben habe. Die Klägerin müsse sich deshalb - entsprechend der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) - auf eine ähnliche Tätigkeit verweisen lassen. Bei einer ungelernten Arbeiterin sei der Rahmen der Tätigkeiten, die ihr noch zugemutet werden könnten, relativ weit. Unter Anwendung dieses Grundsatzes böten sich für die Klägerin als ähnliche Tätigkeiten die einer Restaurant- und Cafebedienerin ebenso an wie alle leichten Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes. Dieser Annahme stehe weder die Wertung des Vertrauensärztlichen Dienstes noch die der behandelnden Ärzte entgegen.

Mit der - vom Senat zugelassenen - Revision macht die Klägerin geltend, das LSG habe den Begriff der Arbeitsunfähigkeit verkannt. Es genüge nicht, einen Arbeitnehmer auf eine abstrakt vorhandene "ähnlich geartete" Arbeitsmöglichkeit zu verweisen. Um den durch die Arbeitsunfähigkeit eingetretenen konkreten Einkommensverlust auszugleichen, sei es erforderlich, ein konkretes Arbeitsangebot zu machen, das im Hinblick auf die Einheit des Versicherungsfalles an der bisherigen Tätigkeit ausgerichtet sein müsse. Über die körperlichen Anforderungen der Tätigkeit einer Bedienung in den Festzelten des Münchner Oktoberfestes bzw einer Restaurant- oder Cafebedienerin sei in der Berufungsinstanz kein Beweis erhoben worden. Woher das LSG sein Wissen nehme, daß diese Tätigkeiten körperlich leichter Art seien, gehe aus den Urteilsgründen nicht hervor. Die Feststellung, welche körperlichen Anforderungen mit der Tätigkeit einer Kellnerin oder Bedienung verbunden seien, setze berufskundliches und arbeitsmedizinisches Wissen voraus. Da das LSG sich nicht auf das Gutachten eines berufskundlichen oder arbeitsmedizinischen Sachverständigen stütze, habe es vermutlich seine eigene Sachkunde verwertet. Dagegen beständen keine Bedenken, wenn das Gericht seine Sachkunde zum Gegenstand der Verhandlung mache. Das sei hier aber nicht geschehen. Hätte das LSG diese Frage in der mündlichen Verhandlung angesprochen, so wäre ihr - der Klägerin - die Möglichkeit gegeben worden, unter Beweis zu stellen, daß entgegen der Annahme des Berufungsgerichts die Tätigkeit einer Bedienung in den Festzelten des Münchner Oktoberfestes keine leichte Tätigkeit, sondern Schwerarbeit darstelle. Es sei deshalb nicht auszuschließen, daß das LSG - bei Gewährung des rechtlichen Gehörs - zu einer anderen, für sie - die Klägerin - günstigen Entscheidung gekommen wäre. Außerdem habe das Berufungsgericht auch dadurch einen Verfahrensfehler begangen, daß es nicht die Bundesanstalt für Arbeit zum Rechtsstreit beigeladen habe. Die Beiladung sei gemäß § 75 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) notwendig gewesen, weil sie - die Klägerin - auch während der Zeit, für die sie jetzt Krankengeld begehre, Arbeitslosenhilfe bezogen habe.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 16. Mai 1984, das Urteil des Sozialgerichts München vom 13. April 1983 und den Bescheid vom 22. Dezember 1980 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Juli 1981 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin vom 9. Dezember 1980 bis 17. April 1981 Krankengeld zu gewähren, hilfsweise, das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 16. Mai 1984 aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und macht geltend, die Revision rüge zu Unrecht Verfahrensfehler. Entgegen der Auffassung der Klägerin habe das LSG die Belastungen einer Bedienung auf dem Oktoberfest nicht unter Hinzuziehung eines berufskundlichen Sachverständigen feststellen müssen. Auch die Rüge der unterlassenen Beiladung der Bundesanstalt für Arbeit gehe fehl. Die Entscheidung über den geltend gemachten Krankengeldanspruch greife nicht in die Rechte der Arbeitsverwaltung ein.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung des Urteils des LSG und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an dieses Gericht, weil dessen Tatsachenfeststellungen zur Entscheidung über den streitigen Krankengeldanspruch nicht ausreichen.

1. Entgegen der Auffassung der Klägerin hat das LSG nicht dadurch einen Verfahrensfehler begangen, daß es unterlassen hat, die Bundesanstalt für Arbeit zum Rechtsstreit beizuladen. Nach § 75 Abs 2 SGG sind Dritte ua dann beizuladen, wenn sie an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt sind, daß die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann. Selbst wenn es zutreffen sollte, daß die Klägerin - wie die Beteiligten übereinstimmend vorgetragen haben, wozu jedoch entsprechende Feststellungen des LSG fehlen - auch in der hier streitigen Zeit vom 9. Dezember 1980 bis 17. April 1981 Arbeitslosenhilfe (Alhi) bezogen hat, sind die Voraussetzungen der genannten Vorschrift nicht erfüllt. Ein Fall der notwendigen Beiladung wäre nur dann anzunehmen, wenn der etwaige Anspruch der Klägerin auf Krankengeld auf die Bundesanstalt für Arbeit übergegangen wäre (vgl BSG, Urteil vom 21. Juli 1981 - 7 RAr 26/80 - SozR 1500 § 75 Nr 37). Ein solcher Anspruchsübergang hätte durch eine Überleitungsanzeige nach § 153 Abs 1 Satz 1 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) idF vor Änderung durch das Gesetz vom 18. August 1980 (BGBl I S 1469) iVm § 134 Abs 4 und § 118 Abs 1 Satz 1 Nr 2 AFG bewirkt werden können. Wäre eine solche Anzeige ergangen, würde sie trotz der Überleitungsvorschrift des Art II § 21 3. Kapitel des Zehnten Buchs des Sozialgesetzbuches - Verwaltungsverfahren - (SGB X) fortgelten und eine notwendige Beiladung erfordern (BSG, Urteil vom 12. April 1984 - 7 RAr 27/83 - AuB 1985, 57 mit Anm von Hoppe). Daß eine Überleitungsanzeige ergangen ist, läßt sich jedoch weder den Feststellungen des LSG entnehmen noch wird es von der Klägerin behauptet. Nach Inkrafttreten des 3. Kapitels des SGB X am 1. Juli 1983 ist die Überleitung eines Krankengeldanspruchs auf die Bundesanstalt für Arbeit nicht mehr möglich. Statt dessen könnte die Bundesanstalt für Arbeit uU einen Erstattungsanspruch gegen die beklagte Krankenkasse nach § 103 SGB X haben. Dadurch wäre die Bundesanstalt für Arbeit aber nicht an dem streitigen Rechtsverhältnis zwischen der Klägerin und der beklagten Krankenkasse derart beteiligt, daß die Entscheidung auch ihr gegenüber nur einheitlich ergehen könnte. Bei den Erstattungsansprüchen nach den §§ 102 ff SGB X handelt es sich nicht um von der Rechtsposition des Versicherten abgeleitete, sondern um eigenständige Ansprüche (BSGE 57, 146, 147; 58, 119, 125 f; BSG, Urteile vom 13. September 1984 - 4 RJ 63/83 - SozR 1300 § 103 Nr 3 sowie vom 14. Mai 1985 - 4a RJ 21/84 - SozR § 104 Nr 6). Sie entstehen, wenn die im Gesetz genannten Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt werden (v. Maydell/Schellhorn, Gemeinschaftskommentar zum SGB, GK-SGB X 3, Vorbemerkung 30 vor §§ 102 bis 114). Zwar hat der erkennende Senat durch Urteil vom 12. Juni 1986 - 8 RK 61/84 - (zur Veröffentlichung bestimmt) entschieden, daß der Versicherte zum Erstattungsstreit des Sozialhilfeträgers gegen die Krankenkasse notwendig beizuladen ist (dazu s auch Kummer, DAngVers 1986, 397, 404 f), weil nach § 107 Abs 1 SGB X der Anspruch des Berechtigten gegen den zur Leistung verpflichteten Leistungsträger als erfüllt gilt, soweit ein Erstattungsanspruch besteht. Klagt dagegen - wie hier - ein Versicherter gegen einen Leistungsträger, so hat die ergehende Gerichtsentscheidung auf das Bestehen eines evtl Erstattungsanspruchs eines anderen Leistungsträgers gegen den am Prozeß beteiligten Leistungsträger keinen Einfluß. Wegen der Eigenständigkeit der Erstattungsansprüche kann der am Prozeß nicht beteiligte Leistungsträger uU auch dann den von ihm geltend gemachten Erstattungsanspruch gerichtlich durchsetzen, wenn der Versicherte im Rechtsstreit gegen den erstattungspflichtigen Leistungsträger keinen Erfolg gehabt hat.

2. Die von der Klägerin erhobene kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage ist nach § 54 Abs 4 SGG zulässig. Insbesondere fehlt insoweit nicht das Rechtsschutzbedürfnis. Denn das Prozeßziel - Gewährung von Krankengeld - kann nicht auf einfachere Weise - auch nicht mit der isolierten Anfechtungsklage nach § 54 Abs 1 SGG - erreicht werden. Die Beklagte hatte der Klägerin nicht unbefristet Krankengeld bewilligt. Nach den gesamten Umständen des Falles ist davon auszugehen, daß die Bewilligung jeweils nicht länger als bis zur nächsten vertrauensärztlichen Untersuchung, hier also bis zur Untersuchung durch den Orthopäden Dr. N. am 8. Dezember 1980, gelten sollte (vgl dazu BSG, Urteil vom 16. September 1986 - 3 RK 37/85 - zur Veröffentlichung bestimmt). Die Klägerin hat deshalb auch für die Zeit ab 9. Dezember 1980 mit Schreiben vom 16. Dezember 1980 die Wiederbewilligung des Krankengeldes beantragt. Da die Krankengeldbewilligung aber zeitlich begrenzt war, würde die bloße Aufhebung der angefochtenen Bescheide vom 22. Dezember 1980 und 8. Juli 1981 die beklagte Krankenkasse nicht verpflichten, aufgrund der früheren Bewilligung für die streitige Zeit weiter Krankengeld zu zahlen (vgl dazu BSGE 48, 33, 34; 59, 227, 228 f).

Rechtsgrundlage für die Prüfung, ob die angefochtenen Bescheide rechtmäßig sind, ist wegen der zeitlichen Begrenzung der Krankengeldbewilligung auch nicht § 48 SGB X. Diese Vorschrift ist nur anzuwenden, wenn eine Verwaltungsentscheidung angefochten wird, durch die ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung aufgehoben worden ist. Ob die Klägerin auch für die Zeit vom 9. Dezember 1980 bis zum 17. April 1981 Anspruch auf Krankengeld hat, richtet sich allein nach § 182 Abs 1 Nr 2 Satz 1 RVO. Dies läßt sich indessen noch nicht abschließend entscheiden, weil die hierzu notwendigen Tatsachenfeststellungen entweder fehlen oder die Klägerin in bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Revisionsrügen vorgebracht hat. Nach der genannten Bestimmung wird als Krankenhilfe Krankengeld gewährt, wenn die Krankheit den Versicherten arbeitsunfähig macht.

Die Ablehnung des Krankengeldes läßt sich nicht schon mit dem Hinweis darauf rechtfertigen, daß die Tätigkeit einer Bedienung beim Münchner Oktoberfest nur in den Monaten September und Oktober und nicht in dem hier streitigen Zeitraum ausgeübt werden kann. Der von § 182 Abs 1 Nr 2 Satz 1 RVO verlangte Ursachenzusammenhang zwischen Krankheit und Arbeitsunfähigkeit (vgl dazu Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Kommentar, Teil II Band 1, 18. Aufl, § 182 Anm 10e) entfällt nicht dadurch, daß es die bisher ausgeübte Tätigkeit überhaupt nicht mehr oder nur zu bestimmten Zeiten gibt. Denn die Kausalität ist auch dann gegeben, wenn die Krankheit den Versicherten hindert, mit einer ähnlichen Tätigkeit ein entsprechendes Entgelt zu erwerben.

Soweit das Berufungsgericht angenommen hat, die Klägerin wäre gesundheitlich in der Lage gewesen, die von ihr auf dem Oktoberfest ausgeübte Tätigkeit oder die Tätigkeit einer Cafe- oder Restaurantbedienung in der streitigen Zeit zu verrichten, sind die der Entscheidung zugrunde gelegten Tatsachenfeststellungen nicht verwertbar, weil sie - wie die Klägerin zutreffend gerügt hat - verfahrensfehlerhaft zustande gekommen sind. Das LSG hat kein berufskundliches oder arbeitsmedizinisches Sachverständigengutachten zu der Frage beigezogen, welche körperlichen Anforderungen mit der Tätigkeit einer Bedienung in den Festzelten des Münchner Oktoberfestes bzw in einem Cafe oder Restaurant verbunden sind. Sollte das Berufungsgericht insoweit über eine eigene ausreichende Sachkunde verfügt haben, so hätte es diese zum Gegenstand der Berufungsverhandlung machen müssen, um den Beteiligten die Möglichkeit zu geben, die als gerichtskundig angenommenen Tatsachen durch ihren Vortrag oder Beweisangebote zu widerlegen. Das ist aber nicht geschehen. Ausweislich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 16. Mai 1984 hat das Berufungsgericht weder auf eine entsprechende eigene Sachkunde hingewiesen noch hat es die Tatsachen näher bezeichnet, die es aus eigenem Wissen zur Beurteilung der körperlichen Anforderungen der genannten Tätigkeiten zugrunde legen wollte. Hierdurch ist der Grundsatz des rechtlichen Gehörs (§§ 62 und 128 Abs 2 SGG) verletzt worden (BSG, Urteil vom 15. Juli 1982 - 5b RJ 86/81 - SozR 1500 § 62 Anm 11 mwN). Die unter Verletzung des rechtlichen Gehörs getroffenen Tatsachenfeststellungen können nicht Grundlage der Entscheidung sein. Da die Tatsachenfeststellungen, soweit sie nicht angegriffen sind, nicht ausreichen, um abschließend über den geltend gemachten Anspruch der Klägerin zu entscheiden, wird das LSG die noch notwendigen Tatsachenfeststellungen nachholen müssen.

Sollte sich dabei herausstellen, daß die Klägerin in der Zeit vom 9. Dezember 1980 bis 17. April 1981 gesundheitlich nicht in der Lage gewesen wäre, die auf dem Oktoberfest ausgeübte Tätigkeit einer Bedienung in der Schützen-Festhalle auszuüben, muß - wovon auch das LSG zu Recht ausgegangen ist - ferner geprüft werden, ob sie eine ähnliche Tätigkeit hätte verrichten können. Der erkennende Senat folgt insoweit - jedenfalls für die Zeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses - der bisherigen Rechtsprechung zum Begriff der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit. Ob das auch gilt, wenn das bisherige Arbeitsverhältnis fortbesteht, insbesondere, ob der Versicherte in einem solchen Falle auch auf Tätigkeiten bei anderen Arbeitgebern "verwiesen" werden kann, braucht der Senat nicht zu entscheiden. Der vorliegende Fall gibt hierfür keinen Anlaß. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin bestand in der hier streitigen Zeit nicht mehr.

Schon das Reichsversicherungsamt (RVA) hatte in mehreren Entscheidungen (RVA in Breithaupt 1930, 620 f; RVA in EuM 30, 142; RVA in Deutsche Krankenkasse 1931, Spalte 871 f; RVA in AN 1932, 176 und in EuM 51, 73, 74) ausgeführt, daß Arbeitsunfähigkeit nicht vorliege, wenn der Versicherte seine bisherige Erwerbstätigkeit oder eine ähnlich geartete leichtere Tätigkeit verrichten kann. Auch das BSG hat für die Frage, ob Arbeitsunfähigkeit besteht, nicht nur auf die zuletzt ausgeübte, sondern auch auf ähnlich geartete Tätigkeiten abgestellt (BSGE 26, 288, 290, 292; BSG in USK 7126 und in USK 7269; BSGE 41, 201, 203 und 46, 190, 191 sowie die Entscheidung des Großen Senats in BSGE 53, 22, 31; vgl ferner Peters, Handbuch der Krankenversicherung, § 182 Anm 10a und Krauskopf/Schroeder-Printzen, Soziale Krankenversicherung, Kommentar, 2. Aufl, § 182 Anm 4.1). Aus den Gesetzesmaterialien (vgl Begründung zum Entwurf der RVO, Drucks zu Nr 430 des Reichstags, 12. Legislaturperiode, II. Session, 22, 155 f) sind zwar keinerlei Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, daß die Arbeitsunfähigkeit dann beendet sein soll, wenn der Versicherte seine bisherige Tätigkeit zwar nicht mehr verrichten kann, aber gesundheitlich in der Lage ist, eine ähnliche Tätigkeit auszuüben. Die "Verweisung" auf ähnliche Tätigkeiten erscheint aber gleichwohl notwendig. Offensichtlich hat der Gesetzgeber seinerzeit nicht erkannt, zumindest aber in den Gesetzesmaterialien unerörtert gelassen, daß Versicherte häufig noch nach dem Verlust ihrer Arbeit arbeitsunfähig sind und sich schon deshalb die Prüfung der Arbeitsfähigkeit auch auf ähnliche Tätigkeiten erstrecken muß. Erstreckt sich bei beendetem Arbeitsverhältnis die erforderliche Kausalität zwischen Krankheit und Arbeitsunfähigkeit auch auf die Unfähigkeit, ein entsprechendes Entgelt mit einer ähnlichen Tätigkeit zu erwerben, so muß andererseits die Fähigkeit zur Verrichtung einer solchen Tätigkeit die Arbeitsunfähigkeit ausschließen. Hinzu kommt, daß nach § 183 Abs 2 Satz 1 RVO Krankengeld jetzt - solange die Mitgliedschaft in der Krankenkasse besteht - grundsätzlich ohne zeitliche Begrenzung gewährt wird (vgl Krauskopf/Schroeder- Printzen aaO, § 183 Anm 3; Peters, Handbuch der Krankenversicherung, § 183 Anm 3a und b) und deshalb der Bezug dieser Sozialleistung in vernünftigem Maße beschränkt werden muß.

In den zitierten Entscheidungen des RVA und des BSG ist indessen nicht konkretisiert, was unter einer ähnlich gearteten Tätigkeit zu verstehen ist. In seiner Entscheidung vom 19. Januar 1971 (USK 7126) hat der 3. Senat des BSG lediglich ergänzend ausgeführt, daß bei einer ungelernten Arbeiterin der Rahmen der Tätigkeiten, die ihr noch zugemutet werden könnten, relativ weit sei. Der 9. Senat des BSG (USK 7269) hat nur darauf hingewiesen, daß eine Verweisung auf andersartige Tätigkeiten innerhalb der auch die letzte Tätigkeit umfassenden Berufsgruppe nicht in Betracht komme. In der Entscheidung vom 15. November 1984 (BSGE 57, 227, 229) hat der 3. Senat die Bezeichnung "ähnliche Tätigkeiten" durch "gleichgeartete Tätigkeiten" ersetzt, um deutlich zu machen, daß - jedenfalls in der ersten Blockfrist - der Kreis der Tätigkeiten, die außer der bisher ausgeübten Erwerbstätigkeit als "Verweisungstätigkeiten" in Betracht kommen, sehr eng ist (s dazu auch das Urteil vom 16. September 1986 - 3 RK 27/85 - und Schönberger, BG 1978, S 492, 493). Zur Begründung hat der 3. Senat auf den Beschluß des Großen Senats des BSG vom 16. Dezember 1981 (BSGE 53, 22) Bezug genommen, in dem dargelegt ist, daß sich der Begriff der Arbeitsunfähigkeit von dem rentenversicherungsrechtlichen Begriff der Berufsunfähigkeit gerade dadurch unterscheide, daß bei der Arbeitsunfähigkeit entscheidender Maßstab die Unfähigkeit des Versicherten sei, die zuletzt verrichtete Erwerbstätigkeit fortzusetzen. Diese Beziehung der Arbeitsunfähigkeit zur zuletzt verrichteten Tätigkeit sei - so heißt es im Urteil vom 15. November 1984 weiter - auch bei der Bestimmung des Bereichs der "ähnlichen" Arbeiten maßgebend, auf die im Rahmen der Prüfung der Arbeitsunfähigkeit eine "Verweisung", die nichts mit der "Zumutbarkeit" im Sinne des Rentenversicherungsrechts zu tun habe, zulässig sei. Für die Bestimmung des Begriffs "arbeitsunfähig" sei darauf abzustellen, welche Bedingungen das bisherige Arbeits- bzw Beschäftigungsverhältnis im wesentlichen geprägt hätten und welche ähnlichen, dh dem bisherigen Arbeitsverhältnis gleichgearteten Tätigkeiten, in Betracht kämen. Der erkennende Senat hält diesen Ausgangspunkt für zutreffend; allerdings bedarf die Frage der Ähnlichkeit weiterer Konkretisierung.

Ob eine Tätigkeit als "Verweisungstätigkeit" in Betracht kommt, ist einmal nach den Aufgaben zu beurteilen, die mit der Tätigkeit verbunden sind. Hat der Versicherte zuletzt einen anerkannten Ausbildungsberuf (s dazu das Verzeichnis der anerkannten Ausbildungsberufe nach § 6 Abs 2 Nr 5 des Berufsbildungsförderungsgesetzes -BerBiFG- vom 23. Dezember 1981 - BGBl I 1692 - herausgegeben vom Bundesinstitut für Berufsbildung - Stand: 1. Juli 1983 -) ausgeübt, so scheiden Tätigkeiten außerhalb dieses Berufes aus. Denn sie sind im allgemeinen nicht ähnlich. Aber auch im Rahmen eines Ausbildungsberufes weichen die Tätigkeiten teilweise so weitgehend voneinander ab, daß die "Verweisung" oft ausgeschlossen sein wird. Für die Frage der Ähnlichkeit ist es nämlich nicht allein entscheidend, ob ein Aufgabenbereich zu einem bestimmten Beruf gehört oder nicht. Es kommt vielmehr darauf an, daß die bisher vom Versicherten verrichtete Arbeit nach der Art der Verrichtung sowie nach den erforderlichen Kenntnissen und Fertigkeiten mit dem Inhalt der "Verweisungstätigkeit" in etwa übereinstimmt. Deshalb ist zu unterscheiden, ob die Aufnahme einer neuen Beschäftigung eine nicht nur kurze Einarbeitungszeit verlangt oder ob die Tätigkeit ohne jede Vorkenntnisse bereits nach kurzer Einweisung ausgeübt werden kann. Bedeutsam ist auch, welches Maß an körperlichen oder nervlichen Belastungen mit ihr verbunden ist und wie weit die Lebensweise des Versicherten durch sie mitbeeinflußt wird (zB Umstellung von einer Arbeit am Wohnort auf Reisetätigkeit). Eine erschöpfende Aufzählung aller Faktoren, die in diesem Zusammenhang allein oder zusammen mit anderen eine Rolle spielen können, ist nicht möglich. Eine andere Tätigkeit wird der bisher ausgeübten in der Regel nie ganz gleichen. Sind die Unterschiede jedoch insgesamt so groß, daß sich der Versicherte erheblich umstellen müßte, kann von einer ähnlichen Tätigkeit nicht mehr die Rede sein.

Dies gilt grundsätzlich auch für Versicherte, die zuletzt eine ungelernte Tätigkeit ausgeübt haben. Bei ihnen sind zwar die "Verweisungsmöglichkeiten" schon deshalb größer, weil die "Verweisung" nicht nur in den engen Grenzen eines Ausbildungsberufes zu erfolgen hat. Die Arbeitsunfähigkeit endet aber auch hier nicht schon mit der Feststellung, daß der Versicherte noch gesundheitlich in der Lage ist, andere ungelernte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsfeld zu verrichten. Denn auch die ungelernten Tätigkeiten weisen untereinander viele gravierende Unterschiede auf.

Die Möglichkeit der "Verweisung" hängt aber nicht nur von der Art der Arbeit, sondern auch von deren Entlohnung ab. Denn zu den Bedingungen, die ein Arbeits- bzw Beschäftigungsverhältnis im wesentlichen prägen (vgl BSGE 57, 227, 229), gehören ua auch die damit verbundenen Erwerbsmöglichkeiten (vgl dazu BAG, Großer Senat, Beschluß vom 17. Dezember 1959 - GS 2/59 - AP § 616 BGB Nr 21 -). Wären die mit der neuen Tätigkeit verbundenen Einkünfte etwa gleich hoch, so steht einer "Verweisung" - jedenfalls in dieser Hinsicht - nichts entgegen (vgl dazu Kummer, Med. Sach 1986, S 86 f). Dies ergibt sich aus der Lohnersatzfunktion des Krankengeldes. Das Krankengeld soll anstelle des Lohnes den Unterhalt des Erkrankten sichern (BSGE 5, 283, 287, 288; 18, 236, 238) und gewährleisten, daß sein Lebensstandard nicht infolge der Erkrankung absinkt. Mit dem Sinn und Zweck der Krankengeldregelung sind jedoch geringfügige Schwankungen des Einkommens vereinbar, solange die "Verweisungstätigkeit" als wirtschaftlich gleichwertig angesehen werden kann (zum Begriff der wirtschaftlichen Gleichwertigkeit s BSG, Urteile vom 28. Januar 1971 - 5 RKn 3/70 - SozR RKG § 45 Nr 38 -, vom 28. Februar 1974 - 5 RKn 24/72 -, vom 20. Juni 1979 - 5 RKn 4/78 - und vom 2. August 1979 - 5 RKn 22/78 - SozR 2600 § 45 Nrn 2, 26 und 28; Mansfeld-Pohle, RKG, Kommentar, 1932, S 278 f). Dies ist dann der Fall, wenn die mit der Übernahme der "Verweisungstätigkeit" verbundene Einkommenseinbuße unter 10 % bleibt. Die Rechtsprechung muß gelegentlich eine solche Grenze ziehen, um eine Rechtsvorschrift in der Praxis handhabbar zu machen und ein gewisses Maß an Rechtssicherheit zu erreichen. So hat das BSG in den Urteilen vom 28. Januar 1971 und 28. Februar 1974 (aa0) angenommen, daß der "bisher verrichteten knappschaftlichen Arbeit" (Hauptberuf) des Versicherten eine von ihm ausgeübte Arbeit iS des § 45 Abs 1 Nr 2 RKG gleichwertig ist, wenn die Lohndifferenz nicht mehr als 10 % beträgt. In der Entscheidung vom 2. August 1979 (aa0) hat man die wirtschaftliche Gleichwertigkeit bei einem Lohnabfall von nahezu 7 1/2 % verneint. Die Herabsetzung der Gleichwertigkeitsgrenze von 10 % auf 7,5 % beruht allerdings auf der speziellen Tarifentwicklung im Bergbau. Auch in der Kriegsopferversorgung und im Unfallrecht sind zB zur Frage, wann eine wesentliche Änderung eingetreten ist, Grenzziehungen notwendig geworden. Die Rechtsprechung hat zB eine wesentliche Änderung bei einer weiteren Minderung der Erwerbsfähigkeit um 10 % angenommen (vgl dazu Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 10. Aufl, S 583d mit Nachweisen; s ferner die Rechtsprechung zu § 323 der Zivilprozeßordnung -ZPO- vgl dazu die Nachweise bei Hartmann in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, Kommentar, 43. Aufl, § 323 Anm 2 D). Welcher Grenzwert zugrunde zu legen ist, hängt stets von den Besonderheiten der in Betracht kommenden Regelung ab. Für die hier vorzunehmende Grenzziehung bei der "Verweisung" auf andere Tätigkeiten ist ausschlaggebend, daß das Krankengeld dem Versicherten in etwa den Lebensstandard erhalten soll, den er während der zuletzt ausgeübten Tätigkeit gehabt hat. Einbußen von unter 10 % schmälern sein Einkommen aber nicht derart, daß sein Lebensstandard spürbar absinkt. Sie sind deshalb vom Versicherten hinzunehmen.

Für den Vergleich, ob die "Verweisungstätigkeit" wirtschaftlich als gleichwertig angesehen werden kann, ist von dem wegen der Arbeitsunfähigkeit entgangenen regelmäßigen Arbeitsentgelt und Arbeitseinkommen auszugehen, soweit es der Beitragsberechnung unterliegt (Regellohn - § 182 Abs 4 RVO), denn das ist der Lohn, den das Krankengeld ersetzen soll, wie die Vorschriften über die Berechnung dieser Leistung zeigen. Diesem Lohn ist das Entgelt gegenüberzustellen, das bei durchschnittlicher Arbeitsleistung mit der Vergleichstätigkeit erzielt werden kann. Das wird im allgemeinen der Tariflohn sein, jedoch kann es sich uU auch um einen davon abweichenden Durchschnittslohn handeln. Liegt der Regellohn der bisher ausgeübten Erwerbstätigkeit nicht 10 % oder mehr über dem in der Vergleichstätigkeit durchschnittlich erzielbaren Regellohn, so ist eine "Verweisung" - jedenfalls soweit es um die Höhe des Einkommens geht - zulässig.

Falls die Klägerin ihre bisherige Tätigkeit aus gesundheitlichen Gründen nicht fortsetzen kann, wird das LSG nach alledem unter Zugrundelegung der dargelegten Gesichtspunkte festzustellen haben, welche anderen Tätigkeiten für die Klägerin in Betracht kommen und ob diese der bisherigen Tätigkeit in etwa entsprechen. Dabei ist es rechtlich - entgegen der Auffassung der Klägerin - jedoch nicht von Belang, ob ein offener Arbeitsplatz nachgewiesen werden kann, der der zuletzt ausgeübten Erwerbstätigkeit nach Art und Lohn entspricht und von der Klägerin - ohne Gefährdung ihrer Gesundheit - übernommen werden könnte. Es genügt vielmehr, wenn auf dem Arbeitsmarkt Arbeitsstellen für ähnliche Tätigkeiten in nennenswerter Zahl vorhanden sind, die die Klägerin täglich zumutbar erreichen kann. Das Vorhandensein einer nennenswerten Zahl von "Verweisungstätigkeiten" ist schon deshalb zu verlangen, weil nur eine reelle Erwerbsmöglichkeit die Arbeitsunfähigkeit ausschließen kann. Allerdings kommt es in diesen Zusammenhang nicht darauf an, ob die Arbeitsmarktlage sich erschwerend auswirkt und ob solche Arbeitsplätze nur selten frei sind. Denn der Anspruch auf Krankengeld ist nach § 182 Abs 1 Nr 2 RVO nur davon abhängig, ob der Versicherte wegen seiner Erkrankung nicht mehr seine Erwerbstätigkeit oder eine ähnliche Tätigkeit ausüben kann. Ist er an der Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht durch Krankheit, sondern wegen des Fehlens offener Stellen gehindert, so fehlt es am Ursachenzusammenhang zwischen Krankheit und der fehlenden Erwerbsmöglichkeit. Daß der Arbeitsplatz für den Versicherten täglich erreichbar sein muß, dh sich im allgemeinen in zumutbarer Entfernung von seinem Wohnort zu befinden hat, ergibt sich aus folgender Überlegung: Die Arbeitsunfähigkeit ist in dem vom Gesetzgeber gesehenen Normalfall ein vorübergehendes Leistungshindernis. Um es zu beseitigen, kann dem Versicherten - von Ausnahmefällen abgesehen - kein Wohnortwechsel zugemutet werden, wenn die Aussicht besteht, daß er in absehbarer Zeit auch am Wohnort wieder einer entsprechenden Tätigkeit wird nachgehen können.

Sollte das LSG aufgrund der noch nachzuholenden Tatsachenfeststellungen zu dem Ergebnis kommen, daß die Klägerin über den 8. Dezember 1980 hinaus arbeitsunfähig war, so wird auch zu prüfen sein, ob und gegebenenfalls wann sie in dem hier strittigen Zeitraum Arbeitslosenhilfe bezogen hat. Dies könnte für den Anspruch auf Krankengeld im Hinblick auf die Anwendung von § 155 AFG, § 183 Abs 6 RVO rechtserheblich sein.

Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1662331

BSGE, 66

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