Leitsatz (redaktionell)

1. Die Erstattungspflicht des Arbeitgebers nach § 128a AFG bleibt bestehen, wenn dieser nicht klar und zweifelsfrei zum Ausdruck bringt, daß er den Arbeitnehmer mit sofortiger Wirkung von dessen Pflichten aus dem Wettbewerbsverbot entbinden will.

2. Zur Beratungspflicht der Bundesanstalt für Arbeit.

 

Orientierungssatz

Hinweispflicht des Arbeitsamtes:

Die Aufgabe des Arbeitsamtes besteht nicht in erster Linie darin, Erstattungspflichten festzustellen und durchzusetzen. Hierbei handelt es sich vielmehr nur um Sanktionen für den Fall, daß die Hauptaufgabe der Beklagten, nämlich die Vermittlung des Arbeitslosen in Arbeit (§ 2 Nr 1, § 3 Abs 1 Nr 2 AFG), durch vertragliche Vereinbarungen behindert wird. Das Arbeitsamt muß sich zuerst dieser Vermittlungsaufgabe zuwenden, den Arbeitgeber über etwaige vertragliche Vermittlungshindernisse informieren und ihm insoweit Gelegenheit geben, sich auch zu den für seine Erstattungspflicht erheblichen Tatsachen zu äußern und eventuell, zur Vermeidung zusätzlicher Belastungen, auf seine Rechte aus der Wettbewerbsabrede zu verzichten (vgl BSG vom 27.4.1989 - 11 RAr 99/88 = SozR 4100 § 128 Nr 2).

 

Verfahrensgang

Schleswig-Holsteinisches LSG (Urteil vom 29.04.1988; Aktenzeichen L 1 Ar 67/87)

SG Itzehoe (Entscheidung vom 11.06.1987; Aktenzeichen S 2 Ar 69/86)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Klägerin der Beklagten nach § 128a des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) das von ihrem ehemaligen Arbeitnehmer M. für die Zeit vom 17. April 1985 bis 31. März 1986 bezogene Arbeitslosengeld (Alg) zu erstatten hat.

M. war seit Februar 1978 als Bezirksleiter im Mineralölhandel für das "Gebiet 71" zunächst für die D. R. O. GmbH (DRO) und ab 1. Januar 1982 für die Firma E. M. GmbH, D. (EMO) tätig. § 5 des am 8. Dezember 1981 geschlossenen Anstellungsvertrages enthielt folgende Vereinbarung:

"Herr M. verpflichtet sich für die Dauer von einem Jahr

(gemäß § 74a HGB) nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Bereich der

Postleitzahlen des Gebietes 71, weder für ein Konkurrenzunternehmen tätig

zu sein, noch unmittelbar oder mittelbar an der Gründung oder im Betrieb

eines solchen Unternehmens mitzuwirken. Die Firma verpflichtet sich, dem

Arbeitnehmer für die Dauer des Wettbewerbsverbotes 100 % der zuletzt

gewährten monatlichen Bezüge zu zahlen. ... Im übrigen gelten die

Vorschriften der §§ 74 ff HGB."

In Zusammenhang mit dem geschäftlichen Rückzug der Firma EMO aus dem Gebiet 71 wurde M. ab 1. Januar 1983 in gleicher Funktion zu im wesentlichen gleichen Konditionen und unter ausdrücklicher Vereinbarung einer wortgleichen Konkurrenzklausel von der Klägerin weiterbeschäftigt (Anstellungsvertrag vom 3. Januar 1983). Unter dem 18. Dezember 1984 kündigte die Klägerin dem M. zum 31. März 1985 und verzichtete ihm gegenüber mit Schreiben vom 14. Januar 1985 auf das vertraglich vereinbarte Wettbewerbsverbot. Das von M. angestrengte Kündigungsschutzverfahren endete durch arbeitsgerichtlichen Vergleich vom 21. Februar 1985, der neben der einverständlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. März 1985 ua folgende Regelung enthielt:

"Die Parteien gehen übereinstimmend davon aus, daß die in

§ 5 des Anstellungsvertrages vom 3. Januar 1983 vereinbarte

Wettbewerbsabrede fortgilt."

Vom 17. April 1985 bis 16. April 1986 bezog M. von der Beklagten Alg. Für die Zeit vom 17. April 1985 bis 31. März 1986 stellte die Beklagte eine Erstattungspflicht der Klägerin nach § 128a AFG fest und forderte sie zur Zahlung von insgesamt 29.722,59 DM (Alg in Höhe von 20.369,60 DM und die darauf entfallenden Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung in Höhe von 9.352,99 DM) auf (Bescheide vom 17. Juli 1985 und 25. November 1985 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. März 1986, Bescheide vom 22. April 1986 und 26. Mai 1986).

Durch Vergleich vom 20. Oktober 1986 vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holstein verpflichtete sich die Klägerin ua, an M. - nachdem sie bereits ab April 1985 das monatliche Bruttogehalt als Entschädigung weiter bezahlt hatte - die Karenzentschädigung für die Zeit vom 1. Januar bis 31. März 1986 abzüglich des von M. für diese Zeit bezogenen Alg in Höhe von 5.251,40 DM auszuzahlen. M. erklärte sich bereit, wegen der Aufwendungen der Klägerin im Zusammenhang mit der Gewährung des Alg für das Jahr 1985 zur Abgeltung aller Forderungen an diese einen Betrag in Höhe von 10.000,-- DM zu zahlen.

Klage und Berufung gegen die Erstattungsbescheide der Beklagten blieben ohne Erfolg (Urteil des Sozialgerichts -SG- Itzehoe vom 11. Juni 1987; Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts -LSG- vom 29. April 1988). Das LSG hat ausgeführt: § 128a AFG finde Anwendung, weil die Wettbewerbsbeschränkung nach dem 31. Dezember 1981, nämlich durch den Anstellungsvertrag vom 3. Januar 1983, vereinbart worden sei. Abgesehen davon, daß ein rechtsgeschäftlicher Betriebsübergang zwischen der Firma EMO und der Klägerin nicht stattgefunden habe, werde der Tatbestand des § 128a AFG nicht nur durch eine die Wettbewerbsabrede begründende, sondern auch durch eine sie bestätigende Vereinbarung erfüllt. Das durch den schriftlichen Verzicht der Klägerin vom 14. Januar 1985 zunächst erloschene Wettbewerbsverbot sei durch den arbeitsgerichtlichen Vergleich vom 21. Februar 1985 gemäß § 305 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) vertraglich erneuert worden. Eine Erstattungspflicht der Klägerin entfalle auch nicht etwa deshalb, weil M. zu Unrecht Alg von der Beklagten bezogen oder sein Alg-Anspruch gemäß § 117 Abs 1 AFG geruht habe; denn bei der gezahlten Karenzentschädigung habe es sich nicht um Arbeitsentgelt iS dieser Vorschrift gehandelt.

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 128a AFG und des § 103 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). § 128a AFG sei nicht anwendbar, weil die Wettbewerbsabrede mit M. seit Februar 1978 vereinbart und jeweils durch Betriebsübergang gemäß § 613a BGB Gegenstand des mit dem nächsten Arbeitgeber fortgesetzten Arbeitsverhältnisses geworden sei. Jedenfalls habe aufgrund des schriftlichen Verzichts vom 14. Januar 1985 ein Wettbewerbsverbot im Leistungszeitraum nicht mehr vorgelegen. Das LSG habe gegen § 103 SGG verstoßen, indem es ohne Begründung ihrem Beweisantrag, M. als Zeugen zum Verzicht auf die Wettbewerbsbeschränkung zu hören, nicht nachgegangen sei. Dieser hätte ihren Vortrag in vollem Umfang bestätigt. Im übrigen habe M. zu Unrecht Alg bezogen, weil ihm das volle Gehalt einschließlich der Sozialabgaben und somit Arbeitsentgelt iS von § 117 Abs 1 AFG gezahlt worden sei, das zum Ruhen des Leistungsanspruches führe.

In der mündlichen Verhandlung haben die Beteiligten den Rechtsstreit hinsichtlich der Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge übereinstimmend für erledigt erklärt.

Die Klägerin beantragt,

die Urteile des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 29.

April 1988 und des Sozialgerichts Itzehoe vom 11. Juni 1987 sowie die

Bescheide der Beklagten vom 17. Juli 1985 und 25. November 1985 in der

Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. März 1986 und die Bescheide vom

22. April 1986 und 26. Mai 1986 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist nicht begründet. Die Voraussetzungen für den Erstattungsanspruch der Beklagten nach § 128a AFG idF des zum 1. Januar 1982 in Kraft getretenen Arbeitsförderungs-Konsolidierungsgesetzes (AFKG) vom 22. Dezember 1981 (BGBl I 1497) sind erfüllt.

Nach dieser Vorschrift erstattet der bisherige Arbeitgeber der Bundesanstalt vierteljährlich das Alg, das dem Arbeitslosen für eine Zeit gezahlt worden ist, in der er durch eine Vereinbarung mit seinem Arbeitgeber in seiner beruflichen Tätigkeit als Arbeitnehmer beschränkt war. Gemäß der Übergangsvorschrift in Art 1 § 2 Nr 16 AFKG ist § 128a AFG erstmals anzuwenden, wenn die Wettbewerbsbeschränkung nach dem 31. Dezember 1981 vereinbart wurde. Dies ist - wie das LSG zutreffend ausgeführt hat - hier der Fall.

Die für den Erstattungszeitraum maßgebliche Wettbewerbsbeschränkung datiert vom 21. Februar 1985. Ob eine gleichlautende Konkurrenzklausel mit M. bereits seit Februar 1978 vereinbart und jeweils durch Betriebsübergang gemäß § 613a BGB Gegenstand des später zunächst mit der Firma EMO und anschließend mit der Klägerin fortgesetzten Arbeitsverhältnisses geworden ist, bedarf keiner abschließenden Entscheidung. Die Klägerin hat nämlich unter dem 14. Januar 1985 wirksam auf die ursprünglich - entweder im Anstellungsvertrag vom 8. Dezember 1981 oder im Anstellungsvertrag vom 3. Januar 1983 - getroffene Wettbewerbsabrede verzichtet. Nach § 75a des Handelsgesetzbuches (HGB) ist ein schriftlicher arbeitgeberseitiger Verzicht jederzeit vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses möglich. Er bewirkt, daß der Arbeitnehmer sofort von dem Wettbewerbsverbot befreit wird, der Arbeitgeber dagegen bis zum Ablauf eines Jahres nach Zugang der Verzichtserklärung zur Zahlung der Karenzentschädigung verpflichtet bleibt (Bundesarbeitsgericht -BAG- AP Nr 4 zu § 75a HGB). Das so erloschene Konkurrenzverbot ist jedoch nach den Feststellungen des LSG dann durch den arbeitsgerichtlichen Vergleich vom 21. Februar 1985 erneuert worden, der ausdrücklich vorsieht, "daß die in § 5 des Anstellungsvertrages vom 3. Januar 1983 vereinbarte Wettbewerbsabrede fortgilt".

Dies hat das LSG aufgrund des Vergleichswortlauts und des von ihm aus den Gesamtumständen ermittelten Willens der Vertragspartner rechts- und denkfehlerfrei festgestellt. Die Auslegung einer privaten Willenserklärung - wozu auch der sachlich-rechtliche Inhalt eines Prozeßvergleichs gehört (BSG SozR 1500 § 163 Nr 2; BSGE 43, 37, 39 = SozR 2200 § 1265 Nr 24; BSG SozR 5070 § 10a Nr 3) - ist Tatsachenfeststellung, soweit es um die Frage geht, was der Erklärende überhaupt geäußert hat (Wortlaut) und was er tatsächlich gemeint hat (innerer Wille; vgl hierzu BAG AP Nrn 30 und 33 zu § 133 BGB). An diese tatsächlichen Feststellungen ist das Revisionsgericht grundsätzlich gebunden (§ 163 SGG); es kann nur überprüfen, ob das Berufungsgericht Verfahrensvorschriften, insbesondere Denkgesetze oder Erfahrungssätze, verletzt hat. Hiervon zu unterscheiden ist die - vom Revisionsgericht nachprüfbare - Würdigung der rechtlichen Bedeutung einer Willenserklärung (BSG SozR 5070 § 10a Nr 3; BSGE 52, 47, 52 = SozR 4100 § 117 Nr 7).

Soweit die Klägerin einen Verstoß gegen § 103 SGG rügt, weil das LSG M. nicht als Zeugen zum Verzicht auf die Wettbewerbsabrede und zum Verständnis des Vergleichstextes gehört habe, vermag sie nicht durchzudringen. Die Rüge läßt nicht erkennen, aufgrund welcher Umstände das LSG sich hätte gedrängt fühlen müssen, weitere Ermittlungen anzustellen (BSG SozR Nrn 7 und 14 zu § 103 SGG). Offen bleiben kann in diesem Zusammenhang, ob nach der Auslegungsregel des § 133 BGB ein behaupteter innerer Wille überhaupt nur maßgebend sein kann, wenn er sich irgendwie in der Erklärung niedergeschlagen hat (so BSGE 52, 47, 52 = SozR 4100 § 117 Nr 7 mwN). Jedenfalls verstößt das Berufungsgericht nicht gegen seine Amtsermittlungspflicht und verletzt auch nicht den Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 128 Abs 1 SGG), wenn es dem Vergleichswortlaut sowie dem anschließenden Verhalten der Beteiligten nach Abschluß des Vergleiches - und damit dem nach außen in Erscheinung getretenen objektivierten Willen - einen stärkeren Beweiswert beimißt als einem verdeckt gebliebenen inneren Willen.

Von dem durch Vergleich erneuerten Wettbewerbsverbot hat die Klägerin auch in der Folgezeit nicht Abstand genommen. Sie hatte neben der Möglichkeit der Verzichtserklärung nach § 75a HGB - der bei einem vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses erklärten einseitigen Verzicht die Entschädigungspflicht des Arbeitgebers auf ein Jahr begrenzt - auch noch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Möglichkeit, einseitig auf ihre Rechte aus dem Wettbewerbsverbot zu verzichten. Ein solcher Verzicht löst zwar nicht die Wirkungen des § 75a HGB aus (vgl Schlegelberger/Schröder, Kommentar zum HGB, 5. Aufl, Band II, § 75a RdNr 3). Er läßt - vorbehaltlich einer einvernehmlichen Aufhebung des Wettbewerbsverbots - die volle Verpflichtung des Arbeitgebers zur Zahlung der Entschädigung für die ganze Dauer des Wettbewerbsverbotes bestehen (vgl § 5 des Anstellungsvertrages). Der Verzicht beseitigt jedoch die Beschränkung des Arbeitnehmers durch die Wettbewerbsabrede und läßt daher die Erstattungspflicht des bisherigen Arbeitgebers nach § 128a AFG entfallen. Darauf hatte das Arbeitsamt (AA) die Klägerin hinzuweisen.

Wie der erkennende Senat zu der Erstattungsregelung des § 128a AFG bereits mehrfach entschieden hat, besteht die Aufgabe der Beklagten nicht in erster Linie darin, Erstattungspflichten festzustellen und durchzusetzen (vgl BSG SozR 4100 § 128a Nrn 1 und 2). Hierbei handelt es sich vielmehr nur um Sanktionen für den Fall, daß die Hauptaufgabe der Beklagten, nämlich die Vermittlung des Arbeitslosen in Arbeit (§§ 2 Nr 1, 3 Abs 1 Nr 2 AFG), durch vertragliche Vereinbarungen behindert wird. Das AA muß sich zuerst dieser Vermittlungsaufgabe zuwenden, den Arbeitgeber über etwaige vertragliche Vermittlungshindernisse informieren und ihm insoweit Gelegenheit geben, sich auch zu den für seine Erstattungspflicht erheblichen Tatsachen zu äußern und eventuell, zur Vermeidung zusätzlicher Belastungen, auf seine Rechte aus der Wettbewerbsabrede zu verzichten (vgl BSG SozR 4100 § 128a Nr 2).

Dieser gegenüber dem Arbeitgeber bestehenden Anhörungs- und Beratungspflicht hat das AA im vorliegenden Fall genügt. Denn den Feststellungen des LSG, die auch die in Bezug genommenen Verwaltungsakten umfassen, läßt sich entnehmen, daß das AA die Klägerin wiederholt auf die Mehrdeutigkeit ihres Verhaltens zum Wettbewerbsverbot aufmerksam gemacht hat. Gleichwohl hat die Klägerin ihren früheren Arbeitnehmer M. nicht durch verbindliche Erklärung von der Einhaltung der Wettbewerbsabrede freigestellt. Ihre Behauptung im Widerspruchsverfahren, sie habe auf das Konkurrenzverbot verzichtet und ihr Hinweis auf das Schreiben vom 14. Januar 1985, das bereits durch den arbeitsgerichtlichen Vergleich vom 21. Februar 1985 überholt war, entsprechen nicht den Anforderungen, die an die Eindeutigkeit einer derartigen Erklärung zu stellen sind. Sowohl zum Schutz des Arbeitnehmers (vgl BAG AP Nr 7 zu § 75 HGB) als auch zur Gewährleistung einer ordnungsgemäßen Vermittlung durch die Beklagte muß eine solche Erklärung deutlich und zweifelsfrei sein und klar zum Ausdruck bringen, daß der Arbeitnehmer mit sofortiger Wirkung von der vertraglich vereinbarten Unterlassungspflicht frei sein soll. Diese Klarheit und Eindeutigkeit lassen die Erklärungen der Klägerin auch unter Berücksichtigung der von ihr vorgelegten arbeitsgerichtlichen Protokolle und Unterlagen vermissen, zumal danach die Frage einer Erstattungspflicht und die "Aufwendungen der Klägerin" im Zusammenhang mit der Gewährung des Alg für das Jahr 1985 ausdrücklich in die Überlegungen der Parteien (siehe Erörterungs- und Auflagenbeschluß des Arbeitsgerichts vom 25. November 1985) und in die - spätere - vergleichsweise Regelung einbezogen worden sind (vgl Vergleich vom 20. Oktober 1986). Nachdem die Klägerin innerhalb der streitigen Zeit (bis 31. März 1986) trotz entsprechender Rückfragen seitens des AA gegenüber ihrem bisherigen Arbeitnehmer M. nicht verbindlich erklärt hat, sie wolle die aus dem Wettbewerbsverbot folgenden Rechte nicht ausüben, gehen verbleibende Unklarheiten zu ihren Lasten.

Die durch den Vergleich vom 21. Februar 1985 - vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses - begründete und bis zum 31. März 1986 fortwirkende Konkurrenzklausel genügt den gesetzlichen Anforderungen (Schriftform, § 74 Abs 1 HGB iVm §§ 126 Abs 3, 127a BGB; Mindestentschädigung, § 74 Abs 2 HGB) und ist damit geeignet, die Erstattungsforderung nach § 128a AFG zu begründen. Ohne rechtliche Bedeutung ist, ob und inwieweit M. im konkreten Fall durch die Wettbewerbsvereinbarung bei der Arbeitsuche beeinträchtigt worden ist. Der Eintritt der Erstattungspflicht nach § 128a AFG hängt nicht vom Nachweis der Ursächlichkeit zwischen der Beschränkung der beruflichen Tätigkeit des Arbeitnehmers und seiner Arbeitslosigkeit bzw deren Dauer ab (LSG Niedersachsen, Breithaupt 1987, S 76, 81; Schieckel/Grüner/Dalichau, AFG, Anm II 3 zu § 128a AFG; Knigge/Ketelsen/Marschall/Wittrock, AFG, § 128a Anm 4). Ausreichend ist vielmehr, daß der Arbeitnehmer infolge der Abrede nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses für die Ausübung bestimmter Tätigkeiten nicht oder nicht voll zur Verfügung steht und daher die Vermittlung in zumutbare Tätigkeiten erschwert wird (vgl LSG Rheinland-Pfalz, NZA 1987, 212 213; aA Beise DB 1987, 1251). Diese schon nach dem Wortlaut der Vorschrift naheliegende Auslegung wird durch ihren Sinn und Zweck bestätigt. Die Überwälzung der Folgekosten des durch eine Wettbewerbsabrede in seiner beruflichen Tätigkeit beschränkten arbeitslosen Arbeitnehmers rechtfertigt sich aus dem Umstand, daß derartige Wettbewerbsabreden allein im Interesse des bisherigen Arbeitgebers die Wiedereingliederung des Arbeitslosen erschweren (vgl BT-Drucks 9/846 S 46 zu Nr 41). Es ist deshalb nicht gerechtfertigt, die Gemeinschaft aller Beitragszahler mit diesem Risiko zu belasten. Die Erhöhung des Vermittlungsrisikos, vor dem der Gesetzgeber die Versichertengemeinschaft schützen will, ist bereits dann zu bejahen, wenn die Erschwernis der Vermittlung typischerweise eintreten kann (vgl auch BSG SozR 4100 § 128a Nr 2).

Der somit bestehende Erstattungsanspruch der Beklagten entfällt nicht, weil M. zu Unrecht Alg bezogen hätte. Dieser erfüllte nach den - von der Klägerin nicht angegriffenen - Feststellungen des LSG die für den Leistungsbezug in § 100 Abs 1 AFG gesetzlich normierten Anspruchsvoraussetzungen (Arbeitslosigkeit, Verfügbarkeit, Erfüllung der Anwartschaftszeit, Arbeitslosmeldung und Antragstellung).

Entgegen der Auffassung der Klägerin ruhte der Alg-Anspruch des M. auch nicht nach § 117 AFG. Absatz 1 dieser Vorschrift, wonach der Leistungsanspruch in der Zeit ruht, für die der Arbeitslose Arbeitsentgelt erhält oder zu beanspruchen hat, erfaßt nur Fälle, in denen es sich um Entgelt für die Zeit bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses handelt (Gagel, AFG, § 117 Anm 22 und 118; vgl auch BSGE 52, 47, 49 = SozR 4100 § 117 Nr 7). Die an M. für die Zeit von April 1985 bis März 1986 gezahlte Entschädigung ist hingegen für eine Zeit im Anschluß an das zum 31. März 1985 beendete Arbeitsverhältnis gezahlt worden. § 117 Abs 2 AFG greift hier nicht ein, weil das Arbeitsverhältnis nicht ohne Einhaltung einer der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers entsprechenden Frist beendet worden ist. Die am 18. Dezember 1984 zum 31. März 1985 ausgesprochene Kündigung entsprach gemäß § 1 des Anstellungsvertrages vom 3. Januar 1983 der gesetzlichen Kündigungsfrist des § 622 Abs 1 BGB von sechs Wochen zum Schluß eines Kalendervierteljahres und war demzufolge fristgemäß (vgl im übrigen Gagel, aaO, Anm 117, zur Behandlung der Karenzentschädigung als Abfindung iS des § 117 Abs 2 AFG).

Die an M. gezahlte Karenzentschädigung führt auch nicht nach § 115 AFG zu einer Minderung des ihm zustehenden Alg und damit zu einer Reduzierung des hier streitigen Erstattungsanspruches. Eine Anrechnung anderweitigen Einkommens auf das Alg kommt nach dieser Vorschrift nur in Betracht, wenn es sich um Einkünfte aus einer Tätigkeit handelt, während die Karenzentschädigung eine Gegenleistung für ein Unterlassen darstellt, also Entgelt für die Nichtausübung einer Tätigkeit ist (BAG AP Nr 11 zu § 74c HGB = DB 1986, 127, 128 mwN). Im übrigen verdeutlicht gerade die Einführung der Erstattungsvorschrift des § 128a AFG, daß sich der Gesetzgeber dagegen entschieden hat, Entschädigungen für Wettbewerbsbeschränkungen auf das Alg anzurechnen. Satz 3 dieser Vorschrift in der ab 1. Januar 1986 gültigen Fassung des AFG-Änderungsgesetzes vom 20. Dezember 1985 (BGBl I 2484) sieht vor, daß sich der Arbeitnehmer das vom Arbeitgeber erstattete Alg wie Arbeitsentgelt auf die Karenzentschädigung anrechnen lassen muß. Dieses Ergebnis stimmt mit der Rechtsprechung des BAG überein, wonach sich der Arbeitnehmer das ihm zufließende Alg in entsprechender Anwendung des § 74c HGB auf die Karenzentschädigung anrechnen lassen muß (BAG AP Nr 11 zu § 74c HGB = DB 1986, 127, 128).

Demgemäß steht der Beklagten der geltend gemachte Erstattungsanspruch, dessen rechnerische Richtigkeit die Klägerin nicht bestreitet, zu.

Die Revision der Klägerin war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 60325

RegNr, 18956 (BSG-Intern)

AuB 1991, 216-218 (T)

EWiR 1990, 521 (L)

NZA 1990, 541-542 (LT)

VdKMitt 1990, Nr 3, 15 (T)

ZIP 1990, 598

ZIP 1990, 598-600 (LT)

DBlR 3580, AFG/§ 128a (LT1-2)

SozR 4100 § 128a, Nr 3 (LT1-2)

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