Beteiligte

5. Verband der Angestellten-Krankenkassen e.V.

6. Arbeiter-Ersatzkassen-Verband e.V.

1. AOK Bayern – Die Gesundheitskasse

2. Landesverband der Innungskrankenkassen in Bayern

3. BKK-Landesverband Bayern

4. Funktioneller Landesverband der Landwirtschaftlichen Krankenkassen und Pflegekassen in Bayern

7. Berufungsausschuß für Ärzte Bayern

Kassenärztliche Vereinigung Bayerns

 

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 19. August 1998 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten. Im übrigen sind außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.

 

Gründe

I

Der Kläger ist leitender Arzt der psychotherapeutisch-psychosomatischen Station des Bezirkskrankenhauses H.. Mit Bescheiden der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) vom 5. September 1983 wurde er auf der Grundlage von § 14 Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä) aF bzw § 5 Ziff 3 des Arzt-/Ersatzkassenvertrages (EKV-Ä) aF zur Ausübung von tiefenpsychologisch fundierter und analytischer Psychotherapie ermächtigt. Diese Ermächtigung widerrief die Beklagte 1994 unter Hinweis auf eine geänderte Versorgungssituation hinsichtlich psychoanalytischer und psychotherapeutischer Leistungen als Folge der Niederlassung zahlreicher Psychotherapeuten. Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte zurück. Gemäß Ziff VII und VIII der Ermächtigungsbescheide iVm § 47 Abs 1 Ziff 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) könnten die Ermächtigungen widerrufen werden, wenn die Leistungserbringung durch den ermächtigten Arzt aus Gründen der Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung nicht mehr geboten sei. Dies sei im Hinblick auf die Niederlassung einer größeren Zahl von Ärzten mit der Zusatzbezeichnung Psychotherapie bzw Psychoanalyse der Fall.

Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 15. Oktober 1997). Auf die Berufung des Klägers hat das Landessozialgericht (LSG) das sozialgerichtliche Urteil sowie die angefochtenen Bescheide aufgehoben. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) seien für den Widerruf der auf der Grundlage des BMV-Ä bzw des EKV-Ä erteilten Ermächtigungen nicht die KÄVen, sondern die Zulassungsgremien zuständig. Da das BSG die Bestimmungen der § 5 Abs 1 BMV-Ä nF bzw § 9 Abs 1 EKV-Ä nF insoweit für unwirksam halte, als dort die Zuständigkeit der KÄV normiert sei, müsse auch die Entscheidung über den Widerruf von Ermächtigungen als „actus contrarius” zu ihrer Erteilung in der alleinigen Kompetenz der Zulassungsgremien liegen (Urteil vom 19. August 1998).

Mit ihrer vom LSG zugelassenen Revision macht die Beklagte geltend, der Rechtsprechung des BSG sei keine Aussage zur Zuständigkeit für den Widerruf von Ermächtigungen der hier betroffenen Art zu entnehmen. Das Berufungsgericht habe sich zur Begründung seiner Auffassung lediglich auf solche Entscheidungen des BSG bezogen, die den Widerruf von Ermächtigungen nach Art 65 Satz 1 des Gesundheits-Reformgesetzes (GRG) zum Gegenstand gehabt hätten. Da für die Erteilung dieser (früheren) Chefarztbeteiligungen, die zum 1. Januar 1989 in Ermächtigungen neuen Rechts umgewandelt worden seien, seit jeher die Zulassungsgremien zuständig gewesen seien, sei selbstverständlich, daß diese allein zum Widerruf berechtigt seien. Daraus lasse sich aber nicht ableiten, nur die Zulassungsgremien dürften solche Ermächtigungen widerrufen, die vor Inkrafttreten des GRG von einer KÄV erteilt worden seien. In der Sache sei ihr Widerrufsbescheid nicht zu beanstanden. Die Ermächtigungsbescheide vom 5. September 1983 enthielten einen Vorbehalt, wonach sie – die KÄV – die Ermächtigung widerrufen könne, wenn diese aus Sicherstellungsgründen nicht mehr erforderlich sei. Davon habe sie im Hinblick auf den ihr gemäß § 75 SGB V obliegenden Sicherstellungsauftrag als Reaktion auf eine gravierend geänderte Versorgungssituation sachgerecht Gebrauch gemacht.

Die Beklagte beantragt sinngemäß,

das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 19. August 1998 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 15. Oktober 1997 zurückzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Selbst wenn die Beklagte 1983 für die Erteilung der Ermächtigungen zuständig gewesen sei, habe das nicht zur Folge, daß diese auch nach Änderung der maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen zum Widerruf berechtigt sei.

Die Beigeladenen äußern sich im Revisionsverfahren nicht.

Alle Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes ≪SGG≫) einverstanden erklärt.

II

Der Senat entscheidet gemäß § 12 Abs 3 Satz 1 iVm § 33 Satz 2, § 40 Satz 1 SGG in der Besetzung mit einem ehrenamtlichen Richter aus den Kreisen der Krankenkassen und einem ehrenamtlichen Richter aus den Kreisen der Ärzte und Psychotherapeuten, also in sog gemischter Besetzung. Für die Abgrenzung der in § 12 Abs 3 Satz 1 SGG (idF des Art 12 Nr 2 des Gesetzes über die Berufe des Psychologischen Psychotherapeuten und des Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, zur Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 16. Juni 1998, BGBl I 1311) angesprochenen Angelegenheiten des Kassenarztrechts von den in Satz 2 genannten Angelegenheiten der Ärzte, Zahnärzte und Psychotherapeuten ist nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ausschlaggebend, wie nach den maßgebenden rechtlichen Vorschriften die Verwaltungsstelle zusammengesetzt ist, die über den streitigen Anspruch zu entscheiden hat (vgl Senatsurteil vom 8. Mai 1996, SozR 3-1500 § 12 Nr 9 S 17 mwN sowie Senatsurteile vom 1. Juli 1998 - B 6 KA 44/97 R - und vom 9. September 1998 - B 6 KA 80/97 R -, beide zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Ist – wie vorliegend – zweifelhaft und umstritten, ob ein allein aus Kassenärzten oder ein paritätisch (gemischt) zusammengesetztes Entscheidungsgremium zuständig ist, so ist in sog gemischter Besetzung der Richterbank zu entscheiden (vgl BSGE 67, 41, 42 = SozR 3-2500 § 106 Nr 2 S 3; BSGE 67, 256, 257 f = SozR 3-2500 § 91 Nr 1 S 3; BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 12 S 63). Ein solcher Streit über die Zuständigkeit des zur Entscheidung berufenen Gremiums ist hier im Revisionsverfahren gegeben, nachdem das Berufungsgericht sein Urteil allein auf die fehlende Zuständigkeit der beklagten KÄV für den Widerruf einer auf der Grundlage bundesmantelvertraglicher Normen erteilten Ermächtigung gestützt und deswegen die Revision zugelassen hat. Ein solcher Zuständigkeitsstreit rechnet zu den Angelegenheiten des Kassenarztrechts iS des § 12 Abs 3 Satz 1 SGG.

Der Senat hat den Berufungsausschuß gemäß § 75 Abs 2 SGG beigeladen. Die Entscheidung, ob die KÄV für den Widerruf von Ermächtigungen, die sie auf der Grundlage des bis Ende 1988 geltenden Rechts erteilt hat, oder die Zulassungsgremien zuständig sind, kann gegenüber den betroffenen Behörden nur einheitlich ergehen. Das LSG hätte deshalb den Berufungsausschuß unabhängig davon, in welchem Sinne es die Zuständigkeitsfrage entscheiden wollte, notwendig beiladen müssen (vgl bereits BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 12 S 66 sowie Senatsurteil vom 9. September 1998, aaO). Der Senat hat die Beiladung im Revisionsverfahren auf der Grundlage des § 168 Satz 2 SGG im Einverständnis mit dem Berufungsausschuß nachgeholt.

Die Revision der Beklagten ist nicht begründet. Das LSG hat zu Recht die angefochtenen Widerrufsbescheide der beklagten KÄV aufgehoben. Nicht diese, sondern die Zulassungsgremien sind für den Widerruf solcher Ermächtigungen zuständig, die eine KÄV auf der Grundlage bundesmantelvertraglicher Vorschriften erteilt hat.

Rechtsgrundlage der dem Kläger erteilten Ermächtigungen waren § 14 Abs 1 BMV-Ä bzw § 5 Ziff 3 des EKV-Ä in der 1983 geltenden Fassung. Nach § 14 Abs 1 BMV-Ä konnten die KÄVen nach Maßgabe des § 31 Abs 2, 5 und 6 Zulassungsordnung für Kassenärzte (ZO-Ä) über den Kreis der zugelassenen und beteiligten und nach § 31 Abs 1 und 3 ZO-Ä ermächtigten Ärzte hinaus weitere Ärzte oder ärztlich geleitete Einrichtungen ambulant zur Ausführung ärztlicher Sachleistungen oder anderer bestimmter ärztlicher Leistungen auf Überweisung durch einen Kassenarzt ermächtigen, soweit dies zur Sicherstellung der kassenärztlichen Versorgung erforderlich ist. Die gesetzliche Grundlage dieses Ermächtigungstatbestandes enthielt § 31 Abs 2 ZO-Ä (idF des Art 1 Nr 16 der Verordnung vom 20. Juli 1977, BGBl I 1332). Nach dieser mit der heute geltenden Vorschrift des § 31 Abs 2 Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) im wesentlichen übereinstimmenden Vorschrift konnten die Kassenärztliche Bundesvereinigung und die Spitzenverbände der Krankenkassen im Bundesmantelvertrag Regelungen treffen, die über die Voraussetzungen des § 31 Abs 1 ZO-Ä hinaus Ermächtigungen zur Erbringung bestimmter ärztlicher Leistungen im Rahmen der kassenärztlichen Versorgung vorsehen. Nach § 5 Ziff 3 EKV-Ä aF durfte schließlich die KÄV im Einvernehmen mit dem Verband der Angestellten-Krankenkassen eV (VdAK) Nichtvertragsärzte oder ärztlich geleitete Einrichtungen zur Durchführung bestimmter ärztlicher Sachleistungen ermächtigen.

Nach der grundlegenden Umgestaltung des Ermächtigungsrechts durch das GRG zum 1. Januar 1989 sind die auf der Grundlage des § 31 Abs 2 ZO-Ä iVm § 14 Abs 1 BMV-Ä bzw § 5 Ziff 3 EKV-Ä erteilten Ermächtigungen in ihrem Bestand erhalten geblieben. Die Vorschrift des Art 65 Satz 1 GRG, wonach bestimmte Beteiligungen leitender Krankenhausärzte gemäß § 368a Abs 8 Reichsversicherungsordnung (RVO) als Ermächtigungen iS des § 116 Satz 1 SGB V iVm § 31a Ärzte-ZV gelten, ist insoweit nicht anwendbar. Art 65 GRG befaßt sich mit den sog Ergänzungsermächtigungen (vgl BSG SozR 3-2500 § 116 Nr 2 S 12) nicht und mußte sich damit auch nicht befassen, weil sich an dem Rechtsinstitut der Ergänzungsermächtigung nach dem Inkrafttreten des GRG nichts geändert hat. Die früher in § 14 Abs 1 BMV-Ä bzw § 5 Ziff 3 EKV-Ä geregelten Ermächtigungstatbestände auf der Grundlage des § 31 Abs 2 ZO-Ä finden sich nunmehr auf der Grundlage des § 31 Abs 2 Ärzte-ZV in § 5 Abs 1 BMV-Ä bzw § 9 Abs 1 EKV-Ä (vgl Senatsurteil vom 1. Juli 1998, SozR 3-5520 § 31 Nr 8). Allerdings hat die Neugestaltung des Ermächtigungsrechts zur Folge, daß für die Erteilung von Ermächtigungen auf der Grundlage des § 5 Abs 1 BMV-Ä bzw § 9 Abs 1 EKV-Ä iVm § 31 Abs 2 Ärzte-ZV nunmehr – entsprechend der Regelung des § 31 Abs 1 Ärzte-ZV und den übrigen Vorschriften des Zulassungs- und Ermächtigungsrechts – allein die Zulassungsgremien zuständig sind. Soweit in diesen bundesmantelvertraglichen Vorschriften (noch) die Zuständigkeit der KÄVen für die Erteilung der sog Ergänzungs- bzw Katalogermächtigungen bestimmt ist, ist das von § 31 Abs 2 Ärzte-ZV nicht gedeckt (vgl Urteil vom 1. Juli 1998, - SozR aaO -). Der Senat hat in dieser Entscheidung im Anschluß an sein Urteil vom 18. Juli 1997 (BSG SozR 3-5540 § 5 Nr 4) dargelegt, daß die Partner der Bundesmantelverträge das in § 31 Ärzte-ZV näher geregelte Rechtsinstitut der Ermächtigung von Ärzten bzw ärztlich geleiteten Einrichtungen als grundsätzlich nachrangige Form der Teilnahme an der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung vorfinden. Sie sind im Rahmen ihrer Rechtssetzungsbefugnis auf der Grundlage des § 31 Abs 2 Ärzte-ZV lediglich berechtigt, die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Ermächtigung über die in der Zulassungsverordnung selbst geregelten Fälle hinaus zu erweitern. Die Bindung der Partner der Bundesmantelverträge an die Ausgestaltung des Rechtsinstituts der Ermächtigungen im SGB V und – darauf beruhend – in der Ärzte-ZV schließt aus, in den Bundesmantelverträgen Regelungen zu treffen, die die Zuständigkeit für die Erteilung von Ermächtigungen und das Verwaltungsverfahren abweichend von den Grundsätzen regeln, die generell für die Teilnahme von Nichtvertragsärzten an der vertragsärztlichen Versorgung gelten.

Zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen, daß die vom Wortlaut der § 5 Abs 1 BMV-Ä bzw § 9 Abs 1 EKV-Ä abweichende alleinige Zuständigkeit der Zulassungsgremien für die Erteilung von Ergänzungs- bzw Katalogermächtigungen auch für deren Widerruf gilt. Nach der Systematik des Zulassungsrechts sind die Zulassungsgremien für die Erteilung aller bedarfsabhängigen Ermächtigungen, zu denen auch die bedarfsabhängigen Ergänzungsermächtigungen nach § 5 Abs 1 BMV-Ä bzw § 9 EKV-Ä rechnen, zuständig. Unterschiede in der Beurteilung der Bedarfslage zwischen den Zulassungsgremien und der KÄV sollen grundsätzlich nicht zu einander widersprechenden Ermächtigungsentscheidungen führen, je nachdem auf welche Rechtsgrundlage – § 5 Abs 1 BMV-Ä bzw § 9 Abs 1 EKV-Ä iVm § 31 Abs 2 Ärzte-ZV oder § 31 Abs 1 Ärzte-ZV – das Ermächtigungsbegehren gestützt wird (vgl Senatsurteil vom 1. Juli 1998 - SozR 3-5520 § 31 Nr 8). Diese Erwägung gilt auch für den Widerruf von Ermächtigungen, die eine KÄV vor Inkrafttreten des GRG erteilt hat.

Der Senat hat bereits entschieden, daß die gemäß Art 65 Satz 1 GRG als Ermächtigungen iS des SGB V zu behandelnden sog Chefarztermächtigungen auf der Grundlage des § 368a Abs 8 RVO aF dann gemäß § 95 Abs 4 Satz 3 iVm Abs 6 Satz 1 SGB V zu widerrufen sind, wenn die Voraussetzungen für ihre Erteilung nicht oder nicht mehr vorliegen, wenn also für die vom Krankenhausarzt angebotenen Leistungen kein Bedarf mehr besteht (BSG SozR 3-2500 § 116 Nr 1 S 4). Der Senat hat in diesem Zusammenhang offengelassen, ob die Widerrufbarkeit von Ermächtigungen durch das Befristungsgebot des § 31 Abs 7 Ärzte-ZV, das über § 31a Abs 3 Ärzte-ZV auch für die Ermächtigung von Krankenhausärzten gilt, eingeschränkt wird. Das kommt indessen allenfalls für solche Ermächtigungen in Betracht, die nach dem ab dem 1. Januar 1989 geltenden Recht zu befristen sind. Chefarztbeteiligungen alten Rechts, die Krankenhausärzten regelmäßig unbefristet zu erteilen waren, sind dagegen bei Wegfall des Bedarfs zu widerrufen (BSG aaO S 3/4). Für die Ermächtigungen eines Arztes auf der Grundlage der § 14 Abs 1 BMV-Ä aF, § 5 Ziff 3 EKV-Ä aF iVm § 31 Abs 2 ZO-Ä, die im Widerspruch zu dem Befristungsgebot des § 31 Abs 5 ZO-Ä, das auch für diese Ermächtigungen galt (vgl BSGE 55, 212 = SozR 5520 § 31 Nr 2), zeitlich unbeschränkt erteilt worden sind, kann nichts anderes gelten.

Wenn der Gesetzgeber im Zuge der Umgestaltung des Ermächtigungsrechts ausdrücklich die Umwandlung von zuvor unbefristet zu erteilenden Chefarztbeteiligungen in prinzipiell zu befristende Ermächtigungen vorschreibt (Art 65 Satz 2 GRG) und damit das Vertrauen der bisher ohne zeitliche Begrenzung an der kassenärztlichen Versorgung beteiligten leitenden Krankenhausärzte auf den Fortbestand dieses Rechtszustandes erheblich einschränkt, kann erst recht der Widerruf solcher Ermächtigungen wegen fehlenden Bedarfs nicht ausgeschlossen sein, die schon immer hätten befristet werden dürfen und sollen. Auf den dauerhaften Fortbestand solcher lediglich ergänzend zur Beteiligung von leitenden Krankenhausärzten gemäß § 368a Abs 8 RVO sowie ergänzend zur Ermächtigung von Ärzten nach § 31 Abs 1 ZO-Ä zu erteilenden Ermächtigungen hat ein Arzt nicht vertrauen können. Demnach können auch die von der KÄV auf der Grundlage bundesmantelvertraglicher Vorschriften nach dem bis zum 31. Dezember 1988 geltenden Rechtszustand erteilten Ermächtigungen, die nunmehr zu den Ermächtigungen iS des § 95 Abs 1 und 4 SGB V zählen (dazu allgemein BSG SozR 3-2500 § 116 Nr 1 S 4 sowie Frei, SGb 1990, 407, 410), nach § 95 Abs 4 Satz 3 iVm Abs 6 Satz 1 SGB V widerrufen werden, wenn für die Leistungen, für die der Arzt ermächtigt ist, kein Bedarf mehr besteht. Auch insoweit ist die für den Widerruf der Ermächtigung zuständige Behörde nicht auf den Weg der Aufhebung der Bescheide nach § 48 SGB X verwiesen, weil der Widerruf der Ermächtigung keine wesentliche Änderung der Verhältnisse voraussetzt (vgl BSG SozR 3-2500 § 116 Nr 1 S 4 sowie BSGE 56, 295, 297 = SozR 5520 § 29 Nr 4 S 12 zu § 29 ZO-Ä).

Für die Entscheidung über den Widerruf einer Ermächtigung sind gemäß § 95 Abs 4 Satz 3 iVm Abs 6 sowie § 96 Abs 1 SGB V die Zulassungsausschüsse berufen. Diese sind für alle Entscheidungen in Zulassungssachen zuständig, zu denen nach dem Urteil des Senats vom 1. Juli 1998 (SozR 3-5520 § 31 Nr 8) auch die Erteilung von Ergänzungsermächtigungen auf der Grundlage der an die Stelle des § 14 BMV-Ä aF getretenen Vorschrift des § 5 Abs 1 BMV-Ä sowie der an die Stelle des § 5 Ziff 3 EKV-Ä aF getretenen Vorschrift des § 9 Abs 1 EKV-Ä rechnet. Für den Widerruf derartiger Ermächtigungen ergibt sich auch dann keine andere behördliche Zuständigkeit, wenn die Ermächtigung ursprünglich – im Einklang mit dem Wortlaut der bundesmantelvertraglichen Vorschriften – von der KÄV erteilt worden ist. Für den Widerruf wie für die Erteilung von Ermächtigungen ist die Beurteilung der konkret bestehenden Bedarfssituation von ausschlaggebender Bedeutung. Zu deren Bewertung sowie zur Entscheidung über die zur Behebung eines bestehenden Versorgungsdefizites in Betracht kommenden Maßnahmen (zB Sonderbedarfszulassungen, Ermächtigungen) sind die Zulassungs- und Berufungsausschüsse als Gremien der gemeinsamen Selbstverwaltung von Ärzten und Krankenkassen berufen. Es unterliegt keinem Zweifel, daß allein die Zulassungsgremien zuständig sind, wenn ein auf der Grundlage des Wortlautes des § 5 Abs 1 BMV-Ä bzw des § 9 Abs 1 EKV-Ä noch von der KÄV für bestimmte ärztliche Leistungen ermächtigter Arzt eine Verlängerung einer ihm gemäß § 31 Abs 7 Ärzte-ZV grundsätzlich befristet zu erteilenden Ermächtigung begehrt. Es ist keine Rechtfertigung dafür ersichtlich, für den Widerruf einer unter Außerachtlassung von § 31 Abs 5 ZO-Ä nach dem bis Ende 1988 geltenden Rechtszustand unbefristet erteilten Ermächtigung die Zuständigkeit der KÄV anzunehmen. Der Umstand, daß die KÄV die ursprüngliche Ermächtigung erteilt hat und dafür nach der Rechtsauffassung des Senats vor Änderung des Ermächtigungsrechts durch das GRG zum 1. Januar 1989 auch zuständig war, ändert daran nichts.

In § 95 Abs 6 iVm Abs 4 Satz 3 SGB V ist der Fall eines Zuständigkeitswechsels zwischen dem Zeitpunkt der Erteilung einer Ermächtigung und ihrem Widerruf nicht ausdrücklich geregelt. In mehreren Bestimmungen des das Verwaltungsverfahren der Sozialleistungsträger regelnden SGB X, die die Aufhebung unanfechtbarer Verwaltungsakte regeln und in ihrer Wirkungsweise der spezialgesetzlichen Vorschrift des § 95 Abs 6 SGB V über die Entziehung der Zulassung bzw iVm Abs 4 Satz 3 dieser Norm über den Widerruf der Ermächtigung vergleichbar sind, ist dagegen festgelegt, daß über die Rücknahme, die Aufhebung bzw den Widerruf eines Verwaltungsaktes nach Unanfechtbarkeit die nunmehr zuständige Behörde entscheidet und zwar auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist. Das schreibt § 44 Abs 3 SGB X ausdrücklich für die Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes (zur Anwendung des § 44 Abs 2 SGB X auf vertragsärztliche Honoraransprüche s zuletzt Senatsurteil vom 18. März 1998, BSGE 82, 50 = SozR 3-1300 § 44 Nr 23). Dasselbe gilt gemäß § 45 Abs 5 iVm § 44 Abs 3 SGB X für die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes. Auf § 44 Abs 3 SGB X wird in § 47 Abs 3 SGB X hinsichtlich des Widerrufs eines rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsaktes und in § 48 Abs 4 SGB X für die Aufhebung eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung bei Änderung der Verhältnisse verwiesen.

§ 44 Abs 3 SGB X trifft eine Regelung für solche Fälle, in denen sich die örtliche oder sachliche Zuständigkeit der Behörde nach Erlaß des zu überprüfenden Bescheides ändert (vgl Kasseler Komm-Steinwedel, § 44 SGB X RdNr 44), und bestimmt, daß prinzipiell für die Korrektur unanfechtbar gewordener Verwaltungsakte zugunsten oder zu Lasten des Betroffenen diejenige Behörde zuständig ist, die nach dem im Zeitpunkt der Entscheidung über die Korrektur des Verwaltungsaktes maßgeblichen Recht örtlich und sachlich zuständig ist. Insoweit schränkt die Regelung den vor Inkrafttreten des Verwaltungsverfahrensgesetzes ≪VwVfG≫ (vgl die dem § 44 Abs 3 SGB X entsprechende Regelung des § 48 Abs 5 VwVfG) und des SGB X allgemein anerkannten Rechtsgrundsatz ein, wonach die Zuständigkeit für die Beseitigung (Aufhebung, Rücknahme, Widerruf) eines Verwaltungsaktes vorbehaltlich einer besonderen gesetzlichen Regelung bei der Behörde lag, die den Verwaltungsakt erlassen hatte, um dessen Rücknahme es geht (vgl auch OVG Münster, Urteil vom 22. Januar 1998 - 8 A 940/96 -, Nordrhein-Westfälische Verwaltungsblätter 1998, S 356, 357). Die Behörde, die den ursprünglichen Verwaltungakt erlassen hat, ist für seine Beseitigung nach geltendem Recht nicht mehr zuständig, wenn sie entweder zu keinem Zeitpunkt zuständig war oder ihre Zuständigkeit nach Erlaß des Verwaltungsaktes, um dessen Beseitigung es geht, entfallen ist. Damit wird verhindert, daß eine andere Behörde über die Beseitigung eines Verwaltungsaktes zu entscheiden hat als diejenige, die nunmehr zuständig ist, den maßgeblichen Sachverhalt zu regeln. Dieser Rechtsgedanke findet im Rahmen der in § 95 Abs 6 SGB V speziell geregelten Tatbestände der Entziehung der Zulassung und des Widerrufs der Ermächtigung entsprechende Anwendung.

Dies hebt die Möglichkeiten der KÄV, auf die Beendigung einer von ihr inzwischen als nicht mehr gerechtfertigt angesehenen Ermächtigung im Rahmen der bundesmantelvertraglich normierten Ergänzungstatbestände hinzuwirken, nicht auf. Sie kann beim Zulassungsausschuß den Widerruf der Ermächtigung mit Hinweis darauf beantragen, ihre Voraussetzungen lägen nicht mehr vor (§ 95 Abs 6 iVm § 95 Abs 4 Satz 3 SGB V). Um zu verhindern, daß ein betroffener Arzt von einer durch die aktuelle Bedarfslage nicht mehr gerechtfertigten Ermächtigung allein deshalb auch nach ihrem Widerruf Gebrauch machen kann, weil sein Widerspruch gegen den Widerruf aufschiebende Wirkung hat (§ 96 Abs 4 Satz 4 SGB V), steht der KÄV das Recht zu, gemäß § 97 Abs 4 SGB V die sofortige Vollziehung der Entscheidung des Berufungsausschusses zu beantragen, wenn dieser ihrem Antrag entsprochen und die Ermächtigung widerrufen hat.

Nach alledem hat das Berufungsgericht die angefochtenen Bescheide der Beklagten zu Recht aufgehoben, weil diese für den Widerruf der dem Kläger 1983 erteilten Ermächtigungen nicht mehr zuständig ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 und 4 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI542990

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