Beteiligte

Klägerin und Revisionsbeklagte

Beklagte und Revisionsklägerin

 

Tatbestand

I.

Die Beklagte lehnt Familienhilfeleistungen für die drei Kinder der Klägerin ab, weil das Gesamteinkommen ihres beigeladenen Ehemannes und Vater der Kinder regelmäßig im Monat ein Zwölftel der Jahresarbeitsverdienstgrenze übersteige.

Der Ehemann der Klägerin ist als praktischer Arzt freiberuflich tätig und nicht Mitglied bei einem Träger der gesetzlichen Krankenversicherung. Bis zum 31. Juli 1978 war die Klägerin als Angestellte im öffentlichen Dienst beschäftigt (Bruttogehalt im September 1977 = 1.608, 56 DM) und bei der Beklagten gegen Krankheit pflichtversichert. Die Beklagte gewährte ihr bis zum 30. Juni 1977 für ihre drei Kinder Familienhilfeleistungen. Mit Bescheid vom 1. August 1977 teilte die Beklagte dem Beigeladenen mit, die Klägerin habe nach dem am 1. Juli 1977 in Kraft getretenen Gesetz zur Dämpfung der Ausgabenentwicklung und zur Strukturverbesserung in der gesetzlichen Krankenversicherung (Krankenversicherungs-Kostendämpfungsgesetz - KVKG -) vom 27. Juni 1977 (BGBl. I 1069) keinen Anspruch auf Familienhilfeleistungen, denn das Einkommen des Beigeladenen übersteige regelmäßig im Monat ein Zwölftel der Jahresarbeitsverdienstgrenze in der Krankenversicherung (2.550,-- DM); es sei auch höher als das Gesamteinkommen der Versicherten. Dagegen wandte die Klägerin ein, die Praxisertragsrechnung 1976 weise Einnahmen von 167.607, 77 DM und Ausgaben von 184.075, 98 DM, mithin einen Verlust von über 16.000,-- DM auf. Die Beklagte wies den Widerspruch zurück und führte aus, von den Einnahmen des Beigeladenen könnten nach dem Bruttolohnprinzip lediglich die Personalkosten und die Ausgaben für Praxisbedarf abgesetzt werden. Die dagegen gerichtete Klage hat das Sozialgericht (SG) abgewiesen.

Das Landessozialgericht (LSG) hat auf die Berufung der Klägerin das Urteil des SG und die angefochten Bescheide aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin für die Kinder J…-W…, T… und O… in der Zeit vom 1. Juli 1977 bis zum 31. Juli 1978 Familienhilfeleistungen zu gewähren. Zur Begründung hat das LSG ausgeführt: Die im Haushalt ihrer Eltern lebenden minderjährigen sowie vermögens- und einkommenslosen Kinder der Klägerin seien ihr gegenüber im konkreten Sinn unterhaltsberechtigt. Einen anderweitigen gesetzlichen Anspruch auf Krankenpflege hätten sie nicht. Zwar sei für sie eine eigene freiwillige Versicherung bei der Beklagten abgeschlossen worden. Diese Versicherung sei aber allein wegen des hier streitigen Ausschlusses der Familienhilfeleistungen ab 1. Juli 1977 vorsorglich abgeschlossen worden, ihre Wirksamkeit setze gemäß § 176b Abs. 1 Nr. 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) die Rechtmäßigkeit des Ausschlusses voraus. Indessen sei der streitige Familienhilfeanspruch begründet. Das Gesamteinkommen des Beigeladenen habe 1976 und 1977 regelmäßig im Monat nicht ein Zwölftel der Jahresarbeitsverdienstgrenze überstiegen. Gemäß § 15 des Sozialgesetzbuches - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - (SGB IV) vom 23. Dezember 1976 (BGBl. I 3845) i.V.m. § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1975 i.d.F. vom 5. September 1974 (BGBl. 1974 I 2165) und des EStG 1977 vom 5. Dezember 1977 (BGBl. I 2365) sei das Einkommen des Beigeladenen trotz der für die Jahre 1976 und 1977 vorgelegten "Bilanzen" den Praxisertragsrechnungen zu entnehmen. Der Beigeladene sei nämlich weder buchführungs- noch abschlußpflichtig, und er habe auch keine Bücher geführt. Dementsprechend sei das Finanzamt ebenfalls von den Praxisertragsrechnungen ausgegangen. Diese wiesen für die Jahre 1976, 1977 und 1978 in keinem Fall einen regelmäßigen monatlichen Überschuß der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben in einer Höhe aus, die ein Zwölftel der jeweils geltenden Jahresarbeitsverdienstgrenze überstiegen habe. Steuerliche Vergünstigungen i.S. des § 15 Satz 2 SGB IV wiesen die Praxisertragsrechnungen des Beigeladenen nicht aus. Vielmehr enthielten die Praxisertragsrechnungen im wesentlichen echte Betriebsausgaben. Nicht zu beanstanden seien insbesondere auch die Abschreibungen für Inventar und ein Kraftfahrzeug sowie die in Ansatz gebrachten Kosten für das Praxisgrundstück, die sämtlich nicht von § 15 Satz 2 SGB IV erfaßt würden.

Die Beklagte hat Revision eingelegt und macht geltend, das LSG sei ohne ausreichende Nachprüfung davon ausgegangen, daß der Beigeladene keine Bücher geführt habe. Vielmehr befänden sich Bilanzen für die Jahre 1976 bis 1978 in den Akten, der Beigeladene habe also regelmäßig Abschlüsse gemacht. Dazu hätte das LSG zumindest den Beigeladenen befragen müssen. Gemäß § 15 Satz 2 SGB IV seien bei der Gewinnermittlung beim Arbeitseinkommen steuerliche Vergünstigungen unberücksichtigt zu lassen. Als solche kämen hier neben der einkommensteuerrechtlichen Behandlung der Entnahmen aus der Praxis in § 4 Abs. 1 und Abs. 3 EStG auch die steuerrechtlich gemäß § 7 EStG möglichen und vom Beigeladenen getätigten Abschreibungen in Betracht. Die Bestimmung des § 15 SGB IV gehe bei der Einkommensermittlung der Selbständigen vom Bruttoprinzip aus. Dieses Prinzip und die beabsichtigte grundsätzliche Gleichbehandlung der Selbständigen mit den Arbeitnehmern geböte es, einkommensteuerrechtlich gemäß § 7 EStG zulässige Abschreibungen bei der Ermittlung des Arbeitseinkommens unberücksichtigt zu lassen. Der Beigeladene habe der Praxis tatsächlich Gelder entnommen. Daß die Entnahmen auf Krediten beruhten, sei unerheblich. Wegen der auf kurze Zeiträume abgestellten Betrachtungsweise des Sozialversicherungsrechts sei es unangemessen, Geldentnahmen im Jahr, in dem sie vorgenommen wurden, außer acht zu lassen.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 16. November 1979 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Abeck vom 9. Oktober 1978 zurückzuweisen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend.

Der Beigeladene stellt keinen Antrag.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist nicht begründet. Mit Recht hat das LSG das Urteil des SG und die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte zur Gewährung der Familienhilfe verurteilt.

Die Voraussetzungen für den Familienhilfeanspruch nach § 205 Abs. 1 Satz 1 RVO i.d.F. des KVKG sind erfüllt. Die Klägerin ist bei der Beklagten pflichtversichert und nach den Feststellungen des LSG ihren Kindern unterhaltspflichtig. Nach diesen Feststellungen haben sich die Kinder gewöhnlich im Geltungsbereich der RVO aufgehalten und hatten kein Gesamteinkommen, das regelmäßig im Monat ein Sechstel der monatlichen Bezugsgröße gemäß § 18 SGB IV überschritt. Sie haben auch keinen anderweitigen gesetzlichen Anspruch auf Krankenpflege gehabt. Durch die freiwillige Versicherung der Kinder bei der Beklagten wurde kein gesetzlicher Krankenpflegeanspruch in diesem Sinn begründet, denn diese Versicherung ist unwirksam. Das LSG hat dazu festgestellt, die freiwillige Versicherung sei allein wegen des streitigen Ausschlusses von Familienhilfeleistungen ab 1. Juli 1977 vorsorglich abgeschlossen worden. Nach der hier allein in Betracht kommenden Bestimmung des § 176b Abs. 1 Nr. 2 RVO können der Versicherung freiwillig beigetretene Personen, für die der Anspruch auf Familienhilfe erlischt oder nur deswegen nicht besteht, weil die Voraussetzungen des § 205 Abs. 1 Satz 2 vorliegen. Das ist hier nicht der Fall; die Ehefrau hat für ihre Kinder Anspruch auf Familienhilfe gehabt, die Voraussetzungen des § 205 Abs. 1 Satz 2 RVO haben nicht vorgelegen.

Wie das LSG zutreffend angenommen hat, ist der Familienhilfeanspruch nach § 205 Abs. 1 Satz 2 RVO nur ausgeschlossen, wem alle dort aufgeführten Voraussetzungen nebeneinander vorliegen. Dazu gehört, daß das Gesamteinkommen des mit den Kindern verwandten Ehegatten des Versicherten regelmäßig im Monat ein Zwölftel der Jahresarbeitsverdienstgrenze (§ 165 Abs. 1 Nr. 2) überstiegen hat. Diese Höhe hat das Gesamteinkommen des Ehemann es der Klägerin in der streitigen Zeit nicht erreicht. Die Bestimmung des § 205 Abs. 1 Satz 2 RVO verweist mit dem Begriff des Gesamteinkommens auf die Vorschrift des § 16 SGB IV. Danach ist Gesamteinkommen die Summe der Einkünfte im Sinn des EStG; es umfaßt insbesondere das Arbeitsentgelt und das Arbeitseinkommen. Die Einkünfte des Ehemannes der Klägerin sind im wesentlichen Arbeitseinkommen gewesen. Nach den Feststellungen des LSG hat er daneben nur geringfügige Einkünfte aus Kapitalvermögen gehabt. Arbeitseinkommen ist der nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts ermittelte Gewinn aus einer selbständigen Tätigkeit (§ 15 Satz 1 SGB IV). Den Gewinn regelt das EStG in den Vorschriften der §§ 4 bis 7f.

Nach § 4 Abs. 1 EStG ist Gewinn der Unterschiedsbetrag zwischen dem Betriebsvermögen am Schluß des Wirtschaftsjahres und dem Betriebsvermögen am Schluß des vorangegangenen Wirtschaftsjahres, vermehrt um den Wert der Entnahmen und vermindert um den Wert der Einlagen. Steuerpflichtige, die nicht aufgrund gesetzlicher Vorschriften verpflichtet sind, Bücher zu führen und regelmäßig Abschlüsse zu machen, und die auch keine Bücher führen und keine Abschlüsse machen, können nach § 4 Abs. 3 Satz 1 EStG als Gewinn den Überschuß der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben ansetzen.

Nach welcher der beiden Vorschriften - § 4 Abs. 1 oder Abs. 3 EStG - der Gewinn des Ehemannes der Klägerin zu ermitteln war, kam dahingestellt bleiben. Sein Gesamteinkommen hat nach beiden Ermittlungsmethoden nicht ein Zwölftel der Jahresarbeitsverdienstgrenze überschritten. Deshalb ist es unerheblich, ob der Beigeladene Bücher geführt hat oder ob diese Feststellung des LSG auf einem Verfahrensfehler beruht.

Die Praxisertragsrechnungen des Beigeladenen haben, wie das GSG festgestellt hat, 1977 einen Gewinn von 379, 19 M und 1978 einen Gewinn von 9.961, 08 DM ergeben. Daraus errechnet sich ein monatliches regelmäßiges Gesamteinkommen von 31, 59 DM im Jahr 1977 und 830, 09 DM im Jahr 1978. Die dem gegenüberzustellenden Beträge von ein Zwölftel der Jahresarbeitsverdienstgrenzen (§ 165 Abs. 1 Nr. 2 RVO) haben 2.550.-- DM (1977) und 2.775,-- DM (1978) betragen. Nach § 165 Abs. 1 Nr. 2 RVO liegt die Jahresarbeitsverdienstgrenze bei 75 v.H. der für Jahresbezüge in der Rentenversicherung der Arbeiter geltenden Beitragsbemessungsgrenze (§ 1385 Abs. 2). Die Beitragsbemessungsgrenze hat 40.800.-- DM (1977) und 44.400,-- DM (1978) betragen. Daraus errechnen sich Jahresarbeitsverdienstgrenzen von 40.800,-- x 75 v.H. = 30.600,-- DM und 44.400,-- DM x 75 v.H. 33.300,-- DM; davon ein Zwölftel ergibt Beträge von 2.550,-- DM im Jahr 1977 und 2.775,-- DM im Jahr 1978.

Die vorgelegten Bilanzen des Beigeladenen für 1977 und 1978 weisen allerdings Entnahmen aus, die im Monat regelmäßig ein Zwölftel der Jahresarbeitsverdienstgrenze überstiegen haben. Trotzdem hat aber das Gesamteinkommen unter dieser Grenze gelegen. § 4 Abs. 3 EStG sieht überhaupt keine Berücksichtigung der Entnahmen vor. Wenn andererseits der Gewinn nicht nach dieser Vorschrift, sondern nach § 4 Abs. 1 EStG zu ermitteln wäre, so würde sich auch nach dieser Berechnungsmethode kein über der Grenze liegendes Gesamteinkommen des Beigeladenen ergeben. Die Entnahmen werden nämlich nach Absatz 1 nicht etwa dem Gewinn gleichgesetzt, sondern sind dafür nur ein Berechnungsfaktor. Nach § 4 Abs. 1 EStG ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem Betriebsvermögen am Schluß des Wirtschaftsjahres und demjenigen am Schluß des vorangegangenen Wirtschaftsjahres um den Wert der Entnahmen zu vermehren und um den Wert der Einlagen zu vermindern. Der Beigeladene hat am 1. Januar 1977 ein Kapital von minus 43.878, 23 DM gehabt, am 31. Dezember 1977 ein solches von minus 87.594, 41 DM, so daß sich eine Differenz von minus 43.716, 18 DM ergibt. Vermehrt um die Entnahmen von 44.094, 37 DM errechnet sich ein Gewinn von 378, 19 DM. Auch 1978 hat sich das Kapital negativ entwickelt, nämlich von minus 87.594, 41 DM auf minus 119.968, 11 DM; die Differenz von minus 32.373, 70 DM vermehrt um Entnahmen von 42.334, 78 DM ergibt einen Gewinn von 9.961, 08 M, der wiederum unter der Jahresarbeitsverdienstgrenze liegt.

Es ist entgegen der Meinung der Beklagten nicht unerheblich, daß die Entnahmen des Beigeladenen ganz oder teilweise auf Krediten beruht haben. Zu den Einkünften im Sinn des Einkommensteuerrechts, deren Summe das Gesamteinkommen nach § 16 SGB IV ausmacht, gehören keine Beträge, die das Kapital verringern. Der Einkommensteuer unterliegen nach § 2 Abs. 1 Ziff. 5 EStG Einkünfte aus Kapitalvermögen, also insbesondere Zinsen (§ 20 Abs. 1 EStG). Wer aber ein ihm hingegebenes Darlehen aufzehrt, hat insoweit keine steuerpflichtigen Einkünfte. Darin ist auch keine steuerliche Vergünstigung zu sehen.

Unberücksichtigt bleiben bei der Ermittlung des Gewinns nach § 15 Satz 2 SGB IV steuerliche Vergünstigungen. Weder in den Praxisertragsrechnungen noch in den Bilanzen des Beigeladenen sind aber solche Vergünstigungen enthalten. Der Beigeladene hat, wie das LSG feststellt, Aufwendungen gehabt für Raum-, Büro-, Verwaltungs- und Personalkosten, Reparaturen/Kleidung, geringwertige Wirtschaftsgüter, Material- und Praxisbedarf, Kraftfahrzeug, fremde Beförderungsmittel und sonstige Ausgaben. Die dafür angesetzten Beträge hat das Finanzamt als Betriebsausgaben anerkannt. Das LSG hat sie als richtig festgestellt. Bei diesen Aufwendungen handelt es sich um Betriebsausgaben, d.h. um Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlaßt sind (§ 4 Abs. 4 EStG).

Auch für das Arbeitseinkommen i.S. von § 15 SGB IV sind die Betriebsausgaben von den Einnahmen abzusetzen, denn es handelt sich dabei nicht um steuerliche Vergünstigungen. Arbeitseinkommen i.S. des § 15 SGB IV ist der um die Betriebsausgaben verminderte Gewinn aus selbständiger Tätigkeit (so BSG SozR 2200 § 1248 RVO Nr. 23 zum Begriff des Arbeitseinkommens i.S. des § 1248 Abs. 4 Satz 1 Buchst. b RVO i.d.F. vom 30. März 1973 - BGBl. I 257). Bei der Ermittlung des Arbeitseinkommens nach § 15 SGB IV bleiben steuerliche Vergünstigungen unberücksichtigt, weil, wie bei den Arbeitnehmern, angestrebt werden mußte, Leistungen und Beiträge der Sozialversicherung grundsätzlich nach dem regelmäßigen Bruttoeinkommen zu bemessen (Regierungsentwurf des SGB IV BT-Drucks. 7/4122, S. 32 zu § 15). Nicht abzusetzen sind dabei - neben den Sonderabschreibungen - die Sonderausgaben und die persönlichen Werbungskosten, dagegen sind Betriebsausgaben oder Investitionen, die den steuerrechtlich ermittelten Gewinn schmälern, keine "Vergünstigungen" (BSG SozR 2200 § 571 RVO Nr. 19).

Entgegen der Auffassung der Beklagten sind auch die Abschreibungen für Inventar, ein Kraftfahrzeug und für das Praxisgrundstück keine steuerlichen Vergünstigungen i.S. von § 15 Satz 2 SGB IV. Es handelt sich nach den Feststellungen des LSG nicht um Sonderabschreibungen nach §§ 7a bis 7e EStG, sondern um normale Abschreibungen nach § 7 EStG. Steuerrechtlich sind die Absetzungen für Abnutzung oder Substanzverringerung bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 Vermögensminderungen und im Fall des § 4 Abs. 3 EStG Betriebsausgaben (Klein/Flockermann/Kühr, Einkommensteuergesetz 3. Aufl. § 7 Rdnr. 18). Für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung ist entscheidend, daß sie nichts mit dem von der selbständigen Tätigkeit abzugrenzenden persönlichen Bereich des Steuerpflichtigen zu tun haben und daß es sich auch nicht um besondere Abschreibungen handelt.

Mit der Absetzung für Abnutzung oder Substanzverringerung wird im Steuerrecht der Wertverlust erfaßt, dem die der Abnutzung unterliegenden Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens durch ihren Einsatz und ihren Gebrauch im Betrieb unterworfen sind. Aufwendungen für die Anschaffung oder Herstellung solcher, der Erzielung von Einkünften dienender Wirtschaftsgüter mindern grundsätzlich das zu versteuernde Einkommen (Klein/Flockermann/Kühr a.a.O. § 7 Rdnr. 11), Sie sind, wenn es sich um kurzlebige Wirtschaftsgüter handelt, deren Verwendung oder Nutzung zur Erzielung von Einkünften sich erfahrungsgemäß auf einen Zeitraum von weniger als einem Jahr erstreckt, sofort und in voller Höhe als Betriebsausgaben zu berücksichtigen. Für längerlebige nicht geringwertige (s. § 6 Abs. 2 EStG) Wirtschaftsgüter ist in § 4 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. §§ 7ff. EStG die Absetzung für Abnutzung oder Substanzverringerung geregelt. Die Praxisertragsrechnung des Beigeladenen und die Bilanzen enthalten für 1977 und 1978 nur Abschreibungen nach § 7, nicht solche nach §§ 7a bis e EStG. Abzusetzen ist nach § 7 Abs. 1 Satz 1 EStG jeweils für ein Jahr der Teil der Anschaffungs- oder Herstellungskosten, der bei gleichmäßiger Verteilung dieser Kosten auf die Gesamtdauer der Verwendung oder Nutzung auf ein Jahr entfällt. Der Steuerpflichtige hat nach den folgenden Vorschriften des § 7 EStG die Möglichkeit, die Absetzung anders auf die Nutzungsdauer zu verteilen. Bei der Absetzung nach § 7 EStG handelt es sich aber in allen Fällen um die Berücksichtigung des Wertverlustes, dem die der Abnutzung unterliegenden Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens durch ihren Einsatz und ihren Gebrauch im Betrieb unterworfen sind (Klein/Flockermann/Kühr a.a.O. § 7 Rdnr. 12); die Absetzungen dienen dazu, den Wertverzehr steuerlich auszugleichen.

Die Absetzungen für Abnutzung oder Substanzverringerung sind somit ein sachgerechtes Verfahren zur notwendigen Erfassung der Einkünfte i.S. des § 2 Abs. 2 Nr. 1 EStG. Dabei geht es mindestens in erster Linie nicht um Vergünstigungen, sondern darum, den Einsatz längerlebiger Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens im Betrieb überhaupt steuerrechtlich zu erfassen. Die Anschaffungskosten für geringwertige und kurzlebige Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens werden, wie sich aus § 6 Abs. 2 und § 7 Abs. 1 EStG ergibt, wie andere Betriebsausgaben sofort berücksichtigt. Wenn dies bei den Anschaffungs- oder Herstellungskosten für längerlebige Wirtschaftsgüter über der Wertgrenze des § 6 Abs. 2 EStG nicht möglich ist, so liegt darin keine Vergünstigung, eher könnte es sich insoweit um eine Benachteiligung handeln. Der Steuerpflichtige muß sich im Jahr der Anschaffung oder Herstellung solcher Wirtschaftsgüter nach § 4 Abs. 1 EStG eine Berechnung der Steuern vom Gewinn unter Berücksichtigung dieser Wirtschaftsgüter als Aktivposten gefallen lassen. Berücksichtigt werden in diesem Jahr und in den folgenden Jahren nur die Absetzungen für Abnutzung oder Substanzverringerung. Darin liegt auch in den Fällen der nicht linearen Abschreibung nach § 7 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 2 EStG keine Vergünstigung. Diese Vorschriften sehen Absetzungen nach Maßgabe der Leistung des Wirtschaftsgutes oder nach dem jeweiligen Buchwert (Restwert) vor, erfassen also den Wertverlust nur auf andere Weise. Soweit es sich um Einkünfte nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 EStG handelt, ist jedenfalls eine angemessene Berücksichtigung des Wertverlustes keine steuerliche Vergünstigung. Dies ist besonders deutlich bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG, denn der Vergleich des Vermögens am Anfang und am Ende des Wirtschaftsjahres kann einen Wertverlust nicht außer acht lassen.

Bei den Absetzungen, die als steuerliche Vergünstigungen anzusehen sind, tritt dagegen die Funktion der Erfassung des Wertverlustes zumindest in den Hintergrund. Die erhöhten Absetzungen nach § 7b EStG, die als steuerliche Vergünstigungen anzusehen sind (BSG SozR 2200 § 205 RVO Nr. 43), haben z.B. städtebauliche und wohnungspolitische Zielsetzungen sowie die Absicht, auf die Mobilität der Wohnungseigentümer einzuwirken (Klein/Flockermann/Kühr a.a.O. § 7b EStG Rdnr. 10) und sind deshalb nach ihrem Zweck nicht dazu bestimmt, Wertverluste auszugleichen.

Der Hinweis der Beklagten auf den Zweck des § 15 SGB IV greift demgegenüber nicht durch. Bei der Schaffung des § 15 SGB IV wurde angestrebt, bei den Selbständigen wie bei den Arbeitnehmern Leistungen und Beiträge grundsätzlich nach dem regelmäßigen Bruttoeinkommen zu bemessen; deshalb wurde vorgeschrieben, daß steuerliche Vergünstigungen unberücksichtigt bleiben (Regierungsentwurf des SGB IV BT-Drucks. 7/4122 S. 32 zu 15). Der Gesetzgeber hat aber bei den steuerlichen Vergünstigungen nicht an die Absetzungen für Abnutzung oder Substanzverringerung nach § 7 EStG gedacht, sondern als Beispiel die Sonderabschreibungen erwähnt (Regierungsentwurf a.a.O.). Bei der Ermittlung des Gesamteinkommens führt die Berücksichtigung von Betriebsausgaben und insbesondere Absetzung nach § 7 EStG auch nicht zu einer Ungleichbehandlung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb und selbständiger Arbeit gegenüber den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit. Die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit werden nämlich bei der Berechnung des Gesamteinkommens unter Abzug der Werbungskosten herangezogen (BSG SozR 2200 § 205 RVO Nr. 43). Zu den Werbungskosten gehören aber die Absetzungen für Abnutzung und Substanzverringerung (§ 9 Abs. 1 Nr. 7 EStG).

Von seiner Entscheidung vom 28. Oktober 1981 - 3 RK 8/81 - weicht der Senat nicht ab, da sie Einkünfte gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 EStG betraf.

Aus diesen Gründen ist die Revision mit der Kostenfolge aus § 193 SGG zurückzuweisen.

 

Fundstellen

BSGE, 138

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