Entscheidungsstichwort (Thema)

Unfallversicherungsschutz bei Arbeitslosmeldung

 

Leitsatz (amtlich)

Die Verfahrensrüge, das Tatsachengericht habe es unterlassen, einen anderen als leistungspflichtig in Betracht kommenden Versicherungsträger beizuladen (§ 75 Abs 2 Alt 2 SGG), ist unbegründet, wenn die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil für die revisionsgerichtliche Beurteilung ausreichen, daß der andere Versicherungsträger nicht leistungspflichtig sein kann.

 

Orientierungssatz

Zum Unfallversicherungsschutz bei Arbeitslosmeldung:

1. Stand der Verletzte am Unfalltag noch in einem Beschäftigungsverhältnis aufgrund eines ungekündigten Arbeitsvertrages und hat er den Weg zum Arbeitsamt aufgrund eigenen Entschlusses angetreten, um sich arbeitslos zu melden und auch Konkursausfallgeld zu beantragen, dann ist die Grundvoraussetzung des § 539 Abs 1 Nr 4 RVO mangels einer Meldepflicht nach dem AFG (§ 132 AFG) oder dem BSHG (§ 18 BSHG) nicht erfüllt.

2. Der zur Begründung des Unfallversicherungsschutzes erforderliche innere Zusammenhang ist nach ständiger Rechtsprechung dann erkannt, wenn die Verrichtung des Verletzten dem Unternehmen zu dienen bestimmt war (vgl BSG vom 20.1.1987 - 2 RU 15/86 = SozR 2200 § 539 Nr 119). Dazu reicht nicht aus, daß die einzelne Verrichtung losgelöst von den sie tragenden Umständen dem Unternehmen nützlich ist. Erforderlich ist vielmehr, daß die Verrichtung unter Einbeziehung aller Umstände auf eine Handlungstendenz des betreffenden Subjekts als handelnder Person schließen läßt, die wesentlich auf die Belange des Unternehmens gerichtet ist (vgl BSG vom 20.1.1987 aaO).

3. Stand bei der Unfallfahrt der Zweck allein wesentlich im Vordergrund, beim Arbeitsamt Angelegenheiten aus dem privaten Entschließungsbereich des Verletzten zu regeln, muß der inmitten der Arbeitszeit unternommene Weg zusammen mit dem beabsichtigten Rückweg von dem Arbeitsamt unfallversicherungsrechtlich als Einheit gewertet werden, die dem privaten, unversicherten Bereich zuzurechnen ist (vgl BSG vom 30.7.1958 - 2 RU 325/55 = BSGE 8, 53, 55).

 

Normenkette

SGG § 75 Abs 2 Alt 2; RVO § 539 Abs 1 Nr 4, § 654 Nr 1, § 550 Abs 1; AFG §§ 132, 105; RVO § 539 Abs 2

 

Verfahrensgang

Bayerisches LSG (Entscheidung vom 08.12.1987; Aktenzeichen L 3 U 99/86)

SG Landshut (Entscheidung vom 17.02.1986; Aktenzeichen S 8 U 143/83)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Entschädigung eines Unfalls des Klägers als Arbeitsunfall.

Der Kläger war bei der Firma R.             (R.), einem Unternehmen für Hoch-, Tief- und Straßenbau, als Vorarbeiter beschäftigt. Er arbeitete auf einer Baustelle, auf der Fernwasserleitungen verlegt wurden. Die Verlegung der Rohre hatte die Firma K.    und Sohn GmbH (K.) übernommen. Als deren Subunternehmer sollte die Firma R. die Tiefbauarbeiten durchführen. Am Montag, dem 3. Mai 1982, erschien der Ingenieur K.   K.    (KK) von der Firma K. auf der Baustelle und teilte dem Kläger und den übrigen anwesenden Arbeitern der Firma R. mit, daß ihrer Arbeitgeberfirma der Konkurs drohe. Er legte ihnen nahe, sich sofort bei ihrem zuständigen Arbeitsamt zu melden; sie könnten dort auch Konkursausfallgeld (Kaug) beantragen. Er sei bereit, später den Kläger und andere Arbeiter in seinem Unternehmen einzustellen.

Noch am Vormittag des 3. Mai 1982 verunglückte der Kläger mit einem Personenkraftwagen (Pkw) auf dem Wege von der Baustelle zum Arbeitsamt bei einem Verkehrsunfall. Er erlitt dabei erhebliche Verletzungen.

Am 5. Mai 1982 beantragte die Firma R. die Eröffnung des Konkursverfahrens. Mit Schreiben vom 10. Mai 1982 kündigte sie dem Kläger und anderen Arbeitern fristlos.

Die Beklagte lehnte es ab, dem Kläger Entschädigungsleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren (Bescheid vom 10. Dezember 1982). Seine Klage sowie die Berufungen des Klägers und der beigeladenen Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) sind ohne Erfolg geblieben (Urteile des Sozialgerichts -SG- Landshut vom 17. Februar 1986 und des Bayerischen Landessozialgerichts -LSG- vom 8. Dezember 1987). Das LSG hat ausgeführt, der Kläger habe bei seinem Unfall weder aufgrund einer Meldepflicht iS des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) oder des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) nach § 539 Abs 1 Nr 4 Reichsversicherungsordnung (RVO) noch nach § 539 Abs 1 Nr 1 RVO hinsichtlich des Beschäftigungsverhältnisses bei der Firma R. oder des eventuell angestrebten Beschäftigungsverhältnisses bei der Firma K. unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung gestanden. Das gelte auch, soweit der Kläger beim Arbeitsamt Kaug habe beantragen wollen. Eine solche Tätigkeit stehe nicht im inneren Zusammenhang mit dem Betrieb des zahlungsunfähig gewordenen Arbeitgebers. Anders als beim Schlechtwettergeld oder dem Urlaubsgeld fehle beim Kaug die rechtlich wesentliche Beziehung zur versicherten Tätigkeit im Unternehmen des Arbeitgebers. Dieses habe durch die Gewährung von Kaug keinen wirtschaftlichen Vorteil, weil dabei lediglich der Lohnanspruch des Arbeitnehmers auf die Bundesanstalt für Arbeit übergehe.

Der Kläger und die Beigeladene haben die - vom LSG zugelassene - Revision eingelegt. Der Kläger vertritt die Ansicht, er habe nach § 539 Abs 2 iVm Abs 1 Nr 4 RVO einen Arbeitsunfall erlitten. Das Urteil des 8. Senats des Bundessozialgerichts (BSG) vom 27. Februar 1981 (SozR 2200 § 539 Nr 78) sei dahin zu verstehen, daß über den Wortlaut des § 539 Abs 1 Nr 4 RVO hinaus auch alle diejenigen versichert seien, die ohne Aufforderung - auch ohne Leistungsbezug nach dem dritten und vierten Abschnitt des AFG - im Rahmen der Arbeitsvermittlung oder Arbeitsberatung das Arbeitsamt zu einem Zeitpunkt aufsuchten, an dem die Kündigung des Beschäftigungsverhältnisses unmittelbar bevorstehe. Dadurch, daß die Dienststellen der Bundesanstalt für Arbeit öffentlich allgemein dazu aufforderten, nach "Kenntniserlangung von Arbeitslosigkeit" das Arbeitsamt zu einem Beratungsgespräch aufzusuchen, sei von einer "stillschweigenden Aufforderung" des Arbeitsamts mit Mitwirkungspflichten nach § 60 Sozialgesetzbuch, Allgemeiner Teil (SGB I), auszugehen. Zu Unrecht habe das LSG einen solchen Anspruch abgelehnt.

Er rüge außerdem als Verfahrensfehler, daß das LSG nicht die Bundesanstalt für Arbeit als hierfür zuständige Trägerin der Unfallversicherung nach § 75 Abs 2 Alternative 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beigeladen habe.

Im übrigen habe er auch im Interesse der Firma R. gehandelt, als er den Unfallweg unternommen habe, um beim Arbeitsamt Kaug zu beantragen. Das Kaug schütze nicht nur den Arbeitnehmer vor Lohnverlusten, sondern sichere auch den Arbeitgeber vor seinem Unvermögen, der Lohnzahlungspflicht nachzukommen. Es erhöhe zudem die Bereitschaft des Arbeitnehmers, die Lohnforderung weiterhin zu stunden.

Die Beigeladene führt zusätzlich aus, die Unfallfahrt habe vorrangig den Zweck gehabt, Einstellungsvoraussetzungen bei der Firma K. zu erfüllen. Denn der Ingenieur KK habe den Kläger als Bedingung zur Neueinstellung aufgefordert, das Arbeitsamt aufzusuchen. Der Kläger habe dementsprechend nach § 539 Abs 2 iVm Abs 1 Nr 1 RVO unter Versicherungsschutz gestanden, weil er wie ein bei der Firma K. Beschäftigter tätig geworden sei, dem sein Arbeitgeber die Weisung erteilt habe, das Arbeitsamt aufzusuchen (Hinweis auf BSG vom 20. Oktober 1983 - 2 RU 77/82 - USK 83164).

Der Kläger und die Beigeladene beantragen,

die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Urteile und des angefochtenen Bescheides zu verurteilen, dem Kläger das Ereignis vom 3. Mai 1982 als Arbeitsunfall zu entschädigen, hilfsweise, das angefochtene Urteil des LSG aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Revisionen zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revisionen sind unbegründet.

Zutreffend hat das LSG entschieden, daß die Beklagte nicht verpflichtet ist, den Unfall des Klägers vom 3. Mai 1982 zu entschädigen. Denn der Kläger erlitt den Unfall nicht als Arbeitsunfall bei einer im Zuständigkeitsbereich der Beklagten versicherten Tätigkeit (§ 548 Abs 1 RVO) und dieses Ereignis gilt auch nicht als Arbeitsunfall auf einem damit zusammenhängenden Weg nach oder von dem Ort der Tätigkeit (§ 550 Abs 1 RVO).

1.

An dieser Entscheidung des Rechtsstreits ist der Senat nicht durch die Verfahrensrüge gehindert, das LSG habe § 75 Abs 2 Alternative 2 SGG verletzt. Ihr muß der Erfolg versagt bleiben, denn das angefochtene Urteil kann darauf nicht beruhen. Das steht im Revisionsverfahren abschließend fest. Zwar trifft es zu, daß das LSG gegen diese Vorschrift iVm § 153 Abs 1 SGG verstoßen hat, weil es die Bundesanstalt für Arbeit (BA) nicht zum Verfahren beigeladen hat. Dazu war es vielmehr kraft Gesetzes verpflichtet. Nach § 75 Abs 2 Alternative 2 SGG ist ua ein anderer Versicherungsträger beizuladen, wenn sich im Verfahren ergibt, daß er bei Ablehnung des Anspruchs als leistungspflichtig in Betracht kommt. Dementsprechend kann ein Versicherungsträger nach § 75 Abs 5 SGG nach Beiladung verurteilt werden. Diese Voraussetzungen der sogenannten unechten notwendigen Beiladung waren erfüllt. Als leistungspflichtig in Betracht kommt derjenige, gegen den sich nach der Sach- und Rechtslage die ernsthafte Möglichkeit eines Leistungsanspruchs des Klägers abzeichnet (so zutreffend Bley in Abgrenzung zu der nicht erforderlichen Prognose der Wahrscheinlichkeit eines Leistungsanspruchs, SGB-SozVers-GesKomm § 75 Anm 9a S 583). Das war neben der Beklagten von vornherein die BA. Nicht nur der Kläger hat in den Tatsacheninstanzen seinen Anspruch vornehmlich auf § 550 Abs 1 iVm § 539 Abs 1 Nr 4 RVO gestützt. Auch im Verwaltungsverfahren war die Anspruchsgrundlage und die daraus folgende Zuständigkeit zwischen der Beklagten und der BA umstritten. Das LSG hat ebenfalls eine Leistungsverpflichtung der BA ernsthaft in Betracht gezogen, indem es eine ganze Seite seiner Entscheidungsgründe darauf verwandt hat, Ausführungen zu dem fehlenden Versicherungsschutz nach § 539 Abs 1 Nr 4 RVO zu machen. In diesen Fällen ist jedoch nicht eine Berufsgenossenschaft wie die Beklagte, sondern die BA, vertreten durch die Bundesausführungsbehörde für Unfallversicherung, Trägerin der Unfallversicherung (§ 654 Nr 1 RVO) und damit passiv legitimiert.

Aber wenn ein solcher Verfahrensfehler im Revisionsverfahren nicht mehr fortwirkt, weil die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil ausreichen, abschließend festzustellen, daß der andere Versicherungsträger nicht als leistungspflichtig in Betracht kommt, dann kann die angefochtene klagabweisende Entscheidung nicht darauf beruhen, daß das LSG es unterlassen hat, den anderen Versicherungsträger nach § 75 Abs 2 Alternative 2 SGG beizuladen (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG). Das hat der Senat auf die Revisionsrüge hin zwar zu überprüfen (s BSG SozR 1500 § 75 Nr 47 mwN), aber nur mit der Folge, daß die insoweit unbegründete Revision ihn an der weiteren Entscheidung in der Sache nicht hindert (so zutreffend auch Meyer-Ladewig, SGG, 3. Aufl, § 75 Anm 13; s auch BVerwG NVwZ 1984, 507; vgl zu der trotzdem notwendigen Zurückverweisung wegen noch fehlender Tatsachenfeststellungen: BSG vom 18. März 1987 - 9b RU 56/85 - HV-Info 1987, 1109 und BAGUV RdSchr 52/87).

So verhält es sich im vorliegenden Fall. Nach den gemäß § 163 SGG bindenden tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil stand der Kläger am Unfalltag noch in einem Beschäftigungsverhältnis aufgrund eines ungekündigten Arbeitsvertrages. Den Weg zum Arbeitsamt hatte er aufgrund eigenen Entschlusses angetreten, um sich arbeitslos zu melden und auch Kaug zu beantragen. Damit ist die Grundvoraussetzung des § 539 Abs 1 Nr 4 RVO mangels einer Meldepflicht nach dem AFG (§ 132 AFG) oder dem BSHG (s § 18 BSHG) nicht erfüllt, wie der Senat mehrfach entschieden (BSGE 25, 214, 215, und 36, 39, 41; s auch BT-Drucks 10/6772 S 25) und das LSG richtig erkannt hat. Der Weg zum Arbeitsamt zu dem Zweck, sich arbeitslos zu melden und damit Maßnahmen nach dem AFG auszulösen, ist vielmehr noch dem unversicherten Bereich privater Entscheidung zuzurechnen (BSGE 25, 214, 216). Das LSG hat weiterhin unangegriffen und damit für den Senat bindend festgestellt, daß der Kläger die Unfallfahrt gerade nicht aufgrund einer Aufforderung des Arbeitsamts unternommen hat. Demzufolge kann der Kläger im Revisionsverfahren nicht mit dem Tatsachenvortrag gehört werden, das Arbeitsamt habe an ihn und vergleichbare Personen durch allgemeine Verlautbarungen eine "stillschweigende Aufforderung" gerichtet, dorthin zur Beratung zu kommen. Damit fehlen aber auch für einen Anspruch aus § 539 Abs 2 iVm Abs 1 Nr 4 RVO die entscheidenden Voraussetzungen (s Krasney, BG 1987, 383 ff, 387). Der 8. Senat des BSG hat insoweit aus Gründen des mit § 539 Abs 1 Nr 4 RVO verfolgten Unfallversicherungsschutzzwecks einen Entschädigungsanspruch aus § 539 Abs 2 iVm Abs 1 Nr 4 RVO lediglich unter der Voraussetzung bejaht, daß im Falle der Arbeitslosmeldung zu einem bestimmten bereits nahe herangerückten Termin das Arbeitsamt eine konkrete Aufforderung an den Arbeitsuchenden ausgesprochen hat, das Amt aufzusuchen (BSGE 51, 213, 215).

2.

Die gegen die Beklagte gerichteten Entschädigungsansprüche des Klägers sind unbegründet.

a)

Seine zum Unfall führende Fahrt von der Baustelle zum Arbeitsamt stand nicht in einem inneren Zusammenhang mit seinem Beschäftigungsverhältnis zur Firma R. und war deshalb insoweit unversichert. Ein Arbeitsunfall iS des § 548 Abs 1 RVO scheidet somit aus. Diese Vorschrift setzt voraus, daß sich ein Arbeitsunfall bei einer versicherten Tätigkeit ereignet. Dazu ist in der Regel erforderlich, daß das Verhalten, bei dem sich der Unfall ereignet, einerseits zur versicherten Tätigkeit zu rechnen ist, und daß diese Tätigkeit andererseits den Unfall herbeigeführt hat. Zunächst muß also eine sachliche Verbindung mit der Betriebstätigkeit und dem Beschäftigungsverhältnis bestehen, der sogenannte innere Zusammenhang, der es rechtfertigt, das betreffende Verhalten der versicherten Tätigkeit zuzurechnen. Der Senat hat den erforderlichen inneren Zusammenhang in ständiger Rechtsprechung dann erkannt, wenn die Verrichtung dem Unternehmen zu dienen bestimmt war (BSG SozR Nr 22 zu § 548 RVO; BSGE 58, 76, 77; SozR 2200 § 539 Nr 119). Dazu reicht nicht aus, daß die einzelne Verrichtung losgelöst von den sie tragenden Umständen dem Unternehmen nützlich ist (Krasney aaO S 383). Erforderlich ist vielmehr, daß die Verrichtung unter Einbeziehung aller Umstände auf eine Handlungstendenz des betreffenden Subjekts als handelnder Person schließen läßt, die wesentlich auf die Belange des Unternehmens gerichtet ist (BSG SozR 2200 § 539 Nr 119; Krasney aaO S 383 unter Hinweis auch auf BSG SozR 2200 § 539 Nr 100).

Im vorliegenden Fall gehört schon das intendierte Ziel der Unfallfahrt nicht wesentlich zu den Belangen des Arbeitgeberunternehmens.

Das gilt von vornherein für die Absicht des Klägers, sich arbeitslos zu melden (§ 105 AFG), die, wie oben dargelegt, grundsätzlich im Bereich der privaten, unversicherten Entschließungen des Arbeitslosen liegt (s BSGE 25, 214, 216, wovon auch BSGE 51, 213 ausgeht).

Darüber hinaus gilt dasselbe auch für das Vorhaben, Kaug zu beantragen. Zweck der Konkursausfallgeldversicherung ist es, dem Arbeitnehmer, der regelmäßig die Arbeit vorleisten muß (§ 614 Bürgerliches Gesetzbuch -BGB-) und nicht in der Lage ist, hierfür Sicherheiten zu fordern, mindestens teilweise eine Sicherung zu verschaffen (s Gagel, AFG, § 141a Anm 1 mit Hinweis auf BT-Drucks 7/1750 S 10). Für diese Versicherung stehen die Belange des Arbeitnehmers weitaus im Vordergrund. Sie sind mit denen des Arbeitgebers nicht in gleicher Weise verflochten wie beim Abheben des Lohns (§ 548 Abs 1 Satz 2 RVO), beim Abholen des Urlaubsentgelts (BSGE 41, 207, 209) oder bei der Auszahlung des Schlechtwettergeldes (BSGE 27, 84, 85 f). Es bedeutete, den Charakter des Kaug als Sozialversicherungsleistung zu verkennen, wollte man es als einen wesentlichen Zweck des Kaug ansehen, damit die Verpflichtungen des Arbeitgebers zu übernehmen und insoweit auch in seinem Interesse zu leisten. Zu Recht verweist das LSG insoweit darauf, daß die Lohnzahlungspflichten des Arbeitgebers gegenüber der Bundesanstalt für Arbeit bestehen bleiben (§ 141m AFG). Die Reflexwirkung, daß aufgrund der Konkursausfallgeldversicherung die Bereitschaft der Arbeitnehmer angeregt wird, ihre Lohnforderungen zu stunden, mag sich für den Arbeitgeber als nützlich erweisen. Beantragt ein Arbeitnehmer aber Kaug, könnte das nur dann wesentlich auch zu den Belangen des Arbeitgeberunternehmens gehören, wenn zusätzliche Umstände in diesem Sinne hinzuträten, etwa die ausdrückliche Weisung des berechtigten Arbeitgebers. Indessen fehlen gerade solche Umstände im vorliegenden Fall. Die Anregung des Ingenieurs KK von der Firm K. kann nicht als ein solcher der Firma R. zuzurechnender Umstand angesehen werden. Denn nach den vom Kläger nicht angegriffenen Feststellungen des LSG standen dem Ingenieur KK von der Firma K. als Geschäftspartnerin der Firma R. jedenfalls außerhalb des Bereichs der bautechnischen Arbeiten keine Befugnisse gegenüber dem Kläger und seinen Mitarbeitern der Firma R. zu.

Nach allem hatte die Unfallfahrt jedenfalls nicht eine wesentlich auf die Belange der Firma R. ausgerichtete Handlungstendenz. Ein innerer Zusammenhang zwischen dieser Fahrt und dem Beschäftigungsverhältnis des Klägers scheidet somit aus.

b)

Da bei der Unfallfahrt vielmehr - wie oben ausgeführt - der Zweck allein wesentlich im Vordergrund stand, beim Arbeitsamt Angelegenheiten aus dem privaten Entschließungsbereich des Klägers zu regeln, muß dieser inmitten der Arbeitszeit des Vormittags unternommene Weg zusammen mit dem beabsichtigten Rückweg von dem Arbeitsamt unfallversicherungsrechtlich als Einheit gewertet werden, die dem privaten, unversicherten Bereich zuzurechnen ist (s BSGE 8, 53, 55; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 11. Aufl, Band II, S 485r I mwN). Die Unfallfahrt kann deshalb nicht als Weg von dem Ort der Tätigkeit nach § 550 Abs 1 RVO versichert gewesen sein.

c)

Ebensowenig stand die Unfallfahrt in einem inneren Zusammenhang mit den Belangen des Unternehmens der Firma K. Der eine Grund liegt darin, daß der Kläger nicht Beschäftigter dieses Unternehmens war, so daß schon deshalb ein Versicherungsschutz nach § 539 Abs 1 Nr 1 RVO ausscheidet. Der andere Grund, diesen erforderlichen inneren Zusammenhang zu verneinen, liegt wieder in der Handlungstendenz der Autofahrt. Sie schließt auch einen Versicherungsschutz nach § 539 Abs 2 iVm Abs 1 Nr 1 RVO aus. Denn sie ist, wie oben dargelegt, vor allem und überwiegend auf die Interessen des Klägers in dessen privatem Entschließungsbereich gerichtet. Der einzige Verknüpfungspunkt mit den Belangen der Firma K. könnte deren Interesse gewesen sein, den Kläger später als Arbeiter einzustellen. Das hat der Ingenieur KK nach den Feststellungen des LSG am Unfalltag auf der Baustelle auch zum Ausdruck gebracht. Indessen ist kein objektiver Anhaltspunkt zu ersehen, warum dieses Unternehmerinteresse verlangte, daß der Kläger zum Arbeitsamt fährt. Vielmehr ist die Anregung, umgehend das Arbeitsamt aufzusuchen, um sich arbeitslos zu melden und hinsichtlich des bei der Firma R. ausgefallenen Arbeitsentgelts Kaug zu beantragen, so sehr von den Interessen des Klägers und so wenig von zusätzlichen, objektiv feststellbaren Belangen des Unternehmens geprägt, daß sie die Handlungstendenz der Unfallfahrt nicht wesentlich beeinflußt.

Abgesehen davon können bestimmte persönlich vorzunehmende Handlungen nicht nach § 539 Abs 2 iVm Abs 1 Nr 1 RVO versichert sein (Krasney aaO S 386). Versicherungsschutz nach dieser Vorschrift erfordert eine Tätigkeit, die ihrer Art nach sonst von Personen verrichtet werden könnte, welche in einem dem allgemeinen Arbeitsmarkt zuzurechnenden Beschäftigungsverhältnis stehen. Das ist bei dem Weg zum Arbeitsamt, um sich arbeitslos zu melden, im Hinblick auf die Voraussetzungen des § 105 AFG ausgeschlossen. Auch deshalb muß ein Versicherungsschutz nach § 539 Abs 2 iVm Abs 1 Nr 1 RVO ausscheiden.

3.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs 1 und Abs 4 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1659868

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