Entscheidungsstichwort (Thema)

gesetzliche Unfallversicherung. Unfallversicherungsschutz. ehrenamtliche Tätigkeit. Ehrenamt. Unentgeltlichkeit. förmliche Übertragung des Ehrenamtes. Mitwirkung eines pensionierten Hochschullehrers an einer akademischen Abschlussprüfung

 

Leitsatz (amtlich)

Für den Unfallversicherungsschutz bei ehrenamtlicher Tätigkeit gemäß § 2 Abs 1 Nr 10 SGB 7 ist nicht erforderlich, dass die Tätigkeit üblicherweise ehrenamtlich ausgeübt wird.

 

Normenkette

SGB VII § 2 Abs. 1 Nr. 10

 

Verfahrensgang

LSG Niedersachsen-Bremen (Urteil vom 20.03.2003; Aktenzeichen L 6 U 98/02)

SG Stade (Urteil vom 08.01.2002; Aktenzeichen S 7 U 164/99)

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 20. März 2003 aufgehoben. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Stade vom 8. Januar 2002 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers in allen Rechtszügen zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Streitig ist, ob der Kläger auf dem Nachhauseweg von einer Diplomprüfung, an der er als Prüfer teilgenommen hatte, unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stand.

Der im Jahre 1932 geborene Kläger, der an der Universität Bremen die Professur für Mess-, Steuerungs- und Regelungstechnik innegehabt hatte, war am 1. August 1997 pensioniert worden. Aufgrund einer Bestimmung des Bremischen Hochschulgesetzes, die es Professoren erlaubt, auch nach Eintritt in den Ruhestand noch Lehrveranstaltungen abzuhalten und an Prüfungen mitzuwirken, nahm er am 18. Dezember 1997 als Prüfer an der Diplomprüfung eines seiner früheren Studenten teil. Eine Vergütung wurde für diese Tätigkeit nicht gezahlt. Auf dem Heimweg von der Prüfung zu seiner Wohnung stürzte er und verletzte sich am linken Fuß. Mit Bescheid vom 22. Juli 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. August 1999 lehnte die beklagte Unfallkasse die Entschädigung dieses Unfalles ab, weil es sich bei der Tätigkeit im Prüfungsausschuss weder um ein Beschäftigungsverhältnis noch um eine ehrenamtliche Verrichtung gehandelt habe und der Kläger auf dem Nachhauseweg von der Prüfung auch nicht aus anderen Gründen versichert gewesen sei. Das beigeladene Land Bremen lehnte mit Bescheid vom 12. August 1998 die Gewährung beamtenrechtlicher Fürsorgeleistungen aus Anlass des Unfalls ebenfalls ab und begründete dies damit, dass das Dienstverhältnis des Klägers als beamteter Hochschullehrer mit der Pensionierung im August 1997 geendet habe.

Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte verurteilt, den Unfall als Arbeitsunfall zu entschädigen (Urteil vom 8. Januar 2002). Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) dieses Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 20. März 2003). Versicherungsschutz gemäß § 2 Abs 1 Nr 1 und § 2 Abs 2 Satz 1 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) scheide inhaltlich aus. Allerdings sei der Kläger nicht gemäß § 4 Abs 1 Nr 1 SGB VII versicherungsfrei gewesen. Leistungen der beamtenrechtlichen Unfallfürsorge kämen für ihn nicht in Betracht, da die Geltung der entsprechenden Vorschriften gemäß den §§ 30 ff des Beamtenversorgungsgesetzes und § 84 Abs 1 des Bremischen Beamtengesetzes an das Bestehen eines beamtenrechtlichen Dienstverhältnisses geknüpft sei und dieses mit dem Eintritt in den Ruhestand geendet habe. Entgegen der Auffassung des SG bestehe auch kein Versicherungsschutz nach § 2 Abs 1 Nr 10 SGB VII. Denn der Kläger sei nicht im Sinne dieser Vorschrift für eine Körperschaft des öffentlichen Rechts ehrenamtlich tätig geworden. Dass er nach Eintritt in den Ruhestand sein Recht wahrgenommen habe, am Prüfungsverfahren mitzuwirken und unentgeltlich als Prüfer tätig zu sein, rechtfertige keine andere Beurteilung. Zwar setze der Versicherungsschutz nach § 2 Abs 1 Nr 10 SGB VII Unentgeltlichkeit voraus; dieses Merkmal allein genüge jedoch nicht. Vielmehr müsse es sich um eine Tätigkeit handeln, die üblicherweise ehrenamtlich ausgeübt werde. Das sei hier nicht der Fall, denn die Diplomprüfung werde nach der Prüfungsordnung der Universität Bremen durch hauptberuflich tätige Professoren abgenommen. Die Prüfertätigkeit sei deshalb – anders als beispielsweise die Abnahme der Abschlussprüfung im Rahmen der beruflichen Ausbildung nach § 37 Abs 4 Satz 1 des Berufsbildungsgesetzes – typischerweise gerade keine ehrenamtliche Tätigkeit. Der Kläger sei schließlich auch nicht kraft Satzung versichert gewesen. Die in der Satzung der Beklagten auf der Grundlage des § 3 Abs 1 Nr 2 SGB VII vorgesehene Versicherung für Mitglieder von Prüfungsausschüssen beschränke sich auf die Teilnahme an der Diplomprüfung selbst und schließe die Wege zum und vom Prüfungsort nicht ein.

Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Entgegen der Auffassung des LSG entspreche seine Tätigkeit am Unfalltag den tatbestandlichen Voraussetzungen des § 2 Abs 1 Nr 10 SGB VII. Werde ein übertragenes Amt unentgeltlich ausgeübt, handele es sich um eine ehrenamtliche Tätigkeit im Sinne dieser Vorschrift. Die Annahme des LSG, dass Ehrenamt nur sein könne, was üblicherweise ehrenamtlich ausgeübt werde, finde im Gesetz keine Stütze. Abgesehen davon sei die Abnahme von Prüfungen durch bereits im Ruhestand befindliche Professoren durchaus üblich. Sie sei in § 17 Abs 6 des Bremischen Hochschulgesetzes ausdrücklich geregelt, und was das Gesetz vorsehe, könne nicht unüblich sein. Schließlich sei die Entscheidung auch unter dem vom LSG angesprochenen Gesichtspunkt des sozialen Schutzes abzulehnen. Wenn sich eine öffentlich-rechtliche Körperschaft zur Erfüllung ihrer Pflichten eines Bürgers bediene, habe dieser Anspruch auf Schutz und Unterstützung in den Fällen, in denen es zu einer Schädigung komme.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 20. März 2003 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Stade vom 8. Januar 2002 zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Die Beigeladene stellt keinen Antrag.

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision des Klägers ist begründet. Das angefochtene Urteil des LSG ist aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG zurückzuweisen. Dieses hat zu Recht entschieden, dass der Unfall des Klägers am 18. Dezember 1997 als Arbeitsunfall zu entschädigen ist.

In prozessualer Hinsicht ist nicht zu beanstanden, dass das SG die Beklagte nicht zur Erbringung konkreter Leistungen, sondern lediglich dazu verurteilt hat, den Unfall des Klägers als Arbeitsunfall zu entschädigen. Dabei kommt dem auf Entschädigung gerichteten Urteilstenor bei der gegebenen Sachlage keine eigenständige Bedeutung zu. Nachdem die Beklagte jedwede Entschädigung schon deshalb abgelehnt hatte, weil kein Versicherungsfall eingetreten sei, wollte der Kläger mit der Klage zunächst nur die Anerkennung des Unfalls als Arbeitsunfall erreichen, um darauf aufbauend später gegebenenfalls Leistungen beantragen zu können. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats kann der Versicherte in einer solchen Situation die Grundlagen der in Frage kommenden Leistungsansprüche vorab im Wege einer isolierten Feststellungsklage klären lassen. Das betrifft nicht nur die in § 55 Abs 1 Nr 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ausdrücklich vorgesehene Feststellung des ursächlichen Zusammenhangs einer Gesundheitsstörung mit einem Arbeitsunfall oder einer Berufskrankheit, sondern auch die Feststellung des Eintritts des Versicherungsfalls in Fällen, in denen bereits das Vorliegen eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit vom Versicherungsträger bestritten wird (Bundessozialgericht – BSG – SozR 2200 § 551 Nr 35; BSG Urteil vom 28. April 2004 – B 2 U 21/03 R –, zur Veröffentlichung in SozR 4-5671 Anl 1 Nr 5101 Nr 2 vorgesehen). Eine solche Feststellungsklage hat der Kläger bei sinnentsprechender Auslegung seines Vorbringens erhoben und allein hierüber hat das SG auch entschieden.

Nach § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit), wobei gemäß § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII versicherte Tätigkeit auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit ist. Ein Versicherungsschutz nach diesen Vorschriften ist hier nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Heranziehung des Klägers als Prüfer Ausfluss seiner früheren Tätigkeit als beamteter Hochschullehrer war. Zwar sind nach § 4 Abs 1 Nr 1 SGB VII Personen versicherungsfrei, soweit für sie beamtenrechtliche Unfallfürsorgevorschriften oder entsprechende Grundsätze gelten. Letzteres war jedoch beim Kläger nicht der Fall. Das LSG hat den Regelungen in § 84 Abs 1 des Bremischen Beamtengesetzes und §§ 30 ff des Beamtenversorgungsgesetzes entnommen, dass die Vorschriften über die beamtenrechtliche Unfallfürsorge für pensionierte Beamte im Lande Bremen nicht gelten und der Kläger deshalb nach Eintritt in den Ruhestand einen Anspruch auf Unfallfürsorge gegen seinen früheren Dienstherrn nicht mehr erwerben konnte. Bei den genannten Bestimmungen des bremischen Landesrechts handelt es sich gemäß § 162 SGG um nicht revisibles Recht, da sich ihr Geltungsbereich nicht über den Bezirk des Berufungsgerichts hinaus erstreckt und dem Revisionsvorbringen nicht zu entnehmen ist, dass etwa inhaltlich übereinstimmende und zum Zweck der Vereinheitlichung erlassene Vorschriften auch in anderen Bundesländern gelten (siehe dazu: BSGE 56, 45, 50 f = SozR 2100 § 70 Nr 1 S 7 f). Sie sind demzufolge einer revisionsgerichtlichen Prüfung nicht zugänglich und mit dem vom LSG festgestellten Inhalt der Revisionsentscheidung zugrunde zu legen (§ 202 SGG iVm § 560 der Zivilprozessordnung).

Zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen, dass der Kläger bei der Abnahme der Diplomprüfung weder als Beschäftigter nach § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII noch wie ein Beschäftigter nach § 2 Abs 2 Satz 1 SGB VII versichert war. Ein Beschäftigungsverhältnis mit der Universität Bremen hat ersichtlich nicht bestanden. Der Kläger hat auch keine Tätigkeit ausgeübt, die ihrer Art nach im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses verrichtet werden könnte. Die ihm als pensioniertem Hochschullehrer eröffnete Möglichkeit, nach Eintritt in den Ruhestand noch bei Prüfungen mitzuwirken, konnte von vornherein nur in der durch Gesetz und Prüfungsordnung festgelegten und im konkreten Fall praktizierten Form wahrgenommen werden. Eine Versicherung nach § 2 Abs 2 Satz 1 SGB VII scheidet danach aus.

Nicht zu folgen vermag der Senat dem LSG indessen, soweit es auch einen Versicherungsschutz nach § 2 Abs 1 Nr 10 SGB VII verneint hat. Versichert nach dieser Vorschrift sind Personen, die für Körperschaften, Anstalten oder Stiftungen des öffentlichen Rechts oder deren Verbände oder Arbeitsgemeinschaften, für öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften oder für die in § 2 Abs 1 Nr 2 und Nr 8 SGB VII genannten Einrichtungen ehrenamtlich tätig sind. Zu diesem Personenkreis hat der Kläger gehört, als er am Unfalltag für die Universität Bremen, eine Körperschaft des öffentlichen Rechts (vgl Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht Band 3, 5. Aufl 2004, § 97 RdNr 46 ff: “Körperschaft mit anstaltlichen Elementen”), Prüfungen durchgeführt hat. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts handelt es sich bei der unentgeltlichen Mitwirkung pensionierter Hochschullehrer an akademischen Prüfungen um eine ehrenamtliche Tätigkeit im Sinne des § 2 Abs 1 Nr 10 SGB VII.

Wie schon die Vorläuferbestimmung in § 539 Abs 1 Nr 13 der Reichsversicherungsordnung (RVO) enthält § 2 Abs 1 Nr 10 SGB VII selbst keine nähere Umschreibung des Begriffs der ehrenamtlichen Tätigkeit, so dass dessen Bedeutung aus dem Wortsinn und dem Regelungszusammenhang erschlossen werden muss. Einigkeit besteht darüber, dass ehrenamtlich nur eine Tätigkeit ist, die unentgeltlich ausgeübt wird. Zwar enthält § 2 Abs 1 Nr 10 SGB VII – anders als zuvor noch § 539 Abs 1 Nr 13 RVO – keine ausdrückliche Klarstellung dahingehend, dass der Versicherungsschutz entfällt, “wenn den ehrenamtlich Tätigen (…) durch Gesetz eine laufende Entschädigung zur Sicherstellung ihres Lebensunterhalts gewährt wird”. Das Erfordernis der Unentgeltlichkeit ist aber dem Merkmal der Ehrenamtlichkeit immanent (BSGE 34, 163, 165 = SozR Nr 28 zu § 539 RVO Bl Aa 40 Rs; Burchardt, ZTR 1998, 109, 110 f mwN; Brackmann/Wiester, Handbuch der Sozialversicherung, SGB VII, 12. Aufl 2001, § 2 RdNr 558 mwN). Unentgeltlich wird derjenige tätig, der für seine Arbeit keine Vergütung erhält (zur Zulässigkeit von Aufwandsentschädigungen und Auslagenersatz vgl BSGE 39, 24, 29 = SozR 2200 § 539 Nr 4 S 8; BSGE 40, 139, 141 = SozR 2200 § 539 Nr 10 S 17 f; BSG SozR 2200 § 539 Nr 95 S 257; allgemein zum Merkmal der Unentgeltlichkeit bei ehrenamtlichen Tätigkeiten: BSGE 86, 203, 211 = SozR 3-2500 § 80 Nr 4 S 37).

Dass eine Tätigkeit für eine juristische Person des öffentlichen Rechts ohne Bezahlung ausgeübt wird, reicht für sich allein freilich zur Begründung des Versicherungsschutzes nach § 2 Abs 1 Nr 10 SGB VII nicht aus. Die Rechtsprechung hat daraus, dass die Versicherung an die Ausübung eines Amtes anknüpft, gefolgert, dass dem Tätigen von dem Rechtsträger ein bestimmter, abgegrenzter Aufgabenkreis übertragen worden sein muss, der sich seinerseits wiederum innerhalb des der öffentlich-rechtlichen Körperschaft oder Anstalt zugewiesenen qualifizierten Aufgaben- und organisatorischen Verantwortungsbereichs halten muss (vgl BSG SozR 2200 § 539 Nr 63; BSG SozR 3-2200 § 539 Nr 11, Nr 14, Nr 31, Nr 38). Diese Eingrenzung entspricht dem Sinn und Zweck der Regelung, die einen Unfallversicherungsschutz für Personen begründen soll, die in der Verwaltung und Rechtspflege sowie allgemein im Interesse und zum Wohl der Allgemeinheit ehrenamtlich tätig werden (BT-Drucks IV/120 S 52, Begründung zu § 539 Abs 1 Nr 13 RVO). Die fragliche Tätigkeit braucht dabei nicht auf Dauer angelegt zu sein; sie kann auf einzelne Veranstaltungen begrenzt sein, nur vorübergehend ausgeübt oder sogar nur einmal und nur für wenige Stunden verrichtet werden (vgl mit ausführlicher Begründung: BSG SozR 2200 § 539 Nr 95 S 258 ff; Brackmann/Wiester, Handbuch der Sozialversicherung, SGB VII, 12. Aufl 2001, § 2 RdNr 561 mwN).

Alle genannten Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt. Das Land Bremen handelte als Träger der Universität im Rahmen seiner gesetzlichen Zuständigkeit, als es die in Rede stehende Diplom-Abschlussprüfung am Unfalltag durchführte. Der Kläger war als Prüfer unentgeltlich tätig und ihm war dieses Amt zuvor förmlich übertragen worden.

Entgegen der Auffassung des LSG erfordert der Begriff der ehrenamtlichen Tätigkeit keine – weitere – Eingrenzung dergestalt, dass ehrenamtliche Tätigkeit nur eine solche sein kann, die üblicherweise ehrenamtlich ausgeübt wird. Diese vom Berufungsgericht nicht näher begründete Einschränkung findet im Gesetz keine Stütze. Aus dem Begriff des Ehrenamtes und dem Kontext, in dem er in § 2 Abs 1 SGB VII gebraucht wird, lässt sie sich nicht herleiten. Sie ist bisher auch weder in der höchstrichterlichen Rechtsprechung noch in der einschlägigen unfallversicherungsrechtlichen Literatur vertreten worden. Die vom LSG zur Stützung seiner Rechtsauffassung zitierten Literaturstellen (Schlegel in: Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Unfallversicherungsrecht, § 17 RdNr 107 sowie Bereiter-Hahn/Mehrtens, SGB VII, § 2 Anm 20.5b) sagen dies nicht. Dort wird lediglich darauf hingewiesen, dass ehrenamtliche Handlungen solche sein müssen, die üblicherweise nicht von gewerblichen Arbeitnehmern wahrgenommen werden, selbst wenn dies rechtlich möglich wäre. Diese Eingrenzung wird aus dem Begriff des Amtes abgeleitet und damit begründet, dass andernfalls jede unentgeltliche Tätigkeit für eine Körperschaft des öffentlichen Rechts (zB die kostenlose Reparatur eines Fahrzeugs für eine Gemeinde) ohne weiteres eine ehrenamtliche Tätigkeit wäre (vgl Schlegel in: Schulin, aaO). Ob dem uneingeschränkt zu folgen ist, kann dahingestellt bleiben, denn die Tätigkeit als Prüfer in einem Universitätsexamen kann ersichtlich nicht durch gewerbliche Arbeitnehmer, sondern nur durch Professoren und Hochschuldozenten in dem durch Gesetz und Prüfungsordnung festgelegten Rahmen wahrgenommen werden.

Eine Begrenzung auf Tätigkeiten, die üblicherweise ehrenamtlich verrichtet werden, wäre auch mit dem Gesetzeszweck nicht vereinbar. Dadurch, dass ein pensionierter Hochschullehrer nach Eintritt in den Ruhestand noch bei akademischen Prüfungen mitwirkt, unterstützt er seine frühere Universität bei der Wahrnehmung ihrer Prüfungsverpflichtungen und betätigt sich im öffentlichen Interesse, ohne dafür eine Bezahlung zu erhalten. Er gehört damit genau zu dem Personenkreis, den der Gesetzgeber mit der Erstreckung des Unfallversicherungsschutzes auf ehrenamtliche Tätigkeiten zum Wohl der Allgemeinheit begünstigen wollte (siehe nochmals BT-Drucks IV/120 S 52; ferner BSGE 40, 139, 140 = SozR 2200 § 539 Nr 10 S 16; BSG SozR 2200 § 539 Nr 95 S 260). Eine Auslegung, die ihm gleichwohl den Versicherungsschutz versagt, weil Hochschulprüfungen in der großen Mehrzahl von hauptamtlich tätigen Professoren und Dozenten abgenommen werden, kann danach nicht gerechtfertigt sein. Angesichts dessen kann auf sich beruhen, ob das LSG bei der Beurteilung der Üblichkeit nicht ohnehin eine falsche Bezugsgruppe gewählt hat. Nachdem das Bremische Hochschulgesetz ausdrücklich eine Sonderregelung für die Prüfungstätigkeit der im Ruhestand befindlichen Professoren trifft, hätte es nahe gelegen, insoweit allein auf diese engere Gruppe der pensionierten Hochschullehrer abzustellen, deren Teilnahme an Prüfungen regelmäßig und somit “üblicherweise” ehrenamtlich erfolgt.

Nach alledem musste die Revision des Klägers Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1272547

NJW-RR 2005, 330

NZA 2005, 572

ZAP 2005, 819

ZBR 2005, 269

ZBR 2005, 352

SozR 4-2700 § 2, Nr. 2

VuR 2005, 160

AUR 2005, 239

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