Entscheidungsstichwort (Thema)

Erstattung der Kosten einer Haushaltshilfe in angemessener Höhe durch BKK

 

Beteiligte

7. März 1990 … Kläger und Revisionskläger

…, Beklagte und Revisionsbeklagte

 

Tatbestand

G r ü n d e :

I

Der Kläger verlangt von der beklagten Betriebskrankenkasse die Erstattung der Kosten einer Haushaltshilfe für die Zeit vom 1. bis 30. November 1982 in angemessener Höhe.

Im streitigen Zeitraum war der Kläger bei der Beklagten versichert. Seine Ehefrau bezog ein die Familienhilfeberechtigung ausschließendes Einkommen. Die Ehegatten wohnten jeder in einer eigenen Wohnung. Im Haushalt der Ehefrau des Versicherten lebten drei Kinder (geboren 1967, 1976 und 1979). Die Ehefrau des Klägers erkrankte am 1. November 1982. Nach ärztlichen Attesten war sie vom 1. bis 29. November 1982 krank, pflegebedürftig und konnte aus gesundheitlichen Gründen während dieser Zeit die Versorgung der Kinder nicht wahrnehmen. Der Kläger nahm während der Krankheit seiner Ehefrau Urlaub, der nach seinen Angaben unbezahlt war. Er zog für diese Zeit in ihre Wohnung und versorgte den Haushalt.

Den Antrag des Klägers auf Erstattung der Kosten einer notwendigen Haushaltshilfe für die Zeit vom 1. bis 30. November 1982 lehnte die Beklagte mit einem Schreiben vom 12. Januar 1983 und förmlichen Bescheid vom 10. März 1983 auch unter Hinweis auf § 10 VI 1. a. der Satzung der Beklagten vom 22. Juni 1983 ab. Nach dieser Satzungsbestimmung wird Haushaltshilfe auch dann gewährt, "wenn im Haushalt ein Kind lebt, das das achte Lebensjahr noch nicht vollendet hat oder behindert und auf Hilfe angewiesen ist, nach ärztlicher Feststellung durch die Haushaltshilfe eine Krankenhauspflege entbehrlich wird und eine im Haushalt lebende Person den Haushalt nicht weiterführen kann, für die Dauer der ansonsten zu gewährenden Krankenhauspflege, längstens jedoch für 4 Wochen."

Diese Satzungsbestimmung ist nach Art II 2. Satz 2 rückwirkend zum 1. Juli 1982 in Kraft getreten.

Die Klage und die zugelassene Berufung hatten keinen Erfolg. Das Landessozialgericht (LSG) hat ausgeführt, nach der gemäß § 185b Abs 3 Reichsversicherungsordnung (RVO) in der vom 1. Juli 1982 bis 31. Dezember 1988 geltenden Fassung erlassenen Satzungsbestimmung bestehe kein Anspruch auf Haushaltshilfe, weil durch die Krankheit die Fortführung des Haushalts des Versicherten nicht behindert worden sei. Führe der Ehegatte einen eigenen Haushalt, werde bei seiner Erkrankung keine Haushaltshilfe gewährt. Das gelte jedenfalls, wenn für den Angehörigen mit eigener Haushaltsführung kein Anspruch auf Familienhilfe bestehe.

Mit der Revision macht der Kläger geltend, nach dem Wortlaut des § 185b Abs 1 und 3 RVO sei Bezugspunkt auch der Haushalt des Ehegatten. Aus den Vorschriften werde deutlich, daß vor allem die Betreuung der Kinder sichergestellt werden solle. Dafür komme es auf ein Getrenntleben nicht an.

Der Kläger beantragt,die Urteile des Sozialgerichts Hamburg vom 4. Juni 1985 - Az.: 21 KR 56/83 - und des Landessozialgerichts Hamburg vom 2. Februar 1989 - Az.: VI KRBf 23/85 - sowie den Bescheid der Beklagten vom 10. März 1983 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 1. Juli 1983 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Kosten einer Haushaltshilfe für die Zeit vom 1. bis 30. November 1982 in angemessener Höhe zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 2. Februar 1989 (Az.: VI KRBf 23/85) kostenpflichtig zurückzuweisen.

Die Beklagte hält die Revision für unzulässig, weil der Kläger mit der Revision die falsche Auslegung der Satzung rüge. Die Satzung sei aber nicht revisibel. Im übrigen fehle das Rechtsschutzbedürfnis, weil der nicht angegriffene Bescheid vom 12. Januar 1983 bestandskräftig geworden sei. Der materiell-rechtliche Anspruch bestehe nicht, weil die Krankenkasse die Versicherungsleistungen in ihrer Satzung ausdrücklich nicht auf den Ehegatten erstreckt habe. Die Ehefrau würde hier aber in den Genuß von Krankenpflege kommen, ohne selbst versichert zu sein und ohne daß für sie ein Anspruch auf Familienhilfe besteht.

II

Die Revision ist zulässig. Sie wird insbesondere auf die Verletzung von Bundesrecht gestützt. Der Kläger rügt eine unrichtige Anwendung des § 185b RVO, also einer bundesrechtlichen Vorschrift. Allerdings kann der Anspruch auf Haushaltshilfe, wenn diese nicht wegen des Aufenthalts in einem Krankenhaus oder in einer Entbindungsanstalt oder wegen eines Kuraufenthalts verlangt wird (§ 185b Abs 1 RVO), nur auf die nach § 185b Abs 3 RVO zu erlassende Satzung gestützt werden. Indessen sind die Satzungsbestimmungen der Beklagten selbst teilweise Bundesrecht, nämlich soweit die Anspruchsvoraussetzungen durch § 185b Abs 3 RVO vorgegeben sind. Landesrecht kann lediglich derjenige Teil der Satzung sein, in dem bestimmt wird, unter welchen weiteren Voraussetzungen und für welchen Zeitraum in anderen als den in § 185b Abs 1 RVO genannten Fällen Haushaltshilfe gewährt werden kann. Soweit aber, wie hier, einzelne streitige Voraussetzungen des Anspruchs, die bereits im Gesetz geregelt sind, auch in die Satzung aufgenommen werden, ändert sich dadurch ihre Rechtsnatur nicht. Sie sind Bundesrecht.

Diese Trennung der Anspruchsvoraussetzungen in revisible - in § 183 Abs 3 RVO enthaltene - und nicht revisible - darüber hinaus in der Satzung enthaltene - entspricht auch dem Sinn des § 162 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Die Revisionsentscheidungen dienen ganz wesentlich der einheitlichen Auslegung des Rechts. Da § 185b Abs 3 RVO für alle gesetzlichen Krankenkassen die Pflicht zum Erlaß einer Satzungsbestimmung festgelegt hat und alle Ansprüche nur unter den in § 185b Abs 3 RVO bestimmten Voraussetzungen gewährt werden dürfen, besteht Bedarf für eine bundesweit einheitliche Auslegung.

Der Kläger beanstandet, daß das LSG den Begriff des Haushalts nicht weiter ausgelegt hat. Dabei handelt es sich um ein Tatbestandsmerkmal, das bereits in § 185b RVO enthalten ist. Der Kläger erstrebt also auch inhaltlich nicht die Überprüfung von Satzungsrecht.

Die Revision ist nicht begründet.

Für die Klage fehlt es nicht am Rechtsschutzbedürfnis. Entgegen der Meinung der Beklagten wäre es nicht ausgeschlossen, wenn der als formloses Schreiben ergangene Verwaltungsakt vom 12. Januar 1983 bindend geworden sein sollte. Diese Bindung schließt nicht das Rechtsschutzbedürfnis für die Klage auf Aufhebung des Bescheides vom 10. März 1983 und des Widerspruchsbescheides vom 1. Juli 1983 verbunden mit der Leistungsklage auf Gewährung der Haushaltshilfe aus.

Dem Kläger oder seiner Ehefrau ist nicht die Weiterführung des Haushalts iS des § 185b Abs 3 RVO iVm § 10 Abs 6 Ziffer 1a der Satzung unmöglich geworden. Haushalt im Sinn dieser Bestimmung ist vielmehr der Haushalt des Versicherten.

Nach den nicht mit Revisionsgründen angegriffenen Feststellungen des LSG war der Haushalt in Hamburg 50, M.             , der wegen der Erkrankung der Ehefrau nicht weitergeführt werden konnte, nicht der Haushalt des Klägers und auch kein gemeinsamer Haushalt der Eheleute. Das Bundessozialgericht (BSG) hat bereits zu der Frage, wann eine Person iS von § 185b Abs 3 RVO im Haushalt des Versicherten lebt, entschieden, daß eine Aufnahme in die häusliche Gemeinschaft erforderlich ist. Dies verlangt eine gewisse Dauer und Beständigkeit (BSG SozR 2200 § 185b RVO Nr 11). Der nur für die Dauer der vierwöchigen Krankheit währende Aufenthalt des Klägers im Haushalt seiner Frau reicht nicht aus. Damit ist noch keine Haushaltsgemeinschaft begründet worden.

Die Voraussetzung, daß der Haushalt des Versicherten bzw der gemeinsame Haushalt der Eheleute nicht weitergeführt werden kann, ergibt sich, wie das LSG zutreffend dargelegt hat, aus Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung. Danach soll durch die Gewährung von Haushaltshilfe der Versicherte von einem tatsächlichen Aufwand entlastet werden. Es liegt nahe, daß tatsächlich eine Haushaltshilfe in Anspruch genommen werden muß, wenn kleine oder behinderte Kinder im Haushalt leben und kein Haushaltsangehöriger den Haushalt führen kann. Die dadurch verursachte Belastung entsteht dem Versicherten auch bei Ausfall des haushaltsführenden Ehegatten. Nur so erklärt sich, daß der Anspruch unabhängig davon entsteht, ob für den erkrankten Ehegatten ein Anspruch auf Familienhilfe besteht oder nicht (vgl BSGE 47, 88 = SozR 2200 § 185b RVO Nr 5). Es soll eine Leistung an den Versicherten erbracht werden. Deshalb ist Voraussetzung, daß der Versicherte selbst durch den Ausfall der Haushaltsführung betroffen ist. Das ist nicht der Fall, wenn der Haushalt des getrennt lebenden Ehegatten nicht weitergeführt werden kann.

Nur dies entspricht auch dem System der gesetzlichen Krankenversicherung. Deren Leistungen werden an Versicherte erbracht. Voraussetzung ist regelmäßig eine Krankheit des Versicherten oder eines Angehörigen nach § 205 RVO. So bleibt auch im Fall des § 185b RVO Leistungsempfänger immer der Versicherte. Nicht die Erkrankung des Ehegatten, sondern die Belastung des Versicherten ist Grund für die Leistung. In seinem Haushalt muß der Bedarf entstehen.

Ein Anspruch auf Haushaltshilfe wird nicht dadurch begründet, daß der Versicherte unter Umständen im Rahmen von Unterhaltspflichten gegenüber dem Ehegatten auch für dessen erhöhten Bedarf infolge von Krankheit aufzukommen hat. Der Bestimmung des § 185b Abs 3 RVO liegt nicht das Ziel zugrunde, den Versicherten von der Pflicht zur Leistung von Unterhalt zu entlasten - insbesondere dann nicht, wenn er für den Ehegatten keine Familienhilfeberechtigung hat. In einem solchen Fall ist das Bestehen einer Unterhaltspflicht wegen erhöhten Bedarfs infolge von Krankheit zumindest nicht die Regel. In vielen Fällen, in denen die Familienhilfeberechtigung fehlt, wird auch ein erhöhter Bedarf wegen Krankheit nicht zur Unterhaltspflicht des Versicherten gegenüber dem Ehegatten führen. Schon deshalb kann nicht angenommen werden, daß in § 185b RVO eine solche Pflicht des Versicherten zum Ausgleich des erhöhten Bedarf unterstellt wird. Maßgebend ist auch, daß der getrennt lebende Versicherte die Sachleistung Haushaltshilfe nicht für sich verwerten kann. Seinem getrennt lebenden Ehegatten schuldet er nur Barunterhalt (§ 1361 Abs 4 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch -BGB-).

Der Anspruch auf Gewährung von Haushaltshilfe wird ferner nicht dadurch begründet, daß die Versorgung des Kindes im Haushalt der Ehefrau des Klägers sichergestellt werden muß. Das Vorhandensein eines unter acht Jahre alten Kindes ist nur eine zusätzliche Voraussetzung des Anspruchs nach § 185b RVO. Dagegen ist die Versorgung des Kindes nicht der eigentliche Zweck des Gesetzes, sonst hätten nur familienhilfeberechtigte Kinder einbezogen werden dürfen - das ist aber nicht der Fall: § 185b RVO enthält nicht wie etwa § 185c RVO eine Verweisung auf § 205 Abs 2 RVO (als Kinder gelten auch...), sondern verwendet den Begriff Kinder im Sinn des allgemeinen Sprachgebrauchs als junge Menschen - hier solche, die das achte Lebensjahr noch nicht vollendet haben.

Diese Gründe gelten auch für die streitige Norm des § 10 Abs 6 Ziffer 1a der Satzung. Allerdings regelt die Satzung nicht umfassend und vollständig die Anspruchsvoraussetzungen der Haushaltshilfe. Sie eröffnet damit aber nicht die Möglichkeit einer über den dargestellten Zweck des § 185b Abs 3 RVO hinausgehenden Auslegung. Zwar bestimmt die Satzung nach § 185b Abs 3 RVO, unter welchen weiteren Voraussetzungen Haushaltshilfe gewährt werden kann. Die Ermächtigung ist insoweit nicht ausdrücklich eingeschränkt. Aber die enge Anlehnung an § 185b Abs 1 RVO spricht dafür, daß weitergehende Ziele nur angestrebt werden könnten, wenn der Versicherte durch den Ausfall der Haushaltsführung belastet wird und ihm insoweit ein Bedarf entstanden ist. Nur dann fügt sich die Leistung der Haushaltshilfe in das System der Krankenversicherung ein.

Die Kostenentscheidung wird auf § 193 SGG gestützt.BUNDESSOZIALGERICHT

 

Fundstellen

Dokument-Index HI517910

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