Beteiligte

…Klägerin und Revisionsklägerin

…Beklagte und Revisionsbeklagte

 

Tatbestand

G r ü n d e :

I.

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin vom 1. Januar bis 31. Dezember 1982 Anspruch auf Familienkrankenhilfe für ihre Kinder hatte.

Die Klägerin war von 1961 bis zum 30. April 1985 freiwilliges Mitglied der Beklagten. Sie ist die Mutter der Kinder Andrea (geb 1969), Kerstin (geb 1970) und Jens (geb 1972). Ihr Ehemann, Beamter und nicht in einer gesetzlichen Krankenversicherung, erbte 1977 mit dreizehn Miterben von einer Tante ein Grundstück (ca 1 ha Brachland). Um es nicht in fremde Hände geben zu müssen und um einem Außenstehenden zuvor zu kommen, zahlte er die übrigen Miterben aus und erwarb Alleineigentum an dem Grundstück. Dazu hatte er Ende 1981 einen Kredit in Höhe von rd 45.000,-- DM aufgenommen, wofür er 1982 Kreditzinsen in Höhe von 3.030,-- DM zahlte. Das Grundstück verpachtete er 1982 für 200,-- DM jährlich an einen Reiterhof.

Mit Bescheid vom 27. September 1983 stellte die Beklagte gegen über der Klägerin fest, daß ab 1. Januar 1979 für die Kinder kein Anspruch auf Familienkrankenhilfe bestehe, da das Einkommen des Ehemannes den Anspruch nach § 205 Abs 1 Satz 2 Reichsversicherungsordnung (RVO) ausschließe. Nach erfolglosem Widerspruch wurde die Klage auf Feststellung der Familienhilfeberechtigung bis einschließlich 1983 vom Sozialgericht (SG) mit der Begründung abgewiesen, daß das Einkommen des Ehemannes der Klägerin über der jeweiligen Jahresarbeitsverdienstgrenze (JAV-Grenze) liege. Für die Jahre 1982 und 1983 liege das Einkommen des Ehemannes nur dann unter der JAV-Grenze, wenn man, was abzulehnen sei, einen negativen Verlustausgleich zuließe und die von ihm bezahlten Kreditzinsen bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, im übrigen bei den Einkünften aus unselbständiger Tätigkeit abziehe. Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung zurückgewiesen. Die Absetzbarkeit dieser Art von Schuldzinsen sei eine steuerliche Vergünstigung, die im Sozialrecht nicht nur bei Gewinn aus selbständiger Tätigkeit nach § 15 Satz 2 SGB IV, sondern auch nach § 16 SGB IV unzulässig sei.

Die Klägerin hat Revision eingelegt. Nachdem sich die Beklagte durch Teilvergleich verpflichtet hat, für das Jahr 1983 einen neuen Bescheid zu erteilen, beantragt die Klägerin,das Urteil des LSG Niedersachsen vom 20. Februar 1985 und das Urteil des SG Oldenburg vom 28. Juni 1984 sowie den Bescheid der Beklagten vom 27. September 1983 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Dezember 1983 aufzuheben und festzustellen, daß die Klägerin für die Zeit vom 1. Januar bis 31. Dezember 1982 Anspruch auf Familienkrankenhilfe für ihre Kinder Andrea, Kerstin und Jens F. hatte,hilfsweise den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das LSG Niedersachsen zurückzuverweisen.

Die Beklagte stellt den Antrag,die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision der Klägerin ist zulässig. Durchgreifende Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit der Feststellungsklage bestehen nicht.

Die Revision ist aber nicht begründet. Der Anspruch der Klägerin auf Familienkrankenhilfe für das Jahr 1982 ist gemäß § 205 Abs 1 Satz 2 RVO ausgeschlossen. Das Gesamteinkommen des Ehemanns der Klägerin übersteigt im streitigen Zeitraum regelmäßig im Monat ein Zwölftel der JAV-Grenze (§ 165 Abs 1 Nr 2 RVO). Die Berechnung des Gesamteinkommens durch das LSG ist nicht rechtsfehlerhaft.

Für die Bestimmung des Gesamteinkommens nach § 205 RVO ist zunächst die Legaldefinition des § 16 SGB IV maßgebend. Danach ist Gesamteinkommen die Summe der Einkünfte iS des Einkommensteuerrechts, es umfaßt insbesondere das Arbeitsentgelt und das Arbeitseinkommen. Nach § 2 Abs 2 Nr 2 Einkommensteuergesetz (EStG) sind Einkünfte bei den hier in Betracht kommenden Einkunftsarten aus nichtselbständiger Tätigkeit (§ 2 Abs 1 Nr 4 EStG) und Vermietung und Verpachtung (§ 2 Abs 1 Nr 6 EStG) der Überschuß der Einnahmen über die Werbungskosten (§§ 8 bis 9a EStG). Für das Jahr 1982 läge das Einkommen des Ehemannes der Klägerin nur dann unter der JAV-Grenze, wenn man einen Verlustausgleich zuließe und die Kreditaufwendungen (3.030,-- DM Kreditzinsen) bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung (200,-- DM) und - soweit nicht verbraucht - bei den Einkünften aus unselbständiger Tätigkeit abziehen würde.

Nichtunternehmer ermitteln finanzrechtlich die Einkünfte dadurch, daß sie (zugeflossene) Einnahmen (§ 8 EStG) und (abgeflossene) (Er-)Werbungskosten (§ 9 EStG) gegenüberstellen (§ 2 Abs 2 Nr 2 EStG). Übersteigen die Werbungskosten die Einnahmen, ergeben sich sog negative Einkünfte = Verluste. § 2 Abs 2 EStG spricht wörtlich von "Gewinn" (§ 2 Abs 1 Nr 1 EStG) und "Überschuß" (§ 2 Abs 1 Nr 2 EStG). Daß aber auch "Verlust" und "Unterschuß" (bei sog negativen Einkünften) zu berücksichtigen sind, ergibt sich aus den Vorschriften über Verlustabzug sowie über Verlustausgleichs- und Verlustabzugsbeschränkungen (§ 10d EStG, vgl Tipke, Steuerrecht, 10. Aufl 1985, 211, 158). Der bis einschließlich 1974 in § 2 Abs 2 EStG verwendete Begriff "Verlustausgleich" ist in § 2 EStG nicht mehr erwähnt, da nach Auffassung des Gesetzgebers der jetzt verwendete Begriff "Summe der Einkünfte" (§ 2 Abs 3 EStG) sowohl die Addition positiver Einkünfte als auch das Ergebnis des innerhalb einer Einkunftsart oder zwischen verschiedenen Einkunftsarten vorzunehmenden Verlustausgleichs umfaßt (Begründung zu Art 1 § 4 des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zum Entwurf eines Dritten Steuerreformgesetzes, BT-Drucks 7/1470, S 238; vgl Gesetz zur Reform der Einkommensteuer vom 5. August 1974, § 2, BGBl I, 1769 f, 1993, 1996).

Entsprechend dem allgemeinen Werbungskostenbegriff sind Werbungskosten bei Vermietung und Verpachtung die Aufwendungen für alle Maßnahmen, die im Rahmen der Einkünfteerzielung durchgeführt werden. Die Aufwendungen müssen in einem wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Einkunftserzielung stehen. § 9 Abs 1 Satz 1 EStG verlangt nach seinem Wortlaut, daß die Aufwendungen in einer bestimmten Absicht getätigt werden, nämlich "zur Erwerbung ... der Einnahmen" (vgl zum "finalen" Werbungskostenbegriff des § 9 Abs 1 Satz 1 Kirchhof/Söhn, EStG, Stand: Januar 1987, § 9 Rdnr B 111). Auch wenn nach der neueren Rechtsprechung des BFH mehr auf die Veranlassung abgestellt wird (vgl BFHE 143, 313, 316), bleibt zweifelhaft, ob die hier streitigen Kreditzinsen finanzrechtlich als Werbungskosten anzusehen sind, da sie - jedenfalls primär -gerade nicht zur Erzielung von Pachteinnahmen erfolgten.

Im vorliegenden Fall wurden die Kreditzinsen als Werbungskosten bei der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung sowie der Verlustausgleich zwar steuerrechtlich anerkannt. Der entsprechende Bescheid des Finanzamts bindet die Krankenkasse und die Sozialgerichte aber nicht. § 16 SGB IV sieht eine solche Bindung nicht vor. Daher kann die Frage, ob finanzrechtlich die hier streitigen Kreditzinsen als Werbungskosten bei den Pachteinnahmen anzusehen wären, dahinstehen. Soweit ersichtlich, besteht auch keine höchstrichterliche Finanzrechtsprechung zur Frage der Anerkennung von Werbungskosten bzw der Zulässigkeit eines Verlustausgleichs für den vorliegenden Fall. Die von der Klägerin zitierte Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 23. April 1985 (IX R 39/81, BStBl 1985, 720) besagt nur, daß Kreditzinsen als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abziehbar sind, wenn auch die sonstigen Voraussetzungen für Werbungskosten vorliegen. In dem dort zu entscheidenden Fall war jedoch unstreitig ein wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen Kreditaufnahme und Einkunftserzielungsabsicht mit dem Grundstück vorhanden. Dies gilt ebenfalls für die Entscheidung des BFH vom 9. Juli 1985 (IX R 49/83, BStBl 1985, 722).

Das BSG hat schon in der Entscheidung vom 26. Oktober 1982 (SozR 2200 § 205 Nr 52) bei der Auslegung des Begriffs des Gesamteinkommens nach § 16 SGB IV die Vorschrift des § 15 SGB IV herangezogen und bei der Bildung des Gesamteinkommens den Weihnachts- und den Arbeitnehmerfreibetrag als nicht zu berücksichtigende Steuervergünstigung angesehen. In den Entscheidungen des BSG vom 22. Juli 1981 und 9. September 1981 (SozR 2200 § 205 Nr 43; Die Leistungen 1981, 361) wurden bei der Berechnung des Gesamteinkommens iS des § 16 SGB IV, § 205 Abs 1 Satz 2 RVO bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung die Abschreibungen nach § 7b EStG als nicht abzugsfähig betrachtet (vgl auch BSG vom 24. Oktober 1978, 12 RK 53/76, USK 78184, und BSG vom 28. April 1983, 12 RK 60/81, USK 83101). Diese Abschreibungen wurden als steuerliche Vergünstigung angesehen und die Anwendbarkeit von § 15 Satz 2 SGB IV auch bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung im wesentlichen mit dem Normzweck begründet, der hier wie dort derselbe sei. Der Begriff "steuerliche Vergünstigungen" wird als solcher im Einkommensteuerrecht nicht verwendet, sondern ist § 3 Abs 2 Nr 3 des Gesetzes über steuerliche Maßnahmen bei Auslandsinvestitionen der deutschen Wirtschaft (BGBl I, 1969 Seite 1211, 1214 f) entnommen. Durch ihn werden besondere Abschreibungen, Absetzungen und Abzüge mit Subventionscharakter bei der Ermittlung des Gewinns umschrieben. Bei der Absetzbarkeit von Kreditzinsen im Rahmen der Werbungskosten bei den Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung handelt es sich zwar nicht um steuerliche Vergünstigungen in diesem engen Sinne. Auch über den Bereich des § 15 SGB IV hinaus ist aber die Bestimmung des § 16 SGB IV nicht streng einkommensteuerrechtlich anzuwenden. Vielmehr sind dabei die Belange der Sozialversicherung zu berücksichtigen. Dies kommt insbesondere in der Bestimmung des § 17 SGB IV zum Ausdruck. Danach kann die Bundesregierung durch Rechtsverordnung bestimmte Regelungen zur Wahrung dieser Belange treffen, ua dazu, wie das Arbeitsentgelt, das Arbeitseinkommen und das Gesamteinkommen zu ermitteln und zeitlich zuzurechnen sind. Der Bundesregierung ist aufgegeben, dabei eine möglichst weitgehende Übereinstimmung mit den Regelungen des Steuerrechts sicherzustellen (§ 17 Abs 2 SGB IV). Eine enge Bindung besteht nicht.

Die sozialversicherungsrechtlichen Belange ergeben sich im Fall des § 16 SGB IV aus den Vorschriften, in denen der Begriff des Gesamteinkommens verwendet wird. Er dient dort zur Abgrenzung des schutzbedürftigen Personenkreises, der versicherungspflichtig oder -berechtigt ist (§§ 176 RVO, 8 Abs 1 SGB IV iVm §§ 168, 1228 RVO, 4 AVG) oder der in den Versicherungsschutz einbezogen wird (§ 205 RVO).

Die hier maßgebliche Einkommensanrechnung des § 205 RVO wurde durch das Gesetz zur Dämpfung der Ausgabenentwicklung und zur Strukturverbesserung in der gesetzlichen Krankenversicherung (Krankenversicherungs-Kostendämpfungsgesetz -KVKG-) vom 27. Juni 1977 (BGBl I, 1069, 1071) eingeführt. Die Einführung einer Einkommensgrenze knüpft an die Rechtsprechung des BSG an, wonach über die Familienkrankenhilfe keine Leistungen für solche Angehörige zu gewähren sind, die der Gesetzgeber wegen der Höhe ihres Einkommens für nicht schutzbedürftig hält und damit auf die eigene Vorsorge verweist (vgl BT-Drucks 8/166, Begründung zu Nr 17, Seite 26). In dem Gesetzentwurf der Bundesregierung (BT-Drucks aaO) wird diese Regelung mit der Notwendigkeit der "Entlastung der Solidargemeinschaft" begründet. Diesen Gesichtspunkt betont auch das BVerfG (vgl BVerfG SozR 2200 § 205 Nr 19; vgl auch Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Bd II, 67. Nachtragslieferung 1987, Seite 406b). Die Leistungen der Familienkrankenhilfe sind nicht beitragsadäquat, denn sie setzen bei dem Pflichtversicherten, der für seine unterhaltsberechtigten Familienmitglieder Familienkrankenhilfe erhält, keinen erhöhten Beitrag voraus. Die Familienkrankenhilfe ist eine Maßnahme des sozialen Ausgleichs zur Entlastung der Familie (vgl BVerfG aaO). Der Versicherte soll durch die Versicherung von der durch die gesundheitlichen Wechselfälle des Lebens bedingten wirtschaftlichen Not auch hinsichtlich derjenigen Personen freigestellt werden, für die er unterhaltspflichtig ist (vgl Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Teil II/2, 18. Aufl, 81. Ergänzungslieferung 1986, § 205 Anm III).

Die von der Klägerin begehrte Vornahme des Verlustausgleichs mit den Kreditzinsen bei der Ermittlung des Gesamteinkommens würde den dargestellten sozialversicherungsrechtlichen Belangen zuwiderlaufen. Anders als in der Entscheidung des BSG vom 28. Oktober 1981 (3 RK 8/81, Die Leistungen 1981, 367) geht es hier zwar nicht um die Frage der Erhaltung von Mieteinnahmen und des Vermögens, sondern um die Schaffung von solchem. Vermögensbildung kann unter Umständen zwingende Voraussetzung für eine Einnahmenerzielung sein (vgl auch Frotscher, EStG, 31. Ergänzungslieferung 1987, § 9 Rdnr 63), und die Interessen der Solidargemeinschaft wollen der Absicht, durch Vermögensbildung Einnahmen zu erzielen, schon deshalb nicht entgegenstehen, weil durch ein höheres Einkommen des Ehepartners des Versicherten der Krankenkasse Kosten erspart werden können. Soweit jedoch, wie hier, eine Kreditaufnahme gar nicht primär in der Absicht der Vermögensbildung erfolgte, können die entsprechenden Kreditzinsen nicht zu einer Minderung des Gesamteinkommens führen.

Diese Auffassung wird gestützt durch die Rechtsprechung zu § 138 Abs 2 des Arbeitsförderungsgesetz (AFG) in der Neufassung durch das 5. Gesetz zur Änderung des AFG vom 3. Juli 1979 (BGBl I, 1189). Einkommen iS der Vorschriften über die Arbeitslosenhilfe (Alhi) sind alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert. Abzusetzen sind ua die auf das Einkommen entfallenden Steuern, Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung usw sowie die notwendigen Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Nach der vorausgegangenen Fassung des § 138 AFG galten als Einnahmen alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert nach Abzug der Steuern, der Beiträge zur Sozialversicherung usw und der Werbungskosten. Wie der 7. Senat des BSG in seinem Urteil vom 25. März 1987 - 7 RAr 85/85 - (zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen) ausgeführt hat, kann an der früheren Rechtsprechung, daß ein Verlustausgleich bei verschiedenen Einkommensarten bei Ehegatten des Arbeitslosen uneingeschränkt zulässig sei (vgl BSG 45, 60, 65 = SozR 4100 § 138 Nr 2), seit der oben genannten Neufassung des § 138 Abs 2 AFG nicht festgehalten werden. Es sei nämlich die erklärte Absicht der Gesetzesänderung gewesen, den Einkommensbegriff für die Alhi eigenständig zu gestalten und von steuerrechtlichen Gesichtspunkten zu lösen; insbesondere solle ein Verlustausgleich, wie er im Steuerrecht zwischen den Einkommensarten möglich ist, bei der Alhi zwischen den einzelnen Arten von Einkommen nicht stattfinden (vgl Begründung zur Neufassung des § 138 Abs 2 AFG, BT-Drucks 8/2624, 30).

Auch nach § 11 Abs 1 BKGG in der seit dem 1. Januar 1983 geltenden Fassung des Art 13 des Haushaltsbegleitgesetzes (HBeglG) 1983 vom 20. Dezember 1982 (BGBl I, 1857) gilt für die Bemessung des Kindergeldes nach § 10 Abs 2 BKGG als Jahreseinkommen die Summe der erzielten positiven Einkünfte iS des § 2 Abs 1 und 2 EStG, wobei ein Ausgleich mit Verlusten aus anderen Einkunftsarten nicht zulässig ist. Der Gesetzgeber wollte durch das Verbot des Verlustausgleichs aus anderen Einkunftsarten verhindern, daß steuerliche Subventionierungen (zB Abschreibungen) begünstigend im Kindergeldrecht wirken (vgl dazu BT-Drucks 9/2140, Seite 86 zu Art 12 Nr 3 iVm BT-Drucks 9/410, Seite 11, Ziff 3.2.). Die Vorschrift lehnt sich an Regelungen an, die in anderen Sozialleistungsnormen für ähnliche Interessenlagen getroffen sind, zB an solche des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (zB § 21 Abs 1 S 1 und 2 BAFöG). Der 10. Senat hat darin zwar einen Verstoß gegen Art 3 des Grundgesetzes (GG) gesehen und das Verfahren nach Art 100 Abs 1 Satz 1 GG ausgesetzt (10 RKg 8/9/14/26/84 und 1/2/8/85 = Az des BVerfG 1 BvL 4/86-10/86 und 10 RKg 4/85 = Az des BVerfG 1 BvL 15/86). Wenn sich das Verbot des Verlustausgleichs auf Verluste beschränken würde, die durch Absetzungen, Sonderabschreibungen und ähnliche steuerliche Subventionen "künstlich" herbeigeführt werden, wäre der Gesetzgeber befugt, eine solche Regelung zu treffen; da das Verbot des Verlustausgleichs aber auch die realen Verluste erfassen würde, seien die Nachteile für die Kindergeldberechtigten mit Einkommen aus mehreren Einkunftsarten so gravierend, daß das mit der Norm verfolgte Ziel die Gleichbehandlung unterschiedlicher Sachverhalte hier nicht zu rechtfertigen vermöge. Die Sachlage im Kindergeldrecht ist jedoch mit der in der Sozialversicherung bestehenden Fallgestaltung nicht vergleichbar, da dort das Problem der Abwägung zwischen den Interessen der Solidargemeinschaft und zumutbarer Eigenvorsorge nicht zum Tragen kommt. Auch geht es im vorliegenden Fall nicht um einen generellen Ausschluß eines Verlustausgleichs, so daß das Gleichheitsproblem sich nicht so stellt wie im Kindergeldrecht.

Schließlich wird auch in der Regelung des § 16 Abs. 1 Satz 2 Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG), wonach bei der Einkommensberechnung ein Ausgleich mit Verlusten aus anderen Einkommensarten nicht zulässig ist, das Bemühen des Gesetzgebers deutlich, im Sozialrecht grundsätzlich einen normspezifischen - vom Finanzrecht unabhängigen - Einkommensbegriff zugrunde zu legen (vgl dazu aber auch den Vorlagebeschluß des SG Speyer vom 5. Juni 1987 an das BVerfG).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

BSGE, 90

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