Entscheidungsstichwort (Thema)

Gewährung Kurzarbeitergeld bei Fernwirkung Streik

 

Beteiligte

Betriebsrat der … AG, …, vertreten durch …, Kläger und Revisionsbeklagter

Bundesanstalt für Arbeit,Nürnberg, Regensburger Straße 104, Beklagte und Revisionsklägerin

1) … AG,…, vertreten durch …, 2) Arbeitgeber-Gesamtverband…, vertreten durch …, 3) Arbeitgeber-Landesverband B. …, vertreten durch …, 4) Arbeitgeber-Landesverband H…, vertreten durch …, ..

 

Tatbestand

G r ü n d e :

I

Der Kläger begehrt für die im Bremer Werk der Beigeladenen zu 1) beschäftigten Arbeitnehmer, die im Jahre 1984 von den Fernwirkungen eines Arbeitskampfes in Nordwürttemberg-Nordbaden und Hessen mittelbar betroffen wurden, die Gewährung von Kurzarbeitergeld (Kug).

Die Beigeladene zu 5) kündigte in den Tarifgebieten Bayern, Berlin, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Niedersachsen-Volkswagenwerk AG, Nordwestliches Niedersachsen, Osnabrück, NordrheinWestfalen, Rheinland-Pfalz, Nordwürttemberg-Nordbaden, Südbaden, Südwürttemberg-Hohenzollern, Saarland, Schleswig-Holstein und Unterwesergebiet die regionalen Manteltarifverträge hinsichtlich der Arbeitszeitbestimmungen zum 31. Dezember 1983. In allen Tarifgebieten wurde die Einführung der 35-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich gefordert; weitere Arbeitszeitforderungen differierten teilweise. Ferner wurden in allen Tarifgebieten die Lohn- und Gehaltstarife zum 31. Januar 1984 gekündigt. Die Forderungen der Beigeladenen zu 5) untergliederten sich insgesamt in vier Forderungsarten, nämlich in Forderungen nach Verkürzung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit, in Forderungen zur Erhöhung der Löhne, Gehälter und Ausbildungsvergütungen, in Forderungen zur Veränderung der Struktur in den Lohn- und Gehaltsgruppen sowie in Forderungen zur Begrenzung der Mehrarbeit und weitere Forderungen zu den Manteltarifverträgen. In welchen Punkten sich die Forderungen in den umkämpften Tarifgebieten von den Forderungen in den nicht umkämpften Tarifgebieten unterschieden, hat das Berufungsgericht in seinen Entscheidungsgründen des näheren dargestellt.

Am 25. April 1984 erklärte der Vorstand der Beigeladenen zu 5) die Verhandlungen in sämtlichen Tarifgebieten für gescheitert. In Nordwürttemberg-Nordbaden und Hessen wurden Urabstimmungen durchgeführt. Am 10. Mai 1984 wurde der Streik beschlossen. In Nordwürttemberg-Nordbaden rief die Beigeladene zu 5) etwa 12.000 Arbeitnehmer zu unbefristeten Streiks in 14 Betrieben der Metallindustrie auf; davon gehörten 13 Betriebe der Automobilzulieferindustrie an. In der nachfolgenden Zeit erhöhte sich die Zahl der Streikenden auf 30.000 bis 40.000 Arbeitnehmer; etwa 93.000 Arbeitnehmer wurden ausgesperrt. In Hessen streikten etwa 33.000 Arbeitnehmer; etwa 31.000 Arbeitnehmer wurden ausgesperrt.

Als Folge dieser Arbeitskämpfe kam es im gesamten damaligen Bundesgebiet zu Produktionsstörungen in der Automobilindustrie, auch im Werk Bremen der Beigeladenen zu 1). Am 17. Mai 1984 schlossen diese und der Kläger wegen möglicher Produktionsstörungen eine Betriebsvereinbarung. Darin wurde ua festgelegt: Die Arbeit in den einzelnen Abteilungen werde so lange aufrechterhalten, wie dies auch unter Hinnahme wirtschaftlich noch vertretbarer Fertigungsabläufe möglich sei. Die Art und Weise der Einstellung der Arbeit erfolge in den einzelnen Abteilungen erst nach eingehender Beratung und Zustimmung des Betriebsrats. Die nach vorstehenden Regeln festgestellten Listen seien Teil der Betriebsvereinbarung. Ergebe sich nach Arbeitseinstellung für die betroffenen Arbeitnehmer eine Beschäftigungsmöglichkeit, so seien diese Arbeitnehmer unverzüglich zur Arbeitsaufnahme aufzufordern. Schon am 18. Mai 1984 wurden Fertigungsbereiche stillgelegt, weil für die Produktion benötigte Zulieferteile und Fremdprodukte ausblieben und die im Bremer Werk vorhandenen Vorräte erschöpft waren. Nach den getroffenen Feststellungen wurde der Arbeitskampf in Nordwürttemberg-Nordbaden am 29. Juni 1984 beendet. Die Mehrzahl der im Bremer Werk der Beigeladenen zu 1) tätigen Arbeitnehmer nahm die Arbeit zum 3. Juli 1984 wieder auf.

Davor, nämlich am 11. Mai 1984, hatte der Kläger beim Arbeitsamt (ArbA) Bremen vorsorglich den Arbeitsausfall ab 18. Mai 1984 wegen Kug angezeigt. Hierzu trug er vor: Die Zahl der von Arbeitsausfall betroffenen Arbeitnehmer werde sich voraussichtlich in der 1. Woche auf 4.829, in der 2. Woche auf 5.692, in der 3. Woche auf 6.243 und in der 4. Woche auf 7.944 belaufen. Zur Vermeidung oder Verminderung des Arbeitsausfalls seien Personalumsetzungen oder Kündigungen nicht erfolgt. In der Teilefertigung im Preßwerk sei für die Zulieferung des Werkes Düsseldorf "Arbeit auf Lager" durchgeführt worden. Im übrigen sei keine "Arbeit auf Lager" erfolgt, da seitens der Betriebsleitung eine unzureichende Lagerhaltung betrieben worden sei. Die Urlaubsregelungen seien für die einzelnen Abteilungen im Februar 1984 festgelegt worden. Überstunden seien weitgehend abgebaut worden. In ergänzenden Stellungnahmen vom 17. und 21. Mai 1984 machte der Kläger ua geltend, § 116 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) und die Neutralitäts-Anordnung (NeutrA) stünden der Gewährung von Kug nicht entgegen. Die Vorschrift des § 116 AFG erfasse nach der Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 9. September 1975 - 7 RAr 5/73 - (BSGE 40, 190 = SozR 4100 § 116 Nr 1) lediglich den sog Modellarbeitskampf. Ein solcher sei hier nicht gegeben. Es fehle ua an der Absicht, den im süddeutschen Raum erkämpften Tarifvertrag in Norddeutschland zu übernehmen.

Die Beigeladene zu 1) äußerte sich in einer Stellungnahme vom 16. Mai 1984 zu der Anzeige in dem Sinne, daß die Gewährung von Kug in der vorliegenden Tarifauseinandersetzung in den Arbeitskampf eingreife und daher nicht statthaft sei. Mit Schreiben vom 22. Mai 1984 erläuterte sie ua, daß der konzerneigene Produktionsverbund voneinander unabhängige Produktionen in den Werken Sindelfingen und Bremen nicht zulasse.

In einem an die Landesarbeitsämter und Arbeitsämter gerichteten Schnellbrief vom 18. Mai 1984 (sog Franke-Erlaß) vertrat der Präsident der Bundesanstalt für Arbeit (BA) im Ergebnis ebenfalls die Auffassung, daß bei mittelbar arbeitskampfbedingtem Arbeitsausfall im fachlichen Geltungsbereich des umkämpften Tarifvertrages, aber außerhalb des Arbeitskampfbezirkes etwaige Leistungsansprüche auf Arbeitslosengeld (Alg), Arbeitslosenhilfe (Alhi) und Kug gemäß § 116 Abs 3 AFG iVm § 4 NeutrA zum Ruhen gekommen seien. Er bat, entsprechend zu verfahren. Zur Begründung gab er an, daß bei der gegenwärtigen Tarifrunde in allen Tarifbezirken iS des § 4 NeutrA sowohl "nach Art und Umfang gleiche Forderungen" erhoben würden als auch mit dem Arbeitskampf "nach Art und Umfang gleiche Arbeitsbedingungen" durchgesetzt werden sollten. Für diese Beurteilung sei entscheidend, daß der in allen Tarifbezirken erhobenen Forderung nach Einführung der 35-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich die weitaus überragende Bedeutung beigemessen werden müsse; im Verhältnis hierzu könnten die übrigen Forderungen nicht mehr als gravierend angesehen werden.

Der Kläger rief, da der in § 72 Abs 1 Satz 4 AFG vorgesehene Bescheid ausblieb, die Sozialgerichte an. Das Landessozialgericht (LSG) Bremen legte - in Abänderung eines Beschlusses des Sozialgerichts (SG) Bremen vom 15. Juni 1984 - durch Beschluß vom 22. Juni 1984 der Beklagten im Wege der einstweiligen Anordnung auf, dem Kläger unabhängig von den Entscheidungen in der Hauptsache unverzüglich einen vorläufigen Bescheid darüber zu erteilen, daß die Voraussetzungen für die Gewährung von Kug für die im Bremer Werk der Beigeladenen zu 1) von Kurzarbeit betroffenen Arbeitnehmer für die Zeit ab 15. Juni 1984 bis zum bindenden oder rechtskräftigen Abschluß des Verfahrens in der Hauptsache, längstens bis zum Ablauf der gesetzlichen Bezugsfristen, vorlägen.

Das ArbA trug diesem Beschluß durch Bescheid vom 25. Juni 1984 Rechnung, indem es entsprechend dem Inhalt des Beschlusses die Voraussetzungen für die Gewährung von Kug ab 15. Juni 1984 vorläufig anerkannte. Es bewilligte auf Antrag des Klägers ferner mit Bescheid vom 29. Juni 1984 der Beigeladenen zu 1) für den Zeitraum vom 15. bis 29. Juni 1984 eine Abschlagszahlung auf Kug in Höhe von 2.323.656,-- DM. Diese Abschlagszahlung stand unter dem Vorbehalt, daß etwa zu Unrecht bezahlte Beträge von den Empfängern des Kug zurückzuzahlen seien, wenn sich nachträglich herausstelle, daß die Voraussetzungen für die Gewährung der Leistung dem Grunde oder der Höhe nach nicht vorgelegen hätten oder weggefallen seien. Die Beigeladene zu 1) sollte entsprechende Verpflichtungserklärungen der Arbeitnehmer unterschrieben einreichen.

Durch Bescheid vom 6. Juli 1984 (III 2-415/00) beschied das ArbA den Kläger auf seine Anzeige, daß zwar die in den §§ 63 und 64 Abs 1 AFG genannten Voraussetzungen für die Gewährung von Kug dem Grunde nach erfüllt seien, gleichwohl den vom Arbeitsausfall betroffenen Arbeitnehmern für die Zeit vom 15. Juni bis 2. Juli 1984 kein Kug gewährt werden könne, weil der Anspruch gemäß § 70 AFG iVm § 116 Abs 3 AFG und den §§ 4 und 5 NeutrA ruhe. Der hiergegen eingelegte Widerspruch des Klägers wurde durch Widerspruchsbescheid vom 11. Juli 1984 als unbegründet zurückgewiesen.

Durch weiteren Bescheid vom 6. Juli 1984 (III-415/00) in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. August 1984 entschied das ArbA, daß es in Anwendung des § 32 Sozialgesetzbuch (SGB) - Verwaltungsverfahren - (SGB X) Kug sowie Zuschüsse zu den Beiträgen für die Kranken- und Rentenversicherung der Kurzarbeiter unter dem Vorbehalt der Rückforderung für den Fall zahle, daß durch höchstrichterliche oder andere rechtskräftige Entscheidungen (bezüglich des Zeitraumes vom 15. Juni bis 2. Juli 1984) das Ruhen derartiger Ansprüche gemäß § 116 AFG festgestellt werde. Ferner bewilligte es mit Bescheid vom 9. Juli 1984 unter Hinweis auf die Bescheide vom 29. Juni und 6. Juli 1984 für die Zeit vom 18. Mai bis 14. Juni 1984 eine weitere Abschlagszahlung auf Kug in Höhe von 3.056.000,-- DM. Am 14. August 1984 reichte die Beigeladene zu 1) auf entsprechende Anregung des ArbA die Abrechnungslisten für die Endabrechnung des Kug und die Zahlung des Zuschusses für die Kranken- und Rentenversicherung ein. Daraufhin gewährte das ArbA der Beigeladenen zu 1) durch Bescheid vom 15. August 1984 für die Zeit vom 18. Mai bis 30. Juni 1984 Kug in Höhe von 6.604.891,56 DM sowie Zuschüsse zur Krankenversicherung in Höhe von 911.363,94 DM und zur Rentenversicherung in Höhe von 610.952,46 DM (insgesamt 8.127.207,96 DM). Abzüglich der bereits erbrachten Abschlagszahlungen in Höhe von 5.379.656,-- DM verblieb ein Auszahlungsbetrag von 2.747.551,96 DM. Auch diese Leistungen wurden unter dem Vorbehalt der Rückforderung für den Fall gewährt, daß durch höchstrichterliche oder andere rechtskräftige Entscheidungen das Ruhen derartiger Ansprüche gemäß § 116 AFG festgestellt werde. Mit Bescheid vom 5. September 1984, in dem ebenfalls auf den Vorbehalt der Rückforderung hingewiesen wurde, erweiterte das ArbA den Bewilligungszeitraum bis zum 3. Juli 1984. Daraus resultierte ein weiterer Auszahlungsbetrag von 321.215,66 DM. Mit Bescheid vom 25. April 1985 nahm das ArbA (ohne ausdrücklichen Hinweis auf einen Rückzahlungsvorbehalt) eine Berichtigung in Höhe von 50.336,76 DM vor. Einschließlich der Zuschüsse zur Kranken- und Rentenversicherung belief sich die Bewilligung von Kug damit auf insgesamt 8.498.760,38 DM.

Gegen den Bescheid vom 6. Juli 1984 (III 2-415/00) in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Juli 1984 erhob der Kläger Klage mit dem Begehren, diesen Bescheid insoweit aufzuheben, als die Gewährung von Kug abgelehnt worden war, und die Beklagte zu verurteilen, den Arbeitnehmern für die Zeit vom 18. Mai bis 2. Juli 1984 Kug zu zahlen. In der mündlichen Verhandlung vor dem SG stellte der Kläger (ebenso wie die Beigeladene zu 5) nur noch den Aufhebungsantrag.

Das SG hat demgemäß entschieden und in den Entscheidungsgründen die Berufung zugelassen (Urteil vom 9. April 1986). Gegen dieses Urteil haben sowohl die Beklagte als auch die Beigeladenen zu 1) bis 4) Berufung eingelegt. Vor dem LSG haben sich die Beteiligten damit einverstanden erklärt, daß etwaige Ansprüche auf Kug für die Zeit vom 18. Mai bis 14. Juni 1984 und für den 3. Juli 1984 ausgeklammert und entsprechend dem Ergebnis des rechtskräftig entschiedenen Verfahrens behandelt werden sollten. Das LSG hat die Berufungen der Beklagten und der Beigeladenen zu 1) bis 4) als unbegründet zurückgewiesen (Urteil vom 13. Dezember 1988). Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt:

Die an sich ausgeschlossenen Berufungen (§ 144 Abs 1 Nr 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) seien statthaft, obschon die Berufung lediglich in den Entscheidungsgründen zugelassen worden sei (§ 150 Nr 1 Halbs 1 SGG).

Streitgegenstand sei der Bescheid vom 6. Juli 1984 (III 2-415/00) in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Juli 1984, durch den die Gewährung von Kug für die Zeit vom 15. Juni bis 2. Juli 1984 abgelehnt worden sei. Dieser Bescheid werde den Anforderungen des zweistufigen Kug-Verfahrens gerecht. Er beinhalte zwei Verfügungssätze. Zum einen würden die betrieblichen Voraussetzungen für die Gewährung von Kug (§§ 63 und 64 Abs 1 AFG) anerkannt (§ 72 Abs 1 Satz 4 AFG). Zum anderen werde der Leistungsantrag (§ 72 Abs 2 Satz 1 AFG) mit Hinweis auf das Ruhen des Kug-Anspruchs abgelehnt. Die von den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG vorgenommene Begrenzung des Streitgegenstandes sei für das Gericht bindend.

Die Klage als solche sei zulässig. Der Kläger sei sowohl zur Erstattung der Anzeige eines Arbeitsausfalls als auch zur Stellung des Antrags auf Gewährung von Kug befugt (§ 72 Abs 1 Satz 2, Abs 2 Satz 2 AFG) und deshalb im Wege der Prozeßstandschaft berechtigt, die Leistungsansprüche der betroffenen Arbeitnehmer im Bremer Werk der Beigeladenen zu 1) geltend zu machen. Seine Klagebefugnis werde nicht durch die dem Arbeitgeber und Betriebsrat obliegende Friedenspflicht (§ 74 Abs 2 Betriebsverfassungsgesetz -BetrVG-) berührt. Auch das Rechtsschutzinteresse lasse sich nicht verneinen. Allerdings sei die Beklagte aufgrund des Beschlusses des LSG vom 22. Juni 1984 lediglich zum Erlaß eines vorläufigen Anerkennungsbescheides für die Zeit ab 15. Juni 1984 bis zur Beendigung der Kurzarbeit verpflichtet worden. Wenn sie gleichwohl für den gesamten Zeitraum zunächst Abschlagszahlungen (Bescheide vom 29. Juni und 9. Juli 1984) und später vorläufige Zahlungen unter dem Vorbehalt des rechtskräftigen Ausgangs des anhängigen Verfahrens bewilligt habe (Bescheide vom 15. August 1984, 5. September 1984 und 25. April 1985), sei das Rechtsschutzinteresse nicht entfallen. Das "Behaltendürfen" der bewilligten Leistungen sei nämlich gerade von der gerichtlichen Entscheidung über den streitbefangenen Bescheid vom 6. Juli 1984 (III 2-415/00) abhängig gemacht worden.

Eine Prüfung in der Sache verbiete sich nicht im Hinblick auf den Erlaß des Präsidenten der BA vom 18. Mai 1984. Dieser Erlaß habe die Bedeutung einer behördeninternen Weisung, nicht eines Verwaltungsaktes. Es mangele an unmittelbarer Rechtswirkung nach außen (§ 31 Satz 1 SGB X). Insoweit sei ein Unterschied zu den Entscheidungen des Verwaltungsrates der BA gegeben (§ 116 Abs 4 AFG), bei denen das BSG eine unmittelbare Außenwirkung gegenüber den Tarifpartnern angenommen habe (BSGE 40, 190, 193 = SozR 4100 § 116 Nr 1).

Die Voraussetzungen für die Gewährung von Kug seien dem Grunde nach erfüllt. Eine Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen der §§ 63 und 64 Abs 1 AFG erübrige sich, da das Vorliegen dieser Voraussetzungen durch den Bescheid vom 6. Juli 1984 (III 2-415/00) bindend anerkannt worden sei. Zu prüfen seien allein die Voraussetzungen des zweiten Abschnitts des Kug-Verfahrens.

Insoweit seien die Anträge auf Zahlung von Kug rechtzeitig gestellt worden (§ 72 Abs 2 AFG). Ferner seien die persönlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Kug verwirklicht (§ 65 AFG). Insbesondere hätten die im Bremer Werk der Beigeladenen zu 1) von Kurzarbeit betroffenen Arbeitnehmer, wie in § 65 Abs 1 Satz 1 Nr 2 und Abs 3 AFG vorausgesetzt, für die Dauer der kampfbedingten Kurzarbeit keinen Anspruch auf Arbeitsentgelt gehabt. Dabei könne offenbleiben, ob die Kurzarbeit durch die Betriebsvereinbarung vom 17. Mai 1984 gemäß den §§ 77 Abs 2, 87 Abs 1 Nr 3 BetrVG wirksam eingeführt worden sei. Ein Anspruch auf Arbeitsentgelt sei jedenfalls aufgrund der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) zum Arbeitskampfrisiko entfallen. Danach stünden den betroffenen Arbeitnehmern, sofern die Fernwirkungen eines Streiks das Kräfteverhältnis der kampfführenden Parteien beeinflussen könnten, für die Dauer der Störung keine Beschäftigungs- und Vergütungsansprüche zu; ein solcher Fall (der Einflußmöglichkeit) sei zB anzunehmen, wenn die für den mittelbar betroffenen Betrieb zuständigen Verbände mit den unmittelbar kampfführenden Verbänden identisch oder doch organisatorisch eng verbunden seien (BAGE 34, 331, 339 ff = AP Nr 70 zu Art 9 GG Arbeitskampf). Gegen die Überzeugungskraft dieser Rechtsprechung des BAG ließen sich gewichtige Bedenken anführen. Aus Gründen der Rechtssicherheit werde der Rechtsprechung des BAG jedoch gefolgt mit dem Ergebnis, daß die Voraussetzungen für die Gewährung von Kug dem Grunde nach gegeben seien (§§ 63, 64 Abs 1, 65 AFG).

Zu Unrecht habe die Beklagte das Ruhen der Kug-Ansprüche gemäß den §§ 70, 116 AFG angenommen. Die Ruhenstatbestände des § 116 Abs 3 AFG, die eine einfachgesetzliche Konkretisierung der aus Art 9 Grundgesetz (GG) folgenden allgemeinen Neutralitätspflicht des Staates für den Aufgabenbereich der BA darstellten, seien nicht verwirklicht.

Der Ruhenstatbestand des § 116 Abs 3 Satz 1 Nr 1 AFG (sog Abzieltatbestand) sei, schließe man sich der Rechtsprechung des BSG an, auf den fachlichen und räumlichen Geltungsbereich des umkämpften Tarifvertrages begrenzt (BSGE 40, 190, 199 = SozR 4100 § 116 Nr 1). Doch lasse der Wortlaut des § 116 Abs 3 Satz 1 Nr 1 AFG auch eine extensive Auslegung zu. Ein "Abzielen" könne begrifflich auch vorliegen, wenn der Ausgang des Arbeitskampfes in einem Tarifgebiet Signalwirkung für andere Tarifgebiete zeitige. Mangels authentischer Interpretation des Gesetzgebers seien die anerkannten Auslegungsregeln heranzuziehen. Aufschlußreich sei insoweit die Entstehungsgeschichte der Norm. Danach hätten Arbeitnehmer, die durch mittelbare Auswirkung eines Streiks arbeitslos geworden seien, im Regelfall Leistungen erhalten sollen. Das habe mit Rücksicht auf die Neutralitätspflicht der BA (§ 116 Abs 1 AFG) lediglich in zwei Ausnahmefällen (§ 116 Abs 3 Satz 1 AFG) nicht gelten sollen (zu BT-Drucks V/4110 S 20). In Fällen eines Regel-Ausnahme-Verhältnisses sei grundsätzlich eine restriktive Auslegung geboten. Das besage, daß eine bloße Signalwirkung - unabhängig von ihrer faktischen Intensität - nicht den Eintritt des Ruhenstatbestandes rechtfertige. Aus diesem Grund komme ein Ruhen der Ansprüche nach § 116 Abs 3 Satz 1 Nr 1 AFG regelmäßig nur dann in Betracht, wenn der mittelbar betroffene Betrieb nicht nur dem fachlichen, sondern auch dem räumlichen Geltungsbereich des umkämpften Tarifvertrages zuzuordnen sei. Entgegen der Auffassung des BSG sei indessen davon auszugehen, daß die Rechtsverbindlichkeit einer Übernahme des Arbeitskampfergebnisses auch außerhalb des umkämpften Tarifgebietes gegeben sein könne. Allerdings müsse das Merkmal des "Abzielens" iS einer - wahrscheinlich -rechtsverbindlichen Änderung verstanden werden. Demzufolge zielten sog Modellarbeitskämpfe nur dann auf eine Änderung der Arbeitsbedingungen außerhalb der umkämpften Tarifgebiete ab, wenn neben gleichen Forderungen aufgrund einer Absprache der Tarifpartner zugleich die Wahrscheinlichkeit bestehe, daß das Kampfergebnis übernommen werde. Diese Voraussetzungen seien hier nicht verwirklicht. Für das Tarifgebiet Unterweser, dem der Bremer Betrieb der Beigeladenen zu 1) zuzurechnen sei, seien nicht die gleichen Forderungen wie in Norwürttemberg-Nordbaden oder Hessen erhoben worden. Ebensowenig habe aufgrund einer Absprache die Wahrscheinlichkeit der Übernahme der Kampfergebnisse bestanden. Den Arbeitskämpfen in Nordwürttemberg-Nordbaden und Hessen seien für das Unterwesergebiet Signalwirkung, nicht aber Modellcharakter zuzuschreiben.

Die am 24. Mai 1986 in Kraft getretene Neufassung des § 116 Abs 3 AFG sei für den hier umstrittenen Zeitraum ohne Bedeutung. Sie habe nicht eine Klarstellung, sondern eine Gesetzesänderung zu Lasten mittelbar betroffener Arbeitnehmer mit sich gebracht.

Auch der Ruhenstatbestand des § 116 Abs 3 Satz 1 Nr 2 AFG (sog Beeinflussungstatbestand) sei vorliegend nicht erfüllt. Wann die Gewährung von Leistungen durch die BA den Arbeitskampf beeinflusse, sei weder dem Gesetzeswortlaut noch den Gesetzesmaterialien noch einem Vergleich mit dem früheren Gesetz über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG) zu entnehmen. Einziger Interpretationsanhaltspunkt sei das bereits erwähnte Regel-Ausnahme-Verhältnis. Nicht abschließend beantwortet zu werden brauche die Frage, ob mit der Rechtsprechung des BSG eine Beeinflussung des Arbeitskampfes nur dann anzunehmen sei, wenn die Gewährung von Leistungen in einem rechtlich oder tatsächlich wesentlichen Umfang die jeweilige Position bzw Situation der Tarifpartner zu ändern vermöge (BSGE 40, 190, 202 = SozR 4100 § 116 Nr 1). Eine Beeinflussung des Arbeitskampfes in Nordwürttemberg-Nordbaden bzw Hessen durch Gewährung von Kug an mittelbar betroffene Arbeitnehmer im Bremer Werk der Beigeladenen zu 1) lasse sich in keinem Fall feststellen.

Die Parteien des Arbeitskampfes in Nordwürttemberg-Nordbaden und Hessen seien nicht in materieller Hinsicht durch die Leistungsgewährung an die in Bremen mittelbar betroffenen Arbeitnehmer begünstigt oder benachteiligt worden. Eventuelle Kug-Zahlungen gingen nicht an die Beigeladene zu 5), sondern an die in Bremen beschäftigten Arbeitnehmer. Auch die Streikkasse der Beigeladenen zu 5) werde durch solche Zahlungen nicht aufgefüllt bzw geschont. Die Beigeladene zu 5) sei nach ihrer Satzung nicht verpflichtet, an die mittelbar vom Arbeitskampf betroffenen Arbeitnehmer in Bremen Streikgelder zu leisten.

Auch eine rechtlich relevante nicht-materielle Beeinflussung sei zu verneinen. Einzuräumen sei, daß die Versagung von Kug an Arbeitnehmer außerhalb der umkämpften Tarifgebiete einen nicht unerheblichen verbandspolitischen und moralischen Druck auf die Beigeladene zu 5) verursacht habe. Dies werde durch Äußerungen von Vertretern der Beigeladenen zu 5) in der Öffentlichkeit sowie das Vorbringen der Beigeladenen zu 5) in den einstweiligen Anordnungsverfahren des Jahres 1984 belegt. Dieser Druck werde zumindest dann von der Beigeladenen zu 5) genommen, wenn Kug an mittelbar betroffene Arbeitnehmer gewährt werde, die bei ihr organisiert seien. Indessen stelle auch ein solcher Binnendruck keine rechtlich relevante Beeinflussung iS des § 116 Abs 3 Satz 1 Nr 2 AFG dar. Dahinstehen könne, ob eine solche Einflußnahme schon deswegen zu verneinen sei, weil tatsächliche Erfahrungen und Abgrenzungskriterien fehlten, die konkrete Angaben ermöglichten, wann die Gewährung von Leistungen an mittelbar vom Arbeitskampf betroffene Arbeitnehmer die Gewerkschaft von einem für den Arbeitskampf bedeutsamen Druck befreie. Entscheidend sei nicht, ob ein durch Nichtgewährung entstandener Druck durch Gewährung beseitigt werde, sondern ob bei "primärer" Gewährung eine Beeinflussung des Arbeitskampfes feststellbar gewesen wäre.Im vorliegenden Fall habe von Anfang an vorausgesehen werden können, daß die Nichtgewährung an mittelbar betroffene Arbeitnehmer außerhalb des Kampfgebietes einen nicht unerheblichen Binnendruck der organisierten Arbeitnehmer auf die Beigeladene zu 5) bewirken werde. Doch seien diese Auswirkungen unbeachtlich, auch wenn sie die Position der Beigeladenen zu 5) im Arbeitskampf in Nordwürttemberg-Nordbaden und Hessen hätten nachteilig beeinflussen können. Es habe sich hierbei nämlich um Folgen der gesetzlich irrelevanten Nichtgewährung gehandelt. Maßgeblich sei allein die Prognose, welche Situation eingetreten wäre, wenn die Beklagte anstelle ihrer negativen Entscheidung eine positive Entscheidung getroffen hätte. In diesem Fall wäre kein Binnendruck durch betroffene Mitglieder außerhalb des Kampfgebietes entstanden, so daß nicht behauptet werden könne, die Beigeladene zu 5) sei durch "Gewährung" von einem derartigen Druck befreit worden. Der Begriff der sog Minimax-Strategie sei der politischen Diskussion entlehnt und für eine um Objektivierung bemühte Rechtsfindung wenig hilfreich. Er suggeriere ein Unwerturteil über eine von der Gewerkschaft praktizierte Kampfform, die mit der Rechtslage in Einklang stehe.

Verfassungsgerichtliche Bedenken in bezug auf die Ruhenstatbestände des § 116 Abs 3 Satz 1 AFG seien nicht erkennbar. Insbesondere seien die Ruhensvoraussetzungen nicht inhaltlich zu unbestimmt. Rechtliche Unsicherheiten bei der Anwendung des generalklauselartigen Einflußtatbestandes (§ 116 Abs 3 Satz 1 Nr 2 AFG) seien durch die Rechtsprechung des BSG beseitigt worden.

Schließlich hätten die Ansprüche der mittelbar betroffenen Arbeitnehmer nicht gemäß § 116 Abs 3 Satz 2 AFG iVm § 4 NeutrA geruht. Die letztgenannte Vorschrift konkretisiere entgegen ihrem Wortlaut ausschließlich den Abzieltatbestand (§ 116 Abs 3 Satz 1 Nr 1 AFG). Sie regele des weiteren eine Variante des Modellarbeitskampfes. Dies leite sich daraus ab, daß sie auf "nach Art und Umfang gleiche Forderungen" abstelle. Allerdings reiche sie damit über die nach § 116 Abs 3 Satz 1 Nr 1 AFG vorzunehmende Interpretation des Modellarbeitskampfes hinaus, indem sie nicht auf das Kriterium der Wahrscheinlichkeit der Übernahme abhebe.Da § 116 Abs 3 Satz 2 AFG dem Verwaltungsrat der BA bedingt gestatte, die gesetzlichen Tatbestände des § 116 Abs 3 Satz 1 AFG zu präzisieren, nicht aber auszudehnen, spreche viel dafür, daß § 4 NeutrA wegen Verstoßes gegen höherrangiges Recht rechtswidrig sei. Ob dies der Fall sei, könne aber dahinstehen; denn die Voraussetzungen des § 4 NeutrA seien nicht verwirklicht.

"Gleiche" Forderungen iS des § 4 NeutrA seien nur "identische" Forderungen. Solche Forderungen seien in den Tarifgebieten Nordwürttemberg-Nordbaden und Hessen sowie im Unterwesergebiet nicht erhoben worden. Im Vordergrund der Tarifauseinandersetzungen 1984 habe zwar eindeutig die Forderung der Beigeladenen zu 5) nach Einführung der 35-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich gestanden. Dennoch könne nicht von identischen Forderungen gesprochen werden, weil hinsichtlich der Nebenforderungen durchaus Differenzen festzustellen seien, und zwar insbesondere bei der Frage der Umsetzung der Arbeitszeitverkürzung, bei den Lohnforderungen sowie bei den Forderungen nach Vergütung bzw Abgeltung von Mehrarbeit.

Nach alldem sei ein Ruhen der Kug-Ansprüche weder nach § 116 Abs 3 Satz 1 AFG noch nach § 116 Abs 3 Satz 2 AFG iVm § 4 NeutrA eingetreten. Demgemäß habe offenbleiben können, ob die vorgenommene Rechtsauslegung sich auch auf Art 12 und 14 GG hätte stützen lassen. Ebensowenig sei es darauf angekommen, inwieweit Art 69 Buchst i des Übereinkommens Nr 102 der Internationalen Arbeitsorganisation anwendbares Recht darstelle oder zumindest im Rahmen der Rechtsauslegung Berücksichtigung zu finden habe.

Gegen dieses Urteil richten sich die Revisionen der Beklagten und der Beigeladenen zu 1) bis 4).

Die Beklagte rügt mit der Revision eine Verletzung des § 70 iVm § 116 Abs 1 und 3 AFG sowie der §§ 4, 5 NeutrA und trägt zur Begründung vor, die Leistungsansprüche der mittelbar betroffenen Arbeitnehmer im Bremer Werk der Beigeladenen zu 1) seien entgegen der Auffassung der Vorinstanzen zum Ruhen gekommen.

Der Ruhenstatbestand des § 116 Abs 3 Satz 1 Nr 1 AFG (Abzieltatbestand) sei erfüllt. Das LSG habe diese Vorschrift zu eng ausgelegt. Seine Prämisse, daß vom Arbeitskampf mittelbar betroffene Arbeitnehmer in der Regel Lohnersatzleistungen erhalten sollten, sei unzutreffend. Nach der inneren Ausgestaltung des § 116 AFG sei das Ruhen der Leistungen der Normalfall, die Leistungsgewährung die Ausnahme. Dafür ließen sich die der BA auferlegte Pflicht zu passiver Neutralität (§ 116 Abs 1 AFG), die Gesetzesmaterialien sowie der klarstellende Charakter der Gesetzesnovellierung im Jahre 1986 anführen. Die Auffassung, der umkämpfte Tarifvertrag müsse mit Wahrscheinlichkeit oder gar mit Gewißheit Rechtsverbindlichkeit auch im nicht umkämpften Tarifgebiet erlangen, reduziere die Bedeutung des Abzieltatbestandes auf Null. Sie ignoriere ua, daß für die Stillegung der Fertigungsbereiche im Bremer Werk der Beigeladenen zu 1) der im Werk Sindelfingen durchgeführte Streik ursächlich gewesen sei, daß die kurzarbeitenden Arbeitnehmer im Unterwesergebiet sowohl nach natürlicher wie nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise vom Arbeitskampf betroffen gewesen seien und daß sie aus der gebotenen vorausschauenden Sicht am Ergebnis des Arbeitskampfes teilhaben würden. Für die Annahme des Ruhens ausreichend sei, daß der Ausgang des Arbeitskampfes Vorbildfunktion (Modellcharakter) besitze.

Des weiteren sei der Ruhenstatbestand des § 116 Abs 3 Satz 1 Nr 2 AFG (Beeinflussungstatbestand) gegeben. Das LSG habe auch diese Bestimmung zu eng interpretiert. Richtig sei die Auslegung, daß jede nennenswerte und merkliche Beeinflussung, die die Kampfparität berühre, als rechtlich relevante Beeinflussung anzusehen sei. Hierfür sprächen ua der Wortsinn "beeinflussen", das Prinzip der passiven Neutralität sowie die erforderliche typisierende Betrachtungsweise in bezug auf mittelbare Fernwirkungen des Arbeitskampfes 1984. Danach sei eine Beeinflussung im aufgezeigten Sinne zu bejahen. Die Kurzarbeit im Bremer Werk der Beigeladenen zu 1) sei nicht zufällig eingetreten, sondern von der Beigeladenen zu 5), wenn auch legal, bewußt einkalkuliert worden. Dies müßten sich die kurzarbeitenden Arbeitnehmer der Beigeladenen zu 1) zurechnen lassen. Überdies bringe die Gewährung von Kug eine zusätzliche Belastung der Arbeitgeber mit sich, nämlich die Pflicht zur Entrichtung von Beitragsanteilen zur gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung. Demgegenüber habe sich die Beigeladene zu 5) von den nicht direkt streikbetroffenen Arbeitnehmern etwaige Ansprüche auf Arbeitsentgelt und Lohnersatzleistungen in Höhe empfangener gewerkschaftlicher "Unterstützungsleistungen" abtreten lassen. Zumindest sei sie von einem erheblichen Binnendruck entlastet worden. Im übrigen stehe eine Abwälzung der Lasten des Arbeitskampfes auf die Solidargemeinschaft der Beitragszahler nicht in Einklang mit dem Versicherungsprinzip.

Darüber, ob § 4 NeutrA, wie in der Literatur zum Teil angenommen, höherrangiges Recht verletze und aus diesem Grund nichtig sei, werde der erkennende Senat entscheiden müssen. Halte er die Vorschrift für rechtmäßig, liege auch dieser Ruhenstatbestand vor. Die in Nr 2 verwandte Formulierung "nach Art und Umfang gleiche Forderungen" lasse sich entgegen der Ansicht des LSG nicht im Sinne von "identisch" interpretieren. Anderenfalls laufe die Bestimmung auf eine bloße Leerformel hinaus. Sie ließe sich leicht umgehen. Das könne vom Anordnungsgeber nicht gewollt gewesen sein. Im Arbeitskampf 1984 habe eindeutig die gewerkschaftliche Forderung nach Einführung der 35-Stunden-Woche dominiert. Die von der Beigeladenen zu 5) erhobenen Nebenforderungen hätten keine Rolle gespielt. Die daraus zwangsläufig resultierende Schlußfolgerung, nämlich die Feststellung des Ruhens der Kug-Ansprüche, sei vom LSG indes nicht gezogen worden.

Schließlich habe die angefochtene Verwaltungsentscheidung nicht gegen Art 69 Buchst i des Übereinkommens Nr 102 der Internationalen Arbeitsorganisation verstoßen. Die Spruchpraxis des zuständigen Sachverständigenausschusses habe es für nicht unvereinbar mit dem Übereinkommen erklärt, "wenn die Aussetzung der Arbeitslosenunterstützung sich auf Arbeitnehmer beschränke, die an dem Arbeitskampf beteiligt seien oder deren Arbeitsbedingungen von dessen Ausgang beeinflußt sein könnten." Dies sei vorliegend der Fall.

Die Beklagte beantragt,

  die Urteile des LSG und des SG aufzuheben und   die Klage abzuweisen.

Die Beigeladenen zu 1) bis 4) machen mit ihren Revisionen eine Verletzung von Art 9 Abs 3 GG, § 116 Abs 1, Abs 3 Satz 1 Nrn 1 und 2 AFG sowie § 116 Abs 3 Satz 2 AFG iVm § 4 NeutrA geltend. Ergänzend bringen sie vor:

Das LSG habe, statt von der in Art 9 Abs 3 GG und § 116 Abs 1 AFG verankerten Neutralitätspflicht der BA auszugehen, eine von vornherein unzulässig verengte Interpretation der Ruhenstatbestände des § 116 Abs 3 Satz 1 Nrn 1 und 2 AFG zum Ausgangspunkt seiner Überlegungen genommen. Zudem habe es nicht der Rechtsprechung des BAG zum Arbeitskampfrisiko (Art 9 Abs 3 GG) und zum Wegfall der Arbeitsentgeltansprüche (§ 615 Bürgerliches Gesetzbuch -BGB-) hinreichend Beachtung geschenkt.

Der Ruhenstatbestand des § 116 Abs 3 Satz 1 Nr 1 AFG (Abzieltatbestand) sei nach Wortlaut, Systematik, Sinnzusammenhang und Entstehungsgeschichte verwirklicht. Der Begriff des Abzielens erfordere nicht, daß der Betrieb, in dem der Arbeitnehmer zuletzt beschäftigt gewesen sei, im umkämpften Tarifgebiet gelegen sei. Die Gesetzessystematik sei vom LSG zu Unrecht nicht gewürdigt worden; Grundregel bleibe, daß durch die Gewährung von Kug nicht in Arbeitskämpfe eingegriffen werden dürfe (§ 116 Abs 1 AFG). Der Wortsinn des § 116 Abs 3 Satz 1 Nr 1 AFG sei vom LSG zu eng gewertet worden. Ausschlaggebendes Kriterium sei die Wahrscheinlichkeit der Beteiligung am Arbeitskampfergebnis. Auf dieses Ziel sei der Arbeitskampf der Beigeladenen zu 5) im Jahre 1984 angelegt gewesen. Die Entstehungsgeschichte des § 116 Abs 3 Satz 1 Nr 1 AFG sei vom LSG zu stark gewichtet worden. Diese Norm trage die typischen Züge eines Formelkompromisses. Mit dem aus den Gesetzgebungsmaterialien abgeleiteten Regel-Ausnahme-Verhältnis sowie dem Erfordernis der wahrscheinlichen Übernahme des Kampfergebnisses habe das LSG den Abzieltatbestand faktisch außer Kraft gesetzt.

Der Ruhenstatbestand des § 116 Abs 3 Satz 1 Nr 2 AFG (Beeinflussungstatbestand) sei gleichfalls realisiert. Nach Wortlaut, Systemzusammenhang sowie Sinn und Zweck sei eine vom Arbeitskampfrecht losgelöste Beurteilung der Beeinflussung von Arbeitskämpfen nicht möglich. Das Recht der Arbeitslosenversicherung habe die Regeln des kollektiven Arbeitsrechts zu respektieren. Das LSG habe diesen Zusammenhang nicht berücksichtigt. Der Beeinflussungstatbestand stelle eine Generalklausel und nicht eine enge Ausnahme in dem Sinne dar, daß die BA ihre Leistungen im Regelfall zu erbringen habe. Unrichtig sei es folglich, eine Beeinflussung nur anzunehmen, wenn die Gewährung von Leistungen in einem rechtlich oder tatsächlich wesentlichen Umfang die jeweilige Position bzw Situation der kämpfenden Tarifpartner zu ändern vermöge. Entscheidend sei die Würdigung des jeweils konkreten Arbeitskampfes. Im vorliegenden Fall hätte die Gewährung von Kug den Arbeitskampf nach der von der Beklagten anzustellenden Prognose eindeutig zugunsten der Beigeladenen zu 5) beeinflußt. Diese wäre nach eigenen Bekundungen von einem ungeheuren Binnendruck befreit worden. Ohne die Kug-Gewährung hätte sie auf schnelle Beendigung des Arbeitskampfes bedacht sein oder aber den Streik ausweiten und die Streikkasse für ihre mittelbar betroffenen Mitglieder im Unterwesergebiet öffnen müssen. Wenn nicht die von der Beigeladenen zu 5) im Arbeitskampf 1984 angewandte Minimax-Strategie zum Ruhen der Leistungsansprüche führe, seien Anwendungsfälle des § 116 AFG nicht mehr denkbar. Zu Unrecht habe das LSG die Kostenbelastung der Beigeladenen zu 1) für irrelevant erklärt, die im Ergebnis 50 vH der Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung ausmache. Verfassungsrechtlich sei die Auffassung des LSG deswegen zu beanstanden, weil sie die Neutralitätspflicht der BA entgegen Art 9 Abs 3 GG und § 116 Abs 1, Abs 3 Satz 1 Nrn 1 und 2 AFG außerhalb der umkämpften Tarifgebiete praktisch aufhebe.

Schließlich halte die Auffassung des LSG, daß "gleiche" Forderungen iS des Ruhenstatbestandes des § 116 Abs 3 Satz 2 AFG iVm § 4 NeutrA nur "identische" Forderungen seien, einer rechtlichen Überprüfung nicht stand, sofern in § 4 NeutrA eine abschließende Regelung des Abzieltatbestandes (§ 116 Abs 3 Satz 1 Nr 1 AFG) erblickt werde. Die Auslegung des § 4 NeutrA könne an der rechtlichen Wertung der Gesetzeslage nicht vorbeigehen. Bleibe § 116 Abs 3 Satz 1 Nr 1 AFG neben § 4 NeutrA anwendbar, sei die Auslegung der letztgenannten Vorschrift, selbst wenn sie eng vorgenommen werde, für das Entscheidungsergebnis nicht maßgebend.

Die Beigeladenen zu 1) bis 4) beantragen,

das Urteil des LSG aufzuheben und unter Abänderung des Urteils des SG die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revisionen der Beklagten und der Beigeladenen zu 1) bis 4) zurückzuweisen.

Er hält die Entscheidung des LSG für zutreffend und erwidert:

Das Ruhen der Kug-Ansprüche gemäß den §§ 4, 5 NeutrA scheitere daran, daß unter "gleichen" Forderungen nur "identische" Forderungen zu verstehen seien. Solche Forderungen seien in den Tarifgebieten Nordwürttemberg-Nordbaden, Hessen sowie im Unterwesergebiet nicht erhoben worden. Die tariflichen Nebenforderungen hätten nicht unerhebliche Unterschiede aufgewiesen.

Selbst bei Annahme der Nichtigkeit des § 4 NeutrA und einem Rückgriff auf die gesetzlichen Ruhenstatbestände sei die Klage begründet. Es fehle an einem Ruhenstatbestand iS des § 116 Abs 3 Satz 1 AFG. Das vom LSG mit der Entstehungsgeschichte des § 116 AFG und der Stellung der Beklagten begründete Regel-AusnahmeVerhältnis halte einer rechtlichen Überprüfung stand. Weder die verfassungsrechtliche Bedeutung des Art 9 Abs 3 GG noch die Tragweite des Eingriffsverbotes des § 116 Abs 1 AFG seien verkannt worden. Von einem Eingriff in den Arbeitskampf könne allenfalls dann die Rede sein, wenn die Fähigkeit, einen wirkungsvollen Arbeitskampf zu führen, beeinträchtigt werde. Das treffe hier nicht zu.

Der Ruhenstatbestand des § 116 Abs 1 Satz 1 Nr 1 AFG (Abzieltatbestand) sei auf den fachlichen und räumlichen Geltungsbereich des umkämpften Tarifvertrages begrenzt. Eine Ausnahme bilde der Modellarbeitskampf. Er setze ua voraus, daß die Übernahme des im umkämpften Tarifbezirk erzielten Kampfergebnisses gesichert sei. Die Meinung des LSG, daß insoweit die Wahrscheinlichkeit einer Übernahme ausreiche, sei nicht haltbar. Der von den Beigeladenen zu 1) bis 4) betonte Partizipationsgedanke dürfe nicht zu einer Ausdehnung des Abzieltatbestandes führen. Er habe erst 1986 in das Gesetz Eingang gefunden und sei der Sache nach deutlich erweitert worden.

Der Ruhenstatbestand des § 116 Abs 3 Satz 1 Nr 2 AFG (Beeinflussungstatbestand) dürfe nicht entsprechend der Rechtsprechung des BAG zur arbeitskampfbedingten Lohnrisiko-Abwälzung extensiv ausgelegt werden, da § 116 AFG eine sozialrechtliche Norm sei, die gerade dem Schutz arbeitskampfbetroffener Arbeitnehmer diene. Dem Beeinflussungstatbestand wohne, obwohl als Generalklausel gedacht, Ausnahmecharakter inne. Deshalb könne nicht jede Art der Beeinflussung, die die Kampfparität tangiere, zum Ruhen der Leistungsansprüche führen. Entscheidend sei, ob die Gewährung der Lohnersatzleistung in rechtlich oder tatsächlich wesentlichem Umfang die jeweilige Situation der kämpfenden Tarifparteien zu ändern vermöge. Das sei vorliegend, wie das LSG zutreffend dargelegt habe, unter keinem Aspekt der Fall. Insbesondere sei die Beigeladene zu 5) nicht von einem wie immer gearteten "Binnendruck" entlastet worden. Mittelbar betroffene Arbeitnehmer außerhalb des Arbeitskampfgebietes hätten - selbst als Gewerkschaftsmitglieder - keinen Einfluß auf die Kampfführung. Die Betriebsstillegung sei für sie ein unabwendbares Ereignis, das dem gesetzlichen Versicherungsschutz unterfalle.

Die Beigeladene zu 5) schließt sich dem Antrag und den Ausführungen des Klägers an. Ergänzend beschreibt sie (unter Einbeziehung von Literatur) die Entwicklung der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung zur Frage des Lohnrisikos in mittelbar kampfbetroffenen Betrieben und trägt vor, die arbeitskampfrechtlichen Erwägungen zum Vergütungsanspruch seien ausschließlich im Rahmen der §§ 63 ff AFG zu berücksichtigen. Sie dürften sich im Rahmen der Ruhenstatbestände des § 116 Abs 3 AFG nicht noch einmal zu Lasten der Arbeitnehmer auswirken. Entstehungs- und Ruhenstatbestand des Kug seien nicht identisch. Die arbeitskampfrechtliche Problematik lasse sich über die Begriffe der Neutralität und der Parität nicht auf die Ruhensvorschriften des § 116 Abs 3 AFG übertragen. Die Pflicht zu passiver Neutralität bedeute nicht, daß die BA in einem Arbeitskampf Leistungen möglichst weitgehend zu verweigern habe, sondern daß sie sich nicht durch wertende Entscheidungen ihrer historisch gewachsenen Position als neutraler Sachwalterin begebe. Vorliegend habe die Beklagte nicht den konkreten Lebenssachverhalt unter die gesetzlichen Vorschriften subsumiert. Sie habe vielmehr für die Arbeitgeberseite Partei ergriffen und durch Nichtgewährung von Leistungen in den Arbeitskampf eingegriffen (§ 116 Abs 1 AFG).

Der Abzieltatbestand (§ 116 Abs 3 Satz 1 Nr 1 AFG) komme nur beim sog Modellarbeitskampf zum Tragen. Davon könne nur dann gesprochen werden, wenn die Tarife in anderen Tarifgebieten ebenfalls gekündigt und dort die gleichen Forderungen erhoben worden seien; ferner müßten die anderen Tarifpartner von vornherein die Absicht haben, den erkämpften Tarifvertrag inhaltlich zu übernehmen. Diese Voraussetzungen seien hier nicht erfüllt. Es seien unterschiedliche Forderungen gestellt worden; auch habe auf seiten der Arbeitgeber keineswegs die Absicht bestanden, den erkämpften Tarifvertrag zu übernehmen. Die in der Literatur vertretene Ansicht, es bestehe nach Interessenlage und bisheriger Erfahrung eine hohe Wahrscheinlichkeit, daß ein erkämpftes Tarifergebnis in den anderen Tarifgebieten der gleichen Branche vor allem dann übernommen werde, wenn sich die zentralen Tarifforderungen deckten, werde durch die Praxis widerlegt. Wäre es richtig, daß erkämpfte Tarifverträge auf nicht umkämpfte Tarifgebiete ohne weiteres übertragen würden, fänden die großen Unterschiede in den Tarifverträgen keine Erklärung. Schließlich seien die Forderungen, die im Arbeitskampf 1984 neben der Forderung nach Einführung der 35-Stunden-Woche erhoben worden seien, keineswegs ohne Bedeutung. Neben der täglichen Arbeitszeit, der Begrenzung der Mehrarbeit, den Überstundenzuschlägen, der Abgeltung von Überstunden durch Freizeit, den betrieblichen Mitbestimmungsregeln zu menschlichen Arbeitsbedingungen seien Löhne, Gehälter, Ausbildungsvergütungen sowie geänderte Kündigungsregelungen gefordert worden. Es gehe nicht an, aus einem umfangreichen Forderungskatalog unterschiedlicher Art nur eine, für sich gesehen nicht hinreichend bestimmte Forderung herauszunehmen und mit einer entsprechenden, aber auf anderer Grundlage aufbauenden und von anderer Seite aufgestellten Forderung lediglich äußerlich zu vergleichen.

II

Die Revisionen sind zulässig, jedoch nicht begründet.

A.

1. Alle fünf Revisionen erfüllen die an eine zulässige Revision zu stellenden Anforderungen. Sie sind frist- und formgerecht eingelegt und ordnungsgemäß begründet worden (§ 164 SGG). Die Rechtsmittelführer haben an der Durchführung des Revisionsverfahrens auch ein Rechtsschutzinteresse. Sie sind durch das Urteil des LSG beschwert.

Für die Zulässigkeit der Revision der Beklagten genügt die formelle Beschwer (vgl dazu etwa Kopp, VwGO, 7. Aufl 1986, vor § 124 Rz 40; Peters/Sautter/Wolff, Komm zur Sozialgerichtsbarkeit, 4. Aufl , Stand September 1989, § 143 Rz 20 jeweils mwN). Diese liegt vor, da die Beklagte vor dem LSG mit ihrem Antrag, das Urteil des SG aufzuheben und die Klage abzuweisen, nicht durchgedrungen ist. Die Beklagte ist zudem materiell beschwert; sie erhält, wird das Urteil des LSG rechtskräftig, das bereits geleistete Kug nicht zurück.

Bei Beigeladenen ist die Zulässigkeit des Rechtsmittels davon abhängig, ob sie materiell beschwert sind (vgl dazu etwa BVerwGE 31, 233, 235; 37, 43 f; 47, 19 f; 64, 67, 69; Meyer-Ladewig,SGG, 3. Aufl 1987 vor § 143 Rz 8; Peters/Sautter/Wolff, aaO, § 143 Rz 21). Für die Beigeladene zu 1) folgt die Beschwer ohne weiteres aus dem Urteil des LSG. Abgesehen davon, daß die Beigeladene zu 1) dem ArbA die Voraussetzungen für die Gewährung von Kug nachzuweisen und die Leistungen kostenlos zu errechnen und auszuzahlen hatte (§ 72 Abs 3 Sätze 1 und 2 AFG), muß sie damit rechnen, als Folge des LSG-Urteils für ihre kurzarbeitenden Arbeitnehmer in bezug auf Beiträge zur Kranken- und Rentenversicherung in Anspruch genommen zu werden; diese Aufwendungen werden durch die von der BA zu gewährenden Zuschüsse lediglich in Höhe von rund 50 vH aufgefangen (§§ 163 Abs 2, 166 Abs 3 AFG).

Ferner sind die Beigeladenen zu 3) und 4) durch das Urteil des LSG materiell beschwert, dh in ihren rechtlichen Interessen nachteilig berührt. Nach dem Urteil des LSG hat die Beklagte den Arbeitnehmern des Werks Bremen der Beigeladenen zu 1) das für Arbeitsausfälle während der Arbeitskämpfe in Nordwürttemberg-Nordbaden und Hessen vorläufig gezahlte Kug im Ergebnis endgültig zu belassen, weil die Gewährung von Kug in die Arbeitskämpfe nicht eingreife. Diese Entscheidung berührt nicht nur die wirtschaftlichen und arbeitskampftaktischen Interessen der Beigeladenen zu 3) und 4), die in den beiden Arbeitskämpfen Tarifvertrags- und Arbeitskampfparteien waren, sondern auch ihre rechtlichen Interessen; denn mit dem Verbot an die BA, durch die Gewährung von Kug in Arbeitskämpfe einzugreifen (§§ 70, 116 Abs 1 AFG in der hier anzuwendenden Fassung vom 25. Juni 1969 -BGBl I 582 -), korrespondiert das - subjektive - Recht der kämpfenden Tarifpartner auf Einhaltung der hier angesprochenen Neutralität (BSGE 40, 190, 195 = SozR 4100 § 116 Nr 1; Gagel in Gagel, Komm zum AFG, Stand Januar 1990, § 116 Rz 81).

Schließlich ist der Beigeladene zu 2) durch das Urteil des LSG materiell beschwert. Allerdings war er an den Arbeitskämpfen nicht selbst beteiligt. Indessen kann auch er geltend machen, in seinem Recht auf Einhaltung der Neutralität durch die BA nachteilig berührt zu sein. Das ergibt sich aus folgenden Erwägungen:

Das Grundrecht der Koalitionsfreiheit (Art 9 Abs 3 GG) schließt ua die Wahl der Organisationsform ein (Kittner in Komm zum Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 2. Aufl 1989, Art 9 Rz 58 ff; Scholz in Maunz/Dürig/Herzog, Grundgesetz, Stand Dezember 1989, Art 9 Rz 202; v. Münch in Komm zum Bonner Grundgesetz, Stand Mai 1990, Art 9 Rz 143 f). Während die Gewerkschaften die Organisationsform des nicht rechtsfähigen Vereins bevorzugen, haben sich die Arbeitgeber zumeist in rechtsfähigen Vereinen organisiert, und zwar auf Regional-, Landes- und Bundesebene. Das trifft im wesentlichen auch auf die Arbeitgeber der Eisen- und Metallindustrie zu. Ihr Fachspitzenverband ist der Beigeladene zu 2), bei dem jeder Arbeitgeberverband der Eisen- und Metallindustrie Mitglied werden kann, der sich - von gewissen Ausnahmen abgesehen - mindestens über das Gebiet eines Landes erstreckt (§ 3 der Satzung). Sein Zweck ist darauf gerichtet, alle sozialrechtlichen und sozialpolitischen Belange der Eisen- und Metallindustrie sowie verwandter Industrien zu wahren, die von grundsätzlicher Bedeutung sind. Daneben hat er die Aufgabe, den sozialpolitischen und tarifpolitischen Erfahrungs- und Nachrichtenaustausch seiner Mitglieder zu fördern und ein einheitliches Vorgehen in allen Fragen von allgemeinem Interesse zu sichern (§ 2 Nr 1 der Satzung). Zudem hat er sich zum Ziel gesetzt, die gemeinsamen fachlichen Belange seiner Mitglieder ua gegenüber den Gewerkschaften zu vertreten (§ 2 Nr 2 der Satzung). Insbesondere aufgrund der letztgenannten Zielsetzung obliegt ihm bei Tarifauseinandersetzungen die Funktion der Koordination der Interessen seiner Mitgliedsverbände. Dieser Aufgabenstellung von Fachspitzenverbänden hat der Gesetzgeber im Rahmen des Gesetzes zur Sicherstellung der Neutralität der BA bei Arbeitskämpfen vom 15. Mai 1986 (BGBl I 740) solches Gewicht beigemessen, daß er ihnen eine eigene Klagebefugnis gegen die Entscheidungen des Neutralitätsausschusses (§ 206a AFG) sowie die Möglichkeit eines Antrags auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung eingeräumt hat, auch wenn sie nicht zu den unmittelbar am Arbeitskampf beteiligten Tarifvertragsparteien gehörten (§ 116 Abs 6 Sätze 1 und 6 AFG). Das rechtfertigt es, davon auszugehen, daß der Beigeladene zu 2) hier wie die Beigeladenen zu 3) und 4) durch das Urteil des LSG in einer schützenswerten Rechtsposition betroffen ist.

2. In der Revisionsinstanz fortwirkende Verstöße der Vorinstanzen, die das Revisionsgericht bei einer zulässigen Revision von Amts wegen zu berücksichtigen hat (BSGE 1, 227, 230), liegen nicht vor.

Die Berufungen der Beklagten und der Beigeladenen zu 1) bis 4) waren, wie das LSG zutreffend entschieden hat, zulässig (§ 143 SGG). Zwar ist die Berufung gemäß § 144 Abs 1 Nr 2 SGG nicht zulässig bei Ansprüchen auf wiederkehrende Leistungen für einen Zeitraum bis zu dreizehn Wochen (drei Monaten); hier sind Kug-Ansprüche, die als wiederkehrende Leistungen zu qualifizieren sind (Meyer-Ladewig, aaO, § 144 Rz 8; Peters/Sautter/Wolff, aaO, § 144 Rz 36), für einen Zeitraum von weniger als dreizehn Wochen (drei Monaten) im Streit. Doch ist die Berufung deshalb zulässig, weil sie vom SG im Urteil zugelassen worden ist (§ 150 Nr 1 Halbs 1 SGG). Dazu reicht die Zulassung in den Entscheidungsgründen jedenfalls dann aus, wenn sie - wie hier - eindeutig zum Ausdruck gebracht worden ist (BSGE 2, 245, 246 f; 4, 261, 263; 8, 154, 158; BSG SozR 1500 § 161 Nr 16).

Die Klage ist zulässig.

Gegenstand des Verfahrens ist, wie von den Vorinstanzen richtig gesehen, ausschließlich der Bescheid vom 6. Juli 1984 (III 2-415/00) in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Juli 1984, durch den die Beklagte es abgelehnt hat, den vom Arbeitsausfall betroffenen Arbeitnehmern im Bremer Werk der Beigeladenen zu 1) für die Zeit vom 15. Juni bis 2. Juli 1984 Kug zu gewähren, da der Anspruch gemäß § 70 iVm § 116 Abs 3 AFG und den §§ 4 und 5 NeutrA ruhe. Die weiteren Bescheide der Beklagten sind nicht Verfahrensgegenstand geworden. Durch sie ist der Bescheid vom 6. Juli 1984 (III 2-415/00) in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Juli 1984 weder während des Vorverfahrens abgeändert (§ 86 Abs 1 Halbs 1 SGG) noch nach Klageerhebung abgeändert oder ersetzt worden (§ 96 Abs 1 SGG). Es handelt sich vielmehr um Ausführungsbescheide, die aufgrund der einstweiligen Anordnung des LSG vom 22. Juni 1984 erteilt worden und wegen ihres vorläufigen Regelungscharakters nicht in den Rechtsstreit einbezogen sind. Dies ist für Bescheide, mit denen in Ausführung eines Urteils nach § 154 Abs 2 SGG für die Zeit vom Erlaß des Urteils an Leistungen bewilligt werden, anerkannt (BSGE 9, 169; BSG SozR 1500 § 96 Nr 12; Meyer-Ladewig, aaO, § 96 Rz 10; Peters/Sautter/Wolff, aaO, § 96 Anm 1 b aE). Es gilt erst recht für Bescheide, durch die in Ausführung einer einstweiligen Anordnung Leistungen zugesprochen werden. Sie teilen das Schicksal der ihnen zugrunde liegenden einstweiligen Anordnung, die spätestens mit Rechtskraft der Entscheidung in der Hauptsache hinfällig wird.

Zu den Ausführungsbescheiden, die aufgrund des Beschlusses des LSG vom 22. Juni 1984 ergangen und nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens geworden sind, zählt der Bescheid vom 25. Juni 1984, durch den das ArbA die Voraussetzungen für die Gewährung von Kug ab 15. Juni 1984 vorläufig anerkannt, sowie der Bescheid vom 29. Juni 1986, durch den es (auf Antrag des Klägers) der Beigeladenen zu 1) für den Zeitraum vom 15. bis 29. Juni 1984 eine Abschlagszahlung auf Kug in Höhe von 2.323.656,-- DM zugebilligt hat. Dazu rechnet ferner der Bescheid vom 6. Juli 1984 (III 415/00) in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. August 1984, durch den sich das ArbA (für die Zeit vom 18. Mai bis 14. Juni 1984) bereit erklärt hat, Kug sowie Zuschüsse zu den Beiträgen für die Kranken- und Rentenversicherung der Kurzarbeiter zu zahlen, sowie der Bescheid vom 9. Juli 1984, durch den es der Beigeladenen zu 1) für den Zeitraum vom 18. Mai bis 14. Juni 1984 eine Abschlagszahlung auf Kug in Höhe von 3.056.000,-- DM zuerkannt hat. Dazu gehören endlich der Bescheid vom 15. August 1984, durch den es die Höhe des Kug nebst Zuschüssen zur Kranken- und Rentenversicherung für die Zeit vom 18. Mai bis 30. Juni 1984 auf 8.127.207,96 DM (abzüglich der Abschlagszahlungen von 5.379.656,-- DM) festgesetzt hat, der Bescheid vom 5. September 1984, durch den es den Bewilligungszeitraum bis zum 3. Juli 1984 erweitert hat mit der Folge, daß weitere 321.215,66 DM zu leisten waren, und der Bescheid vom 25. April 1985, durch den es zugunsten der Beigeladenen zu 1) eine Berichtigung in Höhe von 50.336,76 DM vorgenommen hat. Diese Bescheide sind unter dem Vorbehalt der Rückzahlung für den Fall erlassen worden, daß die Rechtsauffassung der BA - Ruhen der Ansprüche der mittelbar vom Arbeitskampf betroffenen Arbeitnehmer auf Kug gemäß §§ 70, 116 Abs 3 AFG iVm §§ 4, 5 NeutrA - durch eine höchstrichterliche oder andere rechtskräftige Entscheidung bestätigt werde. Daß der Bescheid vom 25. April 1985 nicht ausdrücklich mit einer Vorbehaltsklausel versehen worden ist, rechtfertigt keine andere Betrachtung. Aufgrund seines inneren Zusammenhanges mit den Abrechnungsbescheiden vom 15. August und 5. September 1984 ist auch ihm ein vorläufiger Regelungswille zu entnehmen.

Unerheblich ist, daß die vorerwähnten Ausführungsbescheide nach ihrem Inhalt zum Teil über den Tenor des Beschlusses des LSG vom 22. Juni 1984 hinausreichen und sich auf die Zeit vom 18. Mai bis 14. Juni 1984 sowie auf den 3. Juli 1984 beziehen. Ihr vorläufiger Regelungscharakter wird dadurch nicht in Frage gestellt. Im übrigen haben sich die Beteiligten im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem LSG damit einverstanden erklärt, daß etwaige Ansprüche auf Kug für die Zeit vom 18. Mai bis 14. Juni 1984 sowie für den 3. Juli 1984 aus dem Rechtsstreit ausgeklammert und entsprechend dem Ergebnis des rechtskräftigen Verfahrens behandelt werden sollten. Daran ist das Gericht, das über das Klagebegehren nicht hinausgehen darf, gebunden (Eyermann/Fröhler, VwGO, 9. Aufl 1988, § 88 Rz 2; Meyer-Ladewig, aaO, § 123 Rz 4; Peters/Sautter/Wolff, aaO, § 123 Anm 3; Redeker/v. Oertzen, VwGO, 9. Aufl 1988, § 88 Rz 2).

Richtige Klageart ist entgegen der Ansicht der Vorinstanzen nicht die Anfechtungs-, sondern die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 SGG). Der Bescheid vom 6. Juli 1984 (III 2-415/00) beinhaltet, wie das LSG zu Recht ausführt, zwei Verfügungssätze. Zum einen anerkennt er, daß die allgemeinen und betrieblichen Voraussetzungen für die Gewährung von Kug (§§ 63, 64 AFG) dem Grunde nach erfüllt sind. Zum anderen lehnt er die Gewährung von Kug für die Zeit vom 15. Juni bis 2. Juli 1984 mit dem Hinweis ab, daß der Anspruch gemäß § 70 iVm § 116 Abs 3 AFG und den §§ 4 und 5 NeutrA ruhe. Danach hätte der Kläger, um die Gewährung von Kug zu erreichen, grundsätzlich die verbundene Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 4 SGG) erheben müssen (Einzelheiten dazu in BSGE 65, 238 = SozR 4100 § 72 Nr 11; BSGE 65, 272 = SozR 4100 § 78 Nr 8). Vorliegend besteht indes die Besonderheit, daß die Beklagte die begehrten Leistungen bereits unter Vorbehalt erbracht hat. Richtige Klageart ist daher allein die verbundene Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 SGG). Der Verpflichtungsantrag des Klägers vor dem SG hätte mithin dahin gehen müssen, die Beklagte zu verurteilen, den im Bremer Werk der Beigeladenen zu 1) vom Arbeitskampf betroffenen Arbeitnehmern Kug für die Zeit vom 15. Juni bis 2. Juli 1984 ohne Vorbehalt zu gewähren.

Der vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem SG gestellte Antrag enthält nach seinem Wortlaut ein solches Verpflichtungsbegehren nicht; der Kläger hat dort lediglich beantragt, den Bescheid vom 6. Juli 1984 (III 2-415/00) in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Juli 1984 insoweit aufzuheben, als die Gewährung von Kug an die vom Arbeitsausfall betroffenen Arbeitnehmer der Beigeladenen zu 1), Werk Bremen, abgelehnt werde. Müßte dies als gewollte Beschränkung auf die reine Anfechtungsklage verstanden werden, wäre seine Klage unzulässig; denn mit der bloßen Anfechtungsklage kann er sein eigentliches Klageziel, das Behaltendürfen des Kug durch die betroffenen Arbeitnehmer, nicht erreichen. Insoweit liegt ein Unterschied zu den Fällen vor, in denen ein Bewilligungsbescheid aufgehoben wurde; dessen Wiederherstellung kann in vollem Umfang mit der reinen Anfechtungsklage bewirkt werden (BSGE 48, 33, 34 = SozR 4100 § 44 Nr 19). Dennoch ist die Klage nicht als unzulässig zu erachten. Der bei Klageerhebung am 10. August 1984 formulierte Antrag des Klägers läßt nämlich erkennen, daß das Klagebegehren von Anfang an auf die Gewährung, hilfsweise das Behaltendürfen des Kug ausgerichtet war. Es scheint, daß der Kläger diesen Antrag erst in der mündlichen Verhandlung auf Anregung des SG fallengelassen hat. Das darf ihm nicht zum Nachteil gereichen. Es ist deshalb gemäß § 123 SGG davon auszugehen, daß der Kläger sich der zulässigen Klageart bedient hat (BSGE 66, 94, 96 = SozR 4100 § 119 Nr 36). Allerdings kommt eine Verurteilung der Beklagten zur vorbehaltslosen Gewährung von Kug jetzt nicht mehr in Betracht; denn der Kläger hat keine Berufung eingelegt. Die Berufung der Beklagten kann nicht zu ihrer Schlechterstellung gegenüber dem erstinstanzlichen Urteil führen (BSG vom 25. März 1987 - 7 RAr 95/85 -, vom 13. Mai 1987 - 7 RAr 38/86 - sowie BSG SozR 3-4100 § 103 Nr 3).

Der Kläger ist auch klagebefugt (§ 54 Abs 1 Satz 2 SGG). Er ist zwar durch die Ablehnung des Kug nicht selbst beschwert. Beschwert sind jedoch die kurzarbeitenden Arbeitnehmer, als deren Prozeßstandschafter der Betriebsrat klagen kann (BSGE 38, 94, 95 = SozR 1500 § 75 Nr 4; BSGE 38, 98, 99 = SozR 4100 § 69 Nr 1; BSG SozR 4100 § 68 Nr 3; BSGE 67, 11, 13 = SozR 3-4100 § 63 Nr 1; Bieback in Gagel, aaO, § 72 Rz 55; Ketelsen in Knigge/Ketelsen/Marschall/Wittrock, Komm zum AFG, 2. Aufl 1988, § 72 Rz 36). Die Ausübung der Prozeßstandschaft ist, worauf das LSG zutreffend hinweist, nicht etwa durch die in § 74 Abs 2 BetrVG verankerte Friedenspflicht ausgeschlossen. Danach haben Arbeitgeber und Betriebsrat Betätigungen zu unterlassen, durch die ua der Frieden des Betriebes beeinträchtigt wird (§ 74 Abs 2 Satz 2 BetrVG). Die Anzeige des Arbeitsausfalls, der Antrag auf Gewährung von Kug sowie die prozessuale Geltendmachung von Kug-Ansprüchen durch die Betriebsvertretung verstoßen nicht gegen die Friedenspflicht. Der Bestimmung des § 74 Abs 2 BetrVG unterfallen nur die aus dem betriebsverfassungsrechtlichen Schuldverhältnis erwachsenden Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats (Heinze, DB 1982, Beilage Nr 23, S 1, 7 ff). Auch kann die Wahrnehmung solcher Befugnisse nicht als unzulässiger Druck oder Zwang gegenüber dem Arbeitgeber angesehen werden, die der Gesetzgeber der Betriebsvertretung - wenn auch außerhalb der Betriebsverfassung - ausdrücklich zugesteht.

Schließlich steht der Entscheidung in der Sache nicht das Prozeßhindernis anderweitiger Rechtshängigkeit (§ 94 Abs 2 SGG) entgegen. Richtig ist, daß in einem anderen - ebenfalls vor dem erkennenden Senat anhängigen - Verfahren Klage gegen die BA ua mit dem Antrag erhoben worden ist, festzustellen, daß der als Schnellbrief bezeichnete Runderlaß des Präsidenten der BA vom 18. Mai 1984 (sog Franke-Erlaß) rechtswidrig gewesen sei. Jene Klage ist am 18. Juli 1984 (vor dem SG Frankfurt/M) eingelegt worden; hier ist die Klageerhebung am 10. August 1984 erfolgt. Indessen handelt es sich nicht, wie für den Einwand der Rechtshängigkeit erforderlich, um zwei Verfahren zwischen denselben Beteiligten über denselben Streitgegenstand (Meyer-Ladewig, aaO, § 94 Rz 7; Peters/Sautter/Wolff, aaO, § 94 Anm 3). Es fehlt bereits an denselben Beteiligten. In dem anderen Verfahren ist die hier Beigeladene zu 5) Klägerin; der Kläger des vorliegenden Rechtsstreits ist nicht beteiligt, auch nicht die in Bremen beschäftigten Arbeitnehmer, für die der Kläger als Prozeßstandschafter handelt. Darüber hinaus sind die Streitgegenstände unterschiedlich. Während vorliegend Ansprüche von in Bremen beschäftigten Arbeitnehmern auf Kug streitig sind, macht die Beigeladene zu 5) in dem anderen Verfahren als Klägerin geltend, der sog Franke-Erlaß sei rechtswidrig und verletze sie in ihren Rechten als Arbeitskampfpartei. Weder Klageantrag noch Klagegrund stimmen überein. Daß ggf gleiche Rechtsfragen zu behandeln sind, ist unerheblich.

B.

Die sonach zulässigen Revisionen der Beklagten und der Beigeladenen zu 1) bis 4) sind nicht begründet.

1. Die im Bremer Werk der Beigeladenen zu 1) tätigen Arbeitnehmer haben für den hier streitigen Zeitraum (15. Juni bis 2. Juli 1984) dem Grunde nach Anspruch auf Kug. Die allgemeinen und betrieblichen Voraussetzungen (§§ 63, 64 Abs 1 AFG) sind von der Beklagten durch den Bescheid vom 6. Juli 1984 (III 2-415/00) in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Juli 1984 anerkannt worden. Die Anerkennung datiert aus der Zeit nach Ablauf des Gewährungszeitraumes. Es ist sonach davon auszugehen, daß die allgemeinen und betrieblichen Voraussetzungen so eingetreten sind, wie es nach der Anzeige über Arbeitsausfall vom 11. Mai 1984 erwartet wurde (vgl dazu etwa BSG SozR 4100 § 66 Nr 1). Desgleichen sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, daß sie nachträglich weggefallen sein könnten.

Darüber hinaus sind die persönlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Kug verwirklicht. Insbesondere stand den im Bremer Werk der Beigeladenen zu 1) beschäftigten Arbeitnehmern, wie in § 65 Abs 1 Nr 2 und Abs 3 AFG verlangt, für die streitige Zeit kein Anspruch auf Arbeitsentgelt zu. Das ergibt sich aus der Rechtsprechung des BAG. Danach ist das Betriebs- und Wirtschaftsrisiko zwar grundsätzlich vom Arbeitgeber zu tragen. Das gilt jedoch nicht uneingeschränkt bei Störungen, die auf einem Streik in einem anderen Betrieb beruhen und die Fortsetzung des Betriebs ganz oder teilweise unmöglich oder wirtschaftlich unzumutbar machen. Können diese Fernwirkungen eines Streiks das Kräfteverhältnis der kämpfenden Parteien beeinflussen, so tragen beide Seiten das Arbeitskampfrisiko. Das bedeutet für die betroffenen Arbeitnehmer, daß sie für die Dauer der Störung keine Beschäftigungs- und Vergütungsansprüche haben. Ein solcher Fall ist ua dann anzunehmen, wenn die für den mittelbar betroffenen Betrieb zuständigen Verbände mit den unmittelbar kampfführenden Verbänden identisch oder doch organisatorisch eng verbunden sind (BAGE 34, 331 = AP Nr 70 zu Art 9 GG Arbeitskampf; BAGE 34, 355 = AP Nr 71 zu Art 9 GG Arbeitskampf). Letzteres trifft hier zu.

Die Rechtsprechung des BAG zum Arbeitskampfrisiko ist teils auf Zustimmung (vgl dazu etwa Baumann, Arbeitskampf, Staatsneutralität und Arbeitslosenversicherung, 1986, S 14; Hanau in Erman, Komm zum BGB, 8. Aufl 1989, § 615 Rz 57; Schaub, ArbeitsrechtsHandbuch, 6. Aufl 1987, § 101 III 2; Rüthers in Brox/Rüthers, Arbeitskampfrecht, 2. Aufl 1982, Rz 173; Scholz/Konzen, Die Aussperrung im System von Arbeitsverfassung und kollektivem Arbeitsrecht, 1980, S 215 jeweils mwN), teils auf Ablehnung gestoßen (vgl dazu etwa Colneric in Däubler, Arbeitskampfrecht,2. Aufl 1987, Rz 630 ff; Dütz, Anm zu BAG vom 22. 12. 1980, EzA § 615 BGB Betriebsrisiko Nr 8; Kittner, AuR 1981, 301; Linnenkohl/Rauschenberg, AuR 1990, 137, 142 ff; Mayer, BlStSozArbR 1981, 353, 355; Trittin, DB 1990, 322 jeweils mwN). Der erkennende Senat schließt sich ihr an. Dabei ist für ihn die Überlegung ausschlaggebend, daß es nicht dem Arbeitgeber zugerechnet werden kann, wenn er wegen mittelbarer Arbeitskampfbetroffenheit die Leistung seiner Arbeitnehmer nicht entgegennehmen kann; denn anders als bei sonstigen Störungen fehlt es angesichts des Arbeitskampfrechts insoweit an eigenen Einwirkungsmöglichkeiten, Störungen dieser Art zu verhindern (vgl Richardi, Komm zum BGB, 12. Aufl 1989, § 615 Rz 254). Dies gilt in Sonderheit, wenn die Arbeitskampftaktik darauf ausgeht oder jedenfalls in Rechnung stellt, durch die Kampfmaßnahmen Störungen auch außerhalb des eigentlichen Kampfgebietes herbeizuführen. Auch der Gesetzgeber selbst ist von der Möglichkeit ausgegangen, daß bei arbeitskampfbedingten Arbeitsausfällen Kug-Leistungen ggf deshalb zu erbringen sind, weil der Anspruch auf Arbeitsentgelt entfällt. Das ergibt sich aus seinem Hinweis auf § 116 AFG in § 70 AFG. Sicherlich beweisen die §§ 70, 116 AFG nicht zwingend, daß der mittelbar betroffene Arbeitnehmer im nicht umkämpften Tarifgebiet seinen Anspruch auf Arbeitsentgelt verliert. Sie sind jedoch erkennbar auf diese Situation zugeschnitten (so auch Beuthien, Der Arbeitskampf als Wirtschaftsstörung, 1990, S 48; Lieb in Lieb/v. Stebut/Zöllner, Arbeitskampfrecht, Symposion Hugo Seiter zum Gedächtnis, 1990, S 176). Zudem hat der Gesetzgeber bei der Novellierung des § 116 AFG im Jahre 1986 die Arbeitskampfrisikolehre des BAG, auch wenn insoweit manches noch in Bewegung sein mag, erkennbar als feststehendes Faktum in seine Überlegungen einbezogen (Seiter, Staatsneutralität im Arbeitskampf, S 137). Andernfalls hätte es der Änderung der Ruhensvorschriften für Kug bei bestimmten streikbedingten Arbeitsausfällen nicht bedurft.

Dahinstehen kann, ob die Einführung der Kurzarbeit im Bremer Werk der Beigeladenen zu 1) nicht nur hinsichtlich des "Wie", sondern auch in bezug auf das "Ob" gemäß § 87 Abs 1 Nr 3 BetrVG der Mitbestimmung des Betriebsrats unterfiel oder nicht (vgl hierzu BAGE 34, 331, 339 ff = AP Nr 70 zu Art 9 GG Arbeitskampf; Beuthien, Der Arbeitskampf als Wirtschaftsstörung, S 56; Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, Komm zum BetrVG, 16. Aufl 1990, § 87 Rz 54d; Sahmer, Komm zum BetrVG, Stand Januar 1990, § 87 Anm 6; Stege/Weinspach, Betriebsverfassungsgesetz, 6. Aufl 1990, § 87 Rz 81; Wiese in Gemeinschaftskomm zum BetrVG, Bd II, 4. Aufl 1990, § 87 Rz 280). Denn der Betriebsrat der Beigeladenen zu 1) hat der Einführung der Kurzarbeit durch die Betriebsvereinbarung vom 17. Mai 1984 zugestimmt. Überdies hat er die Anzeige über Arbeitsausfall vom 11. Mai 1984 unterzeichnet. Sein etwaiges Mitbestimmungsrecht ist mithin gewahrt worden, so daß die Ansprüche auf Arbeitsentgelt auch nicht unter dem Aspekt der unwirksamen Einführung von Kurzarbeit fortbestanden haben (vgl hierzu etwa Schmidt in GK-AFG, § 65 Rz 35, 40).

2. Die somit dem Grunde nach gegebenen Kug-Ansprüche der im Bremer Werk der Beigeladenen zu 1) tätigen Arbeitnehmer sind entgegen der Ansicht der Beklagten und der Beigeladenen zu 1) bis 4) vorliegend nicht gemäß § 116 AFG zum Ruhen gekommen. Nach § 70 AFG gelten für die Gewährung von Kug ua die Vorschriften des § 116 Abs 1, 3 und 4 AFG. Der volle Text dieser Bestimmung in der hier anzuwendenden Fassung vom 25. Juni 1969 - BGBl I 582 - lautet:

(1) Durch die Gewährung von Arbeitslosengeld darf nicht in Arbeitskämpfe eingegriffen werden.

(2) Ist der Arbeitnehmer durch Beteiligung an einem inländischen Streik arbeitslos geworden, so ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld bis zur Beendigung des Arbeitskampfes.

(3) Ist der Arbeitnehmer durch einen inländischen Arbeitskampf, an dem er nicht beteiligt ist, arbeitslos geworden, so ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld bis zur Beendigung des Arbeitskampfes, wenn

1. der Arbeitskampf auf eine Änderung der Arbeitsbedingungen in dem Betrieb, in dem der Arbeitnehmer zuletzt beschäftigt war, abzielt, oder

2. die Gewährung des Arbeitslosengeldes den Arbeitskampf beeinflussen würde.

Die Bundesanstalt kann Näheres durch Anordnung bestimmen; sie hat dabei innerhalb des Rahmens des Satzes 1 die unterschiedlichen Interessen der von den Auswirkungen der Gewährung oder Nichtgewährung Betroffenen gegeneinander abzuwägen.

(4) Ist bei einem Arbeitskampf das Ruhen des Anspruchs nach Absatz 3 für bestimmte Gruppen von Arbeitnehmern ausnahmsweise nicht gerechtfertigt, so kann der Verwaltungsausschuß des Landesarbeitsamtes bestimmen, daß ihnen Arbeitslosengeld zu gewähren ist. Erstrecken sich die Auswirkungen eines Arbeitskampfes über den Bezirk eines Landesarbeitsamtes hinaus, so entscheidet der Verwaltungsrat. Dieser kann auch in Fällen des Satzes 1 die Entscheidung an sich ziehen.

Um den Gehalt dieser Norm zu erfassen, ist der Blick auf jeden einzelnen Absatz zu richten.

Die Vorschrift des § 116 Abs 1 AFG, wonach durch die Gewährung von Alg nicht in Arbeitskämpfe eingegriffen werden darf, steht im Zusammenhang mit der aus Art 9 Abs 3 GG folgenden Pflicht des Staates zur Neutralität. Diese schließt das Recht zu paritätsgestaltender (fördernder) Neutralität ein. Das bedeutet, der Staat ist zum Erlaß von Regelungen berechtigt, die unter den Tarifpartnern ausgeglichene Verhältnisse (Kampfparität) garantieren. Eine so weitreichende paritätsgestaltende (fördernde) Neutralität steht der BA gemäß § 116 Abs 1 AFG nicht zu; ihr ist ein Weniger, nämlich die Pflicht zu passiver Neutralität, auferlegt. Dies besagt, daß die BA die bestehenden Kräfteverhältnisse der sozialen Gegenspieler im Arbeitskampf zu respektieren hat und über keinen Spielraum für wertende Entscheidungen verfügt.

Der Senat hat diese Auffassung schon früher vertreten (BSGE 40, 190, 197 ff = SozR 4100 § 116 Nr 1). Ihr ist einerseits zugestimmt worden (ua Seiter, Staatliche Neutralität im Arbeitskampf, S 14, 15 ff). Andererseits hat sie Kritik erfahren (ua Seiter, aaO, S 53; ders, Staatsneutralität im Arbeitskampf, S 168 f). Dabei wurde offenbar nicht erkannt, daß sich die entsprechenden Ausführungen des Senats darauf beziehen, welche Maßstäbe der BA im Rahmen der Gesetzesausführung durch das verfassungsrechtliche Gebot staatlicher Neutralität im Arbeitskampf für ihre Handlungsweisen allgemein vorgegeben sind. Das Verbot wertender Entscheidungen besagt nach Ansicht des Senats, daß die BA bei der Prüfung, ob bestehende Ansprüche nach dem AFG gemäß § 116 des Gesetzes zum Ruhen gelangt sind oder nicht, keine Berechtigung besitzt, das Ergebnis der jeweiligen Entscheidung danach auszurichten, ob dieses - ihrer Auffassung nach - geeignet ist, die Herstellung oder Aufrechterhaltung eines Kampf- bzw Verhandlungsgleichgewichts zwischen den Tarifpartnern zu fördern. Sie ist vielmehr insoweit allein an die Vorgaben des Gesetzgebers gebunden. Dabei bedeutet das genannte Wertungsverbot nicht zugleich ein Auslegungsverbot gegenüber der Verwaltung, was gerade angesichts der Fassung des § 116 AFG auch gänzlich absurd wäre. Allerdings bestimmt das Wertungsverbot die der BA eröffneten Auslegungsmöglichkeiten.

Aus der oa Auffassung des Senats folgt zugleich, daß der Wortlaut des § 116 Abs 1 AFG nicht zu dem Fehlschluß verleiten darf, nur durch die Gewährung von Lohnersatzleistungen könne in Arbeitskämpfe eingegriffen werden, die Nichtgewährung von Leistungen könne dagegen grundsätzlich keinen Eingriff in Arbeitskämpfe darstellen. Die BA kann ihre Pflicht zur (passiven) Neutralität vielmehr, wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 9. September 1975 zum Ausdruck gebracht hat, sowohl durch Gewährung wie durch Nichtgewährung von Lohnersatzleistungen verletzen (BSGE 40, 190, 206 = SozR 4100 § 116 Nr 1; vgl auch Gagel, NZA 1985, 793, 795; ders, Jura 1986, 281, 283; Herschel, AuR 1985, 373 f; Jülicher, DB 1973, 720, 721; Kittner/Unterhinninghofen, AuR 1986, 1, 4 f; Muhr, RdA 1973, 9, 13; Radke, RdA 1973, 14, 15; Schönefelder/Kranz/Wanka, Komm zum AFG, Stand April 1989, § 116 Rz 11; Wohlgemuth/Gerloff, AuR 1982, 297, 300; aA etwa Schulin, DB 1985, Beilage Nr 32, S 2, 6). Das ergibt sich schon aus dem Wortlaut des Gesetzes. Nach § 116 Abs 3 Satz 2 AFG hat die BA, die das Nähere durch Anordnung bestimmen kann, innerhalb der ihr eingeräumten Ermächtigung die unterschiedlichen Interessen der von den Auswirkungen der Gewährung oder Nichtgewährung Betroffenen gegeneinander abzuwägen. Mißt hiernach der Gesetzgeber auch der Nichtgewährung von Leistungen an mittelbar von einem Arbeitskampf Betroffene eine Bedeutung zu, die der Verwaltungsrat bei der ihm möglichen Bestimmung des näheren zu beachten hat, kann nicht ernsthaft behauptet werden, er habe diesem Tatbestand für die Frage, ob auch durch ihn - also die Nichtgewährung - eine Neutralitätsverletzung möglich ist, keinen Ausdruck verliehen. Die Gegenmeinung läßt sich denn auch nur auf die isolierte Betrachtung des § 116 Abs 1 AFG stützen (ua Schulin aaO), was der Senat jedoch angesichts des Regelungsgehalts der gesamten Vorschrift nicht für zulässig hält. Dadurch ergibt sich auch keine Sackgasse dergestalt, daß im gegebenen Fall sowohl Gewährung als auch Nichtgewährung die Neutralität verletzt (Schulin aaO). Vielmehr schließt dann der jeweils einschlägige Tatbestand den anderen auch in bezug auf diese Wertung aus. Wäre also die Gewährung im Einzelfall nicht als ein der BA verbotener Eingriff in den Arbeitskampf zu bewerten, käme der Entscheidung der BA, dennoch Leistungen nicht zu gewähren, nach dem Konzept des § 116 AFG der Charakter eines Eingriffs zu, auch wenn sich dies rechtstechnisch nur als eine fehlerhafte Subsumtion der Ruhenstatbestände darstellte. Daß diese Beurteilung den Vorstellungen des Gesetzgebers entspricht, geht auch aus den Gesetzesmaterialien zur Novellierung des § 116 AFG im Jahre 1986 hervor. Zu dem Grundsatz, daß durch die Gewährung von Alg nicht in Arbeitskämpfe eingegriffen werden darf, bemerkt die Bundesregierung in der Begründung ihres Gesetzentwurfs nämlich ausdrücklich, daß die BA weder durch Gewährung noch durch Nichtgewährung von Alg, dh durch Versagen dieser Leistung, in den Arbeitskampf eingreifen dürfe (BT-Drucks 10/4989 S 6 zu § 116 Abs 1). Entscheidend ist im Rahmen der Neutralitätspflicht der BA demnach, welche Auswirkungen von der Gewährung bzw Nichtgewährung der Leistungen ausgehen (BSGE 40, 190, 204 = SozR 4100 § 116 Nr 1).

Auf die Vorschrift des § 116 Abs 2 AFG, derzufolge der Anspruch auf Lohnersatzleistung bis zur Beendigung des Arbeitskampfes ruht, wenn der Arbeitnehmer durch Beteiligung an einem inländischen Arbeitskampf arbeitslos geworden ist, ist vom Gesetzgeber in § 70 AFG deshalb nicht verwiesen worden, weil es dann, wenn in einem Betrieb gestreikt wird und dadurch (oder durch Aussperrung) die Arbeit ausfällt, bereits an den betrieblichen Voraussetzungen des § 64 AFG mangelt (§ 65 Abs 3 AFG). Unabhängig davon verstieße die Gewährung von Kug in einem bestreikten Betrieb gegen die der Beklagten obliegende Pflicht zur Neutralität; denn Zahlungen an streikende (oder ausgesperrte) Arbeitnehmer würden diesen die mit der Teilnahme an diesem Arbeitskampf verbundene Last des Arbeitsentgeltausfalls teilweise abnehmen, obwohl ihnen die Verwirklichung des mit dem Arbeitskampf erstrebten Ziels unmittelbar zugute kommt (vgl dazu etwa Ketelsen in Knigge/Ketelsen/Marschall/Wittrock, aaO, § 70 Rz 4; Krebs/Schelter, Komm zum AFG, Stand November 1990, § 70 Rz 3; Kühl in Hennig/Kühl/Heuer/Henke, Komm zum AFG, Stand Februar 1991, § 70 Rz 2b; Masuch in GK-AFG, § 116 Rz 30; Schmidt in GK-AFG, § 70 Rz 7; Schönefelder/Kranz/Wanka, aaO, § 70 Rz 7).

Die Pflicht der BA zu (passiver) Neutralität findet ihre Bestätigung in § 116 Abs 3 AFG, der unter bestimmten Voraussetzungen, nämlich denen des Abzieltatbestandes (Satz 1 Nr 1) und des Beeinflussungstatbestandes (Satz 1 Nr 2), das Ruhen der Leistungsansprüche in Fällen mittelbarer Arbeitskampfbetroffenheit anordnet und den Schwerpunkt des vorliegenden Falles bildet. Sie drückt sich ferner in der Ausnahmeregelung des Abs 4 aus, die im Arbeitskampf 1984 in den Tarifgebieten Südbaden und Südwürttemberg-Hohenzollern zur Anwendung gelangte.

Neben § 116 AFG manifestiert sich die Neutralitätsverpflichtung der BA noch in § 17 Abs 2 AFG, wonach die BA - nach Anzeige über den Ausbruch eines Arbeitskampfes - in dem durch den Arbeitskampf unmittelbar betroffenen Bereich Arbeit nur dann zu vermitteln hat, wenn der Arbeitsuchende und der Arbeitgeber dies trotz eines Hinweises der BA auf den Arbeitskampf verlangen. Sie harmoniert schließlich mit der Zusammensetzung der Organe der BA (§ 192 Abs 1 AFG) und der traditionellen Stellung der BA als Mittler zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern. Auch hierauf hat der Senat bereits in seinem Urteil vom 9. September 1975 hingewiesen (BSGE 40, 190, 198 = SozR 4100 § 116 Nr 1).

Während die Gewährung von Leistungen an unmittelbar an einem Arbeitskampf beteiligte Arbeitnehmer ohne weiteres das Neutralitätsgebot verletzt, so daß § 116 Abs 2 AFG insoweit mit Recht stets das Ruhen von Ansprüchen anordnet, ist es anders bei den Arbeitnehmern, die lediglich wegen der Folgen eines Arbeitskampfes, an dem sie selbst nicht beteiligt sind, Beschäftigungs-und Lohneinbußen erleiden. Für sie kann die Ruhenswirkung nur bei Vorliegen bestimmter weiterer tatsächlicher Voraussetzungen gerechtfertigt sein. Schon diese Überlegung spricht dagegen, den Eintritt des Ruhens ihrer Ansprüche auf Alg oder Kug als den Regelfall, das Nicht-Ruhen als die Ausnahme zu erachten. § 116 AFG geht von dem gegenteiligen Konzept aus. Danach ist in Fällen der mittelbaren Betroffenheit, anders als die Beklagte und die Beigeladenen zu 1) bis 4) behaupten, nicht das Ruhen der Leistungen der gesetzliche Normalfall und die Leistungsgewährung die Ausnahme, sondern umgekehrt die Leistungsgewährung die Regel und das Ruhen der Leistungen die Ausnahme. Dieses Regel-Ausnahme-Verhältnis wird durch die Entstehungsgeschichte des § 116 AFG belegt.

Vorläufer der gesetzlichen Neutralitätsregelung waren § 6 Abs 2 der Reichsverordnung über Erwerbslosenfürsorge vom 15. Januar 1920 (RGBl 98) und § 3 Abs 1 der Verordnung über Erwerbslosenfürsorge vom 16. Februar 1924 (RGBl I 127). Danach war Erwerbslosigkeit nicht als Kriegsfolge anzusehen, wenn sie durch Ausstand oder Aussperrung überwiegend verursacht war. Die Gemeinden konnten frühestens vier Wochen nach Abschluß des Ausstandes oder der Aussperrung den Arbeitnehmern beim Vorliegen der allgemeinen Voraussetzungen Erwerbslosenunterstützung gewähren. Diese Regelung blieb bis zum AVAVG von 1927 in Kraft (Einzelheiten bei Säcker, Gruppenparität und Staatsneutralität als verfassungsrechtliche Grundprinzipien des Arbeitskampfrechts, 1974, S 27 ff).

Bei den Beratungen des AVAVG vom 16. Juli 1927 (RGBl I 187), das die öffentlich-rechtliche Arbeitslosenversicherung schuf, gehörte die Regelung der Neutralität bei Arbeitskämpfen zu den am meisten umstrittenen Vorschriften. Gesetzeskraft erlangte § 94 AVAVG, der festschrieb: Arbeitslose, deren Arbeitslosigkeit durch einen inländischen Ausstand oder eine inländische Aussperrung verursacht ist, erhalten während des Ausstandes oder der Aussperrung keine Arbeitslosenunterstützung (Abs 1). In Fällen, in denen die Arbeitslosigkeit durch Ausstand oder Aussperrung mittelbar verursacht ist, namentlich bei Ausstand oder Aussperrung außerhalb des Betriebs, des Berufskreises oder des Arbeits- oder Wohnorts des Arbeitslosen, sind die Arbeitslosen zu unterstützen, wenn die Verweigerung der Arbeitslosenunterstützung eine unbillige Härte wäre (Abs 2). Diese Regelung, die wie die Verordnungen über Erwerbslosenfürsorge auf das Kausalitätsprinzip abhob, wies mit ihrem Hinweis auf die Möglichkeit der Arbeitslosenunterstützung in Fällen unbilliger Härte eine gewisse "sozialstaatliche" Abfederung auf. Das damit einhergehende Problem der Konkretisierung wurde in der Weise gelöst, daß der Gesetzgeber dem Verwaltungsrat der damaligen Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung die Kompetenz zum Erlaß von Richtlinien für die Bestimmung der unbilligen Härte einräumte (§ 94 Abs 3 Satz 1 AVAVG). Die Richtlinien des Verwaltungsrats vom 27. März 1928 (RABl I 97) und die Erläuterungen des Präsidenten der Reichsanstalt hierzu vom 26. April 1928 (RABl I 163) enthielten Tatbestände, bei denen die unbillige Härte zu verneinen war, bei denen also der mittelbar betroffene Arbeitnehmer nicht in den Genuß von Arbeitslosenunterstützung kam. Von den Richtlinien sind die Fallgruppe 2 als Abzieltatbestand und die Fallgruppe 3 als Einflußklausel in den späteren § 116 AFG übernommen worden. Fallgruppe 5 behandelt die mittelbare Betriebsstillegung durch Ausbleiben der Lieferung von Vorprodukten. Nach Nr 1 der Richtlinien war es nicht als unbillige Härte anzusehen, wenn seit Eintritt der Arbeitslosigkeit der mittelbar betroffenen Arbeitnehmer noch nicht 14 Tage verflossen waren; dadurch sollte der Finanzlage der Arbeitslosenversicherung Rechnung getragen und dem Arbeitnehmer eine Art Selbstbeteiligung abverlangt werden. War die Erwerbslosenfürsorge während des Arbeitskampfes und danach vier Wochen generell ausgeschlossen (s.o.), verminderte sich seit dem AVAVG die Zeit der generellen Unterstützungssperre auf die ersten 14 Tage der mittelbar durch den Arbeitskampf bedingten Arbeitslosigkeit. Im übrigen verstanden sich die Richtlinien nicht als erschöpfende Regelungen; für nicht erfaßte Fälle wurde unter II der Richtlinien hervorgehoben, daß der Verwaltungsausschuß des Landesarbeitsamts bzw der Vorstand der Reichsanstalt nach pflichtgemäßem Ermessen darüber zu entscheiden hatte, ob und von welchem Zeitpunkt an eine unbillige Härte vorlag (weitere Einzelheiten bei Benda, Sozialrechtliche Eigentumspositionen im Arbeitskampf, 1986, S 15 f; Seiter, Staatsneutralität im Arbeitskampf, S 57 f; Dill, Die Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit im Streikfall, 1976, S 12 ff; Kreuzer, Die Neutralität der Bundesanstalt für Arbeit, 1974, S 24 ff; Ossenbühl/Richardi, Neutralität im Arbeitskampf, 1987, S 11 f; Säcker, Gruppenparität und Staatsneutralität als verfassungsrechtliche Grundprinzipien des Arbeitskampfrechts, S 30 ff).

Bei der Schaffung des § 84 AVAVG vom 3. April 1957 (BGBl I 321) wurde die bestehende Rechtslage im wesentlichen beibehalten. In der Begründung des Regierungsentwurfs wurde ua betont, es sei Sache derjenigen, die einen Streik oder eine Aussperrung veranlassen, die gesamten Folgen, auch die Härten, die für mittelbar Betroffene entstehen, zu berücksichtigen (BT-Drucks II/1274 S 124). Ein Antrag der SPD-Fraktion, die Bestimmung so zu fassen, daß mittelbar betroffene Arbeitnehmer anspruchsberechtigt gewesen wären, konnte sich nicht durchsetzen (vgl hierzu etwa Leder, BABl 1963, 488, 491 ff). Die wenigen Änderungen gegenüber der früheren Fassung waren mehr formaler Natur: Die bisherige Rechtsfolge des fehlenden Anspruchs wurde in ein Ruhen des Anspruchs umgewandelt. Das Eingriffsverbot, bisher Direktive für die Richtlinien, enthielt als Abs 1 den Charakter eines zentralen Grundsatzes für die Auslegung der gesamten Bestimmung. Richtlinien gemäß § 84 Abs 4 AVAVG ergingen nicht. Es galten vielmehr die bisherigen Richtlinien und Erläuterungen weiter; sie waren, wie Art IX § 9 des Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des AVAVG vom 23. Dezember 1956 (BGBl I 1018) bestimmte, bis zum Erlaß von Richtlinien nach § 84 Abs 4 AVAVG sinngemäß anzuwenden. Sie sind daher erst durch das AFG 1969 außer Kraft getreten (Bogs, VSSR 1973, 126, 151; Franke, Stenographisches Protokoll der 91./92./93. Sitzung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung am 26./27. Februar und 10. März 1986 [St-P], S 6; Ossenbühl/Richardi, Neutralität im Arbeitskampf, S 13).

Die Kontinuität der Entwicklung wurde durch das AFG vom 25. Juni 1969 (BGBl I 582) unterbrochen. Die damalige Bundesregierung hatte zunächst § 84 AVAVG 1957 unter Änderung des Abs 4 Satz 3 übernehmen wollen; durch diese Vorschrift sollte die BA ermächtigt werden, durch Anordnung zu bestimmen, in welchen Fällen eine unbillige Härte anzunehmen sei (§ 105 AFG-Entwurf, vgl BT-Drucks V/2291 S 22 und 81). Demgegenüber plädierte der Bundesrat in seiner Stellungnahme für eine rigorose Kehrtwendung: Die Ruhenstatbestände für mittelbar betroffene Betriebe sollten ersatzlos gestrichen werden. Damit wäre ein Ruhen der staatlichen Lohnersatzleistungen nur noch bei streikenden und ausgesperrten Arbeitnehmern eingetreten. Selbst mittelbar betroffene Arbeitnehmer im Geltungsbereich des umkämpften Tarifvertrages hätten Leistungen beanspruchen können (Seiter, Staatsneutralität im Arbeitskampf, S 62). Zur Begründung verwies der Bundesrat auf die Belastung der Träger der Sozialhilfe sowie auf Art 69 Buchst i des Abkommens Nr 102 der Internationalen Arbeitsorganisation (BT-Drucks V/2291 S 111 zu § 105), wonach Leistungen im Fall der Arbeitslosigkeit in einem vorgeschriebenen Ausmaß ruhen können, wenn der Verlust der Beschäftigung die unmittelbare Folge einer auf eine Arbeitsstreitigkeit zurückzuführenden Arbeitseinstellung war. In den Ausschußberatungen wurde ein Kompromißvorschlag formuliert, der später Gesetz wurde. Der entsprechende Bericht erklärt in einer Vorbemerkung zu § 105 des Regierungsentwurfs ua: "Der Ausschuß ist einmütig der Auffassung, daß diese aus dem geltenden Recht unverändert übernommene Vorschrift reformbedürftig ist ... Dabei wird die Neutralitätspflicht der Bundesanstalt bei Arbeitskämpfen nach wie vor allgemein anerkannt. Der Ausschuß teilt jedoch nicht die Auffassung der Bundesregierung, daß die Gewährung von Arbeitslosengeld an Arbeitnehmer, die durch einen Streik, an dem sie nicht selbst beteiligt sind, arbeitslos geworden sind, im allgemeinen bereits den Arbeitskampf zugunsten der Arbeitnehmer beeinflussen würde und daher als Verletzung der Neutralitätspflicht anzusehen wäre" (zu BT-Drucks V/4110 S 19 zu § 105). Zu Abs 3, der als Kernstück der neuen Regelung bezeichnet wird, wird ua ausgeführt: "Arbeitnehmer, die durch mittelbare Auswirkungen eines Streiks arbeitslos geworden sind, sollen in Zukunft im allgemeinen Arbeitslosengeld erhalten. Mit Rücksicht auf die Neutralitätspflicht soll das jedoch in zwei Fällen nicht gelten. Wenn der Arbeitskampf auf eine Änderung der Arbeitsbedingungen des Arbeitnehmers abzielt, muß dieser sowohl nach einer natürlichen Betrachtungsweise als auch im wirtschaftlichen Sinne als beteiligt angesehen werden. Die Gewährung von Arbeitslosengeld in solchen Fällen würde Schwerpunktstreiks fördern und wäre daher nicht streikneutral. Außerdem erschien es dem Ausschuß wegen der im voraus nicht überschaubaren Vielfalt der bei Arbeitskämpfen möglichen Interessenlagen notwendig, zur allgemeinen Absicherung der Neutralität der Bundesanstalt zusätzlich eine Generalklausel aufzunehmen. Nach ihr soll der Anspruch auf Arbeitslosengeld in allen Fällen ruhen, in denen die Gewährung dieser Leistung den Arbeitskampf beeinflussen könnte. Dabei wird es sich um Ausnahmefälle handeln" (zu BT-Drucks V/4110 S 20 zu § 105). Nach Auffassung eines Teils des Schrifttums trägt diese Ausschußbegründung die typischen Züge eines Formelkompromisses (Raiser, NZA 1984, 369, 372 f; Seiter, Staatsneutralität im Arbeitskampf, S 63). Ob dem so ist, kann dahinstehen; denn es ist jedenfalls aufgrund der geänderten Fassung der Vorschrift und des Inhalts der oa Motive nicht ernsthaft zu bezweifeln, daß der Gesetzgeber gegenüber dem Vorläuferrecht einen Umschwung vollziehen wollte und vollzogen hat. Die Beschränkung der Ausnahme von der Nichtgewährung durch den reinen Härteausgleich nach dem AVAVG wurde abgeschafft. Mittelbar betroffenen Arbeitnehmern wurde im Gegensatz zum AVAVG nun grundsätzlich der Anspruch auf Auszahlung ihres nach anderen Vorschriften des AFG begründeten Sozialleistungsanspruchs zugestanden. Dieser sollte nur dann ruhen, wenn die Voraussetzungen des § 116 Abs 3 Satz 1 Nr 1 oder 2 AFG vorliegen. Dies eröffnet bei unverstelltem Blick nach Auffassung des Senats nur die Wertung, daß § 116 Abs 3 Satz 1 AFG Ausnahmeregelungen gegenüber dem grundsätzlich gegebenen Zahlungsanspruch trifft (ebenso Benda, Sozialrechtliche Eigentumspositionen im Arbeitskampf, S 90; Möller-Lücking, AuR 1973, 295, 298; Schönefelder/Kranz/Wanka, aaO, § 116 Rz 2; Schwerdtfeger, Arbeitslosenversicherung und Arbeitskampf, 1974, S 31; Wohlgemuth/Gerloff, AuR 1982, 297, 300; mit Einschränkungen auch Seiter, Staatsneutralität im Arbeitskampf, S 62; aA Schulin, DB 1985, Beilage Nr 32, S 1, 7; Seiter, Staatliche Neutralität im Arbeitskampf, S 34). Daß § 116 Abs 4 AFG der BA die Ermessensentscheidung einräumt, trotz Vorliegens eines Ruhenstatbestandes nach Abs 3 Satz 1 Leistungen zu gewähren, wenn das Ruhen des Anspruchs ausnahmsweise nicht gerechtfertigt ist, ergibt nicht zwingend den gegenteiligen Schluß auf den Charakter der Tatbestände des Abs 3 Satz 1, wie Schulin und Seiter (aaO) meinen. Ausnahmen von Ausnahmen sind rechtstechnisch keine Seltenheit. Sie besagen als solche nichts über die methodische Qualität der Grundnorm und erst recht nicht, wenn sie - wie § 116 Abs 4 AFG -die Ausübung von Ermessen erfordern mit dem Ziel, soziale Härten aus der Anwendung der Grundnorm zu verhindern.

Bestätigt wird die Auffassung des Senats vom Charakter des § 116 Abs 3 AFG durch die Rechtsentwicklung der Vorschrift durch das Gesetz zur Sicherung der Neutralität der BA bei Arbeitskämpfen vom 15. Mai 1986 (BGBl I 740). Die Neufassung des § 116 AFG findet vorliegend zwar keine Anwendung; gleichwohl erhellen sie und die dabei verlautbarten Motive den Ausnahmecharakter des § 116 Abs 3 AFG aF. Denn ausdrücklich bestimmt § 116 Abs 3 AFG nF, daß der Anspruch auf Alg eines Arbeitnehmers, der durch einen inländischen Arbeitskampf, an dem er nicht beteiligt ist, arbeitslos wird, wenn der Betrieb, in dem der Arbeitslose zuletzt beschäftigt war, 1. dem räumlichen und fachlichen Geltungsbereich des umkämpften Tarifvertrages zuzuordnen ist oder 2. nicht dem räumlichen, aber dem fachlichen Geltungsbereich des umkämpften Tarifvertrages zuzuordnen ist und gewisse weitere Voraussetzungen gegeben sind. Durch das Wort "nur" ist das Ausnahmeverhältnis verdeutlicht worden. Die Vorschrift des § 116 Abs 4 AFG, nach der der Verwaltungsausschuß des Landesarbeitsamtes bzw der Verwaltungsrat die Gewährung von Alg zulassen kann, wenn das Ruhen des Anspruchs nach Abs 3 für eine bestimmte Gruppe von Arbeitnehmern ausnahmsweise nicht gerechtfertigt ist, ist beibehalten worden und belegt wiederum, daß es auch von Gesetzes wegen Ausnahmen von Ausnahmen gibt. Auch die Begründung der Bundesregierung zu der von ihr vorgeschlagenen Neufassung des § 116 AFG bestätigt das Regel-Ausnahmeverhältnis (BT-Drucks 10/4989 S 6 zu § 116 Abs 3):

"Arbeitslose, die durch mittelbare Auswirkungen eines Arbeitskampfes arbeitslos geworden sind, sollen wie nach geltendem Recht im allgemeinen Arbeitslosengeld erhalten. Die Regelungen des Arbeitsförderungsgesetzes, nach denen der Anspruch auf Arbeitslosengeld mittelbar betroffener Arbeitnehmer ausnahmsweise ruht, sind jedoch neu gefaßt worden, um Zweifelsfragen, die insbesondere im Arbeitskampf in der Metallindustrie 1984 aufgetreten sind, zu beseitigen und damit mehr Rechtssicherheit bei künftigen Arbeitskämpfen zu schaffen."

Damit spitzt sich die Problematik des vorliegenden Falles auf die Frage zu, ob die Kug-Ansprüche der im Bremer Werk der Beigeladenen zu 1) beschäftigten Arbeitnehmer in der Zeit vom 15. Juni bis 2. Juli 1984 ausnahmsweise zum Ruhen gelangt sind. Das ist entgegen der Auffassung der Beklagten und der Beigeladenen zu 1) bis 4) nicht der Fall.

Möglicherweise sind die Ruhensvorschriften des § 116 Abs 3 AFG für die Zeit vom 30. Juni bis 2. Juli 1984 schon deswegen nicht zur Anwendung gelangt, weil die beiden Arbeitskämpfe, wie das LSG für den Kampf in Nordwürttemberg-Nordbaden ausgeführt hat, am 29. Juni 1984 beendet wurden; denn die Ansprüche auf Lohnersatzleistungen ruhen lediglich bis "zur Beendigung des Arbeitskampfes" (§ 116 Abs 3 Satz 1 AFG). Doch bedarf dies keiner tatsächlichen Prüfung; denn keiner der in Betracht kommenden Ruhenstatbestände ist unter Berücksichtigung der an das Vorliegen eines Ausnahmetatbestandes zu stellenden Anforderungen erfüllt.

3. Nach der NeutrA des Verwaltungsrates der BA vom 22. März 1973 (ANBA 1973, 365), die sich ihrerseits auf § 116 Abs 3 Satz 2 AFG iVm § 191 Abs 3 AFG stützt, ruht der Anspruch auf Alg mittelbar betroffener Arbeitnehmer nur in den Fällen der §§ 2, 3 und 4. In diesen Bestimmungen heißt es:

§ 2Der Anspruch des nichtbeteiligten Arbeitnehmers (§ 1) auf Arbeitslosengeld ruht nach § 116 Abs 3 Satz 1 Nr 1 AFG, wenn 1. der Arbeitnehmer arbeitslos geworden ist, weil in dem Betrieb, in dem er zuletzt beschäftigt war, andere Arbeitnehmer an einem Arbeitskampf beteiligt sind, und 2. dieser Arbeitskampf um Arbeitsbedingungen geführt wird, die für den arbeitslosen nichtbeteiligten Arbeitnehmer zuletzt gegolten haben oder auf ihn angewendet worden sind oder bei Arbeitsaufnahme für ihn gelten oder auf ihn angewendet würden.

§ 3Der Anspruch des nichtbeteiligten Arbeitnehmers (§ 1) auf Arbeitlosengeld ruht nach § 116 Abs 3 Satz 1 Nr 1 AFG, wenn der Arbeitnehmer seine Beschäftigung in einem Betrieb verloren hat, weil in einem anderen Betrieb ein Arbeitskampf geführt wird, sofern 1. der Betrieb, in dem der Arbeitslose zuletzt beschäftigt war, unter den räumlichen und fachlichen Geltungsbereich des umkämpften Tarifvertrages fällt und 2. dieser Arbeitskampf um Arbeitsbedingungen geführt wird, die für den arbeitslosen nichtbeteiligten Arbeitnehmer zuletzt gegolten haben oder auf ihn angewendet worden sind oder bei Arbeitsaufnahme für ihn gelten oder auf ihn angewendet würden.

§ 4Der Anspruch des nichtbeteiligten Arbeitnehmers (§ 1) auf Arbeitlosengeld ruht nach § 116 Abs 3 Satz 1 Nr 1 und 2 AFG, wenn der Arbeitnehmer seine Beschäftigung in einem Betrieb verloren hat, weil in einem anderen Betrieb ein Arbeitskampf geführt wird, sofern 1. dieser Arbeitskampf auf die Änderung von Arbeitsbedingungen eines Tarifvertrages gerichtet ist und der Betrieb, in dem der Arbeitslose zuletzt beschäftigt war, zwar nicht dem räumlichen, aber dem fachlichen Geltungsbereich des in Frage kommenden Tarifvertrages zuzuordnen ist und 2. die Gewerkschaften für den Tarifvertragsbereich des arbeitslosen nichtbeteiligten Arbeitnehmers nach Art und Umfang gleiche Forderungen wie für die am Arbeitskampf beteiligten Arbeitnehmer erhoben haben und mit dem Arbeitskampf nach Art und Umfang gleiche Arbeitsbedingungen durchgesetzt werden sollen.

Von diesen drei Ruhenstatbeständen der NeutrA - die entsprechend für Arbeitnehmer gelten, die infolge eines inländischen Arbeitskampfes, an dem sie nicht beteiligt sind, einen Arbeitsausfall erleiden, auf Grund dessen sie (wie hier) ohne Anwendung des § 70 AFG iVm § 116 Abs 1, 3 und 4 AFG einen Anspruch auf Kug nach § 65 Abs 1 AFG haben würden (§ 5 NeutrA) - sind die beiden ersten von vornherein nicht gegeben. Der Ruhenstatbestand des § 2 NeutrA scheidet ua deswegen aus, weil im Bremer Werk der Beigeladenen zu 1) nicht andere Arbeitnehmer an einem Arbeitskampf beteiligt waren (Nr 1). Der Ruhenstatbestand des § 3 NeutrA scheitert ua daran, daß das Bremer Werk der Beigeladenen zu 1) nicht unter den räumlichen Geltungsbereich des umkämpften Tarifvertrages fällt (Nr 1). Fraglich ist allein, ob der dritte Ruhenstatbestand (§ 4 NeutrA) im vorliegenden Fall erfüllt ist.

Offenbleiben kann, ob § 4 NeutrA, der - wie die §§ 2 und 3 NeutrA - als Rechtssatz einer autonomen Satzung zu qualifizieren ist (Isensee, DB 1985, 2681, 2684; Säcker, Gruppenparität und Staatsneutralität als verfassungsrechtliche Grundprinzipien des Arbeitskampfrechts, S 91; Schwerdtfeger, Arbeitslosenversicherung und Arbeitskampf, S 43), rechtmäßig ist. Bedenken gegen ihre Rechtmäßigkeit werden aus unterschiedlichen Blickwinkeln hergeleitet: einerseits aus Nichtübereinstimmung mit der Ermächtigungsgrundlage des § 116 Abs 3 Satz 2 AFG, andererseits aus verfassungsrechtlichen Zweifeln an der Ermächtigungsgrundlage als solcher. Die erstgenannten Bedenken gründen darauf, daß § 4 NeutrA den Abzieltatbestand (§ 116 Abs 3 Satz 1 Nr 1 AFG) nur zum Teil, den Einflußtatbestand (§ 116 Abs 3 Satz 1 Nr 2 AFG) hingegen überhaupt nicht ausschöpfe. Die zweitgenannten Bedenken stützen sich ua auf Unbestimmtheit der Ermächtigungsgrundlage und Verstoß gegen den Gesetzesvorbehalt (Einzelheiten bei Benda, St-P, S 297; Friauf, St-P, S 21, 99; Isensee, DB 1985, 2681, 2684 ff; ders, St-P, S 30, 141, 315 ff, 325; Müller, Arbeitskampf und Arbeitskampfrecht, insbesondere die Neutralität des Staates und verfahrensrechtliche Fragen,Gutachten im Auftrag des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung, 1985, S 236 ff; Ossenbühl/Richardi, Neutralität im Arbeitskampf, S 28 f; Papier, DVBl 1986, 577, 580; ders, ZRP 1986, 72, 75; ders, St-P, S 15, 31, 152, 349; Raiser, NZA 1984, 369, 374; Schulin, DB 1985, Beilage Nr 32, S 1, 9; Seiter, Staatsneutralität im Arbeitskampf, S 84 ff; ders, NJW 1987, 1, 2). Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat die Verfassungsmäßigkeit des § 4 NeutrA bislang nicht geprüft (vgl BVerfG SozR 4410 § 4 Nr 1). Auch der erkennende Senat ist im vorliegenden Rechtsstreit der Rechtmäßigkeitskontrolle des § 4 NeutrA enthoben. Denn die Voraussetzungen des § 4 NeutrA sind vorliegend nicht verwirklicht.

Allerdings ist § 4 NeutrA in seiner Nr 1 gegeben; denn die Arbeitskämpfe in Nordwürttemberg-Nordbaden und in Hessen waren auf die Änderung von Arbeitsbedingungen der entsprechenden Tarifverträge gerichtet, und das Bremer Werk der Beigeladenen zu 1), in dem die kurzarbeitenden Arbeitnehmer beschäftigt waren, war nicht dem räumlichen, wohl aber dem fachlichen Geltungsbereich der umkämpften Tarifverträge zuzuordnen. Doch fehlt es an den Voraussetzungen des § 4 Nr 2 NeutrA; die Beigeladene zu 5) hat für das Tarifgebiet Unterweser, in dem das Werk Bremen der Beigeladenen zu 1) liegt, nicht nach Art und Umfang gleiche Forderungen wie für die in Nordwürttemberg-Nordbaden und in Hessen am Arbeitskampf beteiligten Arbeitnehmer erhoben; auch sollten nicht nach Art und Umfang gleiche Arbeitsbedingungen durchgesetzt werden.

Was unter "nach Art und Umfang gleiche Forderungen" und unter "nach Art und Umfang gleiche Arbeitsbedingungen" iS des § 4 NeutrA zu verstehen ist, ist umstritten. Der Sprachgebrauch läßt mehrere Auslegungsmöglichkeiten zu, darunter Auslegung iS von "ähnlich", "im wesentlichen gleich", "im Ergebnis gleich", "nahezu gleich", "identisch". Die Erschließung des wirklichen Willens des Anordnungsgebers wird durch einen Blick auf die Entstehungsgeschichte der NeutrA erleichtert.

Die Arbeitnehmergruppe im Ausschuß III des Verwaltungsrats hatte einen Entwurf vorgelegt, der keine Ruhenstatbestände für Arbeitnehmer außerhalb des räumlichen Geltungsbereiches des umkämpften Tarifvertrages vorsah. Die Arbeitgeberseite lehnte diesen Entwurf ab. Nach ihrem Vorschlag sollten grundsätzlich alle Arbeitnehmer, die außerhalb des Kampfgebietes unter den fachlichen Geltungsbereich des fraglichen Tarifgebietes fielen, von Leistungsansprüchen ausgeschlossen sein. Die Arbeitnehmervertreter beriefen sich demgegenüber darauf, daß § 116 Abs 3 Satz 1 Nr 2 AFG ein eng zu interpretierender Ausnahmetatbestand sei. Das Ruhen der Leistungsansprüche müsse auf den räumlichen Tarifbereich, in dem der Arbeitskampf stattfinde, begrenzt bleiben. Die Vertreter der öffentlichen Körperschaften gingen davon aus, daß für die Frage des Ruhens der Leistungsansprüche volle Identität der Forderungen, wie dies einem Vorschlag der Arbeitnehmerseite entspreche, nicht verlangt werden könne. Allerdings müßten auch die Realitäten der Entwicklung und Gestaltung von Arbeitskampfforderungen der Gewerkschaften gesehen werden. Es liege in der Natur der Sache, daß die Forderungen sich in den verschiedenen räumlichen Tarifgebieten weitgehend glichen, dh sich allenfalls geringfügig voneinander unterschieden. In Ansehung dessen würde jede Formulierung, die nicht begrifflich nahe an der Identität liege, zu einem allgemeinen Ruhen des Anspruchs auf Alg innerhalb des gesamten fachlichen Geltungsbereiches des umkämpften Tarifvertrages führen und sei daher als Kompromiß nicht geeignet (weitere Einzelheiten bei Colneric in Däubler, aaO, 1. Aufl 1984, Rz 764, 783; Denck, NZA 1987, 433, 435; DGB, St-P, S 257; Franke, St-P, S 34; Himmelreich, St-P, S 39; Raiser, NZA 1984, 369, 373; Säcker, Gruppenparität und Staatsneutralität als verfassungsrechtliche Grundprinzipien des Arbeitskampfrechts, S 15 ff).

Der Kompromißvorschlag der Vertreter der öffentlichen Körperschaften war Gegenstand eingehender Beratungen. Die Arbeitgebervertreter gaben zu erwägen, die Gleichheit von Art und Umfang der Forderungen nicht kumulativ, sondern alternativ vorauszusetzen. Diese Änderung hätte zur Folge gehabt, daß die Gleichheit von Forderungen, die auf Gegenstände verschiedener Art (Stundenlohn, Urlaubsgeld, Urlaubsdauer, vermögenswirksame Leistungen, Arbeitszeitverkürzung usw) gerichtet sind, mit dem gleichen geldwerten Umfang hätten begründet werden können. Die Vertreter sowohl der Arbeitnehmer wie der öffentlichen Körperschaften erteilten einer solchen Lösung eine Absage. Auch der Vorschlag, vor die Wendung "nach Art und Umfang gleiche Forderungen" die Worte "im Ergebnis" einzufügen, war nicht mehrheitsfähig. Bei einer auf das Ergebnis abstellenden Betrachtung würde, so argumentierte ein Mitglied der Gruppe der öffentlichen Körperschaften, der Anspruch auf Alg innerhalb des fachlichen Geltungsbereichs des umkämpften Tarifvertrages im gesamten Bundesgebiet generell ruhen, was nicht gewollt sein könne.

Angesichts dieser Entstehungsgeschichte ist der Begriff "gleich" in § 4 Nr 2 NeutrA keiner weiten Auslegung zugänglich; er ist vielmehr eng zu deuten (Bogs, VSSR 1973, 126, 131 Fußn 8; Colneric in Däubler, aaO, 1. Aufl, Rz 785; Gagel, BB 1984, 2006, 2012; Schwerdtfeger, Arbeitslosenversicherung und Arbeitskampf, S 95; vgl auch Seiter, Staatliche Neutralität im Arbeitskampf, S 57 f). Keinesfalls darf er iS von "ähnlich" oder "im wesentlichen gleich" (vgl dazu Jülicher in Brox/Rüthers, aaO, Rz 897) oder "annähernd gleich" (vgl dazu Mückenberger, St-P, S 38) aufgefaßt werden. Auch eine Auslegung iS von "im Ergebnis gleich" ist fehlsam, denn eine Gleichheit der Forderungen sollte gerade nicht aus dem geldwerten Gesamtumfang der erhobenen Forderungen hergeleitet werden dürfen (vgl BSGE 40, 190, 201 = SozR 4100 § 116 Nr 1). Zu weit geht indes die Ansicht, daß die zu vergleichenden Forderungen in jeder Beziehung gleich, also "identisch" sein müßten (so aber Colneric in Däubler, aaO, 1. Aufl, Rz 786 f; wohl auch Möller-Lücking, AuR 1973; 295, 299). Bei einer solchen Auslegung käme der Ruhensregelung des § 4 NeutrA, da identische Forderungen in unterschiedlichen Tarifbereichen so gut wie nie erhoben werden, keine praktische Bedeutung zu (Jülicher in Brox/Rüthers, aaO, Rz 897; Säcker, Gruppenparität und Staatsneutralität als verfassungsrechtliche Grundprinzipien des Arbeitskampfrechts, S 91 f; Schwerdtfeger, Arbeitslosenversicherung und Arbeitskampf, S 96). Überdies ließe sich eine solche Regelung leicht umgehen (Wiegand, SozVers 1986, 114, 115).Am ehesten dürfte dem Willen des Anordnungsgebers die Auslegung gerecht werden, daß die gegenüberzustellenden Forderungen "nahezu gleich" sind. Sie müssen so dicht beieinander liegen, daß sie fast übereinstimmen. Das gilt nicht nur für einzelne Forderungen, sondern für sämtliche Forderungen eines Forderungskatalogs; es reicht folglich nicht aus, daß, obwohl weitere Forderungen erhoben worden sind, nur auf eine oder mehrere gleichartige Forderungen abgestellt wird. Auch eine Betrachtungsweise, die lediglich auf sog Hauptforderungen abhebt und sog Nebenforderungen vernachlässigt, verbietet sich. Daß sich der Gesetzgeber im Jahre 1986 zu einer entsprechenden Änderung des § 116 Abs 3 Satz 1 AFG entschlossen hat, spricht mehr für als gegen diese Auffassung. Die einschneidende Rechtsfolge des § 4 NeutrA kann mithin nur dann zum Tragen kommen, wenn sich sämtliche Forderungen in den umkämpften Tarifgebieten mit sämtlichen Forderungen in den nicht umkämpften Tarifgebieten weitgehend decken. Nur in einem solchen Fall stimmen die zu vergleichenden Forderungen so überein, als würden sie von der Gewerkschaft zentral erhoben. Dann ähnelt im übrigen die Situation der mittelbar betroffenen Arbeitnehmer in den branchengleichen Betrieben außerhalb des Kampfgebietes der Situation der Arbeitnehmer, die in branchengleichen Betrieben mittelbar von den Auswirkungen eines Arbeitskampfes um einen bundeseinheitlichen Tarif betroffen werden (Colneric in Däubler, aaO, 1. Aufl, Rz 785, 787; Möller-Lücking, AuR 1973, 295, 299 f).

Der Senat braucht vorliegend nicht abschließend darüber zu befinden, wann Forderungen als "gleich" iS des § 4 Nr 2 NeutrA zu bezeichnen sind und wann nicht. Aus den tatsächlichen Feststellungen des LSG, gegen die keine zulässigen und begründeten Revisionsgründe vorgebracht worden und die daher für den Senat bindend sind (§ 163 SGG), ergibt sich, daß die hier zu beurteilenden Forderungen nicht so dicht beieinander liegen, daß Gleichheit iS des § 4 Nr 2 NeutrA angenommen werden kann. Die Forderungen sind teils ihrer Art, teils ihrem Umfang nach nicht unwesentlich weit voneinander entfernt. Dabei bedarf es keiner Differenzierung zwischen den Forderungen hinsichtlich der Manteltarifverträge einerseits und den Forderungen in bezug auf die Lohn- und Gehaltstarife andererseits; denn sämtliche Tarifverträge waren spätestens zum 31. Januar 1984 gekündigt worden.

Nach den tatsächlichen und von den Beteiligten nicht angegriffenen Feststellungen des LSG wurden in den Tarifgebieten Nordwürttemberg-Nordbaden, Hessen und Unterwesergebiet von der Beigeladenen zu 5) folgende Forderungen erhoben:

Verkürzung der regelmäßigen Arbeitzeit:

Nordwürttemberg-NordbadenDie regelmäßige tägliche Arbeitszeit sollte 7 Stunden betragen; die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit (ohne Pausen) sollte sich auf 35 Stunden belaufen und auf die Werktage von Montag bis Freitag verteilt werden; eine (andere) Verteilung der Arbeitszeit sollte nur durch Betriebsvereinbarung täglich bis zu 8 Stunden und wöchentlich bis zu 40 Stunden zulässig sein; die wöchentliche Arbeitszeit von 35 Stunden sollte im Durchschnitt von 2 Monaten ausgeglichen werden.

HessenAngestrebt wurde eine Verkürzung der Wochenarbeitszeit auf 35 Stunden (bei vollem Lohnausgleich), wobei die tägliche Arbeitszeit (grundsätzlich) 7 Stunden betragen sollte; die Arbeitszeit für Arbeitnehmer mit Arbeitsbereitschaft sollte um den gleichen Prozentsatz gekürzt werden.

UnterwesergebietZiel war die Einführung der (regelmäßigen) wöchentlichen Arbeitszeit von 35 Stunden; die (regelmäßige) tägliche Arbeitszeit sollte 7 Stunden betragen; die (regelmäßige) wöchentliche Arbeitszeit sei gleichmäßig auf die Werktage von Montag bis Freitag zu verteilen. Am 24. und 31. Dezember ende die Arbeitszeit um 12.00 Uhr; die dadurch (dem einzelnen Arbeitnehmer tatsächlich) ausfallende Arbeitszeit sei (mit dem Durchschnittsverdienst) zu bezahlen.

Begrenzung der Mehrarbeit:

Nordwürttemberg-NordbadenMehrarbeit sei nur mit Zustimmung des Betriebsrates zulässig; sie könne nur bis zu (einer Arbeitszeit von insgesamt) 9 Stunden täglich, bis zu (höchstens) 10 Mehrarbeitsstunden im (Kalender-) Monat vereinbart werden; weitergehende Mehrarbeit könne nur (im Einvernehmen mit dem Betriebsrat und nur) aus dringenden Gründen des Gemeinwohls oder in außergewöhnlichen Notfällen verlängert werden (nicht unter Berufung auf § 6 Arbeitszeitordnung -AZO-).

Mehrarbeitsstunden sollten grundsätzlich durch Freizeitausgleich, die Zuschläge in Geld abgegolten werden; für die ersten 5 (bisher 10) Mehrarbeitsstunden in der Woche sei ein Zuschlag von 35 %, für die weiteren Mehrarbeitsstunden in der Woche 50 %, für die 2. und jede weitere tägliche Mehrarbeitsstunde (bisher die 3.) sowie für Mehrarbeit an Samstagen (bisher an Samstagen nach 12.00 Uhr) sei ein Zuschlag von jeweils 50 % zu zahlen; Kurzarbeit sei (in Betrieben oder einzelnen Abteilungen) unzulässig, wenn Mehrarbeit geleistet werde; die Herabsetzung der (regelmäßigen, betriebsüblichen) wöchentlichen Arbeitszeit bis zu 3/35 dürfe keine Lohn- und Gehaltskürzung zur Folge haben; zum Kug sei ein Zuschuß bis zu 80 % des durchschnittlichen Entgelts zu leisten.

HessenMehrarbeit sei durch innerbetriebliche Umsetzung von Arbeitskräften oder Neueinstellungen nach Maßgabe der betrieblichen oder technischen Möglichkeiten zu vermeiden. Sie sei bei Vereinbarung oder Anordnung (in unvorhergesehenen Fällen) bis zu höchstens 7 Stunden wöchentlich zulässig.

Die Abgeltung der Mehrarbeit habe durch bezahlte Freizeit innerhalb von 2 Monaten (möglichst in zusammenhängender Freizeit) zu erfolgen; der Anspruch auf die entsprechenden Mehrarbeitszuschläge sei grundsätzlich in Freizeit abzugelten; auf Wunsch des Arbeitnehmers sollten die Zuschläge ausgezahlt werden; sei der Arbeitnehmer wegen Krankheit, Urlaub oder Beendigung des Arbeitsverhältnisses daran gehindert, innerhalb des genannten Zeitraumes von 2 Monaten die Freistellung in Anspruch zu nehmen, so sei die Mehrarbeit einschließlich aller Zuschläge zu bezahlen.

UnterwesergebietMehrarbeit sei zu vermeiden; unvermeidbare Mehrarbeit sei maximal zulässig: an Arbeitstagen, an denen im Betrieb regelmäßig gearbeitet werde, 2 Stunden, an arbeitsfreien Werktagen 5 Stunden und im Kalendermonat 10 Stunden.

Mehrarbeit sei innerhalb von 8 Wochen durch Freizeit auszugleichen; an Zuschlägen für Mehrarbeit seien an Arbeitstagen 25 % sowie an Arbeitstagen nach 20.00 Uhr und an arbeitsfreien Werktagen 50 % zu zahlen; diese Zuschläge seien auf Wunsch des Arbeitnehmers in Geld oder Freizeit abzugelten; Vor- und Nachholstunden könnten im Rahmen der AZO nur mit dem Betriebsrat vereinbart werden; sie seien nicht als Mehrarbeit anzusehen.

Löhne, Gehälter und Ausbildungsvergütungen/Strukturveränderungen:

Nordwürttemberg-NordbadenDie Löhne und Gehälter sollten um 3,3 %, mindestens aber um 60,-- DM monatlich angehoben werden; für die Auszubildenden sollte die Vergütung für jedes Ausbildungsjahr um den Betrag aufgestockt werden, der sich aus dem Erhöhungsbetrag für die Arbeitswertgruppe I bzw Lohngruppe 1 (I) mal 173,3 Stunden im Monat ergebe.

HessenDie Löhne und Gehälter sollten um 3,5 % einschließlich einer Verbesserung der Struktur in den unteren Lohn- und Gehaltsgruppen, die Ausbildungsvergütungen um den Erhöhungsbetrag der Lohngruppe 2 angehoben werden.

UnterwesergebietDie Löhne und Gehälter sollten um einen einheitlichen Geldbetrag von 60,-- DM monatlich erhöht werden, was für Arbeiter eine Erhöhung des Stundenlohnes um 0,35 DM mit sich bringen sollte; die Ausbildungsvergütungen sollten für alle Ausbildungsjahre um 30,-- DM erhöht werden.

Eine Gegenüberstellung dieser Forderungskataloge, die lediglich einen Ausschnitt aus der Gesamtheit der jeweiligen Forderungspakete darstellen, genügt für die Beurteilung, daß sich die Forderungen der Beigeladenen zu 5) in den umkämpften Tarifgebieten (Nordwürttemberg-Nordbaden und Hessen) von den Forderungen im nicht umkämpften Tarifgebiet (Unterwesergebiet) so absetzen, daß nicht mehr von einer "Gleichheit" iS des § 4 NeutrA die Rede sein kann.

Das gilt zunächst hinsichtlich der Forderungen nach Verkürzung der regelmäßigen wöchentlichen Mehrarbeitszeit (bei vollem Lohnausgleich). Die Forderungen nach Einführung der 35-Stunden-Woche waren in den Tarifgebieten Nordwürttemberg-Nordbaden und Hessen auf der einen und dem Unterwesergebiet auf der anderen Seite sicherlich gleich. Zweifel ergeben sich jedoch bereits bezüglich der Forderungen nach Verteilung der regelmäßigen Arbeitszeit: Während in Nordwürttemberg-Nordbaden eine andere Verteilung der Arbeitszeit (als 5 x 7 Stunden) nur durch Betriebsvereinbarung täglich bis zu 8 Stunden und wöchentlich bis zu 40 Stunden zulässig sein sollte (wobei ein Ausgleich der wöchentlichen Arbeitszeit von 35 Stunden im Durchschnitt von 2 Monaten erfolgen sollte) und in Hessen die Arbeitszeit für Arbeitnehmer mit Arbeitsbereitschaft um den gleichen Prozentsatz gekürzt werden sollte, der der Verkürzung der Wochenarbeitszeit von 40 auf 35 Stunden entsprach, sollte sich im Unterwesergebiet die regelmäßige tägliche Arbeitszeit auf 7 Stunden belaufen; Modalitäten um eine andere Verteilung (Flexibilisierung) der auf täglich 7 Stunden zu verringernden Arbeitszeit spielten keine Rolle. Ob insoweit noch von der Art nach gleichen Forderungen gesprochen werden kann, ist fraglich. Diese Frage kann indes auf sich beruhen. Denn im Unterwesergebiet wurde zumindest eine Forderung nach Verkürzung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit erhoben, die sich der Art nach von den Forderungen in Nordwürttemberg-Nordbaden und Hessen unterscheidet. Im Unterwesergebiet sollte nämlich die Arbeitszeit am 24. und 31. Dezember eines jeden Jahres um 12.00 Uhr enden; die dadurch (dem einzelnen Arbeitnehmer tatsächlich) ausfallende Arbeitszeit sollte (mit dem Durchschnittsverdienst) bezahlt werden. Eine solche Forderung findet sich in den Forderungskatalogen für Nordwürttemberg-Nordbaden und Hessen nicht.

Bei den Forderungen zur Begrenzung der Mehrarbeit und weiteren Forderungen zu den Manteltarifverträgen differieren mehrere Forderungen in der Weise, daß sie ihrem Umfang nach nicht mehr als gleich iS des § 4 Nr 2 NeutrA angesehen werden können: In Nordwürttemberg-Nordbaden sollte Mehrarbeit ua bis zu einer Arbeitszeit von insgesamt 9 Stunden täglich, bis zu höchstens 10 Mehrarbeitsstunden im Kalendermonat vereinbart werden können. In Hessen sollte Mehrarbeit ua bis zu 7 Stunden wöchentlich zulässig sein. Dagegen sollte im Unterwesergebiet Mehrarbeit maximal zulässig sein: an Arbeitstagen, an denen im Betrieb regelmäßig gearbeitet werde, 2 Stunden, an arbeitsfreien Werktagen 5 Stunden und im Kalendermonat 10 Stunden. Das sind Abweichungen, die nicht mehr als geringfügig abgetan werden können, zumal mit ihnen der Zweck verfolgt worden sein dürfte, den individuellen Gegebenheiten der einzelnen Tarifgebiete Rechnung zu tragen.

Bei den zu vergleichenden Mehrarbeitszuschlägen verhält es sich nicht anders: Abgesehen davon, daß sie in Nordwürttemberg-Nordbaden grundsätzlich in Geld, in Hessen grundsätzlich in Freizeit, sonst in Geld und im Unterwesergebiet in Geld oder Freizeit abgegolten werden sollten, variieren sie ihrem Umfang nach nicht unwesentlich. In Nordwürttemberg-Nordbaden sollte für die ersten 5 Mehrarbeitsstunden in der Woche ein Zuschlag von 35 %, für die weiteren Mehrarbeitsstunden, für die 2. und jede weitere tägliche Mehrarbeitsstunde sowie für Mehrarbeit an Samstagen ein Zuschlag von jeweils 50 % gezahlt werden. In Hessen wurden hinsichtlich der Mehrarbeitszuschläge keine zusätzlichen Forderungen erhoben. Im Unterwesergebiet sollten demgegenüber an Zuschlägen für Mehrarbeit an Arbeitstagen 25 % sowie an Arbeitstagen nach 20.00 Uhr und an arbeitsfreien Werktagen 50 % gezahlt werden. Selbst wenn man diese Forderungen der Art nach als weitgehend übereinstimmend ansieht, so weichen sie doch ihrem Umfang nach so voneinander ab, daß sie nicht mehr als nahezu oder fast gleich bezeichnet werden können.

Schließlich weisen die Forderungen zur Erhöhung der Löhne, Gehälter und Ausbildungsvergütungen sowie zur Veränderung der Struktur in den Lohn- und Gehaltsgruppen ihrer Art nach Unterschiede auf, die eine Annahme der Gleichheit iS des § 4 Nr 2 NeutrA ausschließen: Während in Nordwürttemberg-Nordbaden eine Erhöhung der Löhne und Gehälter um 3,3 % (mindestens aber um 60,-- DM) und in Hessen eine Erhöhung der Löhne und Gehälter um 3,5 % gefordert wurde, wurde im Unterwesergebiet eine Erhöhung der Löhne und Gehälter um einen einheitlichen Geldbetrag von 60,-- DM (monatlich) angestrebt. Während in Nordwürttemberg-Nordbaden die Ausbildungsvergütung für jedes Ausbildungsjahr um den Betrag angehoben werden sollte, der aus dem Erhöhungsbetrag für die Arbeitswertgruppe I bzw Lohngruppe 1 (I) mal 173,3 Stunden im Monat resultiere, und in Hessen eine Erhöhung der Ausbildungsvergütungen um den Erhöhungsbetrag der Lohngruppe 2 angesteuert wurde, wurde im Unterwesergebiet eine Erhöhung der Ausbildungsvergütungen um 30,-- DM für alle Ausbildungsjahre verlangt. Dahinstehen kann, ob Forderungen, die auf identische Prozentsätze oder Beträge zielen, das Kriterium der Umfangsgleichheit erfüllen. Der Senat hat in seiner Entscheidung vom 9. September 1975 insoweit Zweifel geäußert, weil solche Forderungen regelmäßig an unterschiedliche tarifliche Löhne und auch sonst unterschiedliche Arbeitsbedingungen anknüpfen (BSGE 40, 190, 201 = SozR 4100 § 116 Nr 1). Jedenfalls ist eine Forderung, mit der - wie vorliegend in den umkämpften Tarifgebieten - eine prozentuale Erhöhung verschiedener Lohngruppen begehrt wird, der Art nach nicht mehr gleich mit einer Forderung, die - wie hier im nicht umkämpften Tarifgebiet - eine Erhöhung um einen einheitlichen Sockelbetrag postuliert (in diesem Sinne auch etwa Colneric in Däubler, aaO, 1. Aufl, Rz 786; Däubler, St-P, S 308).

Zweifelhaft ist, ob § 4 NeutrA eine abschließende Konkretisierung der gesetzlichen Ruhenstatbestände beinhaltet oder noch Raum für eine unmittelbare Anwendung des § 116 Abs 3 Satz 1 AFG läßt. Für die erste Ansicht läßt sich anführen, der Anordnungsgeber habe, wozu er in § 116 Abs 3 Satz 2 AFG ermächtigt worden sei, wertend zwischen mehreren möglichen Auslegungen des § 116 Abs 3 Satz 1 AFG entschieden und die unbestimmten Gesetzesbegriffe mit den erforderlichen Konturen versehen; Sinn und Zweck dieser Konkretisierung, nämlich die erleichterte Überschaubarkeit des gesetzlichen Regelungsgehalts und die Sicherung der Neutralität der BA, würden verfehlt, wenn daneben weitere Ruhenstatbestände zur Anwendung gelangten (so etwa Colneric in Däubler, aaO, 1. Aufl, Rz 764 ff; DGB, St-P, S 272; Gagel in Gagel, aaO, § 116 Rz 7; Seiter, Staatsneutralität im Arbeitskampf, S 78 f; ders, Staatliche Neutralität im Arbeitskampf, S 4). Für die zweite Meinung läßt sich ins Feld führen, die Aufhebung einer Gesetzesvorschrift durch eine der Gesetzeskonkretisierung dienende nachrangige Rechtsvorschrift sei verfassungsrechtlich unhaltbar; soweit die NeutrA zu § 116 Abs 3 Satz 1 AFG nichts Näheres bestimme, blieben die gesetzlichen Tatbestände, namentlich § 116 Abs 3 Satz 1 Nr 2 AFG, unmittelbar anwendbar (so etwa Ossenbühl/Richardi, Neutralität im Arbeitskampf, S 28; Schmidt, ZfA 1985, 159, 171; Schwerdtfeger, St-P, S 29). Welche Auffassung den Vorzug verdient, kann hier dahinstehen. Denn auch die Ruhenstatbestände des § 116 Abs 3 Satz 1 AFG sind im vorliegenden Fall nicht verwirklicht.

4. Der Abzieltatbestand (§ 116 Abs 3 Satz 1 Nr 1 AFG) setzt seinem Wortlaut nach voraus, daß der Arbeitskampf auf eine Änderung der Arbeitsbedingungen in dem Betrieb, in dem der Arbeitnehmer zuletzt beschäftigt war, abzielt.

Der Gesetzgeber hat nicht erläutert, was er mit "abzielen" iS dieser Vorschrift gemeint hat. Der Senat hat in seinem Urteil vom 9. September 1975 die Ansicht vertreten, der Abzieltatbestand begrenze das Ruhen "auf den fachlichen und räumlichen Geltungsbereich des umkämpften Tarifvertrages" (BSGE 40, 190, 199 = SozR 4100 § 116 Nr 1). Diese Auffassung hat teils Zustimmung (vgl etwa Azzola, St-P, S 287; Benda, Sozialrechtliche Eigentumspositionen im Arbeitskampf, S 31 ff; ders, St-P, S 297; ders, ZSR 1986, 193, 194; Jülicher in Brox/Rüthers, aaO, Rz 884; Kreuzer, Die Neutralität der Bundesanstalt für Arbeit, S 86), teils Ablehnung erfahren (vgl etwa Schmidt, ZfA 1985, 159, 170; Seiter, Staatsneutralität im Arbeitskampf, S 67 ff; ders, Staatliche Neutralität im Arbeitskampf, S 55 ff). Der Senat räumt aus heutiger Sicht ein, daß gewichtige Gründe dafür sprechen, den Abzieltatbestand - unabhängig vom sog Modellarbeitskampf - auch außerhalb des räumlichen, aber innerhalb des fachlichen Geltungsbereiches des umkämpften Tarifvertrages Anwendung finden zu lassen. Eine Beschränkung auf das umkämpfte Tarifgebiet läßt sich dem Wortlaut des Abzieltatbestands nicht entnehmen. Der im Abzieltatbestand angelegte, schon in den Gesetzesmotiven, wenn auch verdeckt, angesprochene Partizipationsgedanke, daß sowohl nach natürlicher Betrachtungsweise als auch im wirtschaftlichen Sinne als kampfbeteiligter Arbeitnehmer angesehen werden müsse, wer am Ergebnis teilhabe (vgl zu BT-Drucks V/4110 S 20 zu § 105 Abs 3), spricht gegen eine Beschränkung auf den räumlichen Geltungsbereich des umkämpften Tarifvertrages. Wenn die Teilhabe am Arbeitskampfergebnis der ausschlaggebende Gesichtspunkt für das Ruhen der Leistungsansprüche der mittelbar betroffenen Arbeitnehmer im räumlichen und fachlichen Geltungsbereich des umkämpften Tarifvertrages ist (BSGE 40, 190, 199 = SozR 4100 § 116 Nr 1; vgl § 3 NeutrA), liegt es nahe, dieser Überlegung auch für die mittelbar Betroffenen außerhalb des räumlichen, aber innerhalb des fachlichen Geltungsbereichs des umkämpften Tarifvertrages Bedeutung zuzumessen (Seiter, Staatsneutralität im Arbeitskampf, S 67 ff; ders, Staatliche Neutralität im Arbeitskampf, S 55 ff). Dafür spricht auch, daß die Neutralitätspflicht der BA kaum davon abhängen kann, daß die Gewerkschaft den Arbeitskampf auf bestimmte Tarifgebiete beschränkt (Löwisch/ Krauß, RdA 1972, 73, 76; Löwisch, RdA 1973, 22, 23 f; Löwisch, SAE 1976, 246 ff). So hat auch der Anordnungsgeber in § 4 NeutrA für das Ruhen von Ansprüchen nichtbeteiligter Arbeitnehmer genügen lassen, daß der Betrieb, in dem der Arbeitslose zuletzt beschäftigt war, zwar nicht dem räumlichen, aber dem fachlichen Geltungsbereich des in Frage kommenden Tarifvertrages zuzuordnen ist, sofern für den Tarifvertragsbereich des arbeitslosen nichtbeteiligten Arbeitnehmers nach Art und Umfang gleiche Forderungen erhoben worden sind und mit dem Arbeitskampf nach Art und Umfang gleiche Arbeitsbedingungen durchgesetzt werden sollen.

Auch bei dieser weiten Auslegung des Abzieltatbestandes müssen indes die Voraussetzungen verwirklicht sein, die sowohl inhaltlich dem Begriff des "Abzielens" als auch der Qualität des Tatbestandes als einer Ausnahmeregelung entsprechen und die der Senat in seiner Entscheidung vom 9. September 1975 für die Annahme eines Modellarbeitskampfes herausgestellt hat, nämlich: Die Tarifverträge sowohl in den umkämpften wie in den nicht umkämpften Tarifgebieten müssen ausgelaufen sein; es müssen die gleichen Forderungen erhoben worden sein; es muß sichergestellt sein, daß die in den umkämpften Tarifgebieten erzielten Ergebnisse in den nicht umkämpften Tarifgebieten übernommen werden (BSGE 40, 190, 201 = SozR 4100 § 116 Nr 1; ähnlich Gagel in Gagel, aaO, § 116 Rz 48; ders, BB 1984, 2006, 2011). Vorliegend waren nach den Feststellungen des LSG die einschlägigen Branchentarifverträge gekündigt, und zwar die regionalen Mantelverträge hinsichtlich der Arbeitsbestimmungen zum 31. Dezember 1983, die Lohn- und Gehaltstarife zum 31. Januar 1984.

Am Merkmal der Forderungsgleichheit innerhalb des Abzieltatbestandes ist grundsätzlich festzuhalten. Diese Voraussetzung ist schon deshalb unverzichtbar, weil der Arbeitskampf nach dem Sinn des Begriffes "abzielen" nur dann auf eine Änderung der Arbeitsbedingungen eines anderen Betriebes ausgerichtet ist, wenn in etwa gleiche Arbeitsbedingungen angestrebt werden. Gleiches ergibt sich aus dem Gedanken der Teilhabe: Nur derjenige partizipiert am Arbeitskampfergebnis, der in den Genuß solcher Arbeitsbedingungen gelangt, die mit den erkämpften Arbeitsbedingungen in hohem Maße übereinstimmen.

Was unter gleichen Forderungen iS des Abzieltatbestandes im Detail zu verstehen ist, brauchte der Senat in seiner Entscheidung vom 9. September 1975 nicht zu präzisieren. Er hat jedoch zu verstehen gegeben, daß eine wirtschaftliche Betrachtung ausscheide (BSGE 40, 190, 201 = SozR 4100 § 116 Nr 1; vgl auch Azzola, St-P, S 287; Däubler, St-P, S 308). Hieran hält er fest. Darüber hinaus läßt sich folgendes sagen: Die dem Abzieltatbestand innewohnende Idee der angestrebten Übertragung des Arbeitskampfergebnisses auf Arbeitnehmer eines Tarifgebietes, das zwar nicht dem räumlichen, wohl aber dem fachlichen Geltungsbereich des umkämpften Tarifvertrages zuzurechnen ist, legt die Erwägung nahe, daß - ähnlich wie im Rahmen des § 4 NeutrA - auf alle Forderungen abzustellen ist. Ferner müssen sämtliche Forderungen im nicht umkämpften Tarifgebiet mit sämtlichen Forderungen im umkämpften Tarifgebiet "nahezu gleich" sein, dh sie müssen ihrer Art und ihrem Umfang nach so dicht beieinander liegen, daß sie als nahezu übereinstimmend charakterisiert werden können. Jede andere Auslegung brächte Unsicherheiten mit sich und zwänge die BA zu wertenden Entscheidungen, die mit ihrem Neutralitätsstatus unvereinbar sind (BSGE 40, 190, 199 = SozR 4100 § 116 Nr 1). Das schließt ein, daß eine Betrachtungsweise, die lediglich auf sog Hauptforderungen abhebt und sog Nebenforderungen vernachlässigt, nicht angeht. Daß sich der Gesetzgeber im Jahre 1986 zu einer anderen Abgrenzung entschieden hat, spricht - wie zur Frage der Forderungsgleichheit in Zusammenhang mit § 4 NeutrA ausgeführt - mehr für als gegen diese Meinung.

Wie die Frage des Anwendungsbereiches braucht das Problem der Forderungsgleichheit für den Abzieltatbestand vom Senat nicht abschließend beurteilt zu werden. Denn es fehlt an einer weiteren Voraussetzung des Abzieltatbestandes, nämlich der Gewährleistung der Übernahme des Arbeitskampfergebnisses. Diese Voraussetzung ist unabdingbar. Denn das Ruhen der Lohnersatzleistungsansprüche nach § 116 Abs 3 Satz 1 Nr 1 AFG darf nicht schon eintreten, wenn etwa eine einzige im nicht umkämpften Tarifgebiet erhobene Forderung mit einer einzigen im umkämpften Tarifgebiet erhobenen Forderung übereinstimmt. Andernfalls wäre das Ruhen der Lohnersatzleistungen die Regel, ihre Gewährung die Ausnahme. Das ist, wie aufgezeigt, nicht das Konzept des Gesetzes.

Für die Beantwortung der Frage, ob eine Übernahme des Arbeitskampfergebnisses sichergestellt ist, kommt es - ähnlich wie nach neuem Recht (vgl § 116 Abs 3 Satz 1 Nr 2 Buchst b AFG 1986) - auf eine vorausschauende Betrachtung an (Kummer, AngVers 1990, 201, 209). Im Rahmen einer solchen Prognose sind nur die Tatsachen zu berücksichtigen, die im Zeitpunkt der ex-ante-Entscheidung erkennbar sind (vgl hierzu etwa BSGE 65, 84 = SozR 1200 § 30 Nr 17; BSG vom 15. Juni 1988 - 7 RAr 12/87 -). Das kann im Einzelfall dazu führen, daß es bei der in rechtmäßiger Weise getroffenen Prognose der Nichtübernahme selbst dann verbleibt, wenn nach dem Ende des Arbeitskampfes identische Tarifverträge abgeschlossen werden (Seiter, NJW 1987, 1, 6; vgl auch Otto, RdA 1987, 1, 7).

Nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG war eine Übernahme der in Nordwürttemberg-Nordbaden bzw Hessen erzielten Kampfergebnisse hinsichtlich der Arbeitsverhältnisse der im Bremer Werk der Beigeladenen zu 1) beschäftigten Arbeitnehmer nicht rechtsverbindlich gewährleistet. Insoweit waren weder einzelvertragliche noch kollektivrechtliche Absprachen getroffen. Ebensowenig wurde eine entsprechende betriebliche Übung praktiziert. Desgleichen war eine Übernahme der genannten Kampfergebnisse im Unterwesergebiet nicht durch Absprachen der Tarifpartner sichergestellt. Hiergegen haben die Revisionsführer keine zulässigen und begründeten Revisionsgründe vorgebracht, so daß die Feststellungen des LSG insoweit für den Senat bindend sind (§ 163 SGG). Damit mangelte es zu Beginn des Arbeitskampfes an Anhaltspunkten, denen die Beklagte hätte entnehmen müssen, daß die Arbeitskampfergebnisse aus Nordwürttemberg-Nordbaden oder Hessen im Unterwesergebiet übernommen würden.

Ein einheitliches Interesse an der Übernahme der im Arbeitskampf erstrittenen Ergebnisse kann auch nicht ohne weiteres unterstellt werden (Bieback/Mayer/Mückenberger/Zachert/Seegert, BB 1987, 676, 677). Zwar war die Beigeladene zu 5) entschlossen, in allen Tarifgebieten die 35-Stunden-Woche durchzusetzen. Jedoch waren die Arbeitgeberverbände in derselben Weise gewillt, dies zu verhindern. Diese allem Anschein nach unüberbrückbaren Gegensätze ließen für die tarifpolitische Entwicklung in den einzelnen Tarifgebieten - namentlich unter Berücksichtigung der Bandbreite aller weiteren Forderungen - sowie der Besonderheiten im jeweiligen Tarifgebiet eine Vielfalt von Lösungsmöglichkeiten zu.

Nachträglich wird die Einschätzung, daß im Unterwesergebiet eine Übernahme der Kampfergebnisse aus den Tarifgebieten Nordwürttemberg-Nordbaden oder Hessen nicht zwangsläufig zu erwarten war, durch die Anhörung der Sachverständigen vor dem Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung vom 26./27. Februar und 10. März 1986 erhärtet. Die Gewerkschaftsseite zeigte anhand zahlreicher Beispiele auf, daß eine Übernahme von Kampfergebnissen in der Vergangenheit selten gewesen sei (Mayr, St-P, S 204 ff). In Übereinstimmung damit heißt es im Geschäftsbericht der Beigeladenen zu 5) für das Jahr 1984: "In allen anderen Tarifgebieten waren zum Teil noch sehr langwierige Verhandlungen notwendig, bevor ein Ergebnis zustande kam. Schwerpunkte dieser Verhandlungen waren die Einbeziehung der Auszubildenden, die Mehrarbeitsbestimmungen, die Formulierung der Arbeitszeitbestimmungen, die Folgeregelungen für Verdienstberechnungen" (Geschäftsbericht 1983 bis 1985 des Vorstandes der Industriegewerkschaft Metall für die Bundesrepublik Deutschland, 1986, S 284). Im übrigen ist in allgemeiner Erinnerung, daß im Anschluß an die im Frühjahr 1991 im Tarifgebiet Nordwürttemberg-Nordbaden erzielte Einigung Verhandlungen in den anderen Tarifgebieten zwar zügig aufgenommen, die Ergebnisse aus Nordwürttemberg-Nordbaden in den anderen Tarifgebieten wegen deren Besonderheiten aber keineswegs ohne weiteres übernommen wurden (zB Nordrhein-Westfalen: untere Lohngruppen).

Die Arbeitskämpfe des Jahres 1984 in Nordwürttemberg-Nordbaden und Hessen hatten somit für das Unterwesergebiet, wie das LSG zutreffend zusammenfaßt, sicherlich Signalwirkung. Eine Übernahme der erzielten Arbeitskampfergebnisse war aus vorausschauender Sicht indes nicht gewährleistet (ebenso Otto, RdA 1987, 1, 7).

Die Kritiker des Urteils vom 9. September 1975 werfen dem Senat ua vor, er habe den Ruhenstatbestand des § 116 Abs 3 Satz 1 Nr 1 AFG durch restriktive Auslegung faktisch außer Kraft gesetzt. Dieser Vorwurf ist unberechtigt. Es bleibt durchaus Raum für die Anwendung dieser Ruhensbestimmung, und zwar nicht nur innerhalb des räumlichen Geltungsbereichs des umstrittenen Tarifvertrages (BSGE 40, 190, 199 = SozR 4100 § 116 Nr 1; vgl § 3 NeutrA). Unterstellt nämlich, § 4 NeutrA wäre nichtig, ist nicht von der Hand zu weisen, daß während des Arbeitskampfes 1984 etwaige Lohnersatzansprüche in den Tarifgebieten Südbaden und Südwürttemberg-Hohenzollern, wo im wesentlichen gleiche Forderungen wie in den Tarifgebieten Nordwürttemberg-Nordbaden erhoben worden waren, unmittelbar aufgrund des § 116 Abs 3 Satz 1 Nr 1 AFG zum Ruhen gelangt sind. Denn die Kampfergebnisse in Nordwürttemberg-Nordbaden sind allem Anschein nach in den Tarifgebieten Südbaden und Südwürttemberg-Hohenzollern in der Vergangenheit schon häufiger übernommen worden; es könnte eine Art Übung bestanden haben mit der Folge, daß der Abzieltatbestand zum Tragen käme. Im übrigen haben die Kritiker der Senatsrechtsprechung bislang kein überzeugendes Gegenkonzept für eine praktikable Auslegung des Abzieltatbestandes vorgetragen. Daß ein solches Konzept nicht darin bestehen kann, jegliche Gewährung von Leistungen an mittelbar Betroffene desselben fachlichen Tarifbereichs als von § 116 AFG verboten zu erachten, ergibt bereits die dargestellte Systematik der Vorschrift. Es liegt deshalb die Annahme nicht fern, daß sich ein dementsprechendes handhabbares Alternativkonzept gar nicht anbieten läßt.

Daß sich der Gesetzgeber im Jahre 1986 mit § 116 Abs 3 Satz 1 Nr 2 Buchst a AFG nF für ein Ruhen der Lohnersatzansprüche nach anderen Abgrenzungskriterien entschlossen hat, spielt im vorliegenden Fall keine Rolle. Es handelt sich jedenfalls insoweit offensichtlich um eine Rechtsänderung; ihr hat das Gesetz keine Rückwirkung beigelegt.

5. Schließlich ist der Beeinflussungstatbestand (§ 116 Abs 3 Satz 1 Nr 2 AFG) nicht erfüllt, der zur Voraussetzung hat, daß die Gewährung von Leistungen den Arbeitskampf beeinflussen würde.

Wie der Begriff der "Beeinflussung" iS dieser Generalklausel - die der Ausschuß für Arbeit wegen der Vielfalt der in Arbeitskämpfen möglichen Interessenlagen zur allgemeinen Absicherung der Neutralität der BA für notwendig erachtete (zu BT-Drucks V/4110 S 20 zu § 105 Abs 3) - auszulegen ist, hat der Gesetzgeber nicht näher erläutert. Allerdings ist dem Bericht des Ausschusses für Arbeit zu entnehmen, daß nicht jede Beeinflussung den Ruhenstatbestand erfüllen solle, denn es wird darin ausdrücklich betont: "Dabei wird es sich um Ausnahmefälle handeln" (zu BT-Drucks V/4110 S 20 zu § 105 Abs 3). Demgemäß scheidet eine Auslegung aus, wonach jede nennenswerte und merkliche Beeinflussung, die die Kampfparität berührt, als relevant anzusehen ist (so aber Müller, aaO, S 217; vgl auch Raiser, NZA 1984, 369, 375; ders, NZA 1986, 113, 115; Schmidt, ZfA 1985, 159, 166; Schulin, DB 1985, Beilage Nr 32, S 1, 10; Seiter, Staatsneutralität im Arbeitskampf, S 70 f; ders, Staatliche Neutralität im Arbeitskampf, S 51); zu fordern ist vielmehr eine nachhaltige Beeinflussung. Der Senat hat diese Auffassung bereits in seinem Urteil vom 9. September 1975 vertreten, wenn er ausgeführt hat, eine Beeinflussung des Arbeitskampfes iS des Beeinflussungstatbestandes sei nur dann gegeben, "wenn die Gewährung des Alg in rechtlich oder tatsächlich wesentlichem Umfang die jeweilige Situation der kämpfenden Tarifpartner zu ändern vermag" (BSGE 40, 190, 202 = SozR 4100 § 116 Nr 1; so auch etwa Benda, Sozialrechtliche Eigentumspositionen im Arbeitskampf, S 94; ders, St-P, S 297; Colneric in Däubler, aaO, 1. Aufl, Rz 769 ff; Gagel in Gagel, aaO, § 116 Rz 53 ff; Jülicher in Brox/Rüthers, aaO, Rz 890; Säcker, Gruppenparität und Staatsneutralität als verfassungsrechtliche Grundprinzipien des Arbeitskampfrechts, S 81, 123; Wohlgemuth/Gerloff, AuR 1982, 297, 300 f).

An dieser Auslegung des Beeinflussungstatbestandes ist festzuhalten. Für sie spricht nicht nur der Ausschußbericht, sondern auch die Gesetzessystematik. Ist nämlich die Leistungsgewährung die Regel, das Ruhen der Leistungen die Ausnahme, wäre es systemwidrig, durch eine weite Auslegung des Beeinflussungstatbestandes das Ruhen der Lohnersatzansprüche zum Normalfall werden zu lassen (ähnlich Azzola, St-P, S 182 f; Colneric in Däubler, aaO, 1. Aufl, Rz 769 ff; Gagel in Gagel, aaO, § 116 Rz 57; Kittner/Unterhinninghofen, AuR 1986, 1, 4; Schönefelder/ Kranz/Wanka, aaO, § 116 Rz 25). Im übrigen hat der Gesetzgeber selbst zu erkennen gegeben, daß nicht jede Gewährung von Sozialleistungen mit einer rechtlich relevanten Beeinflussung von Arbeitskämpfen verbunden ist, so zB in den Bereichen der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 192 Abs 1 Nr 1 Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung -) und der Sozialhilfe (§§ 2 ff Bundessozialhilfegesetz - BSHG -), in denen die Leistungen aus sozialen Gründen ohne Rücksicht auf etwaige Auswirkungen im Arbeitskampf zu erbringen sind.

Die Frage, ob die Gewährung des Kug den Arbeitskampf beeinflussen würde, ist - ähnlich wie die nach der gesicherten Aussicht auf Übernahme des Arbeitskampfergebnisses im nicht umkämpften Tarifbezirk (§ 116 Abs 3 Satz 1 Nr 1 AFG) - aus vorausschauender Sicht zu beantworten (Colneric in Däubler, aaO, 1. Aufl, Rz 780). Die Prognose muß, um eine Beeinflussung bejahen zu können, objektiv in die Richtung weisen, daß die Gewährung des Kug die jeweilige Situation der kämpfenden Tarifpartner in rechtlich oder tatsächlich wesentlichem Umfang beeinträchtigen würde (vgl hierzu auch Jülicher in Brox/Rüthers, aaO, Rz 890; Schwerdtfeger, Arbeitslosenversicherung und Arbeitskampf, S 55 f). Dabei ist - obschon § 116 Abs 1 AFG gemäß seinem Wortlaut verbietet, durch die Gewährung von Alg (Kug) in Arbeitskämpfe einzugreifen - zu beachten, daß die BA, wie dargetan, gegen ihre Neutralitätspflicht sowohl durch Gewährung als auch durch Nichtgewährung von Leistungen verstoßen kann. Ausschlaggebend ist letztlich, wie § 116 Abs 3 Satz 2 Halbs 2 AFG unterstreicht, welche Auswirkungen von der Gewährung bzw Nichtgewährung aller Voraussicht nach ausgehen (BSGE 40, 190, 204 = SozR 4100 § 116 Nr 1).

Die Beklagte durfte aus der gebotenen anfänglichen Sicht unter Berücksichtigung ihrer Pflicht zur Neutralität nicht zu der Schlußfolgerung gelangen, daß die Gewährung von Kug an die in den nicht umkämpften Tarifgebieten betroffenen Arbeitnehmer den Arbeitskampf in Nordwürttemberg-Nordbaden oder Hessen zu Lasten der Arbeitgeberseite in einer Weise beeinflussen werde, die das vom Gesetzgeber in Rechnung gestellte Normalmaß übersteigen werde. Denn in derselben Weise hätte sich ihr die Einschätzung aufdrängen können und müssen, daß die Versagung von Kug geeignet sei, den Arbeitskampf zu Lasten der Arbeitnehmerseite zu beeinträchtigen. Nach Auffassung des Senats liegt ein Fall der Nichterweislichkeit des Beeinflussungstatbestandes vor.

Die rechtsgeschichtliche Entwicklung des § 116 Abs 3 Satz 1 Nr 2 AFG zwingt nicht zu der Annahme, der Beeinflussungstatbestand müsse vorliegend Platz greifen.

Dem Gesetzgeber war die Problematik der vorliegenden Art seit langem bekannt. Darauf, daß die Richtlinien des Verwaltungsrats der Reichsanstalt vom 27. März 1928 als Fallgruppe 3 die Einflußklausel und als Fallgruppe 5 die mittelbare Betriebsstillegung durch Ausbleiben der Lieferung von Vorprodukten aufführten, ist hingewiesen worden. Zur Fallgruppe 3 (Einflußklausel) stellten die Erläuterungen zu den Richtlinien des Verwaltungsrats nach § 94 Abs 3 AVAVG vom 26. April 1928 heraus (RABl I 163, 164): "Je enger die organisatorischen Beziehungen der Belegschaften sind und je stärker die produktionstechnische Abhängigkeit des betroffenen Betriebes vom Kampfbetriebe ist, desto näher rückt die Möglichkeit, durch Gewährung von Arbeitslosenunterstützung in die Arbeitskämpfe einzugreifen. Es ist deshalb in jedem Falle zu prüfen, ob die Gewährung der Arbeitslosenunterstützung nicht einen solchen Eingriff bedeuten würde. Insbesondere wäre dieses der Fall, wenn Arbeitnehmer oder Arbeitgeber einen Arbeitskampf in der Absicht begönnen, hierdurch nicht nur die Arbeitsverhältnisse der Kämpfenden zu ändern, sondern auch diejenigen der mittelbar Betroffenen. Letztere könnten dann Unterstützung in keinem Falle erhalten." Zur Fallgruppe 5 (mittelbare Betriebsstillegung durch Ausbleiben der Lieferung von Vorprodukten) präzisierten die Erläuterungen: "Nummer 5 kommt nur dann zur Anwendung, wenn der mittelbar betroffene Betrieb vollständig oder zum Teil nur deshalb stillgelegt werden müßte, weil elektrischer Strom, Gas, Wasser oder Halb- oder Fertigfabrikate, die von dem Betriebe, in dem Arbeitskampf ausgebrochen ist, zu liefern waren, nicht geliefert worden sind, und insbesondere Halb- oder Fertigfabrikate unter Aufwendung aller zumutbaren Mittel nicht anderweitig beschafft werden konnten und deshalb die Weiterarbeit technisch unmöglich wurde. Es kommt also darauf an, daß tatsächlich nicht weiter produziert werden kann, und es scheiden die Fälle aus, in denen zwar technisch die Weiterarbeit möglich wäre, die Produktion aber wegen Auftragsmangels infolge von Arbeitskämpfen eingestellt oder eingeschränkt werden mußte."

Obschon für den Gesetzgeber sonach für die Fälle der vorliegenden Art nahezu alle Detailfragen offen zutage lagen, hat er sich 1969 dafür entschieden, die Gewährung von Kug an die mittelbar kampfbetroffenen Arbeitnehmer für den Normalfall nicht dem Ruhenstatbestand des § 116 Abs 3 Satz 1 Nr 2 AFG unterfallen zu lassen. Das geht insbesondere aus der Vorbemerkung des Ausschußberichtes zu § 116 AFG hervor, in der es heißt: "Der Ausschuß teilt jedoch nicht die Auffassung der Bundesregierung, daß die Gewährung von Arbeitslosengeld an Arbeitnehmer, die durch einen Streik, an dem sie nicht selbst beteiligt sind, arbeitslos geworden sind, im allgemeinen bereits den Arbeitskampf zugunsten der Arbeitnehmer beeinflussen würde und daher als Verletzung der Neutralitätspflicht anzusehen wäre" (zu BT-Drucks V/4110 S 19 zu § 105 Vorbemerkung).

Das Urteil des Senats vom 9. September 1975, das an die Ausschußbegründung anknüpfte und zu der erwähnten engen Auslegung des Beeinflussungstatbestandes gelangte, ist vom Gesetzgeber nicht zum Anlaß für eine Überarbeitung des Beeinflussungstatbestandes genommen worden. Hierzu sah sich der Gesetzgeber auch in den folgenden Jahren nicht veranlaßt, obwohl die Beklagte - zB während des Metall-Arbeitskampfes 1978 - die vom Senat entwickelten Grundsätze offensichtlich respektierte und anwandte. Erst nach dem Metallarbeiter-Arbeitskampf 1984 hat der Gesetzgeber im Jahre 1986 Veranlassung gesehen, den § 116 AFG zu novellieren. Nunmehr hat er den Beeinflussungstatbestand, für den er schon bei Schaffung ein Beispiel nicht benannt hat bzw nicht benennen konnte, aber nicht etwa konkretisiert, sondern gänzlich aufgehoben. Dies mag aus sich heraus nicht die Schlußfolgerung gestatten, er habe schon vor 1986 in Fällen der vorliegenden Art die Gewährung von Kug als nicht geeignet angesehen, den Arbeitskampf zu Lasten der Arbeitgeberseite zu beeinflussen. Es stützt jedoch die bereits aus der Gesetzessituation des Jahres 1969 ableitbare Ansicht, daß er die Lohnersatzleistungen der mittelbar betroffenen Arbeitnehmer im Drittbereich für den Normalfall nicht über den Beeinflussungstatbestand zum Ruhen gelangen lassen wollte. Andernfalls hätte von ihm im Jahre 1986 eine Konkretisierung dieses Ruhenstatbestandes für Fälle der vorliegenden Art erwartet werden müssen.

Auch die Rechtsprechung des BAG zur Arbeitskampfparität läßt sich nicht für die Verwirklichung des Beeinflussungstatbestandes in Fällen der vorliegenden Art heranziehen. Richtig ist, daß das BAG, wie angesprochen, eine Durchbrechung der zum allgemeinen Betriebs- und Wirtschaftsrisiko erarbeiteten Grundsätze insoweit für gerechtfertigt erachtet hat, als die Fernwirkungen eines Arbeitskampfes das Kräfteverhältnis der kampfführenden Parteien beeinflussen können. Dafür reicht die bloß abstrakte Möglichkeit einer Beeinflussung nicht aus. In Betracht kommen jedoch wirtschaftliche Abhängigkeiten (zB im Konzern) sowie koalitionspolitische Verbindungen. Ein solcher Fall ist zB dann anzunehmen, wenn die für den mittelbar betroffenen Betrieb zuständigen Verbände mit den unmittelbar kampfführenden Verbänden identisch oder doch organisatorisch eng verbunden sind (BAGE 34, 331, 346 = AP Nr 70 Art 9 GG Arbeitskampf). Diese Voraussetzungen sind hier zwar gegeben. Dennoch ist der Beeinflussungstatbestand, entgegen einer im Schrifttum verbreiteten Meinung (vgl etwa Schulin, DB 1985, Beilage Nr 32, S 1, 4; Seiter, Staatliche Neutralität im Arbeitskampf, S 70 ff), damit noch nicht realisiert. Es besteht kein automatischer Konnex zwischen der vom BAG zum Problem des Arbeitskampfrisikos erwähnten Beeinflussungsmöglichkeit und der im Rahmen des § 116 Abs 3 Satz 1 Nr 2 AFG zu fordernden, nachhaltigen tatsächlichen Beeinflussung.

Zum einen ist die Vorschrift des § 116 AFG, auch wenn sie starke Berührungspunkte zum Arbeitskampfrecht sichtbar werden läßt, nicht eine Norm des Arbeitskampfrechts (so aber Löwisch, RdA 1973, 22, 23; Raiser, NZA 1986, 113, 114 f; Richardi, NJW 1978, 2057, 2065), sondern eine die Folgen des Arbeitskampfes auffangende Sozialrechtsnorm (so auch Benda, Sozialrechtliche Eigentumspositionen im Arbeitskampf, S 110 ff; Gagel, Jura 1986, 281, 283; Muhr, AuR 1973, 9, 12; Musa, AuR 1976, 161, 164; Wertenbruch/Meyer, SGb 1973, 297, 304 f; Wohlgemuth/Gerloff, AuR 1982, 297, 298 f). Sie sagt nichts über Voraussetzungen und Grenzen rechtmäßiger Kampfhandlungen aus. Sie unterliegt vielmehr der ihr vom Gesetzgeber zuerkannten eigenen Zielsetzung (Bieback, SGb 1987, 177). Diese besteht ua darin, Sachverhalte in sozialrechtlicher Hinsicht abzuwickeln, die aus arbeitskampfrechtlichen Wertentscheidungen herrühren. Es geht mithin um die Bewältigung sozialer Folgeerscheinungen, denen nicht zwangsläufig eine Rückwirkung auf das Arbeitskampfrecht zuzuschreiben ist. Führt die arbeitskampfrechtliche Rechtslage, verbunden mit einem geänderten Arbeitskampfverhalten eines der Tarifpartner, zu kampfparitätswidrigen Friktionen, so ist es daher in erster Linie Aufgabe des Arbeitskampfrechts und nicht des Sozialrechts, diese Schieflage zu beheben (im Ergebnis ebenso BAG AP Nr 64 Art 9 GG Arbeitskampf; Azzola, St-P, S 289; Benda, Sozialrechtliche Eigentumspositionen im Arbeitskampf, S 181). Man würde die Tatsachen gleichsam auf den Kopf stellen, wenn man dem Gesetzgeber, der sich seit Jahrzehnten einer Kodifizierung des Arbeitskampfrechts bewußt enthalten hat (vgl dazu neuerdings Lieb/v. Stebut/Zöllner, Arbeitskampfrecht, Symposion Hugo Seiter zum Gedächtnis, 1990), unterstellen wollte, er habe mit § 116 Abs 3 AFG, insbesondere mit dessen Satz 1 Nr 2, zugleich unausgesprochen arbeitskampfrechtliche Wertentscheidungen treffen wollen (Dütz, DB 1979, Beilage Nr 14, S 1, 16; ders, Anm zu BAG vom 22. 12. 1980 - 1 ABR 76/79 - AP § 615 Nr 8 Betriebsrisiko; vgl auch Colneric, AuR 1986, 8 ff; Säcker, Gruppenparität und Staatsneutralität als verfassungsrechtliche Grundprinzipien des Arbeitskampfrechts, S 56, 69 f, 71, 73, 85 f jeweils mwN). Zum anderen hat das BAG nicht zum Ausdruck gebracht, daß in Fällen vorliegender Art der Anspruch auf Kug aus Gründen der Kampfparität nach § 116 AFG ruhen müsse. Es hat im Gegenteil klargestellt, daß die Vergütungsansprüche der mittelbar betroffenen Arbeitnehmer und die Leistungen der BA keineswegs in gleicher Weise begrenzt werden müssen, und es für mit dem Paritätsprinzip vereinbar erklärt, daß zwar den Arbeitnehmern das Lohnrisiko teilweise abgenommen wird, daß dies jedoch nicht auf Kosten der kampfbetroffenen Arbeitgeber geschieht (BAGE 34, 331, 345 = AP Nr 70 Art 9 GG Arbeitskampf; vgl auch BAG AP Nr 65 Art 9 GG Arbeitskampf). Damit hat es konkludent eine rechtliche Deckungsgleichheit zwischen paritätsrelevanter Beeinflussung iS des Arbeitskampfrechts auf der einen und Beeinflussung iS des § 116 Abs 3 Satz 1 Nr 2 AFG auf der anderen Seite verneint (so auch noch Seiter, Anm zum LAG Hamm vom 3. November 1978 - 3 Ia BV 96/78 - § 87 Nr 6 BetrVG Arbeitszeit).

Aus der gebotenen anfänglichen Sicht eines objektiven Beobachters in der Rolle der Beklagten waren auch keine tatsächlichen Umstände erkennbar, die die Annahme einer den normalen Rahmen sprengenden Arbeitskampfbeeinflussung zu Lasten der Arbeitgeberseite hätten nahelegen müssen.

Die Kug-Leistungen als solche scheiden insoweit aus. Sie sollten, so entspricht es der Rechtslage, nicht der Beigeladenen zu 5), sondern den in den nicht umkämpften Tarifgebieten mittelbar betroffenen Arbeitnehmern - auch Nichtorganisierten - zufließen. Auch von einer Verbesserung der finanziellen Lage der Beigeladenen zu 5) durch Ersparnis rechtlich sonst notwendiger Aufwendungen durfte die Beklagte nicht ausgehen. Die Satzung der Beigeladenen zu 5) sieht Streikunterstützungen an mittelbar Betroffene im nicht umkämpften Tarifgebiet nicht vor. Zwar wird die Auffassung vertreten, eine am vereinsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz orientierte Auslegung der Satzung der Beigeladenen zu 5) ergebe, daß alle Mitglieder, die infolge einer Kampfbewegung Lohn- bzw Gehaltsverlust erlitten, in gleicher Weise Unterstützung erhalten müßten, weil sie in gleicher Weise die Last des Arbeitskampfes trügen (so etwa Löwisch/Krauß, RdA 1972, 73, 77). Jedoch handelt es sich hierbei um eine Mindermeinung. Solange sie sich nicht durchgesetzt hat, kann von Ersparnis rechtlich sonst notwendiger Aufwendungen auf seiten der Beigeladenen zu 5) nicht die Rede sein.

Das Vorbringen der Beklagten, die Beigeladene zu 5) habe sich von den nicht direkt streikbetroffenen Arbeitnehmern etwaige Ansprüche auf Arbeitsentgelt und Lohnersatzleistungen in Höhe empfangener gewerkschaftlicher Unterstützungsleistungen abtreten lassen, beinhaltet eine neue Tatsachenbehauptung. Es kann in der Revisionsinstanz keine Berücksichtigung finden (vgl dazu etwa Meyer-Ladewig, aaO, § 163 Rz 4; Peters/Sautter/Wolff, aaO, § 163 Anm 2c).

Ob die Beigeladene zu 1) für ihre kurzarbeitenden Arbeitnehmer Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung und zur gesetzlichen Rentenversicherung zu entrichten hat, zu denen die BA auf Antrag einen Zuschuß gewährt (§§ 163 Abs 2, 166 Abs 3 AFG), ist nicht Gegenstand dieses Rechtsstreits. Diese Frage betrifft ausschließlich das Verhältnis der Einzugsstelle zur Beigeladenen zu 1). Unabhängig davon kann eine etwaige Pflicht zur Tragung der (hälftigen) Beitragslast nicht zur Bejahung des Ruhenstatbestandes des § 116 Abs 3 Satz 1 Nr 2 AFG führen. Der Gesetzgeber hat durch seine im Rahmen des § 116 Abs 3 AFG getroffene Grundentscheidung, die Leistungsgewährung solle die Regel, das Ruhen der Leistungen die Ausnahme sein, mittelbar zu erkennen gegeben, daß die Pflicht zur Entrichtung der Beitragsanteile allein nicht ausreicht, den Ruhenstatbestand des § 116 Abs 3 Satz 1 Nr 2 AFG auszulösen. Andernfalls nämlich könnte der Regelfall der Lohnersatzleistung praktisch niemals eintreten (im Ergebnis ebenso Schulin, DB 1985, Beilage Nr 32, S 1, 5).

Eine Versagung der Kug-Leistungen an die mittelbar betroffenen Arbeitnehmer im Drittbereich rechtfertigte sich schließlich nicht aus der Erwägung, der Arbeitskampf werde im Fall der Leistungsgewährung zu Lasten der Arbeitgeberseite deshalb beeinflußt, weil die Beigeladene zu 5) in immaterieller Hinsicht begünstigt werde.

Allerdings ist zu Beginn eines Arbeitskampfes abzusehen, daß die kampfführende Gewerkschaft früher oder später einem sog Binnendruck ausgesetzt sein wird, der sich mit zunehmender Dauer des Arbeitskampfes verstärken kann. Ein solcher Druck pflegt weniger von den nichtorganisierten, sondern mehr von den organisierten Arbeitnehmern der mittelbar kampfbetroffenen Unternehmen auszugehen; die Einflußmöglichkeiten der nichtorganisierten Arbeitnehmer auf die kampfführende Gewerkschaft sind erfahrungsgemäß gering (Weiss, AuR 1984, 37, 41 f). Hingegen kann der Druck der organisierten Arbeitnehmer auf die kampfführende Gewerkschaft beträchtlich sein. Er geht zumeist dahin, entweder den Streik auszuweiten und Arbeitskampfunterstützung zu zahlen oder aber in den Arbeitskampfforderungen nachzugeben (vgl BT-Drucks 10/4989 S 7 zu § 116 Abs 3).

Die Entwicklung des Arbeitskampfes 1984 schien dieser allgemeinen Erfahrung zu entsprechen. Dies ist den Äußerungen der Beigeladenen zu 5) in der Öffentlichkeit vor Beginn des Arbeitskampfes, vor allem dem Vortrag des Klägers und der Beigeladenen zu 5) im einstweiligen Anordnungsverfahren zu entnehmen. Danach stellte die Verweigerung des Kug ein ungeheures Druckmittel dar, um die Beigeladene zu 5) zu einem schnellen Einlenken und damit zu einer Abkürzung des Arbeitskampfes zu Lasten ihrer tarifpolitischen Vorstellungen zu bewegen.

Ein Teil der Literatur erblickt in den genannten Äußerungen des Klägers und der Beigeladenen zu 5) den Beweis für die Verwirklichung des Beeinflussungstatbestandes. Denn wer selbst angebe, die Entscheidung der BA beeinflusse die Gewerkschaft auf unzumutbare Weise, könne, so das maßgebliche Argument, nicht gleichzeitig behaupten, ein Einfluß auf den Arbeitskampf liege nicht vor (Raiser, NZA 1984, 369, 375; vgl auch Schulin, DB 1985, Beilage Nr 32, S 1, 10; Seiter, Staatliche Neutralität im Arbeitskampf, S 63 ff). Dieser Auffassung kann nicht beigepflichtet werden.

Einzuräumen ist, daß sich der Binnendruck auf die kampfführende Gewerkschaft durch die Gewährung von Kug möglicherweise verringert. Die Druckminderung mag sich ua darin äußern, daß die kampfführende Gewerkschaft auf Kug-Bezieher weniger Rücksicht zu nehmen braucht, daß sie weniger Mitgliederverluste zu beklagen hat, daß etwaige Ermüdungstendenzen auf seiten der Streikenden aufgefangen werden. Keinesfalls kann jedoch davon ausgegangen werden, daß durch die Gewährung von Kug eine völlige Binnendruckbefreiung eintritt. Immerhin machen die Kug-Leistungen lediglich weniger als zwei Drittel des bisherigen vollen Arbeitsentgelts aus (§ 68 AFG). Das ist zwangsläufig mit einer deutlichen Schmälerung der Lebensführung verbunden, aufgrund deren ein weiterer, wenngleich ggf abgeschwächter Binnendruck verbleibt.

Ungeachtet dessen mangelt es, worauf der Senat bereits in seinem Urteil vom 9. September 1975 aufmerksam gemacht hat, an hinreichenden tatsächlichen Erfahrungen und Abgrenzungskriterien, die es ermöglichen, anzugeben, wann die Gewährung von Leistungen an mittelbar vom Arbeitskampf betroffene Arbeitnehmer die Gewerkschaft von einem für den Arbeitskampf bedeutsamen Druck befreit (BSGE 40, 190, 203 = SozR 4100 § 116 Nr 1). Hieran hat sich bis heute nichts geändert. Eine exakte Quantifizierbarkeit des Drucks, der innerhalb einer Gewerkschaft entsteht und von dem die Gewerkschaft durch Gewährung von Lohnersatzleistungen entlastet wird, ist nach wie vor nicht möglich. Hierzu werden zwar zahlreiche Thesen vertreten, es fehlt indes an jeglichen verläßlichen Anhaltspunkten für eine Quantifizierbarkeit der Binnendruckentlastung durch Lohnersatzleistungen; niemand ist derzeit in der Lage, hierzu entsprechende empirische soziologische Daten oder sonstige plausible Kriterien vorzulegen (vgl etwa Säcker, St-P, S 23). Bloße Behauptungen (auch von gewerkschaftlicher Seite) können die notwendigen Tatsachen nicht ersetzen. Selbst wenn sich eine meßbare Binnendruckentlastung oder gar eine Binnendruckbefreiung aufgrund der Gewährung von Kug feststellen ließen, wäre damit nicht belegt, welchen Einfluß dies auf den Arbeitskampf selbst hätte.

Ein solcher Nachweis stößt ua auch deshalb auf unlösbare Schwierigkeiten, weil ein Streik selbst im Fall der Kug-Gewährung keineswegs ein risikoloses Unternehmen bleibt (Benda, Sozialrechtliche Eigentumspositionen im Arbeitskampf, S 232). Zu den Rahmenbedingungen eines erfolgreichen Streiks gehört zB auch und gerade die Akzeptanz in der Öffentlichkeit (Herschel, AuR 1985, 373, 374). Sie ist nicht selbstverständlich. Allein ihr Fehlen kann das schnelle Scheitern eines Streiks zur Folge haben.

Selbst nach Abschluß des Arbeitskampfes ist es schwierig, den Einfluß gewährter Kug-Leistungen auf den Arbeitskampf zu bewerten. Das bestätigt der Arbeitskampf 1984. Die im Bremer Werk der Beigeladenen zu 1) tätigen Arbeitnehmer hatten vom 18. Mai bis 14. Juni 1984, also während eines Zeitraumes von vier Wochen, kein Kug erhalten. Durch Beschluß vom 22. Juni 1984 gab das LSG der Beklagten im Wege der einstweiligen Anordnung auf, dem Kläger einen vorläufigen Bescheid darüber zu erteilen, daß die Voraussetzungen für die Gewährung von Kug für die Zeit ab 15. Juni 1984 vorlägen. Damit waren im Umfang der jeweiligen Kug-Ansprüche die wirtschaftlichen Belange der mittelbar betroffenen Arbeitnehmer bis auf weiteres in etwa sichergestellt. Trotzdem fand der Streik spätestens Anfang Juli 1984 sein Ende. Es läßt sich nun behaupten, die Arbeitgeberfront sei aufgrund der (unter Vorbehalt) in Aussicht gestellten Kug-Leistungen zusammengebrochen. Ebensogut läßt sich aber auch behaupten, die Arbeitnehmerseite habe trotz der (unter Vorbehalt) angekündigten Lohnersatzleistungen ihre tarifpolitischen Gesamtvorstellungen nur zu einem Bruchteil durchsetzen können.

Läßt sich der Einfluß der Kug-Gewährung auf den Arbeitskampf 1984 mithin selbst aus nachträglicher Sicht kaum abschätzen, erhellt, daß der Beklagten eine ex-ante-Beurteilung schlechthin nicht möglich war. Das LSG hätte nach gegenwärtigem Wissensstand die Frage des Vorliegens des Beeinflussungstatbestandes durch weitere Sachverhaltsaufklärung nicht aufhellen können. Der Senat brauchte sich aus diesem Grund nicht zu einer Zurückverweisung der Sache an das LSG veranlaßt zu sehen.

Nach all dem war zu Beginn des Arbeitskampfes 1984 ungewiß, welcher Einfluß von der Gewährung bzw Nichtgewährung des Kug auf den Arbeitskampf ausgehen werde. Den Nachteil dieser Ungewißheit hat nach allgemeinen Beweislastregeln die Beklagte zu tragen. Denn sie beruft sich gegenüber bestehenden Kug-Ansprüchen auf einen Ausnahmetatbestand.

6. Der Senat hat sich schließlich mit der Frage befaßt, ob die Vorschrift des § 116 AFG in der Auslegung, die sie durch seine Rechtsprechung erfahren hat, verfassungskonform ist. Das ist nach seiner Überzeugung der Fall. Insbesondere ist kein Verstoß gegen die in Art 9 Abs 3 GG verankerte Koalitionsfreiheit zu erkennen. Dieses Grundrecht räumt den geschützten Personen und Vereinigungen nicht mit Verfassungsrang einen inhaltlich unbegrenzten und unbegrenzbaren Handlungsspielraum ein (BVerfGE 38, 386, 393; 50, 290, 368); es ist vielmehr Sache des Gesetzgebers, die Tragweite der Koalitionsfreiheit dadurch zu bestimmen, daß er die Befugnisse der Koalitionen im einzelnen gestaltet und näher regelt (BVerfGE 50, 290, 368). Dabei kann er den besonderen Erfordernissen des jeweils zu regelnden Sachverhalts Rechnung tragen. Allerdings dürfen dem Betätigungsrecht der Koalitionen nur solche Schranken gezogen werden, die zum Schutz anderer Rechtsgüter von der Sache her geboten sind. Regelungen, die nicht in dieser Weise gerechtfertigt sind, tasten den durch Art 9 Abs 3 GG geschützten Kernbereich der Koalitionsbetätigungen an (BVerfGE 19, 303, 321; 28, 295, 306; 50, 290, 369; 58, 233, 247; 77, 1, 63).

Das gilt auch für die Gewährleistung der Tarifautonomie. Sie läßt dem Gesetzgeber einen weiten Spielraum zur Ausgestaltung (BVerfGE 20, 312, 317) und schafft damit die Möglichkeit, die Voraussetzungen der Tariffähigkeit der jeweiligen gesellschaftlichen Wirklichkeit so anzupassen, daß die Koalitionen ihre Aufgabe erfüllen können (BVerfGE 20, 312, 318). Allerdings verbietet es das Grundrecht der Koalitionsfreiheit, die Tariffähigkeit von Umständen abhängig zu machen, die nicht von der Sache selbst, also von der im allgemeinen Interesse liegenden Aufgabe der Ordnung und Befriedung des Arbeitslebens gefordert sind (BVerfGE 18, 18, 27). Der Gesetzgeber ist hiernach an einer sachgemäßen Fortbildung des Tarifvertragssystems nicht gehindert; seine Regelungsbefugnis findet ihre Grenze an dem verfassungsrechtlich gewährleisteten Kernbereich der Koalitionsfreiheit: der Garantie eines gesetzlich geregelten und geschützten Tarifvertragssystems, dessen Partner frei gebildete Koalitionen iS des Art 9 Abs 3 GG sein müssen (BVerfGE 4, 96, 108; 38, 281, 305 f; 50, 290, 369; 58, 233, 248; vgl auch etwa Leibholz/Rinck, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 6. Aufl, Art 9 Rz 381; v. Münch in Bonner Kommentar, 60. Lieferung, Stand Mai 1990, Art 9 Rz 150; Scholz in Maunz/Dürig/Herzog, aaO, Art 9 Rz 241 ff).

Die Ruhensvorschriften des § 116 Abs 3 Satz 1 Nrn 1 und 2 AFG greifen nicht in den durch Art 9 Abs 3 GG geschützten Kernbereich der Koalitionsfreiheit ein. Sie schränken insbesondere nicht den Grundsatz der Gegnerunabhängigkeit ein; ebensowenig führen sie zur Funktionsuntüchtigkeit der Tarifautonomie. Es ist sichergestellt, daß arbeitskampfbeteiligte Arbeitnehmer keine Lohnersatzleistung erhalten (§ 116 Abs 2 AFG). Gleiches trifft nach der Rechtsprechung des Senats auf mittelbar betroffene Arbeitnehmer im Kampfgebiet zu (BSGE 40, 190, 200 ff = SozR 4100 § 116 Nr 1) sowie in Tarifgebieten, in denen gleiche Forderungen üblicherweise durchgesetzt werden. Insoweit ist die Arbeitgeberseite vor dem Einsatz öffentlicher Leistungen geschützt. Erstreckt sich der umkämpfte Tarifvertrag auf das Bundesgebiet, gilt dies bundesweit. Andere Grundsätze greifen lediglich Platz, wo die umkämpften Tarifverträge - wie im Metallbereich - regional begrenzt sind. Insoweit erhalten mittelbar betroffene Arbeitnehmer, deren Betrieb nicht dem räumlichen, aber dem fachlichen Geltungsbereich des in Frage kommenden Tarifvertrages zuzuordnen sind, im allgemeinen Lohnersatzleistungen; anderes gilt, wenn ihre Teilhabe am Arbeitskampfergebnis gewährleistet ist (§ 116 Abs 3 Satz 1 Nr 1 AFG) oder wenn die Gewährung der Lohnersatzleistungen den Arbeitskampf (in erheblichem Umfang) beeinflussen würde (§ 116 Abs 3 Satz 1 Nr 2 AFG). Diese gesetzgeberische Entscheidung berührt nicht den durch Art 9 Abs 3 GG geschützten Kerngehalt der Koalitionsbetätigung. Es handelt sich um eine sachgerechte, dem Schutz von Sozialleistungsansprüchen (Art 14, 20 Abs 1, 28 Abs 1 Satz 1 GG) Rechnung tragende Abgrenzung, die die Arbeitgeberseite nicht an der Durchführung eines effektiven Arbeitskampfes hindert. Eine Vorlage an das BVerfG zur Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 116 Abs 3 Satz 1 AFG kommt deshalb nicht in Betracht.

Da die Ruhensvorschriften des § 116 Abs 3 Satz 2 AFG iVm § 4 NeutrA und des § 116 Abs 3 Satz 1 Nrn 1 und 2 AFG nicht erfüllt sind, kann offenbleiben, ob § 116 AFG mit Art 69 Buchst i des Übereinkommens Nr 102 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 28. Juni 1952 über die Mindestnormen der Sozialen Sicherheit (BGBl II 1957, 1321, 1347) in Einklang steht oder nicht (vgl hierzu etwa BSGE 40, 190, 206 = SozR 4100 § 116 Nr 1; Colneric in Däubler, aa0, 1. Aufl, Rz 750 ff; Säcker, St-P, S 361 f).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Sie ist allerdings, wie auch die vom Senat aus Gründen der Praktikabilität unverändert gelassenen Kostenentscheidungen der Vorinstanzen, lediglich als Abrechnungsregelung zu verstehen; denn von Rechts wegen steht der Erstattungsanspruch hinsichtlich der beim Kläger durch den Rechtsstreit entstandenen Kosten nicht diesem, sondern der Beigeladenen zu 1) zu; als Betriebsvertretung verfügt der Kläger nämlich nicht über eine eigene Kasse, vielmehr werden die durch seine Tätigkeit entstehenden Kosten grundsätzlich vom Arbeitgeber getragen (§ 40 Abs 1 BetrVG). Für die Anordnung einer gesamtschuldnerischen Kostentragung (§ 194 Satz 2 SGG) besteht keine Veranlassung.BUNDESSOZIALGERICHT

 

Fundstellen

BSGE, 25

BB 1991, 2225

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