Verfahrensgang

Hessisches LSG (Urteil vom 11.04.1990; Aktenzeichen L 3 U 1253/87)

SG Frankfurt am Main (Urteil vom 20.04.1988)

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers werden das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 11. April 1990 und das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt vom 20. April 1988 sowie der Bescheid der Beklagten vom 24. August 1984 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. März 1985 aufgehoben.

Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger wegen der Berufskrankheit Lärmschwerhörigkeit ab 1. Januar 1982 Verletztenrente nach einer MdE von 20 vH zu gewähren.

Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten sämtlicher Rechtszüge zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Streitig ist, ob dem Kläger eine Verletztenrente aufgrund berufsbedingter Lärmschwerhörigkeit zu gewähren ist.

Der 1930 geborene Kläger erwarb nach fliegerischer Ausbildung 1959 den Luftfahrerschein für Berufsflugzeugführer Klasse II und 1963 den Luftfahrerschein für Linienflugzeugführer. Ab dem 1. Juli 1959 arbeitete er als Verkehrsflugzeugführer, zuletzt bei der H. … -L. … Fluggesellschaft mbH bzw deren Rechtsvorgängerin von 1971 bis 1981 als verantwortlicher Flugzeugführer (Kapitän). Damit erzielte er zuletzt ein monatliches Nettogehalt von 8.439,– DM. Diese Tätigkeit mußte er wegen einer am 3. Mai 1981 festgestellten Fluguntauglichkeit infolge einer beginnenden beiderseitigen Innenohrschwerhörigkeit aufgeben. Nach Arbeitslosigkeit im Jahre 1982 arbeitete er mit kurzen Unterbrechungen als Angestellter in einem Reisebüro und danach teilzeitbeschäftigt im Bodendienst kleinerer Fluggesellschaften bis April 1987. Er erzielte damit ein monatliches Nettoentgelt zwischen 2.500,– DM und 2.832,– DM. Mit rechtskräftigem Urteil vom 4. Juni 1984 (– S 13 An – 106/82 –) verurteilte das Sozialgericht (SG) Frankfurt am Main die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, dem Kläger Rente wegen Berufsunfähigkeit zu gewähren. Es sah eine Beschäftigung des Klägers in den in Betracht kommenden Verweisungstätigkeiten wegen des damit verbundenen sozialen Abstiegs (erheblich unter der Beitragsbemessungsgrenze liegende tarifliche Einstufung) als unzumutbar an. Wegen eines 1987 festgestellten Herzinfarktes bezieht der Kläger seit dem 1. Juli 1987 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit.

Auf die am 28. Dezember 1981 eingegangene Anzeige über das Vorliegen einer Berufskrankheit ermittelte die Beklagte, daß der Kläger seine Tätigkeit als Flugzeugführer unter schädlicher Lärmexposition ausgeübt hat. Im HNO-ärztlichen Gutachten vom 16. Januar 1984 kam Prof. Dr. E. zu dem Ergebnis, daß eine berufsbedingte geringgradige beiderseitige Hochtoninnenohrschwerhörigkeit vorliege, die jedoch im allgemeinen Erwerbsleben keine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) verursache. Mit Bescheid vom 24. August 1984 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente ab, da die Hörstörung zwar durch die versicherte Tätigkeit verursacht worden sei, hierdurch aber keine rentenberechtigende MdE hervorgerufen werde. Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 19. März 1985). Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 20. April 1988).

Die Berufung ist ebenfalls ohne Erfolg geblieben (Urteil des Landessozialgerichts ≪LSG≫ vom 11. April 1990). Zur Begründung hat das LSG im wesentlichen ausgeführt, allein durch die funktionale Einschränkung des Hörvermögens werde keine MdE hervorgerufen. Ein rentenberechtigender Grad der MdE werde auch nicht unter Anwendung des § 581 Abs 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) erreicht. Beim Vergleich der Erwerbsmöglichkeiten des Klägers vor und nach Eintritt der Berufskrankheit ließen sich keine als unbillige Härte zu berücksichtigenden Nachteile feststellen, welche eine MdE in rentenberechtigendem Grade angemessen erscheinen ließen. Die Innenohrschwerhörigkeit habe zwar zum Verlust der Flugtauglichkeit des Klägers und damit zum Verlust seines Arbeitsplatzes als Verkehrsflugzeugführer geführt, wirke sich aber auf die sonstigen Tätigkeiten des allgemeinen Erwerbslebens nicht aus. Hierbei sei dem Kläger auch die Verwertung seiner Kenntnisse als Linienflugzeugführer zB im Innendienst von Fluggesellschaften etwa als Sachbearbeiter in der Creweinsatzplanung, dem Crewcontrolling oder in der Crewplanung zumutbar. Tatsächlich habe der Kläger nach Eintritt der Berufskrankheit solche Tätigkeiten verrichtet. Daß er dabei im Vergleich zu seiner fliegerischen Tätigkeit erhebliche wirtschaftliche Einbußen habe in Kauf nehmen müssen, könne im Rahmen des § 581 Abs 2 RVO nicht ausschlaggebend berücksichtigt werden.

Mit der – vom LSG zugelassenen – Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 581 Abs 1 und 2 RVO. Die die Höherbewertung der MdE rechtfertigenden Nachteile lägen dann vor, wenn die Nichtberücksichtigung von Ausbildung und Beruf bei der Bewertung der MdE zu einer „unbilligen Härte” führe. Das LSG habe den Rechtsbegriff der „unbilligen Härte” verkannt. Eine solche Härte liege immer dann vor, wenn der zu betrachtende Einzelfall sich gegenüber den übrigen den gleichen Vorschriften unterliegenden Fällen eindeutig in Richtung eines besonders unbilligen Ergebnisses heraushebe. Der Kläger habe wegen der Berufskrankheit seinen Beruf als Verkehrsflugzeugführer aufgeben müssen und damit auch seine wirtschaftlich herausgehobene Stellung verloren. Seine als Flugzeugführer erworbenen besonderen beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten hätten bei seinen Tätigkeiten im Reisebüro und Bodendienst von Luftverkehrsgesellschaften keinen Niederschlag im erzielten Einkommen gefunden. Finanzielle Einbußen von nahezu 100 % stellten eine „unbillige Härte” iS von § 581 Abs 2 RVO dar und seien bei der Bemessung der MdE im Rahmen der genannten Vorschrift mit 20 vH zu bewerten. Darüber hinaus hätte das LSG sein Lebensalter berücksichtigen müssen. Eine Tätigkeit im Reisebüro oder als Flugkoordinator sei einem im sechsten Lebensjahrzehnt stehenden ehemaligen Verkehrsflugzeugführer sowohl hinsichtlich des sozialen Ansehens als auch hinsichtlich der Gehaltsansprüche nicht zumutbar.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 11. April 1990 und das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt vom 20. April 1988 sowie den Bescheid vom 24. August 1984 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. März 1985 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, wegen der Berufskrankheit Lärmschwerhörigkeit eine Verletztenrente nach einer MdE von 20 vH ab 1. Januar 1982 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Revision des Klägers zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend.

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision des Klägers ist begründet.

Der Kläger hat Anspruch auf Gewährung von Verletztenrente nach einer MdE von 20 vH für die Zeit ab 1. Januar 1982.

Gemäß § 551 Abs 1 RVO ist eine Berufskrankheit wie ein Arbeitsunfall zu entschädigen. Berufskrankheit ist eine Erkrankung, die durch Rechtsverordnung der Bundesregierung als solche bezeichnet ist und die der Versicherte bei einer unfallversicherungsrechtlich geschützten Tätigkeit erleidet. Nach Nr 2301 der Anlage 1 zur 7. Berufskrankheitenverordnung (BKVO) vom 20. Juni 1968 (BGBl I, 721) idF der Verordnungen vom 8. Dezember 1976 (BGBl I, 3329) und 22. März 1988 (BGBl I, 400) zählt die Lärmschwerhörigkeit zu den Berufskrankheiten. Daß die bei dem Kläger vorliegende geringgradige Hochtoninnenohrschwerhörigkeit beiderseits durch eine versicherte Tätigkeit verursacht worden ist, hat die Beklagte durch Bescheid vom 24. August 1984 bindend anerkannt (§ 77 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫). Zwar führt die durch die Lärmschwerhörigkeit hervorgerufene Beeinträchtigung des körperlichen Leistungsvermögens des Klägers in Anwendung des § 581 Abs 1 RVO zu keiner rentenberechtigenden MdE. Entgegen der vom LSG vertretenen Auffassung ist der Rentenanspruch des Klägers jedoch unter Heranziehung der in § 581 Abs 2 RVO getroffenen Regelung begründet.

Bereits vor Inkrafttreten des Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetzes (UVNG) vom 30. April 1963 (BGBl I, 241) entsprach es der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), zur Vermeidung unbilliger Härten bei der Bemessung der MdE auch die Auswirkungen der Unfallfolgen auf den Lebensberuf des Verletzten im Einzelfall angemessen zu berücksichtigen (vgl BSGE 1, 174, 178; 4, 294, 298). Die durch das UVNG eingeführte Vorschrift des § 581 Abs 2 RVO normiert im wesentlichen die bis dahin entwickelten Grundsätze der Rechtsprechung (vgl BSGE 23,

253, 254; 28, 227, 229; 39, 31, 32). Die Vorschrift bestimmt, daß bei der Bemessung der MdE Nachteile zu berücksichtigen sind, die der Verletzte dadurch erleidet, daß er bestimmte, von ihm erworbene besondere berufliche Kenntnisse und Erfahrungen infolge des Unfalls nicht mehr oder nur noch in vermindertem Umfang nutzen kann, soweit sie nicht durch sonstige Fähigkeiten ausgeglichen werden, deren Nutzung ihm zugemutet werden kann. Allerdings läßt diese unfallversicherungsrechtliche Regelung – wie das LSG insoweit zutreffend erkannt hat – keine allgemeine Berücksichtigung der besonderen beruflichen Betroffenheit – etwa entsprechend den Grundsätzen des § 30 Abs 2 des Bundesversorgungsgesetzes – zu; eine derartige Auslegung widerspräche den Voraussetzungen und der gegenüber dem Versorgungsrecht anders gearteten Systematik des Unfallversicherungsrechts. Im Rahmen des § 581 Abs 2 RVO liegen die eine Höherbewertung der MdE rechtfertigenden Nachteile aber dann vor, wenn unter Wahrung des Grundsatzes der abstrakten Schadensberechnung die Nichtberücksichtigung von Ausbildung und Beruf bei der Bewertung der MdE im Einzelfall zu einer unbilligen Härte führen würde (st Rspr seit BSGE 23, 253, 255; vgl auch BSGE 31, 185, 188; 39, 31, 32; SozR Nrn 10 und 12 zu § 581 RVO; SozR 2200 § 581 Nrn 18 und 27; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 11. Aufl, S 568k ff mwN).

Als wesentliche Merkmale für die Beurteilung der Frage, ob eine höhere Bewertung der MdE zur Vermeidung unbilliger Härten gerechtfertigt ist, hat das BSG insbesondere das Alter des Verletzten (BSGE 4, 294, 299), die Dauer der Ausbildung (BSG SozR Nr 10 zu § 581 RVO) sowie vor allem die Dauer der Ausübung der speziellen beruflichen Tätigkeit (BSGE 4, 294, 298; SozR aaO Nrn 9 und 10) und auch den Umstand bezeichnet, daß die bisher verrichtete Tätigkeit eine günstige Stellung im Erwerbsleben gewährleistete (SozR aaO Nrn 10 und 12). Aus diesen Merkmalen und den außerdem zu beachtenden sonstigen besonderen Umständen des Einzelfalles kann sich eine höhere Bewertung der MdE nach § 581 Abs 2 RVO ergeben, wenn der Verletzte die ihm verbliebenen Kenntnisse und Fähigkeiten nur noch unter Inkaufnahme eines unzumutbaren sozialen Abstiegs auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens verwerten kann (SozR aaO Nr 10; Brackmann aaO S 569b).

Die nach dieser Rechtsprechung vorzunehmende Einzelfallprüfung führt im vorliegenden Fall zur Annahme einer unbilligen Härte. Maßgeblich hierfür ist die Summe der einzelnen Merkmale, die in ihrer Gesamtheit einen Nachteilsausgleich iS von § 581 Abs 2 RVO rechtfertigt.

Für dieses Ergebnis sprechen insbesondere folgende Umstände: Der Kläger war von seinem 29. Lebensjahr an bis zu seinem Ausscheiden im Alter von 51 Jahren als Verkehrsflugzeugführer tätig und hat diesen – zwar auf eine sehr verantwortungsvolle, aber auch auf eine ganz eng begrenzte Tätigkeit ausgerichteten – Lebensberuf wegen einer berufsbedingten Erkrankung aufgeben müssen, ohne für diesen Berufsverlust – mangels meßbarer MdE nach § 581 Abs 1 RVO – eine Entschädigung zu erhalten. Zwar trifft es zu, daß allein die unfallbedingte Aufgabe des erlernten Berufs nach der Rechtsprechung des BSG ebensowenig eine Erhöhung der MdE nach § 581 Abs 2 RVO zu begründen vermag wie allein der Umstand, daß erst unter Heranziehung der Erhöhungsvorschrift ein Anspruch auf Verletztenrente ermöglicht werden kann (BSGE 28, 227; BSG SozR 2200 § 581 Nr 18; Urteil des erkennenden Senats vom 20. Oktober 1983 – 2 RU 41/82 –). Das BSG hat in den genannten Entscheidungen stets betont, daß aus diesen Umständen nicht „allein” bzw nicht „zwangsläufig” auf das Vorliegen einer unbilligen Härte geschlossen werden könne. Das gleiche gelte für den erheblichen Minderverdienst, den ein Betroffener wegen des Berufsverlustes hinzunehmen habe, und zwar wegen des im Unfallversicherungsrecht herrschenden Grundsatzes der abstrakten Schadensberechnung. Aus diesen Entscheidungen ist zu ersehen, daß die einzelnen Umstände des jeweiligen Falles nicht isoliert, sondern in ihrer Gesamtheit zu beurteilen sind. Sie ergeben jedoch, daß ähnlich wie in dem der Entscheidung des Senats vom 26. Juni 1970 (SozR Nr 10 zu § 581 RVO) zugrunde liegenden Fall, der Kläger durch die Berufskrankheit seine gesamten speziellen hochqualifizierten Tätigkeiten nicht mehr verrichten und nicht mehr in anderen zumutbaren Tätigkeiten verwerten kann. Der vorliegende Fall ist darüber hinaus dadurch gekennzeichnet, daß der Kläger in seinem über 20 Jahre lang ausgeübten Beruf eine wirtschaftlich besonders günstige Stellung im Erwerbsleben eingenommen und durch die Berufskrankheit einen besonders gravierenden Einkommensverlust hinzunehmen hatte. Auch der Umstand, daß der Kläger zum Zeitpunkt der Berufsaufgabe bereits 51 Jahre alt war, ist im Hinblick auf die mit zunehmendem Lebensalter regelmäßig abnehmende Flexibilität für eine berufliche Neuorientierung ein weiteres für die Anwendbarkeit des § 581 Abs 2 RVO wesentliches Merkmal.

Anders als in dem vom 4. Senat des BSG am 22. Februar 1990 entschiedenen Fall (BSGE 66, 226 zur zumutbaren Verweisung eines Flugkapitäns auf die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit in der obersten Gruppe der Angestelltenberufe) war es dem Kläger im vorliegenden Fall auch nicht möglich, seine besonderen beruflichen Kenntnisse und Erfahrungen als Flugzeugführer nach seiner Berufsaufgabe auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens in zumutbarer Weise zu nutzen. Insoweit hat das LSG unter Hinweis auf die vom Kläger tatsächlich noch ausgeübten Tätigkeiten im Reisebüro und als Operation-Adviser (Nettoentgelte zwischen 2.500,–und 2.832,– DM) sowie unter Bezugnahme auf das Urteil des SG Frankfurt vom 4. Juni 1984 festgestellt, der Kläger könne seine Kenntnisse als Linienflugzeugführer nur noch im Innendienst von Fluggesellschaften als Sachbearbeiter in der Creweinsatzplanung, in der Crewcontrolling und in der Crewplanung verwerten. Diese allein in Betracht zu ziehenden Verweisungstätigkeiten hat das SG Frankfurt rentenversicherungsrechtlich als unzumutbar angesehen, weil der Kläger in diesen Berufen nach den maßgeblichen Tarifverträgen eine weit unter der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze liegende Vergütung erhielte (Vergütung im Jahre 1981 monatlich 2.589,– DM in der Eingangsstufe, monatliche Beitragsbemessungsgrenze 1981 4.400,– DM). Wenn dem LSG auch zuzustimmen ist, daß die Kriterien des Mehrstufenschemas zur Beurteilung von Berufsunfähigkeit in der gesetzlichen Rentenversicherung wegen der unterschiedlichen Systematik nicht auf das Recht der gesetzlichen Unfallversicherung übertragen werden können, so ist doch die Tatsache eines unfallbedingten erheblichen Minderverdienstes bedeutsam für die im Rahmen des § 581 Abs 2 RVO zu stellende Frage, ob der Verletzte im Hinblick auf das ihm verbliebene Leistungsvermögen noch in der Lage ist, auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens unter Berücksichtigung seiner Lebensverhältnisse, Kenntnisse und Fähigkeiten einen angemessenen Verdienst zu erzielen. Ist diese Frage – wie hier – wegen der im Verhältnis zum früheren Einkommen äußerst geringen Verdienstmöglichkeiten zu verneinen, so ist ein weiteres Merkmal für die Annahme einer unbilligen Härte gegeben.

Sind die Voraussetzungen des § 581 Abs 2 RVO erfüllt, so führt dies zu einer entsprechend höher einzuschätzenden MdE, wobei regelmäßig Erhöhungen von 10 bis 20 vH in Betracht kommen (vgl Brackmann aaO S 569c mwN). Im vorliegenden Fall ist der Kläger nicht zuletzt dadurch gravierend benachteiligt, daß die Berufskrankheit trotz ihrer einschneidenden beruflichen Auswirkungen keine MdE in rentenberechtigender Höhe zur Folge hat. In einem solchen Fall ist es zur Beseitigung dieser unbilligen Härte unter Berücksichtigung der übrigen Umstände angemessen, die Rentenleistung durch eine MdE-Erhöhung auf den beantragten rentenberechtigenden Grad von 20 vH zu ermöglichen (vgl hierzu BSG SozR 2200 § 581 Nr 18 unter Bezugnahme auf Gitter, Grundlagen der Sozialversicherung, Festschrift für Brackmann, 1977, S 103, 115).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1173575

BSGE, 47

NZA 1992, 671

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