Leitsatz (amtlich)

Die Partnerin einer freien Lebensgemeinschaft erhält aus der Versicherung des männlichen Partners keine Witwenrente.

 

Normenkette

RVO § 1264 Fassung: 1957-02-23; BSHG § 122 Fassung: 1969-09-18

 

Verfahrensgang

SG Mannheim (Entscheidung vom 20.11.1980; Aktenzeichen S 4 J 2872/79)

 

Tatbestand

Die im Jahr 1939 geborene Klägerin war von 1957 bis 1963 verheiratet; aus der Ehe sind vier Kinder hervorgegangen. Seit 1962 lebt  sie mit dem im Jahr 1937 geborenen ledigen Arbeiter H H zusammen. Sie gebar ihm von 1963 bis 1970 sechs Kinder. Mit Bescheid vom 22. Oktober 1973 gewährte die Beklagte dem Versicherten H H für die Zeit vom 1. August 1972 an Rente wegen Erwerbsunfähigkeit einschließlich sechs Kinderzuschüssen. Der Versicherte ist am 12. Februar 1979 gestorben. Die Kinder erhalten aufgrund eines Beschlusses der Beklagten vom 27. August 1979 Halbwaisenrente.

Mit dem im März 1979 gestellten Antrag auf Witwenrente hat die Klägerin vorgetragen, sie habe den beiderseits oberschenkelamputierten H jahrelang gepflegt; das strenge Kriterium "Witwe" dürfe hier nicht angewandt werden. Die Beklagte hat mit Bescheid vom 7. Mai 1979 den Antrag abgelehnt.

Das Sozialgericht (SG) Mannheim hat mit Urteil vom 20. November 1980 die Klage abgewiesen.

Mit der vom SG zugelassenen Revision trägt die Klägerin vor: Zwischen ihr und dem Versicherten habe eine ernsthafte Lebens- und Versorgungsgemeinschaft über längere Zeit bestanden. H habe beabsichtigt, sich mit ihr bis ans Lebensende zusammenzuschließen. Wegen seiner streng katholischen Lebenseinstellung habe er jedoch eine geschiedene Frau nicht heiraten wollen. Hätte sie ihn nicht gepflegt, hätten umfangreiche öffentliche Mittel eingesetzt werden müssen. Im übrigen würden nach § 122 Bundessozialhilfegesetz (BSGH) eheähnliche Gemeinschaften wie Ehen behandelt. § 1264 Reichsversicherungsordnung (RVO) müsse verfassungskonform ausgelegt werden. Sie beantragt,

das angefochtene Urteil sowie den Bescheid der Beklagten vom

7. Mai 1979 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr ab

1. März 1979 Witwenrente zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist nicht begründet. Sie hat keinen Anspruch auf Witwenrente aus der Versicherung des H H.

Als Rechtsgrundlage für einen etwaigen Anspruch der Klägerin kommt hier nur § 1264 RVO in Frage. Nach dieser Vorschrift erhält nach dem Tode des versicherten Ehemannes seine Witwe eine Witwenrente. Die Klägerin ist nicht die Witwe des Versicherten, da sie mit ihm nicht verheiratet war. Die entsprechende Anwendung des § 1264 RVO auf Partnerinnen einer freien Lebensgemeinschaft (zu diesem Begriff: Gernhuber, Ehe und Familie als Begriffe des Rechts, FamRZ 81, 721, 725) ist nicht geboten (vgl dazu BSG, Urteil vom 12.11.1981 - 7 RAr 21/81 -). Wie der Senat im Urteil vom 14. Mai 1981 - 4 RJ 105/78 - (JZ 81, 668 = FamRZ 81, 767 = NJW 81, 2655) ausgeführt hat, entspricht die Hervorhebung des familienrechtlichen Status der Witwe in § 1264 RVO auch dem Grundgedanken des besonderen Schutzes von Ehe und Familie in Art 6 Grundgesetz (GG). Eine Ausnahme nach Billigkeitsgrundsätzen könnte allenfalls dann in Betracht kommen, wenn das Gesetz eine ausdrückliche Regelung für Härtefälle enthält und sie deshalb  erlaubt. Eine solche Sondernorm gibt es jedoch im Recht der Rentenversicherung nicht.

Wenn § 122 BSHG vorschreibt, daß Personen, die in eheähnlicher Gemeinschaft leben, hinsichtlich der Voraussetzungen sowie des Umfanges der Sozialhilfe nicht besser gestellt werden dürfen als Ehegatten, so kann aus diesem Verbot der Besserstellung nicht auf ein Gebot der Gleichstellung geschlossen werden. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat für den rechtsähnlichen Fall des § 149 Abs 5 des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung ausgeführt, es widerspreche dem Gedanken des sozialen Rechtsstaates, daß Mittel der Allgemeinheit, die zur Hilfe für deren bedürftige Mitglieder bestimmt sind, mangels genügender Kontrolle auch in Fällen in Anspruch genommen werden, in denen wirkliche Bedürftigkeit nicht vorliegt; auf diesem Rechtsgedanken beruhe die Norm, die mit der Tendenz des Art 6 Abs 1 GG, eheähnliche Gemeinschaften hinsichtlich der materiellen Grundlage gegenüber rechten Ehen nicht zu begünstigen, in Einklang stehe (BVerfGE 9, 20, 35). Haben aber § 122 BSHG und ähnliche Normen den Zweck, eine sorgfältige Kontrolle öffentlicher Gelder zu ermöglichen, so ist die Annahme unbegründet, der Gesetzgeber habe mit diesen Normen die rechtliche Gleichstellung von Ehe einerseits und freier Lebensgemeinschaft andererseits durchgeführt oder auch nur einen entsprechenden Prozeß in Gang gesetzt.

Die Revision war als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.

 

Fundstellen

BSGE, 137

NJW 1982, 1894

Breith. 1982, 962

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