Beteiligte

Deutsche Angestellten Krankenkasse

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin werden die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 18. Mai 1999 und des Sozialgerichts Dortmund vom 18. Juni 1998 geändert. Die Bescheide der Beklagten vom 9. September 1996 und 2. Dezember 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Januar 1997 werden aufgehoben.

Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin mit einem Elektromobil in einer Standardausführung zu versorgen.

Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten aller Rechtszüge zu erstatten.

 

Gründe

I

Es ist streitig, ob die Klägerin von der beklagten Ersatzkasse die Versorgung mit einem Elektromobil beanspruchen kann.

Die im Jahre 1944 geborene, bei der Beklagten versicherte Klägerin leidet ua an den Folgen einer Kinderlähmung. Sie ist schwerpflegebedürftig (Pflegestufe II). Wegen des nahezu vollständigen Verlustes der Gehfähigkeit ist die Klägerin ständig auf einen Rollstuhl angewiesen. Die Beklagte hat ihr einen handbetriebenen Rollstuhl zur Verfügung gestellt, der aber für eine Bewegung außerhalb der Wohnung nicht mehr ausreicht, weil die Klägerin aufgrund sich verstärkender Funktionseinschränkungen der Arme und Hände sowie des Schulterbereichs nur für kurze Strecken in der Lage ist, ihren Rollstuhl über die Greifreifen selbst fortzubewegen. Sie muß deshalb auch im Bereich der Mobilität in zunehmendem Maße fremde Hilfe in Anspruch nehmen. Ihr Lebensgefährte ist dazu nicht in der Lage, weil er selbst auf einen Rollstuhl angewiesen ist.

Im Jahre 1996 beantragte die Klägerin die Ausstattung mit einem Elektromobil, um sich wieder ohne fremde Hilfe außer Haus fortbewegen und insbesondere selbständig einkaufen zu können. Die Beklagte lehnte dies ab, weil es sich dabei nicht um ein als Hilfsmittel der gesetzlichen Krankenversicherung anerkanntes Fahrzeug handele, bot der Klägerin aber – entsprechend der eingereichten ärztlichen Verordnung vom 4. Oktober 1996 – einen Elektrorollstuhl an (Bescheide vom 9. September 1996 und 2. Dezember 1996; Widerspruchsbescheid vom 30. Januar 1997).

Mit der Klage verfolgte die Klägerin ihren Anspruch weiter. Sie machte geltend, ein Elektromobil habe für sie mit Blick auf die selbständige Fortbewegung den gleichen Nutzwert wie ein Elektrorollstuhl, biete aber den Vorteil, daß es ihr ein selbständiges Einkaufen ermögliche, weil der Transportkorb an der Lenksäule angebracht sei und daher in ihrem Blickfeld und in ihrer Reichweite liege. Bei einem Elektrorollstuhl befinde sich eine Tasche bzw ein Netz an der Rückseite der Sitzlehne, die sie wegen der eingeschränkten Beweglichkeit ihres Oberkörpers nicht selbst erreichen könne und auch nicht in ihrem Blickfeld habe, was die Diebstahlsgefahr erhöhe. Zudem sei ein Elektromobil erheblich preiswerter als ein Elektrorollstuhl. Bei der etwaigen späteren Wiederverwendung gebe es keine bedeutsamen Unterschiede zwischen beiden Elektrofahrzeugen.

Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 18. Juni 1998). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen (Urteil vom 18. Mai 1999). Es hat die Ansicht vertreten, die Klägerin könne weder das – ihr am 25. November 1998 ärztlich verordnete – Elektromobil „Shoprider 4-Rad” der Firma G. noch ein Elektromobil eines anderen Herstellers beanspruchen. Die gesetzliche Krankenversicherung habe nicht die Aufgabe, ihren gehbehinderten Versicherten ein selbständiges Einkaufen zu ermöglichen, sondern nur sicherzustellen, daß sie den nächsten Lebensmittelladen erreichen können. Sonstige berücksichtigungsfähige Gebrauchsvorteile biete ein Elektromobil nicht. Die Klägerin müsse sich daher auf die ihr angebotene Versorgung mit einem Elektrorollstuhl verweisen lassen.

Mit der Revision rügt die Klägerin eine Verletzung der §§ 12 Abs 1 und 33 Abs 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). Sie vertritt die Ansicht, das selbständige Einkaufen gehöre zu den elementaren Grundbedürfnissen des täglichen Lebens und sei deshalb bei der Hilfsmittelversorgung zu berücksichtigen. Zudem habe das LSG den deutlich niedrigeren Anschaffungspreis eines Elektromobils nicht in die Prüfung einbezogen und damit das Gebot der Wirtschaftlichkeit der Hilfsmittelversorgung nicht beachtet.

Die Klägerin beantragt,

die Urteile des LSG Nordrhein-Westfalen vom 18. Mai 1999 und des SG Dortmund vom 18. Juni 1998 zu ändern, die Bescheide der Beklagten vom 9. September 1996 und 2. Dezember 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Januar 1997 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr ein Elektromobil mit an der Lenksäule angebrachtem Einkaufskorb zur Verfügung zu stellen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

II

Die Revision der Klägerin ist begründet. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Unrecht abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig. Der Klägerin steht ein Anspruch auf Versorgung mit einem Elektromobil zu.

1. Die Klage ist zulässig. Es verstößt nicht gegen die auch im sozialgerichtlichen Verfahren geltende Prozeßvoraussetzung eines bestimmten Klageantrags (BSGE 60, 87, 90 = SozR 1200 § 53 Nr 6), daß die Klägerin lediglich allgemein beantragt hat, ihr ein Elektromobil zur Verfügung zu stellen, und offenläßt, welcher Gerätetyp (dreirädiges oder vierrädiges Elektromobil) bzw welches spezielle Fabrikat (zB Shoprider) begehrt wird und ob das Gerät übereignet oder nur leihweise zur Verfügung gestellt werden soll. Die Beklagte hat in den angefochtenen Bescheiden ihre Leistungspflicht für jedwede Art von Elektromobilen verneint. Der Senat hat bereits in anderem Zusammenhang entschieden, daß eine Klage auf eine nur allgemein umschriebene Leistung zulässig ist, wenn die Entscheidung über die Art der Gewährung (Leihe oder Übereignung) und auch die Spezifizierung der geschuldeten Leistung im Zusammenwirken der Behörde mit dem Leistungsempfänger erfolgt (BSG SozR 3-2500 § 33 Nrn 16 und 27). Dies gilt zumindest dann, wenn – wie hier – kein Anhaltspunkt dafür vorliegt, daß die Beteiligten im Falle einer Verurteilung der Behörde über die Auswahl streiten werden. Dem steht auch nicht entgegen, daß damit ungewiß bleibt, ob die Beklagte ihrer Sachleistungspflicht im Wege der Übereignung oder im Wege der leihweisen Überlassung nachkommt.

2. Die Klage ist begründet. Der Anspruch der Klägerin auf Versorgung mit einem Elektromobil ergibt sich allerdings nicht bereits aus der vertragsärztlichen Verordnung vom 25. November 1998 (vgl Urteil des 8. Senats des Bundessozialgerichts vom 29. September 1997 - 8 RKn 27/96 – SozR 3-2500 § 33 Nr 25). Dies folgt schon daraus, daß nach § 275 Abs 3 Nr 2 SGB V die Krankenkassen vor Bewilligung eines Hilfsmittels in geeigneten Fällen durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) prüfen lassen können, ob das Hilfsmittel erforderlich ist. Hiermit steht in Einklang, daß nach den die Verordnungstätigkeit regelnden Bundesmantelverträgen (§ 30 Abs 8 Satz 1 Bundesmantelvertrag-Ärzte ≪BMV-Ä≫, Stand: 1. Januar 1996; ebenso § 16 Abs 8 Satz 1 Bundesmantelvertrag-Ärzte/Ersatzkassen ≪EKV-Ä≫, Stand: 1. Januar 1996) die Abgabe von Hilfsmitteln einer Genehmigung durch die Krankenkasse bedarf, soweit in ihren Bestimmungen – wie hier – nichts anderes vorgesehen ist.

3. Der Anspruch scheitert nicht daran, daß das Elektromobil in der hier im Mittelpunkt stehenden Funktion als Einkaufshilfe für Lebensmittel und Gegenstände des täglichen Bedarfs die Funktion eines Warentransportmittels ausfüllt und Warentransportmittel jeder Art zu den allgemeinen Gebrauchsgegenständen des täglichen Lebens gehören, die nicht in den Leistungsbereich der gesetzlichen Krankenversicherung fallen. Versicherte haben im Rahmen der Krankenbehandlung (vgl § 27 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB V) ua Anspruch auf Versorgung mit Seh- und Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern oder eine Behinderung auszugleichen, soweit es sich nicht um allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens handelt (§ 33 Abs 1 Satz 1 SGB V). Das Elektromobil ist kein Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens. Darunter fallen nur Gegenstände, die allgemein im täglichen Leben verwendet werden (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 5; SozR 2200 § 182b Nr 6). Geräte, die für die speziellen Bedürfnisse kranker oder behinderter Menschen entwickelt und hergestellt worden sind und von diesem Personenkreis ausschließlich oder ganz überwiegend benutzt werden, sind nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen. Dies gilt selbst dann, wenn sie millionenfach verbreitet sind (zB Brillen, Hörgeräte); denn Bewertungsmaßstab ist insoweit der Gebrauch eines Geräts durch Menschen, die nicht an der betreffenden Krankheit oder Behinderung leiden. Die Frage, ob ein Mittel als allgemeiner Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens einzustufen ist, stellt sich für einen Gegenstand, der von der Konzeption her vorwiegend für Kranke oder Behinderte gedacht ist, erst dann, wenn er in nennenswertem Umfang auch von gesunden Menschen benutzt wird (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 19). Das Elektromobil wird aber nur von Personen benutzt, die durch Krankheit oder Behinderung in ihrer Gehfähigkeit eingeschränkt sind. Ein Elektromobil ist daher kein allgemeiner Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens iS des § 33 Abs 1 SGB V.

4. Ein Anspruchsausschluß nach § 34 Abs 4 SGB V greift ebenfalls nicht ein. Nach dieser Vorschrift kann der Bundesminister für Gesundheit durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Heil- und Hilfsmittel von geringem oder umstrittenem therapeutischen Nutzen oder geringem Abgabepreis bestimmen, deren Kosten die Krankenkasse nicht übernimmt. In der aufgrund dieser Ermächtigung erlassenen Rechtsverordnung (KVHilfsmV) vom 13. Dezember 1989 (BGBl I S 2237), die idF durch die Verordnung vom 17. Januar 1995 (BGBl I S 44) gilt, sind Elektromobile nicht aufgeführt.

5. Ein Ausschluß der Elektromobile aus der Leistungspflicht der Krankenkassen ergibt sich auch nicht aus ihrer Nichtaufnahme im Hilfsmittelverzeichnis. Dieses dient nicht dazu, den Anspruch des Versicherten einzuschränken, sondern nur als Richtschnur für die Kassen und als unverbindliche Auslegungshilfe für die Gerichte (Urteil des erkennenden Senats vom 23. August 1995 - 3 RK 7/95 – SozR 3-2500 § 33 Nr 16).

6. Der Anspruch der Klägerin ist begründet, weil im vorliegenden Fall ein Elektromobil ebenso wie ein Elektrorollstuhl die Voraussetzungen der „Erforderlichkeit” eines Hilfsmittels iS des § 33 Abs 1 SGB V sowie der „Wirtschaftlichkeit” iS des § 12 Abs 1 SGB V erfüllt und der Klägerin deshalb ein Wahlrecht gemäß § 33 Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil (SGB I) zusteht.

a) Das Gesetz gewährt einen Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln der gesetzlichen Krankenversicherung, wenn sie „im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern oder eine Behinderung auszugleichen” (§ 33 Abs 1 Satz 1 SGB V). Die Vorschrift ist durch das Gesundheits-Reformgesetz vom 20. Dezember 1988 (BGBl I S 2477) eingeführt worden und entspricht im wesentlichen dem vorangegangenen § 182b Reichsversicherungsordnung (RVO). Aufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung ist danach allein die medizinische Rehabilitation, also die Wiederherstellung der Gesundheit einschließlich der Sicherung des Behandlungserfolgs und des Behinderungsausgleichs. Dies bedeutet, daß die Körperfunktionen soweit wie möglich wiederhergestellt werden, um ein selbständiges Leben führen und die Anforderungen des Alltags meistern zu können. Die Rechtsprechung zu § 182b RVO und § 33 SGB V hat dies so konkretisiert, daß bei einem unmittelbar auf den Ausgleich der beeinträchtigten Organfunktion selbst gerichteten Hilfsmittel, insbesondere einem künstlichen Körperglied, ohne weiteres anzunehmen ist, daß eine medizinische Rehabilitation vorliegt (vgl etwa BSG SozR 2200 § 182 Nr 55 ≪Badeprothese≫). Hingegen werden nur mittelbar oder nur teilweise die Organfunktionen ersetzende Mittel nur dann als Hilfsmittel iS der Krankenversicherung angesehen, wenn sie die Auswirkungen der Behinderung nicht nur in einem bestimmten Lebensbereich (Beruf/Gesellschaft/Freizeit), sondern im gesamten täglichen Leben („allgemein”) beseitigen oder mildern und damit ein „Grundbedürfnis des täglichen Lebens” betreffen (st Rspr, vgl zuletzt Urteil des Senats vom 16. September 1999 - B 3 KR 8/98 R – ≪Rollstuhl-Bike≫ – zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen; BSG SozR 3-2500 § 33 Nrn 5 und 27; SozR 2200 § 182b Nrn 12, 30, 34, 37 jeweils mwN).

Ein Hilfsmittel ist nach der Rechtsprechung (BSG SozR 3-2500 § 33 Nrn 3 und 5) also in vorgenanntem Sinne „erforderlich”, wenn sein Einsatz zur Lebensbewältigung im Rahmen der allgemeinen Grundbedürfnisse benötigt wird. Dazu gehören zum einen die körperlichen Grundfunktionen (Gehen, Stehen, Treppensteigen, Sitzen, Liegen, Greifen, Sehen, Hören, Nahrungsaufnahme, Ausscheidung) und zum anderen die elementare Körperpflege, das selbständige Wohnen sowie die dazu erforderliche Erschließung eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums (ua Aufnahme von Informationen; Kommunikation mit anderen zur Vermeidung von Vereinsamung; das Erlernen eines lebensnotwendigen Grundwissens). Maßstab ist stets der gesunde Mensch, zu dessen Grundbedürfnissen der kranke und behinderte Mensch durch die medizinische Rehabilitation und mit Hilfe des von der Krankenkasse gelieferten Hilfsmittels wieder aufschließen soll (vgl BSGE 66, 245, 246 = SozR 3-2500 § 33 Nr 1; BSG SozR 3-2500 § 33 Nrn 7, 13, 16 und 27 sowie die Rechtsprechung zur RVO: BSG SozR 2200 § 182b Nrn 29, 34 und 37). Danach zählt zu den elementaren Grundbedürfnissen auch die Möglichkeit, die Wohnung zu verlassen und die Stellen zu erreichen, an denen Alltagsgeschäfte zu erledigen sind. Zu diesen Alltagsgeschäften gehört das Einkaufen von Lebensmitteln und Gegenständen des täglichen Bedarfs (Urteil des erkennenden Senats vom 16. September 1999 - B 3 KR 8/98 R – zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Der Wahrung dieses Grundbedürfnisses dienen Elektrorollstühle und Elektromobile gleichermaßen. Insbesondere ermöglichen beide Fahrzeuge das selbständige Einkaufen des täglichen Bedarfs, wobei ein Elektromobil wegen des vorne angebrachten Transportkorbes für den Behinderten etwas bequemer sein mag. Demgegenüber ist der Vorzug eines Elektrorollstuhls, auch an einen Tisch heranfahren zu können, immer dann von untergeordneter Bedeutung, wenn der Behinderte – wie hier – schon über einen handbetriebenen Rollstuhl verfügt.

b) Elektromobile sind in der Gesamtschau (Anschaffungspreis, Möglichkeit der Wiederverwendung) auch nicht weniger wirtschaftlich (§ 12 Abs 1 SGB V) als Elektrorollstühle. Insbesondere im Hinblick auf eine mögliche Wiederverwendung gebrauchter Elektromobile ergeben sich im Vergleich zu Elektrorollstühlen keine bedeutsamen Unterschiede. Auch Elektromobile sind, wenn auch unter Umständen in etwas geringerem Ausmaß als Elektrorollstühle, individuell anpaßbar (Lenksäule, Sitz). Die Frage, ob Elektromobile insgesamt gesehen sogar wirtschaftlicher als Elektrorollstühle sind, wie die Klägerin mit Blick auf die deutlich niedrigeren Anschaffungspreise behauptet, bedarf an dieser Stelle keiner Klärung. Die Beklagte andererseits beruft sich nicht darauf, ein Elektrorollstuhl sei zumindest im vorliegenden Fall kostengünstiger, weil ein geeignetes gebrauchtes Gerät in ihrem Bestand vorhanden sei. Es ist deshalb nicht darauf einzugehen, ob ein gebrauchtes Fahrzeug deshalb wirtschaftlicher als ein neuwertiges Fahrzeug ist, weil sein Zeitwert niedriger liegt oder es im betriebswirtschaftlichen Sinn bereits weitgehend „abgeschrieben” ist. Es genügt hier der Hinweis, daß auch Elektromobile gebraucht wieder ausgegeben werden können, sofern sie einmal angeschafft und später in den Bestand aufgenommen worden sind. Ein zunächst höherer Investitionsaufwand kann im Hinblick auf die Nutzungsdauer eines neuen Geräts im Einzelfall die wirtschaftlichere Lösung sein.

c) Ein Elektromobil ist für die Klägerin auch ein „geeignetes” Hilfsmittel. Sie ist nach den getroffenen Feststellungen körperlich und geistig in der Lage, ein Elektromobil sicher zu führen. Probeweise hat sie ein solches Fahrzeug auch schon benutzt und es für ihre individuellen Verhältnisse als besser geeignet und zweckmäßiger erkannt.

7. Unter verschiedenartigen, aber – wie hier – gleichermaßen geeigneten und wirtschaftlichen Hilfsmitteln, von denen zur „ausreichenden” (§ 12 Abs 1 Satz 1 SGB V) Bedarfsdeckung aber nur das eine oder das andere „erforderlich” iS des § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V ist, hat der Versicherte gemäß § 33 SGB I die Wahl. Diese gerade auch im Rahmen des Sachleistungsprinzips geltende Vorschrift besagt: „Ist der Inhalt von Rechten oder Pflichten nach Art oder Umfang nicht im einzelnen bestimmt, sind bei ihrer Ausgestaltung die persönlichen Verhältnisse des Berechtigten oder Verpflichteten, sein Bedarf und seine Leistungsfähigkeit sowie die örtlichen Verhältnisse zu berücksichtigen, soweit Rechtsvorschriften nicht entgegenstehen. Dabei soll den Wünschen des Berechtigten oder Verpflichteten entsprochen werden, soweit sie angemessen sind.” Die Vorschrift gilt nicht nur im Bereich reiner Ermessensleistungen (Entscheidungsermessen), in den der Anspruch auf Hilfsmittelversorgung nicht fällt, sondern entfaltet ihre besondere Bedeutung auch in den Fällen eines bloßen Auswahlermessens (vgl Mrozynski, SGB I, 2. Aufl 1995, § 33 RdNrn 2 und 4; Seewald in Kasseler Komm, § 33 RdNr 3). Bei der Versorgung mit Hilfsmitteln ist die Notwendigkeit, eine Wahl zu treffen, schon deshalb häufig gegeben, weil der Wettbewerb der Leistungserbringer für mehrere, unter Umständen auch zahlreiche gleichwertige Angebote auf dem Markt sorgt. Auch dort, wo nicht speziell ein Wahlrecht des Versicherten gesetzlich hervorgehoben wird, wie zB bei der freien Arztwahl (§ 76 SGB V) oder der Wahl des Krankenhauses (§ 39 Abs 2 SGB V), will § 33 SGB I nach der Begründung des Regierungsentwurfs (BT-Drucks 7/868 S 27) mit der Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse und der Wünsche des Betroffenen sicherstellen, daß nicht nur die Menschenwürde und die Freiheit des einzelnen gewahrt wird, sondern auch Gesichtspunkte der Effizienz zum Tragen kommen. Denn unter mehreren objektiv gleichwertigen Versorgungsmöglichkeiten weiß der Betroffene im Zweifel besser als der Versicherungsträger, welches Mittel seinen Bedürfnissen am ehesten gerecht wird. Das gesetzliche Gebot, angemessenen Wünschen des Leistungsberechtigten nach Möglichkeit („soll”) zu entsprechen, führt deshalb in Fällen der vorliegenden Art zu einem Wahlrecht des Berechtigten. Dieses Wahlrecht hat die Klägerin mit ihrem Antrag vom 5. August 1996, ihr ein Elektromobil zur Verfügung zu stellen und von der Ausstattung mit einem Elektrorollstuhl abzusehen, rechtzeitig ausgeübt. Die Beklagte ist daher an die von der Klägerin getroffene Wahl gebunden (zur Frage der Dauer des Wahlrechts und dessen Erlöschen vgl Urteil des erkennenden Senats vom 3. November 1999 - B 3 KR 15/99 R – nicht veröffentlicht).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.

 

Fundstellen

Haufe-Index 542865

NZS 2000, 352

br 2000, 68

KVuSR 2000, 175

SozSi 2000, 177

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