Entscheidungsstichwort (Thema)

sozialgerichtliches Verfahren. Nichtzulassungsbeschwerde. grundsätzliche Bedeutung der Rechtsfrage

 

Orientierungssatz

Die Rechtsfrage, wie der Inhalt des Merkblattes zur Berufskrankheit gem BKVO Anl 1 Nr 2108 rechtlich zu qualifizieren sei, hat keine grundsätzliche Bedeutung, wenn das Bundessozialgericht diese Rechtsfrage noch nicht ausdrücklich entschieden hat, da ihre Beantwortung praktisch außer Zweifel steht; bereits aus der einheitlichen Überschrift "Merkblatt für die ärztliche Untersuchung" der einzelnen Merkblätter ergibt sich nämlich, daß sie dem Arzt lediglich Hinweise für die Beurteilung aus arbeitsmedizinischer Sicht bieten sollen.

 

Normenkette

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1

 

Verfahrensgang

SG Dortmund (Entscheidung vom 29.07.1996; Aktenzeichen S 17 U 302/94)

LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 15.09.1997; Aktenzeichen L 17 U 197/96)

 

Gründe

Die gegen die Nichtzulassung der Revision im angefochtenen Beschluß des Landessozialgerichts (LSG) gerichtete Beschwerde des Klägers ist zurückzuweisen. Die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen teils nicht vor, teils sind sie unzulässig.

Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann. Der Beschwerdeführer rügt als Verfahrensmangel eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 des Grundgesetzes, §§ 62, 128 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes ≪SGG≫), weil das LSG mit Beschluß vom 15. September 1997 in der Sache entschieden habe, ohne die mit Schriftsatz vom 8. August 1997 angekündigte Stellungnahme des Beschwerdeführers nach Durchführung der von ihm beabsichtigten Ermittlungen abzuwarten. Diese Rüge ist nicht schlüssig vorgetragen. Denn aus der Beschwerdebegründung ist nicht ersichtlich, weshalb das LSG ohne den behaupteten Verfahrensmangel zu einem günstigeren Ergebnis für den Beschwerdeführer gekommen wäre.

Auch die weitere Rüge einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör dadurch, daß das LSG den Beschluß vom 15. September 1997 erlassen hat, ohne ihn vorher anzukündigen, ist nicht schlüssig vorgetragen. Denn es reicht zur Wahrung des Anspruchs auf rechtliches Gehör aus, daß dem Kläger bei seiner Anhörung nach § 153 Abs 4 Satz 2 SGG auf schriftlichem Weg Gelegenheit zum Vortrag gegeben wird (vgl Beschluß des Senats vom 13. Oktober 1993 in SozR 3-1500 § 153 Nr 1 sowie Beschlüsse des Senats vom 25. Februar 1994 - 2 BU 175/93 - und vom 18. September 1995 - 2 BU 57/95 -). Der Kläger hat nicht dargelegt, daß die dazu gemäß § 153 Abs 4 Satz 2 SGG vorgeschriebene entsprechende Anhörung der Beteiligten durch das Gericht unterblieben ist.

Gleiches gilt für die Rüge einer Verletzung des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs durch eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, weil das Gericht dem Kläger ansonsten in einer mündlichen Verhandlung über seine Arbeitsbedingungen im Hinblick auf die Voraussetzungen einer Berufskrankheit (BK) der Nr 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKVO) hätte befragen können. Im übrigen zielen die Ausführungen zur Rüge, das LSG hätte im Hinblick auf die Voraussetzungen einer Berufskrankheit der Nr 2108 der Anlage 1 zur BKVO nur aufgrund einer mündlichen Verhandlung entscheiden dürfen, lediglich auf die Beweiswürdigung durch das LSG. Hierauf gestützte Rügen können jedoch nicht zur Zulassung der Revision führen; denn § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG schließt es ausdrücklich aus, die Nichtzulassungsbeschwerde auf Fehler der Beweiswürdigung iS des § 128 Abs 1 Satz 1 SGG zu stützen. Dieser Hinweis soll keinesfalls Zweifel an der Rechtmäßigkeit der freien richterlichen Beweiswürdigung durch das LSG andeuten.

Der Beschwerdeführer rügt des weiteren als Verfahrensmangel eine Verletzung des § 103 SGG dadurch, daß das LSG es unterlassen habe, die arbeitstechnischen Voraussetzungen für eine Berufskrankheit der Nr 2108 der Anlage 1 zur BKVO zu ermitteln. Ferner sei die Amtsermittlungspflicht dadurch verletzt, daß der Sachverständige in seinem Gutachten nicht alle gebotenen Erkenntnisquellen, wie sie im Merkblatt für die ärztliche Untersuchung zur Nr 2108 der Anlage 1 zur BKVO aufgeführt seien, ausgeschöpft habe. Das Gericht hätte deshalb eine Ergänzung des Gutachtens anordnen bzw den Sachverständigen zum Termin zur Klarstellung, weshalb weitergehende Untersuchungen nicht erforderlich seien, laden müssen. Auch diese Rügen können nicht zur Zulassung der Revision führen, weil nach § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG der geltend gemachte Verfahrensmangel auf eine Verletzung der richterlichen Aufklärungspflicht gemäß § 103 SGG nur gestützt werden kann, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Die vom Beschwerdeführer insoweit erhobenen Rügen sind schon deshalb nicht schlüssig im obigen Sinne dargelegt, weil er einen berücksichtigungsfähigen und vom LSG übergangenen Beweisantrag aus dem Berufungsverfahren nicht bezeichnet hat (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 5 sowie Beschluß des Senats vom 17. September 1997- 2 BU 199/97 -).

Nach § 160 Abs 2 Nr 1 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Die grundsätzliche Bedeutung ist nur dann anzunehmen, wenn die vom Beschwerdeführer für grundsätzlich gehaltene abstrakte Rechtsfrage für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits im angestrebten Revisionsverfahren klärungsbedürftig, klärungsfähig und entscheidungserheblich ist (BSG SozR 1500 § 160 Nrn 53 und 54; Beschluß des Senats vom 27. Mai 1997 - 2 BU 49/97 -; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 2. Aufl 1997, IX, RdNr 63 mwN). Das ist hier nicht der Fall. Der Beschwerdeführer hält für grundsätzlich bedeutsam die Frage, wie der Inhalt des Merkblattes (zur Nr 2108 der Anlage 1 zur BKVO) rechtlich zu qualifizieren sei. Auch wenn das Bundessozialgericht (BSG) die vom Beschwerdeführer bezeichnete Rechtsfrage noch nicht ausdrücklich entschieden hat, fehlt es an der Klärungsbedürftigkeit, wenn ihre Beantwortung im Ergebnis unmittelbar dem Gesetz zu entnehmen ist (BSG SozR 1300 § 13 Nr 1, SozR 3-3100 § 1; Beschluß des Senats vom 27. Mai 1997- 2 BU 69/97 -; Krasney/Udsching, aaO, RdNr. 66), so gut wie unbestritten ist (BSG SozR 1500 § 160 Nr 17) oder praktisch außer Zweifel steht (BSG SozR 1500 § 160a Nr 4). Letzteres ist hier der Fall. Denn bereits aus der einheitlichen Überschrift "Merkblatt für die ärztliche Untersuchung" der einzelnen Merkblätter ergibt sich, daß sie dem Arzt lediglich Hinweise für die Beurteilung aus arbeitsmedizinischer Sicht bieten sollen. Im übrigen ist den überwiegenden Ausführungen des Beschwerdeführers zu entnehmen, daß die Beschwerde im Kern auf das Begehren einer materiell-rechtlichen Überprüfung der Rechtsansicht des LSG zielt, ob es in der Sache richtig entschieden hat. Dies wird besonders in den Ausführungen des Beschwerdeführers deutlich: "Soweit das Gericht zu der Feststellung gelangt ist, es liege keine Berufskrankheit nach Nr 2108 der Anlage 1 zur BKVO vor, hat es nach Auffassung des Klägers eine fehlerhafte rechtliche Würdigung vorgenommen", "das Gericht setzt sich mit der Problematik nicht in der gebotenen Weise auseinander:", "bei richtiger Würdigung hätte jedenfalls Veranlassung bestanden, sich mit den konkreten Arbeitsbedingungen, unter denen der Kläger mehr als vierzig Jahre tätig war, eingehend auseinanderzusetzen.". Ob das LSG in der Sache richtig entschieden hat, ist aber nicht Gegenstand des Verfahrens über die Nichtzulassungsbeschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (BSG SozR 1500 § 160a Nr 7 sowie Beschluß des Senats vom 27. Mai 1997 - 2 BU 49/97 -).

Die Beschwerde war daher insgesamt als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1175454

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