Beteiligt der Arbeitgeber den Betriebsrat in einer nach § 87 Abs. 1 BetrVG mitbestimmungspflichtigen Angelegenheit überhaupt nicht oder nicht ordnungsgemäß, so verletzt er seine gegenüber dem Betriebsrat bestehenden betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten. Der Betriebsrat kann dann die Rückgängigmachung, der Maßnahme verlangen, oder die Unterlassung.[1] Dabei steht der Unterlassungsanspruch stets dem jeweils zuständigen Betriebsratsgremium zu.[2]

[2] Zur Zuständigkeit des Konzernbetriebsrats bei einer konzernweiten Einführung von Ethikrichtlinien: BAG, Beschluss v. 17.5. 2011, 1 ABR 121/09.

2.1 Wirksamkeitsvoraussetzungen für Arbeitgebermaßnahmen

Beabsichtigt ein Arbeitgeber, eine mitbestimmungspflichtige Maßnahme durchzuführen, muss er vorher die Zustimmung des Betriebsrats und im Nichteinigungsfall den positiven Spruch der Einigungsstelle einholen. Nach der Auffassung des BAG ist diese Art der Mitbestimmung notwendige Voraussetzung für die Ausübung des Direktionsrechts und der Vertragsfreiheit.[1]

Somit ist die Zustimmung des Betriebsrats Wirksamkeitsvoraussetzung für die Maßnahme des Arbeitgebers. Verletzt der Arbeitgeber das Mitbestimmungsrecht, so sind seine einseitigen Maßnahmen rechtsunwirksam. Betroffene Arbeitnehmer haben ein Leistungsverweigerungsrecht. Der Arbeitgeber kann sich hinsichtlich seiner Pflichten dagegen nicht auf die von ihm verursachte Unwirksamkeit berufen.[2] Auch gegenüber Dritten bleibt er verpflichtet (relative Unwirksamkeit). Eine rechtskräftige Feststellung des Nichtbestehens eines Mitbestimmungsrechts bindet die Arbeitnehmer.[3]

 
Praxis-Beispiel

Wirkungen der Verletzung des Mitbestimmungsrechts

  • Verpachtet der Arbeitgeber die Betriebskantine unter Missachtung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG an einen Dritten, so ist der Pachtvertrag wirksam. Allerdings kann der Betriebsrat gegen den Arbeitgeber aufgrund seines Mitbestimmungsrechts auf dem Rechtsweg erreichen, dass dem Arbeitgeber die Erfüllung seiner Verpflichtungen aus dem Pachtvertrag untersagt wird.
  • Der Arbeitgeber rechnet ohne Zustimmung des Betriebsrats eine tarifliche Lohnerhöhung ungleichmäßig auf über- oder außertarifliche Zulagen an. Wegen der Verletzung des Mitbestimmungsrechts ist die ungleichmäßige Anrechnung unwirksam. Der Arbeitgeber muss den Arbeitnehmern, die sich auf die betriebsverfassungsrechtliche Unwirksamkeit berufen, die Zulagen ungekürzt weiterzahlen.[4]
  • Die Arbeitnehmer können bei einer unter Verletzung des § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG angeordneten zusätzlichen Samstagsschicht die Überstunden verweigern. Sie können bei mitbestimmungswidrig angeordneter Kurzarbeit unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges ihren ungekürzten Lohn oder die Rückgängigmachung einer Maßnahme analog § 1004 BGB verlangen, z. B. die Entfernung einer nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG mitbestimmungspflichtigen Verwarnung aus der Personalakte.[5]
[1] Zur Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung siehe zuletzt BAG, Urteil v. 22.6.2010, 1 ABR 853/08; BAG, Urteil v. 31.1.1984, 1 AZR 174/81 sowie BAG, Beschluss v. 20.8.1991, 1 ABR 85/90.
[3] BAG, Urteil v. 10.3.1998, 1 ABR 658/97.

2.2 Unterlassungsanspruch des Betriebsrats

Der Betriebsrat kann danach zum Schutz seines Mitbestimmungsrechtes aus § 87 Abs. 1 BetrVG schon vorbeugend die Unterlassung mitbestimmungswidrigen Handelns bei Androhung eines Ordnungsgeldes verlangen. Diese Möglichkeit besteht auch außerhalb der Voraussetzungen des § 23 Abs. 3 BetrVG; ein grober Verstoß des Arbeitgebers gegen die Mitbestimmungsrechte ist keine Voraussetzung für den Unterlassungsanspruch.[1] Dabei steht der Unterlassungsanspruch stets dem jeweils zuständigen Betriebsratsgremium zu.[2] Dieses muss – nicht zunächst einen Verstoß gegen sein Mitbestimmungsrecht hinnehmen, sondern kann schon gegen den ersten drohenden Verstoß gerichtliche Hilfe in Anspruch nehmen.

[2] Zur Zuständigkeit des Konzernbetriebsrats bei einer konzernweiten Einführung von Ethikrichtlinien: BAG, Beschluss v. 17.5.2011, 1 ABR 121/09.

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