§ 100 BetrVG hat praktische Bedeutung nur für vorläufige Einstellungen und Versetzungen. Es sind kaum Fälle denkbar, die Ein- oder Umgruppierungen als unaufschiebbar erscheinen lassen. Sind sich Arbeitgeber und Betriebsrat über eine Ein- oder Umgruppierung nicht einig, kann der Arbeitgeber dem betroffenen Arbeitnehmer ohne Eingruppierung ein – frei zu vereinbarendes – bestimmtes Gehalt unter Vorbehalt der Rückforderung oder Zusage einer Nachzahlung zahlen. Der Arbeitgeber kann dem Arbeitnehmer aber auch mitteilen, dass er in eine bestimmte Vergütungsgruppe eingruppiert werde, diese Eingruppierung aber noch nicht endgültig sei, sondern von der Zustimmung des Betriebsrats bzw. vom Ausgang eines Zustimmungsersetzungsverfahrens abhänge.

1.1 Zeitpunkt

Die vorläufige Durchführung von Einstellungen und Versetzungen ist in zeitlicher Hinsicht nur möglich, wenn

  • die Wochenfrist des § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG noch nicht abgelaufen ist oder
  • der Betriebsrat die Zustimmung bereits ausdrücklich verweigert hat oder
  • der Betriebsrat überhaupt noch nicht unterrichtet worden ist.

Die Beendigung einer vorläufigen personellen Maßnahme unterliegt nicht der Zustimmung des Betriebsrats nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG. Personelle Einzelmaßnahmen im Sinne der genannten Vorschrift können zwar nur nach Zustimmung des Betriebsrats oder deren rechtskräftiger Ersetzung vorgenommen werden. Zu diesen gehört die vorläufige personelle Maßnahme aber nicht. Das Beteiligungsrecht des Betriebsrats bei der Durchführung einer vorläufigen personellen Maßnahme richtet sich vielmehr ausschließlich nach § 100 Abs. 2 BetrVG.[1]

1.2 Voraussetzungen

Eine vorläufige Einstellung oder Versetzung kann nur vorgenommen werden, wenn dies aus sachlichen Gründen dringend erforderlich ist (§ 100 Abs. 1 Satz 1 BetrVG).

Ein dringendes Erfordernis ist noch nicht bei einem allgemeinen Interesse an baldiger Arbeitsaufnahme gegeben. Vielmehr müssen sachliche Gründe vorliegen, die das betriebliche Interesse dringend erforderlich erscheinen lassen. Maßstab ist, ob ein verantwortungsbewusster Arbeitgeber im Interesse des Betriebes alsbald handeln müsste, weil die geplante Maßnahme keinen Aufschub verträgt (dringender "Eilfall").[1] Das Merkmal "aus sachlichen Gründen" schließt aus, dass sich der Arbeitgeber selbst vorher durch Untätigkeit in "Zugzwang" gesetzt hat.

Erforderlich ist die Maßnahme erst dann, wenn dem Arbeitgeber keine andere Handlungsalternative verbleibt und dem Betrieb ohne die vorläufige Maßnahme ein spürbarer Nachteil erwachsen würde.

 
Praxis-Beispiel

Erforderliche Maßnahmen

Der Arbeitgeber hat aufgrund einer überraschenden Bewerbung Gelegenheit, eine dringend benötigte und im Betrieb seit langem fehlende Fachkraft einzustellen.

In der Lohnbuchhaltung fallen durch Krankheit kurzfristig Mitarbeiter aus. Damit die monatliche Abrechnung für die Belegschaft noch rechtzeitig erstellt wird, ist eine Versetzung einiger Angestellter in die Lohnbuchhaltung notwendig.[2]

1.3 Aufklärung des betroffenen Arbeitnehmers

Der Arbeitgeber muss den Arbeitnehmer gem. § 100 Abs. 1 Satz 2 BetrVG über die Sach- und Rechtslage aufklären. Er muss den Arbeitnehmer bzw. bei einer Einstellung den Bewerber also mündlich oder schriftlich über die Vorläufigkeit der Einstellung bzw. Versetzung unterrichten und darauf hinweisen, dass die Maßnahme durch gerichtliche Entscheidung wieder rückgängig gemacht werden kann (§ 100 Abs. 3 BetrVG).

 
Praxis-Tipp

Arbeitsvertrag unter Vorbehalt abschließen

Der Arbeitgeber sollte bei vorläufigen Einstellungen den Arbeitsvertrag unter dem Vorbehalt schließen, dass das Arbeitsverhältnis bei einer negativen gerichtlichen Entscheidung (§ 100 Abs. 3 BetrVG) aufgelöst ist (auflösende Bedingung).

Dem Arbeitnehmer/Bewerber ist auch mitzuteilen, ob der Betriebsrat von der Maßnahme unterrichtet worden ist, ob er ihr zugestimmt oder sich noch nicht geäußert hat und ob im Fall der Verweigerung der Zustimmung das gerichtliche Verfahren gem. § 99 Abs. 4 BetrVG eingeleitet bzw. mit welchem Ergebnis beendet worden ist.

Die unterlassene Aufklärung des Arbeitnehmers führt nicht zur Unwirksamkeit der vorläufigen Versetzung oder Einstellung, der Arbeitgeber kann sich aber wegen der Verletzung einer vertraglichen Nebenpflicht oder wegen Verschuldens bei Vertragsschluss schadensersatzpflichtig machen. Der Schaden besteht im sog. negativen Interesse, d. h. der Arbeitnehmer ist so zu stellen, wie er gestanden hätte, wenn er richtig informiert worden wäre

1.4 Unterrichtung des Betriebsrats

Der Arbeitgeber hat den Betriebsrat unverzüglich von der vorläufigen personellen Maßnahme zu unterrichten und die sachliche Dringlichkeit der Maßnahme darzulegen (§ 100 Abs. 2 Satz 1 BetrVG). Diese Unterrichtungspflicht ist nicht mit der Mitteilungspflicht gem. § 99 Abs. 1 BetrVG identisch, da es sich z. B. bei der vorläufigen und der (endgültigen) Einstellung um 2 verschiedene Maßnahmen handelt. Beide Mitteilungen können aber und sollten auch miteinander verbunden werden, wenn der Arbeitgeber die Wochenfrist des § ...

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