Rz. 1

(1) Die Beschäftigten in Baden-Württemberg haben einen Anspruch gegenüber ihrer Arbeitgeberin oder ihrem Arbeitgeber auf Bildungszeit. Während der Bildungszeit sind sie von ihrer Arbeitgeberin oder ihrem Arbeitgeber unter Fortzahlung der Bezüge freizustellen.

(2) Die Bildungszeit kann für Maßnahmen der beruflichen oder der politischen Weiterbildung sowie für die Qualifizierung zur Wahrnehmung ehrenamtlicher Tätigkeiten beansprucht werden.

(3) Berufliche Weiterbildung dient der Erhaltung, Erneuerung, Verbesserung oder Erweiterung von berufsbezogenen Kenntnissen, Fertigkeiten, Entwicklungsmöglichkeiten oder Fähigkeiten.

(4) Politische Weiterbildung dient der Information über politische Zusammenhänge und der Mitwirkungsmöglichkeit im politischen Leben.

(5) Die Qualifizierung zur Wahrnehmung ehrenamtlicher Tätigkeiten dient der Stärkung des ehrenamtlichen Engagements. Die Bereiche der ehrenamtlichen Tätigkeiten, für deren Qualifizierung ein Anspruch auf Bildungszeit besteht, werden durch Rechtsverordnung festgelegt. Die Landesregierung wird ermächtigt, den Bereich der ehrenamtlichen Tätigkeiten, für deren Qualifizierung ein Anspruch auf Bildungszeit besteht, durch Rechtsverordnung zu regeln.

 

Rz. 2

In § 1 BzG BW sind die Grundsätze des Bildungsurlaubs in Baden-Württemberg geregelt. § 1 Abs. 1 BzG BW stellt klar, dass das Gesetz den Beschäftigten einen Rechtsanspruch auf Bildungszeit gegen ihren Arbeitgeber oder Dienstherrn einräumt. Ausdrücklich wird in § 1 Abs. 1 Satz 2 BzG BW ein Anspruch auf bezahlte Freistellung während der Bildungszeit gewährt. Dabei handelt sich um eine spezialgesetzliche Urlaubsregelung, die neben Urlaubsregelungen aus anderen Gesetzen tritt. Um begrifflich die mit der Freistellung verbundenen Ziele des lebenslangen Lernens und der dafür im Arbeitsleben zur Verfügung zu stellenden Zeit deutlich zu machen, wählte der Gesetzgeber den Begriff "Bildungszeit". Dadurch soll auch deutlich gemacht werden, dass die Zeit, der bezahlten Freistellung dem Beschäftigten (ausschließlich) zur Weiterbildung dienen soll. § 1 Abs. 2 BzG BW regelt abschließend die Bereiche, in denen Bildungsmaßnahmen nach dem Gesetz angeboten werden können. Es handelt sich um den Bereich der beruflichen und politischen Weiterbildung sowie den Bereich der Qualifizierung von Maßnahmen im Ehrenamt.

 

Rz. 3

Die § 1 Abs. 3 und 4 BzG BW definieren die Bereiche der beruflichen und der politischen Weiterbildung. Berufliche Weiterbildung hat die Erhaltung, Erneuerung, Verbesserung oder Erweiterung von berufsbezogenen Kenntnissen, Fertigkeiten, Entwicklungsmöglichkeiten oder Fähigkeiten zum Inhalt. Hierzu zählen insbesondere die Anpassungs- und die Aufstiegsfortbildung, aber auch der Bereich der Gesundheitsprävention im betrieblichen oder dienstlichen Interesse, der dem Beschäftigten die theoretischen Kenntnisse der Optimierung der Gesundheit am Arbeitsplatz näherbringt. Die beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten werden aber auch gefördert, wenn durch die Weiterbildung die Erlangung eines entsprechenden Schulabschlusses ermöglicht wird, sie der Alphabetisierung der Beschäftigten dient oder Sprachkenntnisse erworben werden, die einen beruflichen Bezug haben.[1] Politische Weiterbildung dient der Information über politische Zusammenhänge und der Mitwirkungsmöglichkeit im politischen Leben und soll die Befähigung zur Teilhabe und Mitwirkung am politischen Leben fördern. Hierzu zählt auch die Teilnahme an Tagungen, Lehrgängen und Veranstaltungen, die staatsbürgerlichen Zwecken dienen oder an denen ein öffentliches Interesse besteht. Nach Auffassung des LAG Baden-Württemberg (LAG Baden-Württemberg, Urteil v. 9.8.2017, 2 Sa 4/17[2]) ist der Begriff der "politischen Weiterbildung" dabei weit auszulegen. Eine Veranstaltung dient der politischen Weiterbildung, wenn über politische Zusammenhänge und Mitwirkungsmöglichkeiten im politischen Leben informiert wird. Dies ist auch dann gegeben, wenn das Verständnis der Arbeitnehmer für gesellschaftliche, soziale und politische Zusammenhänge verbessert sowie die in einem demokratischen Gemeinwesen anzustrebende Mitsprache und Mitverantwortung in Staat, Gesellschaft und Beruf gefördert werden sollen.

 

Rz. 4

Von Arbeits- und Verwaltungsgerichten in Baden-Württemberg wurden als zulässige Themen für Bildungszeit etwa anerkannt:

  • "Arbeitnehmer(innen) in Betrieb, Wirtschaft und Gesellschaft" eines Verfahrensmechanikers (LAG Baden-Württemberg, Urteil v. 9.8.2017, 2 Sa 4/17[3]; LAG Baden-Württemberg, Urteil v. 12.10.2017, 3 Sa 30/17)
  • "Unsere Arbeitswelt gestalten" eines freigestellten Betriebsratsmitglieds eines Automobilzulieferers (ArbG Lörrach, Urteil v. 24.8.2016, 5 Ca 198/16)
  • "Aktiv im Betrieb" der IG Metall (ArbG Stuttgart, Urteil v. 7.4.2017, 26 Ca 1506/16[4])
  • "Belegschaften wirkungsvoll beteiligen" der IG-Metall (ArbG Ulm, Urteil v. 22.9.2017, 6 Ca 31/17 und 6 Ca 79/17)
  • "Grundlagen der Tarifpolitik" der IG-Metall (ArbG Ulm, Urteil v. 18.10.2017, 7 Ca 65/17)
  • "Das Siebengebirge – Wertvolle Natur- und Kulturlandsc...

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