Leitsatz (amtlich)

a) Gibt der Drittschuldner gegenüber dem Pfändungsgläubiger, dem die Forderung zur Einziehung überwiesen ist, ein Anerkenntnis gemäß § 208 BGB ab, so wird dadurch die Verjährung unterbrochen.

b) Durch eine zwischen Drittschuldner und Pfändungsgläubiger vereinbarte Stundung wird die Verjährung im Verhältnis zwischen diesen gehemmt.

 

Normenkette

BGB §§ 202, 208; ZPO § 840

 

Verfahrensgang

LG Berlin

KG Berlin

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 7. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 9. August 1977 aufgehoben, soweit die Klage in Höhe von 3.244,23 DM nebst Zinsen abgewiesen worden ist und der Klägerin Kosten auferlegt worden sind.

In diesem Umfang wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Der Bauunternehmer Günter „N…” schuldet der Klägerin aufgrund eines für vollstreckbar erklärten Zahlungsbefehls 2.082,48 DM nebst 8,5% Zinsen seit dem 8. Dezember 1971 und Verfahrens- sowie Vollstreckungskosten, insgesamt (einschließlich aufgelaufener Zinsen) 3.244,23 DM.

N… hatte 1972 für den Beklagten in Berlin ein Wohnhaus errichtet. Die Klägerin ließ – ebenso wie drei weitere Gläubiger N…s – im Juni 1972 die angebliche Werklohnforderung N…s gegen den Beklagten pfänden und sich zur Einziehung überweisen. Auf ihr gemäß § 840 ZPO gestütztes Auskunftsbegehren teilte Rechtsanwalt E… schriftlich mit, daß er den Architekten von K… und dieser wiederum den Bauherrn vertrete. Mit Schreiben vom 7. November 1972 erklärte er, daß N… gegen den Beklagten noch eine Forderung von 12.000 DM zustehe. Aus diesem Betrag werde auch die Forderung der Klägerin, die damals auf 2.647,18 DM beziffert worden war und der lediglich eine weitere Forderung in Höhe von 237,13 DM im Range vorging, befriedigt werden. Nachdem die Klägerin am 7. Dezember 1972 um Zahlung oder um Mitteilung der Hinderungsgründe gebeten hatte, kündigte Rechtsanwalt E… am 21. Dezember 1972 an, daß das Geld hinterlegt werde, sobald die erforderliche Nachfinanzierung abgeschlossen sei. 1975 legte Rechtsanwalt E… die Vertretung des Architekten von K… nieder. Die Forderung der Klägerin ist immer noch offen.

Die Klägerin hat mit der im April 1976 erhobenen Klage – gemeinsam mit den oben genannten drei weiteren Pfändungsgläubigern – von dem Beklagten in erster Instanz die Zahlung von 12.000 DM nebst Zinsen gefordert. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. In der Berufungsinstanz haben, nachdem ein Kläger ausgeschieden war, die verbliebenen drei Kläger zuletzt Zahlung von 11.039,95 DM nebst Zinsen begehrt. Davon entfallen 3.244,23 DM auf die Klägerin. Das Kammergericht hat die Berufung zurückgewiesen.

Dagegen hat allein die Klägerin Revision eingelegt. Mit ihr erstrebt sie weiter die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von 3.244,23 DM nebst Zinsen. Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

I.

Das Berufungsgericht hält die von der Klägerin gepfändete angebliche Werklohnforderung des Bauunternehmers N… für verjährt. Die Forderung sei unstreitig 1972 fällig gewesen. Daher sei die für sie geltende 2-jährige Verjährungsfrist im Zeitpunkt der Klageerhebung (1976) bereits abgelaufen gewesen.

In den von Rechtsanwalt E… für den Beklagten gemäß 840 ZPO abgegebenen Erklärungen vom 7. November und 21. Dezember 1972 liege kein die Verjährungsfrist gemäß § 208 BGB unterbrechendes Anerkenntnis. Dabei könne offen bleiben, ob Rechtsanwalt E… zur Abgabe der Erklärungen bevollmächtigt gewesen sei. Denn selbst wenn davon auszugehen sei, daß Rechtsanwalt E… ein wirksames, den Beklagten bindendes Anerkenntnis abgegeben habe, sei für eine Unterbrechung der Verjährung kein Raum, da dieses Anerkenntnis nicht dem Berechtigten gegenüber abgegeben worden sei. Berechtigter im Sinn des § 208 BGB sei nämlich – im Gegensatz zu der in § 209 BGB getroffenen Regelung – der Inhaber der Forderung. Das sei aber nach wie vor der Schuldner und nicht der Pfändungsgläubiger, der nur berechtigt sei, die Leistung des Drittschuldners an sich zu verlangen. Da ein etwaiges Anerkenntnis auch nicht zur Kenntnis des Berechtigten bestimmt gewesen sei, entfalte die dem Pfändungsgläubiger als Dritten gegenüber abgegebene Erklärung keine verjährungsunterbrechende Wirkung.

Ebensowenig führe eine zwischen dem Pfändungsgläubiger und dem Drittschuldner vereinbarte Stundung, die hier an sich aufgrund des Schreibens des Rechtsanwalts E… vom 21. Dezember 1972 angenommen werden könnte, gemäß § 202 BGB zu einer Hemmung der Verjährungsfrist. Stundungsverhandlungen und -vereinbarungen zwischen dem Drittschuldner und dem Pfändungsgläubiger ohne Einbeziehung des Inhabers der gepfändeten Forderung bewirkten gemäß § 242 BGB nur, daß der Einrede der Verjährung der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegenstehe, wenn der gepfändete Anspruch infolge dieser Verhandlungen und Vereinbarungen inzwischen verjährt sei. Nach dem Wegfall der die Arglist begründenden Umstände beginne keine neue Verjährungsfrist. Der Gläubiger müsse vielmehr innerhalb kurzer Zeit nach dem Wegfall dieser Umstände Klage erheben. Hier hätten sich die Kläger mit ihrer Klageerhebung im April 1976 zu lange Zeit gelassen. Auch für die Klägerin habe sich nämlich spätestens Ende 1974 ergeben, daß mit einer Nachfinanzierung und Hinterlegung durch den Beklagten nicht zu rechnen gewesen sei.

II.

Das Berufungsurteil hält der Nachprüfung nicht stand.

1. a) Allerdings geht das Berufungsgericht zu Recht davon aus, daß eine Drittschuldnererklärung in der Regel kein konstitutives oder deklaratorisches Schuldanerkenntnis, sondern lediglich eine rein tatsächliche Auskunft (eine sog. Wissenserklärung) enthält (BGHZ 699 328). Wie in dieser Entscheidung dargelegt ist, kann im Regelfall nicht davon ausgegangen werden, daß sich der Drittschuldner dem Gläubiger gegenüber in einer Erklärung gemäß § 840 Abs. 1 Nr. 1 ZPO vertraglich zur Zahlung verpflichtet und dadurch eine Verschlechterung seiner Rechtsstellung hinnimmt. Denn auch bei einem deklaratorischen Schuldanerkenntnis wäre er mit Einwendungen und Einreden ausgeschlossen, die er kannte oder mit denen er rechnete. Deshalb spricht alles dafür, daß der Drittschuldner mit seiner Erklärung nur seiner gesetzlichen Verpflichtung genügen will, dem Gläubiger über den Stand der gepfändeten Forderung Auskunft zu erteilen.

b) Damit ist jedoch noch nicht gesagt, daß die Drittschuldnererklärung keine Verjährungsunterbrechung gemäß § 208 BGB bewirken kann. Denn zur Anwendung dieser Bestimmung genügt bereits ein tatsächliches Verhalten des Schuldners, aus dem sich eindeutig sein Bewußtsein vom Bestehen der Forderung ergibt (Senatsurteil BGHZ 58, 103; BGH NJW 1965, 1430; RGZ 113, 234, 238 f.). Deshalb führt auch eine bloße Wissensbezeugung zur Anwendung des § 208 BGB (Johannsen in BGB-RGRK, 12. Aufl., Rdnr. 3 zu § 208; Staudinger/Coing, BGB, 11. Aufl., Anm. 3 d zu § 208; Soergel/Augustin, BGB, 10. Aufl., Rdnr. 10 zu § 208; Palandt/Heinrichs, BGB, 37. Aufl., Anm. 2 zu § 208). Das gilt auch dann, wenn diese Wissensbezeugung aufgrund einer Auskunftspflicht abgegeben wird (BGH NJW 1975, 1409; RGZ 113, 234, 238 ff.). Bedenken könnte lediglich wecken, daß mit einer Anwendung des § 208 BGB auf Drittschuldnererklärungen für den Drittschuldner eine seiner Auskunftspflicht nicht angemessene Verschlechterung der Rechtslage verbunden wäre, die in der Verlängerung der Verjährungsfrist läge.

c) Ob diese Bedenken dazu führen müssen, Drittschuldnererklärungen nicht dem § 208 BGB zu unterwerfen, kann hier jedoch offen bleiben. Abgesehen davon, daß das Berufungsgericht im Wege der Unterstellung selbst von einem schuldbestätigenden Anerkenntnis ausgeht, liegt auch in der im Schreiben des Rechtsanwalts E… vom 21. Dezember 1972 geäußerten Bitte um Stundung ein – von der Auskunftspflicht unberührtes – tatsächliches Eingeständnis der Schuld, das zur Anwendung des § 208 BGB führt (Johannsen in BGB-RGRK, a.a.O.; Staudinger/Coing, a.a.O.; Soergel/Augustin, a.a.O.; Palandt/Heinrichs, a.a.O.).

2. Nun meint das Berufungsgericht allerdings, § 208 BGB sei deshalb unanwendbar, weil der Beklagte die Schuld nicht dem Berechtigten gegenüber anerkannt habe. Das rügt die Revision zu Recht. Die Auffassung des Kammergerichts wird der Stellung des Pfändungsgläubigers, dem eine Forderung zur Einziehung überwiesen worden ist, nicht gerecht.

Zwar ist es richtig, daß der Pfändungsgläubiger durch die Überweisung der Forderung zur Einziehung nicht zum Inhaber der Forderung wird (Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, 19. Aufl., Anm. VI zu § 835). Dennoch steht er dem Drittschuldner nicht als unbeteiligter Dritter gegenüber. Die Überweisung ermächtigt ihn vielmehr zu allen im Recht des Schuldners begründeten, der Befriedigung dienenden Maßnahmen. Er darf deshalb in eigenem Namen die Forderung kündigen, einziehen, mit ihr aufrechnen und vor allem auf Leistung an sich klagen (vgl. dazu Stein/Jonas/Münzberg, a.a.O., Anm. V zu § 835; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO, 36. Aufl., Anm. 4 A zu § 835). Gerade diese Klagebefugnis läßt ihn auch in den Augen des Drittschuldners zu dessen maßgeblichem Gegenüber werden, während der Schuldner für den Drittschuldner bedeutungslos geworden ist. Er hat bereits mit der Pfändung die freie Verfügungsbefugnis über die Forderung verloren und ist seitdem auch nicht mehr berechtigter Zahlungsempfänger (§ 829 Abs. 1 ZPO).

Angesichts dieser Rechtsstellung des Pfändungsgläubigers gegenüber dem Drittschuldner besteht kein Grund, einem ihm gegenüber erklärten Anerkenntnis im Sinn des § 208 BGB die verjährungsunterbrechende Wirkung zu versagen und damit den Begriff des Berechtigten in § 208 BGB enger zu ziehen als in § 209 BGB (so wohl auch Baumbach/Lauterbach/Hartmann, a.a.O., Anm. 2 B zu § 840 für den hier gegebenen Fall, daß die Forderung dem Gläubiger überwiesen wurde; a.A. Oertmann, JR 1933, 5; Marburger, JR 1972, 15). Daß die Klage, die der zur Einziehung ermächtigte Pfändungsgläubiger gegen den Drittschuldner erhebt, die Verjährung der Forderung unterbricht, wird allgemein anerkannt und auch vom Berufungsgericht nicht in Frage gestellt (Johannsen in BGB-RGRK, a.a.O., Rdnr. 9 zu § 209 BGB; vgl. für den Fall der vertraglichen Einziehungsermächtigung BGH NJW 1957, 1838; Urteil vom 26. November 1957 – VIII ZR 70/57 – in LM BGB § 185 Nr. 8).

Der Bestimmung des § 841 ZPO, nach der der Pfändungsgläubiger bei einer Klageerhebung dem Schuldner den Streit verkünden muß, kommt in diesem Zusammenhang – entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts – keine Bedeutung zu. Damit soll lediglich sichergestellt werden, daß der Schuldner auf den Rechtsstreit über „seine” Forderung Einfluß ausüben kann, weil eine Entscheidung zum Nachteil des klagenden Pfändungsgläubigers auch seine Interessen berührt. Um all das geht es jedoch bei der Frage nach der Anwendung des § 208 BGB nicht.

3. Im Anschluß an die durch die Stundungsbitte gemäß § 208 BGB eingetretene Unterbrechung ist die Verjährung bis Ende 1974 gehemmt worden, da die Klägerin der Stundungsbitte für diesen Zeitraum entsprochen hat (§§ 202 Abs. 1, 205 BGB). Diese Feststellung kann der Senat selbst treffen, da das vom Berufungsgericht festgestellte Verhalten der Klägerin keinen anderen Schluß zuläßt.

Der Auffassung des Berufungsgerichts, eine derartige Stundungsvereinbarung sei nicht geeignet, eine Hemmung der Verjährung zu bewirken, kann nicht gefolgt werden. Zwar ist mit der Überweisung der gepfändeten Forderung an den Pfändungsgläubiger nicht die Befugnis verbunden, die Rechtslage zum Nachteil des Schuldners zu verändern. Deshalb ist auch eine dem Drittschuldner vom Pfändungsgläubiger gewährte Stundung dem Schuldner gegenüber wirkungslos, falls dieser nicht die finanziellen Auswirkungen der Stundung auf sich nimmt (RGZ 169, 54, 56).

Das steht jedoch der Wirksamkeit der Stundung im Verhältnis des Pfändungsgläubigers zum Drittschuldner nicht entgegen (so wohl auch Wieczorek, ZPO, 2. A., F II a 9 zu § 835; Stein/Jonas/Münzberg, a.a.O., V 1 zu § 835). Für die Zulassung einer derartigen, nur den „Stundungspartner” bindenden Vereinbarung besteht auch ein erhebliches Bedürfnis. Das zeigt gerade der vorliegende Fall. Der Schuldner, der im übrigen gemäß § 829 I Satz 2 ZPO für sich allein ebenfalls keine Stundung gewähren darf, erleidet durch eine vom Pfändungsgläubiger dem Drittschuldner gewährte Stundung keine nennenswerten Nachteile, da er in der Regel durch § 842 ZPO vor den Folgen einer verzögerten Beitreibung beim Drittschuldner geschützt wird. Dann spricht aber nichts dagegen, der Stundung durch den Pfändungsgläubiger – jedenfalls im Verhältnis zwischen ihm und dem Drittschuldner – auch die Rechtsfolgen der §§ 202, 205 BGB beizulegen.

4. Die bis Ende 1974 dauernde Hemmung führte dazu, daß erst Anfang 1975 die durch das Anerkenntnis im Jahre 1972 unterbrochene zweijährige Verjährungsfrist erneut zu laufen begann. Sie war bei Klageerhebung im April 1976 noch nicht abgelaufen. Das Berufungsgericht durfte die Klage daher nicht wegen Verjährung abweisen. Sein Urteil kann somit keinen Bestand haben. Die Sache bedarf weiterer Aufklärung und ist daher an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Dieses wird nunmehr aufzuklären haben, ob Architekt von K… und Rechtsanwalt E… wirklich vom Beklagten bevollmächtigt waren, die oben dargestellten zur Unterbrechung und Hemmung der Verjährung führenden Handlungen vorzunehmen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 609631

NJW 1978, 1914

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