Leitsatz (amtlich)

Zur haftungsausfüllenden Kausalität, wenn ein Rechtsanwalt, der einen Arbeitgeber in einem Kündigungsschutzprozeß vertritt, seinen Mandanten nicht über den Kleinbetriebseinwand im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 2, 3 KSchG belehrt.

 

Normenkette

BGB § 675

 

Verfahrensgang

OLG Oldenburg (Oldenburg) (Aktenzeichen 6 U 118/97)

LG Osnabrück (Aktenzeichen 3 O 5/95)

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 28. November 1997 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Der Kläger macht einen gepfändeten und zur Einziehung überwiesenen angeblichen Schadensersatzanspruch der A. GmbH (im folgenden: GmbH) gegen die beklagten, in einer Sozietät verbundenen Rechtsanwälte geltend mit der Begründung, der Beklagte zu 3 habe seine Vertragspflichten gegenüber der GmbH in zwei Arbeitsgerichtsprozessen schuldhaft verletzt.

Der Kläger war seit Januar 1991 bei der GmbH als Lackierer beschäftigt. Am 2. und 7. Oktober 1991 sowie am 4. November 1991 kündigte die GmbH das Arbeitsverhältnis. Dagegen erhob der Kläger eine Kündigungsschutzklage. In jenem Rechtsstreit, in dem die GmbH durch die Beklagten vertreten war, wurde rechtskräftig festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigungen beendet worden ist. In einem weiteren Arbeitsgerichtsprozeß wurde die GmbH, vertreten durch die Beklagten, rechtskräftig verurteilt, an den Kläger rückständigen Lohn von 48.659,12 DM nebst Zinsen zu zahlen.

Ein Konkursverfahren über das Vermögen der GmbH wurde im Mai 1994 mangels Masse abgelehnt; die Gesellschaft wurde deswegen am 1. Oktober 1996 im Handelsregister gelöscht.

Der Kläger ließ wegen seiner Titelforderung gegen die GmbH, wegen der gegen diese festgesetzten Vorprozeßkosten von 4.275,47 DM sowie wegen Vollstreckungskosten von 7.113,42 DM einen angeblichen Schadensersatzanspruch der GmbH gegen die Beklagten im August 1994 und Februar 1995 pfänden und sich zur Einziehung überweisen. Zur Begründung hat der Kläger geltend gemacht, die GmbH habe den Kündigungsschutzprozeß verloren, weil der Beklagte zu 3 nicht den Kleinbetriebseinwand nach § 23 Abs. 1 Satz 2, 3 des Kündigungsschutzgesetzes a.F. – KSchG – erhoben habe; darauf beruhe die Verurteilung der GmbH wegen des Lohnrückstandes.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht hat ihr bis auf einen Teil der Zinsforderung stattgegeben. Dagegen richtet sich die Revision der Beklagten.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache (§§ 564, 565 Abs. 2 ZPO).

I.

Die Klage ist zulässig.

1. Die Revision verneint zu Unrecht die Prozeßführungsbefugnis des Klägers.

Die Pfändung und Überweisung ist wirksam geworden mit der Zustellung des entsprechenden Beschlusses an die Beklagten als Drittschuldner (§§ 829 Abs. 3, 835 Abs. 3 Satz 1 ZPO). Nach unbeanstandeter tatrichterlicher Feststellung sind Pfändung und Überweisung ordnungsgemäß erfolgt. Wenn im vorliegenden Falle – gemäß der Behauptung der Beklagten – die Zustellung des Pfändungsbeschlusses an die Schuldnerin – von den Beklagten irrig als Drittschuldnerin bezeichnet – versäumt worden ist, so hatte dies nicht die Unwirksamkeit der Pfändung zur Folge (vgl. RG JW 1900, 424, 426). Dies gilt für die Zustellung des Überweisungsbeschlusses entsprechend (§ 835 Abs. 3 Satz 1 ZPO).

Die Überweisung ermächtigt den Kläger als Vollstreckungsgläubiger, eine Forderung der GmbH gegen die Beklagten einzuziehen und auf Leistung an sich selbst zu klagen (§ 836 Abs. 1 ZPO; vgl. BGHZ 82, 28, 31). Aus dieser Sachbefugnis ergibt sich zugleich das Prozeßführungsrecht (BGH, Urt. v. 24. November 1988 - IX ZR 210/87, NJW-RR 1989, 286, 287).

2. Die Vollstreckung des Klägers in einen Schadensersatzanspruch der GmbH gegen die Beklagten geht nicht, wie die Revision meint, schon deswegen ins Leere, weil die GmbH gemäß § 2 des Gesetzes über die Auflösung und Löschung von Gesellschaften und Genossenschaften vom 2. Oktober 1934 – Löschungsgesetz – (RGBl I S. 914) im Handelsregister gelöscht worden ist. Eine solche Forderung ist nicht mit dieser Löschung der GmbH untergegangen. Das Berufungsgericht hat zutreffend ausgeführt, daß die Löschung die Gesellschaft nicht endgültig beendet hat; vielmehr besteht diese trotz der Löschung fort, wenn sich nachträglich ergibt, daß sie noch Vermögen hat (vgl. § 2 Abs. 3 des Löschungsgesetzes; BGHZ 48, 303, 307; BGH, Urt. v. 4. Juni 1957 - VIII ZR 68/56, WM 1957, 975; v. 10. Februar 1977 - II ZR 213/74, WM 1977, 581; v. 18. Januar 1994 - XI ZR 95/93, NJW-RR 1994, 542). Dies ist der Fall nach dem insoweit maßgeblichen Vorbringen des Klägers, der als Vollstreckungsgläubiger einen vertraglichen Schadensersatzanspruch der GmbH gegen die Beklagten geltend macht, der vor der Löschung der GmbH entstanden sein soll.

II.

1.a) Die Begründetheit der Klage scheitert nicht schon daran, daß der Kläger aufgrund des zu seinen Gunsten ergangenen rechtskräftigen Urteils, das nach seinem Klagevortrag – entgegen seinem Vorbringen in den Vorprozessen – sachlich unrichtig ist, auf einen Schadensersatzanspruch der GmbH gegen die Beklagten zugreift, der darauf beruhen soll, daß die Vollstreckungsschuldnerin die Vorverfahren gegen den Kläger wegen einer schuldhaften Pflichtverletzung der Beklagten zu Unrecht verloren hat (vgl. BGH, Urt. v. 13. Juli 1982 - VI ZR 300/79, VersR 1982, 975, 976 f; v. 21. September 1995 - IX ZR 228/94, WM 1996, 35, 37). Es ist weder behauptet noch festgestellt worden, daß die Zwangsvollstreckung eine unerlaubte Handlung im Sinne des § 826 BGB ist, insbesondere daß der Kläger seinen Vollstreckungstitel durch unredliche Prozeßführung erlangt hat. Dann ist der Kläger nicht gehindert, wegen seiner rechtskräftig zuerkannten Forderung in den letzten Vermögensgegenstand der Schuldnerin zu vollstrecken.

b) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß die Begründetheit der Klage allein nach dem Rechtsverhältnis zwischen der GmbH als Vollstreckungsschuldnerin und den Beklagten als Drittschuldnern zu beurteilen ist (BGH, Urt. v. 21. September 1995, aaO) und ein sich daraus ergebender Anspruch, der ursprünglich auf Befreiung von Verbindlichkeiten gegenüber dem Kläger gerichtet war, mit der Überweisung in eine Zahlungsforderung umgewandelt worden ist (BGH, Urt. v. 13. Juli 1982, aaO, 976). Die Beklagten als Drittschuldner können dem Kläger als Vollstreckungsgläubiger alle Einwendungen entgegenhalten, die ihnen gegen die GmbH als Vollstreckungsschuldnerin zustehen (vgl. BGHZ 70, 313, 320).

2. Das Berufungsgericht hat aufgrund rechtsfehlerfreier tatsächlicher Feststellungen zu Recht angenommen, daß der Beklagte zu 3 – Fachanwalt für Arbeitsrecht – seine Pflichten aus dem Anwaltsvertrag (§§ 611, 675 BGB) mit der GmbH im Kündigungschutzprozeß gegen den Kläger verletzt hat und für einen daraus entstandenen Schaden alle Beklagten als Gesamtschuldner haften (vgl. BGHZ 56, 355, 363; 70, 247, 249, 251 f; 124, 47, 48 f).

Das Berufungsgericht hat folgende Aussage des Zeugen B. – Alleingeschäftsführer und -gesellschafter der GmbH – für glaubhaft gehalten: Bei seinem Beratungsgespräch mit dem Beklagten zu 3 Anfang Oktober 1991 wegen der Kündigungsschutzklage sei über die Anzahl der Arbeitnehmer der GmbH gesprochen worden. Dabei sei auch erwähnt worden, daß der Zeuge das Einzelunternehmen R. betreibe. Der Beklagte habe ihn gefragt, ob die in der Klage angegebene Anzahl von zehn oder elf Arbeitnehmern stimme. Nach der Erklärung, daß der Kläger bei der GmbH beschäftigt sei, habe der Beklagte geäußert, dann komme es nur auf diese an. Daraufhin habe der Zeuge zu den fünf vollschichtig beschäftigten Arbeitnehmern der GmbH die Lehrlinge, eine Aushilfskraft und sich selbst hinzugezählt und dem Beklagten gesagt, die GmbH habe zehn Arbeitnehmer. Die R. habe damals vier Aushilfskräfte und eine Teilzeitbeschäftigte gehabt; diese seien nicht für die GmbH tätig gewesen. Der Beklagte habe dem Zeugen nicht erklärt, daß Lehrlinge, Teilzeitkräfte und Geschäftsführer – für den Kleinbetriebseinwand gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2, 3 KSchG a.F. – nicht mitzählten.

Die Verfahrensrügen der Revision gegen die auf diese Aussage gestützte tatrichterliche Feststellung wurden geprüft, greifen aber nicht durch (§ 565 a ZPO). Das Berufungsgericht brauchte den Beklagten zu 3, dessen schriftliche und mündliche Angaben es in die Beweiswürdigung einbezogen hat, schon deswegen nicht gemäß § 448 ZPO als Partei zu vernehmen, weil dieser bei seiner Anhörung im Beweistermin (§ 141 ZPO) selbst nicht behauptet hat, er habe – gemäß seiner noch zu erörternden Vertragspflicht – dem Geschäftsführer der GmbH bei dem Beratungsgespräch erläutert, welche Arbeitnehmer für die Prüfung des Kleinbetriebseinwands mitzuzählen sind und welche nicht.

a) Aufgrund des festgestellten Sachverhalts hat das Berufungsgericht zu Recht ausgeführt, nach den Bekundungen des Zeugen sei dem Beklagten zu 3 vorzuwerfen, daß er B. nicht darüber aufgeklärt habe, welche Beschäftigten bei der Prüfung, ob ein Kleinbetrieb vorliege, zu berücksichtigen seien. Von einem Unternehmer sei nicht ohne weiteres zu erwarten, daß er dies richtig beurteile. Ein Fachanwalt für Arbeitsrecht müsse insoweit für eine Klärung sorgen. Dies habe der Beklagte versäumt.

Innerhalb seines Mandats hat der Rechtsanwalt seinen Auftraggeber umfassend und erschöpfend zu beraten. Dafür muß der Anwalt den Sachverhalt klären, den er seiner fachlichen Tätigkeit zugrunde zu legen hat, und prüfen, ob dieser geeignet ist, den vom Mandanten erstrebten Erfolg herbeizuführen. In der Regel darf der Rechtsanwalt auf die Richtigkeit tatsächlicher Angaben seines Auftraggebers ohne eigene Nachforschungen vertrauen, solange er die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit weder kennt noch kennen muß. Dieser Grundsatz gilt jedoch nicht für die Mitteilung von Rechtstatsachen und rechtlichen Wertungen, da solche Angaben eines rechtsunkundigen Mandanten unzuverlässig sind. Insoweit muß der Rechtsanwalt die zugrundeliegenden, für die rechtliche Prüfung bedeutsamen Umstände und Vorgänge klären; dafür genügt es regelmäßig, daß er seinen Mandanten befragt und von diesem einschlägige Unterlagen erbittet (BGH, Urt. v. 20. Juni 1996 - IX ZR 106/95, WM 1996, 1832, 1834 f).

Entsprechend dieser Vertragspflicht wollte der Beklagte zu 3 in seinem Beratungsgespräch mit dem Geschäftsführer der GmbH ermitteln, ob das Kündigungsschutzgesetz im Vorprozeß anwendbar war; dies war nicht der Fall, wenn der Kläger bei einem Kleinbetrieb im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 2, 3 KSchG a.F. beschäftigt war. Danach galten die Vorschriften des Ersten Abschnitts des Kündigungsschutzgesetzes über den allgemeinen Kündigungsschutz nicht für Betriebe, in denen in der Regel fünf oder weniger Arbeitnehmer – ausschließlich der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten – tätig waren; bei der Feststellung der Zahl dieser Arbeitnehmer waren nur diejenigen zu berücksichtigen, deren regelmäßige Arbeitszeit wöchentlich zehn Stunden oder monatlich 45 Stunden überstieg. Ein mitarbeitender Geschäftsführer einer GmbH war nicht mitzuzählen (vgl. § 14 KSchG; LAG Hamm LAGE § 23 KSchG Nr. 3; vgl. LAG Hamm LAGE § 23 KSchG Nr. 6; LAG Frankfurt am Main BB 1988, 1122; Herschel/Löwisch, KSchG 6. Aufl. § 23 Rdn. 6; Stahlhacke/Preis, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 6. Aufl. Rdn. 603; Kittner/Trittin, Kündigungsschutzrecht 2. Aufl. § 23 Rdnr. 18).

Schon diese rechtlichen Voraussetzungen eines Kleinbetriebseinwands gegen die Kündigungsschutzklage erforderten eine entsprechende Aufklärung des Geschäftsführers der GmbH durch den Beklagten zu 3. Ohne Erläuterung, welche Arbeitnehmer dafür – im maßgeblichen Zeitpunkt der Kündigung (BAG DB 1991, 500) – mitzuzählen waren, durfte der Beklagte vom rechtsunkundigen Geschäftsführer der GmbH keine zuverlässige Antwort erwarten. Infolge der unterlassenen Unterrichtung war die Erklärung des Geschäftsführers, die GmbH habe zehn Arbeitnehmer, im Hinblick auf die rechtlichen Voraussetzungen eines Kleinbetriebs falsch. Zwar hatte die Gesellschaft zehn Beschäftigte einschließlich des Geschäftsführers. Dieser sowie die drei Auszubildenden waren jedoch nicht mitzuzählen; ob die Aushilfe N. zu berücksichtigen war, ist noch zu erörtern.

b) Die notwendige Klärung, ob die Voraussetzungen des Kleinbetriebseinwands erfüllt waren, verlangte vom Beklagten zu 3 weiterhin die Prüfung, ob die GmbH und das – dem Beklagten damals bekannte – Unternehmen R. Gerätevertrieb (fortan: R.) des Geschäftsführers der GmbH einen gemeinsamen Betrieb bildeten und deshalb die Beschäftigten in beiden Unternehmen bei der Ermittlung der Arbeitnehmerzahl im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG a.F. zusammenzurechnen waren (vgl. BAG DB 1984, 1684; 1991, 500).

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (aaO; DB 1992, 231, jeweils m.w.N.) sind mehrere Unternehmen dann ein gemeinsamer, auch für das Kündigungsschutzrecht maßgeblicher Betrieb, wenn es sich um eine organisatorische Einheit handelt, innerhalb derer der Unternehmer allein oder zusammen mit seinen Mitarbeitern unter Einsatz tatsächlicher und immaterieller Mittel bestimmte arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt. In erster Linie kommt es dabei auf die Einheit der Organisation an, weniger auf die Einheitlichkeit der arbeitstechnischen Zweckbestimmung. Regelmäßig ist ein einheitlicher Betrieb gegeben, wenn die in einer Betriebsstätte vorhandenen Betriebsmittel für den oder die verfolgten arbeitstechnischen Zwecke zusammengefaßt, geordnet und gezielt eingesetzt werden und der Einsatz der Arbeitskräfte von einem einheitlichen Leitungsapparat gesteuert wird. Soll der Betrieb von mehreren Unternehmen geführt werden, so müssen sich die beteiligten Unternehmen zur gemeinsamen Führung des Betriebs rechtlich verbunden haben. Eine entsprechende Vereinbarung kann auch stillschweigend geschlossen werden und sich aus den tatsächlichen Umständen ergeben. Wird nach den Umständen des Einzelfalls der Kern der Arbeitgeberfunktionen im sozialen und personellen Bereich von derselben institutionellen Leitung ausgeübt, so deutet dies regelmäßig auf eine Führungsvereinbarung hin.

aa) Nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten hatte der Beklagte zu 3 Anhaltspunkte für einen gemeinsamen Betrieb der GmbH und der R. Danach arbeiteten sieben bis neun Mitarbeiter der R. in den Räumen der GmbH, die ihrerseits mindestens vier vollschichtig tätige Mitarbeiter hatte. Beide Unternehmen leisteten nach der Behauptung der Beklagten „vergleichbare bis identische Arbeiten” bei der Fahrzeuglackierung für Automobilhersteller und standen unter der einheitlichen Leitung des Geschäftsführers der GmbH.

bb) Es ist davon auszugehen, daß der Beklagte zu 3 dennoch den Geschäftsführer der GmbH beim Beratungsgespräch nach der (ersten) Kündigungsschutzklage im Vorprozeß nicht darüber aufgeklärt hat, daß der Kleinbetriebseinwand auch davon abhing, ob die GmbH und die R. einen gemeinsamen Betrieb bildeten und welche Merkmale dafür ausschlaggebend waren. Die Beklagten haben insoweit lediglich behauptet, „die daraus resultierende Problematik” sei „eingehend mit dem Geschäftsführer B. erörtert” worden. Bei seiner Anhörung hat der Beklagte zu 3 nicht vorgebracht, er habe den Geschäftsführer der GmbH im vorstehenden Sinne belehrt. Behauptet der Mandant eine pflichtwidrige Unterlassung des beauftragten Rechtsanwalts, so hat dieser im einzelnen darzulegen, welche vertragsgerechte Aufklärung er vorgenommen haben will und wie der Mandant darauf reagiert hat (BGH, Urt. v. 5. Februar 1987 - IX ZR 65/86, NJW 1987, 1322, 1323; v. 4. Juni 1996 - IX ZR 246/95, WM 1996, 1841, 1842 m.w.N.). Eine solche Darlegung enthält das Vorbringen der Beklagten nicht. Der Zeuge B., dessen Aussage das Berufungsgericht für glaubhaft gehalten hat, hat bekundet, der Beklagte zu 3 habe ihn über die Bedeutung eines gemeinsamen Betriebs für den Kleinbetriebseinwand nicht belehrt.

c) Hätte der Beklagte zu 3 nach der gebotenen Erläuterung vom Geschäftsführer der GmbH erfahren, daß die Voraussetzungen des Kleinbetriebseinwands erfüllt waren, so hätte er diesen nach dem Gebot des sichersten Weges in den Kündigungsschutzprozeß einführen müssen, um die Mandantin vor einem voraussehbaren und vermeidbaren Prozeßverlust zu bewahren (vgl. BGH, Urt. v. 21. September 1995 - IX ZR 228/94, WM 1996, 35, 40).

3. Die Pflichtverletzung des Beklagten zu 3 beruht auf Fahrlässigkeit (§ 276 BGB). Bei Beachtung der erforderlichen Sorgfalt hätte der Beklagte zu 3 die Pflichtwidrigkeit seines Verhaltens erkennen und sich daraus ergebende Nachteile für die Mandantin vermeiden können.

4. Die Revision rügt jedoch mit Erfolg die tatrichterliche Feststellung, die schuldhafte Pflichtverletzung des Beklagten zu 3 habe zum Verlust des (ersten) Kündigungsschutzprozesses und deswegen zur Verurteilung der GmbH im zweiten Arbeitsgerichtsverfahren gegen den Kläger geführt.

Dazu hat das Berufungsgericht ausgeführt:

Hätte der Beklagte zu 3 den Geschäftsführer der GmbH pflichtgemäß belehrt, so hätte sich ergeben, daß die Voraussetzungen des Kleinbetriebseinwands gegeben gewesen seien. Die GmbH habe damals nach der glaubhaften Aussage des Zeugen B. in der Regel nicht mehr als fünf Arbeitnehmer im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 2, 3 KSchG a.F. beschäftigt. Zwar sei der Zeuge nicht nach der Arbeitszeit der Aushilfe N. befragt worden. Es sei unstreitig gewesen, daß diese weniger als zehn Wochenstunden oder 45 Monatsstunden gearbeitet habe. Erst nach der Beweisaufnahme hätten die Beklagten dies bestritten. Dieses Bestreiten sei aber verspätet. Außerdem hätten die Beklagten darzulegen und zu beweisen, daß die GmbH mehr Arbeitnehmer als ein Kleinbetrieb beschäftigt habe. Die Beklagten hätten aber keinen Beweis dafür angetreten, daß die Aushilfe regelmäßig mehr als zehn Stunden wöchentlich oder 45 Stunden monatlich gearbeitet habe.

Die GmbH und die R. seien kein gemeinsamer Betrieb gewesen. Zwar sei die einheitliche Leitung ein bedeutsames Indiz für eine organisatorische Einheit. Nach dem unwiderlegten Klagevortrag hätten die Unternehmen jedoch völlig verschiedene Ziele verfolgt, die keine Kooperation und wechselseitige Abstimmung erfordert hätten; eine organisatorische Verzahnung sei weder notwendig gewesen noch praktiziert worden.

Der Kleinbetriebseinwand wäre bei ordnungsmäßigem Verhalten des Beklagten zu 3 im Vorprozeß erhoben worden und hätte zur Abweisung der Kündigungsschutzklage geführt. Dann wäre die GmbH nicht im zweiten Vorprozeß verurteilt worden.

Diese Erwägungen halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.

a) Für den haftungsausfüllenden Ursachenzusammenhang zwischen der anwaltlichen Pflichtverletzung und dem geltend gemachten Schaden, der gemäß § 287 ZPO festzustellen ist, trägt der Mandant die Beweislast, die durch den Beweis des ersten Anscheins und die – gegenüber § 286 ZPO – geringeren Anforderungen des § 287 ZPO an die Darlegungslast und an das Beweismaß erleichtert wird (BGHZ 123, 311, 315 ff; 126, 217, 222 ff; BGH, Urt. v. 5. November 1992 - IX ZR 12/92, NJW 1993, 734). Einen erstattungsfähigen Schaden hat der Mandant in der Regel dann erlitten, wenn er einen Prozeß verloren hat, den er bei sachgemäßer anwaltlicher Vertretung gewonnen hätte. Für diese hypothetische Beurteilung ist maßgeblich, wie der Vorprozeß nach Auffassung des Gerichts, das mit dem Regreßanspruch befaßt ist, richtigerweise hätte entschieden werden müssen. Dabei ist auszugehen von dem Sachverhalt, der dem Gericht des Vorprozesses unterbreitet und von diesem aufgeklärt worden wäre. Die Beweislastregeln des Vorverfahrens gelten grundsätzlich auch für den Regreßprozeß (BGHZ 133, 110, 111 ff; BGH, Urt. v. 22. November 1983 - VI ZR 36/82, VersR 1984, 160, 161; v. 20. November 1984 - IX ZR 9/84, VersR 1985, 146, 147; v. 2. Juli 1987 - IX ZR 94/86, NJW 1987, 3255 f).

Danach war aufzuklären, ob bei Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers die Voraussetzungen des Kleinbetriebseinwands gegeben waren und bei Erhebung dieses Einwands im (ersten) Kündigungsschutzprozeß dieser von der GmbH gewonnen und infolgedessen die Verurteilung dieser Gesellschaft im folgenden Vorprozeß unterblieben wäre. Dabei ist nach dem Beweis des ersten Anscheins davon auszugehen, daß der Geschäftsführer der GmbH nach Erläuterung der rechtlichen Voraussetzungen des Kleinbetriebseinwands den Beklagten zu 3 zutreffend unterrichtet hätte (vgl. BGH, Urt. v. 20. Juni 1996, aaO 1835 m.w.N.).

b) Das Berufungsgericht ist nach dem vorliegenden Sach- und Streitstand zu Recht davon ausgegangen, daß bei Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers die GmbH, sollte sie damals mit der R. keinen gemeinsamen Betrieb gebildet haben, nicht mehr als fünf Arbeitnehmer im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 2, 3 KSchG a.F. – nämlich den Kläger und vier weitere vollschichtig tätige Personen – beschäftigt hat und deswegen ein Kleinbetrieb war.

Der Kläger hat – unter Beweisantritt – behauptet, die regelmäßige Arbeitszeit der Aushilfe N. habe weniger als zehn Stunden wöchentlich und 45 Stunden monatlich betragen. Das Berufungsgericht hat jedoch – entgegen der Meinung der Revision – zu Recht angenommen, daß die Beklagten beweisen müssen, die Aushilfe N. habe bei Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers regelmäßig mehr als zehn Stunden wöchentlich oder 45 Stunden monatlich gearbeitet. Der Arbeitnehmer hat im Kündigungsschutzprozeß darzulegen und zu beweisen, daß im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG regelmäßig mehr als fünf Arbeitnehmer beschäftigt werden und deswegen kein Kleinbetrieb vorliegt (BAG AP § 611 BGB – Hausmeister – Nr. 1). Da der Kläger den vorliegenden Regreßprozeß aus der Stellung der GmbH als Mandantin gegen deren Prozeßbevollmächtigte im Vorverfahren führt, haben die Beklagten die Darlegungs- und Beweislast des Gegners – hier des Klägers – im Vorprozeß zu tragen. Sie haben im vorstehenden Sinne darzulegen und zu beweisen, daß die GmbH kein Kleinbetrieb war; gegebenenfalls könnte diese dann die beiden Vorprozesse – ohne eine schadensursächliche Pflichtverletzung der Beklagten – verloren haben. Insoweit fehlen bisher Vorbringen und Beweisantritte der Beklagten. Dies kann während des weiteren Berufungsverfahrens noch nachgeholt werden. Dieser Darlegungs- und Beweislast können die Beklagten nachkommen, weil der Beklagte zu 3 die damaligen Verhältnisse der GmbH und der R. gekannt hat.

c) Die Revision beanstandet aber zu Recht die tatrichterliche Feststellung, nach dem unwiderlegten Klagevortrag seien die GmbH und die R. kein gemeinsamer Betrieb gewesen; insoweit hat das Berufungsgericht wesentlichen Prozeßstoff außer acht gelassen (§ 286 ZPO). Falls bei Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers fünf Arbeitnehmern der GmbH solche der R. – nach der Behauptung der Beklagten 7 bis 9 – hinzuzuzählen wären, so wäre der Kleinbetriebseinwand entfallen; dafür würde es ausreichen, daß gemäß der Aussage des Zeugen B. eine halbtagsbeschäftigte Kraft bei der R. tätig war.

Das Berufungsgericht hat zutreffend erkannt, daß beide Unternehmen durch B. geleitet worden sind und dies auf eine einheitliche Organisation hindeutet; zumindest nach der tatsächlichen Übung hat B. allein die Aufgaben eines Arbeitgebers im sozialen und personellen Bereich wahrgenommen. Nicht berücksichtigt hat das Berufungsgericht bei der erforderlichen Gesamtwürdigung folgende weiteren Umstände, die für eine Zusammenarbeit der beiden Unternehmen und damit für einen gemeinsamen Betrieb sprechen können: Unstreitig war die R. in Betriebsräumen der GmbH tätig. Nach der Aussage des Zeugen B. hat R. zunächst Gerätebauteile hergestellt, die von Mitarbeitern der GmbH lackiert worden sind; im September 1990 hat die GmbH begonnen, das Lackieren von Autos für Privatkunden abzubauen; statt dessen sind durch R. Autoteile für Automobilhersteller lackiert worden. Die Beklagten haben unter Beweisantritt behauptet, die beiden Unternehmen hätten als Zulieferer der Autoindustrie Autos und Fahrzeugteile lackiert. Nach der Akte des Vorprozesses des Klägers gegen B. wegen rückständigen Lohns, die Gegenstand der Berufungsverhandlung gewesen ist und auf die die Beklagten Bezug genommen haben, hat B. vorgebracht, bis September 1992 habe die GmbH Lackierarbeiten für R. vorgenommen.

Da der Kläger den vorliegenden Regreßprozeß aus der Stellung der GmbH als Mandantin gegen deren Prozeßbevollmächtigte im Kündigungsschutzverfahren führt, haben die Beklagten – anstelle des Klägers als Arbeitnehmer im Vorprozeß – darzulegen und zu beweisen, daß GmbH und R. im Oktober 1991 ein gemeinsamer Betrieb waren und infolgedessen die GmbH kein Kleinbetrieb gewesen ist (vgl. BAG DB 1984, 1684, 1685; 1991, 500, 501); gegebenenfalls hätte die GmbH die beiden Vorprozesse ohne schadensursächliche Pflichtverletzung der Beklagten verloren. An diese Darlegungslast sind keine strengen Anforderungen zu stellen; es reicht in der Regel aus, daß äußere Umstände schlüssig dargelegt werden, die dafür sprechen, daß sich mehrere Unternehmen rechtlich über die Führung eines einheitlichen Betriebs geeinigt haben und dementsprechend arbeitstechnische Zwecke innerhalb einer organisatorischen Einheit unter einheitlicher Leitung fortgesetzt verfolgten (BAG aaO). Diese Darlegungslast haben die Beklagten erfüllt. Gemäß § 138 Abs. 2 ZPO hat der Kläger unter Beweisantritt dargelegt, welche rechtserheblichen Umstände gegen die Annahme eines gemeinsamen Betriebs sprechen. Danach hat sich R. mit dem Bau eines Geräts zur Entfernung von Lack aus einer Lackierkabine befaßt; die Unternehmen sind getrennt geleitet worden und haben füreinander keine Arbeiten ausgeführt.

Diese Streitfrage bedarf noch der tatrichterlichen Aufklärung.

Daran ändert es entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung nichts, daß der Kläger behauptet hat, er hätte auf den Kleinbetriebseinwand der Arbeitgeberin im ersten Kündigungsschutzprozeß nicht vorgetragen, daß GmbH und R. einen einheitlichen Betrieb bildeten, weil die R. ihm nicht bekannt gewesen sei und er keine Rechtskenntnisse habe. Hätte der Beklagte zu 3 nach vertragsgerechter Belehrung des Geschäftsführers der Arbeitgeberin erfahren, daß die Voraussetzungen eines Kleinbetriebseinwands nicht erfüllt waren, so hätte er diesen Einwand im Vorprozeß unterlassen dürfen, ohne sich einer Pflichtverletzung schuldig zu machen.

d) Sollte festgestellt werden, daß der Kläger bei Kündigung seines Arbeitsverhältnisses in einem Kleinbetrieb beschäftigt gewesen ist, so wird das Berufungsgericht für den haftungsausfüllenden Ursachenzusammenhang zwischen der Pflichtverletzung des Beklagten zu 3 und dem geltend gemachten Schaden zu prüfen haben, ob die GmbH aufgrund eines Kleinbetriebseinwands die beiden Vorprozesse gegen den Kläger hätte gewinnen müssen.

Die Vorschriften über den allgemeinen Kündigungsschutz (§§ 1 ff KSchG) betreffen nur die ordentliche Kündigung eines Arbeitsverhältnisses (vgl. § 13 KSchG). Das Landesarbeitsgericht hat jedoch im Kündigungsschutzprozeß des Klägers gegen die GmbH seine rechtskräftige Feststellung, daß das Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigungen vom 2. und 7. Oktober 1991 sowie vom 4. November 1991 beendet worden ist, ausschließlich darauf gestützt, daß ein wichtiger Grund zur fristlosen Kündigung gemäß § 626 Abs. 1 BGB wegen beharrlicher Arbeitsverweigerung nicht gegeben gewesen sei. Das Berufungsgericht wird zu prüfen haben, ob das Landesarbeitsgericht richtigerweise die Kündigungserklärungen hilfsweise auch als ordentliche Kündigungen des Arbeitsverhältnisses hätte werten und beurteilen müssen (vgl. BAG NJW 1988, 581 f; Herschel/Löwisch, aaO § 13 Rdnr. 25 ff; Stahlhacke/Preis, aaO Rdnr. 332 ff; Kittner/Trittin, aaO § 140 BGB Rdnr. 1 ff). Dafür spricht, daß die Kündigung vom 2. Oktober 1991 unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist ausgesprochen worden ist.

5. Sollte die GmbH die beiden Vorprozesse gegen den Kläger verloren haben, weil infolge der fahrlässigen Pflichtverletzung des Beklagten zu 3 der Kleinbetriebseinwand nicht erhoben worden ist, so hat die GmbH entgegen der Ansicht der Revision den geltend gemachten Schaden erlitten. Die Löschung der GmbH im Handelsregister steht nicht entgegen, wie bereits ausgeführt worden ist. Auch die Schädigung einer vermögenslosen Person löst eine Ersatzpflicht aus (BGH, Urt. v. 29. Juni 1972 - II ZR 123/71, NJW 1972, 1856, 1857; v. 10. Oktober 1985 - IX ZR 153/84, NJW 1986, 581, 582 f).

6. Die Revision rügt, das Berufungsgericht habe außer acht gelassen, daß die Beklagten gegen den eingeklagten Schadensersatzanspruch mit einem – bestrittenen – Gebührenanspruch aus Vorprozessen in Höhe von 11.760 DM aufgerechnet haben. Die Parteien haben jedoch in der Berufungsverhandlung erklärt haben, die in dieser Sache oder in anderer Sache angefallenen Gebühren der Beklagten sollten in diesem Rechtsstreit für die Entscheidung des Berufungsgerichts keine Rolle spielen.

Falls die Beklagten im weiteren Berufungsverfahren ihre Hilfsaufrechnung aufrechterhalten, so wäre diese nach § 804 Abs. 1, 2 ZPO i.V.m. §§ 404, 406, 412, 1275 BGB zu beurteilen (vgl. BGH, Urt. v. 22. Dezember 1971 - VIII ZR 162/70, NJW 1972, 428; v. 22. November 1979 - VII ZR 322/78, NJW 1980, 584, 585; Brehm, in: Stein/Jonas, ZPO 21. Aufl. § 829 Rdnr. 111), vorausgesetzt, daß der Honoraranspruch gemäß § 18 Abs. 1 Satz 1 BRAGO einforderbar ist (vgl. BGH, Urt. v. 2. Juli 1998 - IX ZR 63/97, WM 1998, 2243, 2246).

 

Unterschriften

Paulusch, Kirchhof, Fischer, Zugehör, Ganter

 

Veröffentlichung

Veröffentlicht am 18.11.1999 durch Bürk Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

 

Fundstellen

BB 2000, 216

DB 2000, 871

NJW 2000, 730

FA 2000, 85

NZA 2000, 214

Nachschlagewerk BGH

WM 2000, 189

AP, 0

AnwBl 2000, 761

MDR 2000, 297

VersR 2001, 59

MittRKKöln 2000, 170

BRAK-Mitt. 2000, 75

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