Leitsatz (amtlich)

Die fortlaufenden Dienst- und Versorgungsbezüge von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft unterliegen grundsätzlich dem Pfändungsschutz nach §§ 850 ff. ZPO.

 

Normenkette

AktG § 84; ZPO § 850

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 1. Oktober 1975 aufgehoben, soweit zum Nachteil der Gemeinschuldnerin erkannt worden ist.

Auf deren Berufung wird das Urteil der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts München I vom 1. März 1966 weiter dahin abgeändert, daß die Klage unabhängig von der Aufrechnung abgewiesen wird, soweit der Kläger für die Zeit vom 1. Juli 1962 bis zum 30. September 1963 mehr als insgesamt 45.000 DM mit Zinsen fordert.

Im übrigen wird die Sache im Umfang der Aufhebung zur anderweiten Verhandlung. und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die Anschlußrevision wird zurückgewiesen.

Die Kostenentscheidung bleibt dem Berufungsgericht überlassen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Der Beklagte ist Konkursverwalter über das Vermögen der M… B…-Spinnerei und Weberei A… (SWA, im folgenden als Beklagte bezeichnet), die während des Revisionsverfahrens in Konkurs geraten ist. Der Kläger, dessen Vater schon von 1911 bis 1941 Vorstand der Beklagten, gewesen war, trat 1927 in deren Dienste; er wurde 1937 zum stellvertretenden und 1942 zum ordentlichen Vorstandsmitglied bestellt. Seine Bestellung wurde zuletzt am 15. Mai 1957 für die Zeit vom 1. Juli 1957 bis 30. Juni 1962 erneuert. Der Anstellungsvertrag wurde am 2./6. Februar 1959 neu gefaßt. Er sollte nach § 5 mit Wirkung vom 1. Januar 1958 bis zum 31. Dezember 1960 laufen und sich jeweils um drei Jahre verlängern, wenn er nicht zwölf Monate vor Ablauf gekündigt wurde. Dem Kläger standen ein Jahresgehalt von 60.000 DM, eine mit 27.000 DM jährlich garantierte Tantieme sowie eine Reihe von Nebenleistungen zu. In den gleichzeitig vereinbarten Ruhegehaltsbestimmungen wurde dem Kläger unter anderem folgendes zugesagt:

㤠1

Herr L… (Kläger) hat nach, seinem Ausscheiden aus dem Vorstand der Gesellschaft gegen diese Anspruch auf Ruhegehalt nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen:

§ 2

1. Herr L… hat einen Anspruch auf lebenslängliches Ruhegehalt, und zwar:

  1. wenn die Gesellschaft diesen Vertrag nach Ablauf der vereinbarten Dauer gegen den Willen des Herrn L… nicht verlängert, ohne daß er ihr durch eine Pflichtverletzung einen wichtigen Grund, zur Nichterneuerung des Dienstverhältnisses gegeben hat, oderwenn Herr L… nicht aus eigenem Entschluß vor Ablauf des Dienstverhältnisses aus anderen als vorstehend unter a) und b) angegebenen Gründen aus den Diensten der Gesellschaft ausscheidet, ohne daß er durch eine Pflichtverletzung einen wichtigen Grund zur Lösung des Vertragsverhältnisses gegeben hat. – Als Pflichtverletzung im Sinne der Buchstaben c) und d) gelten nur schwere Verstöße gegen §§ 246, 263 und 266 StGB und 294 ff. Akt. Ges. –

2. …

3. Das Ruhegehalt wird von dem Zeitpunkt ab gewährt, mit dem die Gehaltszahlung endet.

4. Das Ruhegehalt beträgt 70% (siebzig Prozent) des zuletzt bezogenen Jahresgehaltes. Tantiemen und Sachbezüge, wie freie Wohnung usw. fallen hierbei weg.

5. – 9. …

10. Das zuletzt bezogene Dienstgehalt, oder das Ruhegehalt, oder das Witwengeld wird im Falle der Pensionierung bzw. des Ablebens des Herrn L… oder seiner Witwe bis zum Ablauf von 9 Monaten über das Kalenderquartal hinaus gewährt, in das die Pensionierung oder der Todesfall fällt.

11. Das Ruhegehalt, das sich nach vorstehender Regelung betragsmäßig errechnet, bzw. das nach diesem Ruhegehalt sich ergebende Witwen- und Waisengeld erhöht sich jeweils um den Prozentsatz und von dem Zeitpunkt an, um den und zu dem sich nach Eintritt des Versorgungsfalles das Tarifgehalt der unter die heutige Tarifklasse IV fallenden leitenden Angestellten jeweils erhöht. Sollte in dem Geschäftsjahr vor Eintritt des Versorgungsfalles das Gehalt keine Erhöhung erfahren haben, aber das Tarifgehalt der unter die heutige Tarifklasse IV fallenden leitenden Angestellten in diesem Geschäftsjahr erhöht worden sein, so erhöht sich auch das Ruhegehalt bzw. das sich aus diesem ergebende Witwen- und Waisengeld um diesen Prozentsatz.”

In den Jahren 1958/1959 ging die Beklagte dazu über, ihren Abnehmern nicht nur Waren, sondern auch, Finanzkredite in größerem Umfang zu gewähren. Hierdurch entstanden Verluste in Höhe von mehr als 2 Mio. DM. Diese sich abzeichnenden Verluste und andere ungünstige Berichte über die Geschäftslage lösten beim Aufsichtsrat erhebliche Kritik an dem damals vierköpfigen Vorstand aus. Nachdem ein stellvertretendes Vorstandsmitglied bereits vorher ausgeschieden war, forderte der Aufsichtsrat in einer außerordentlichen Sitzung vom 8. Februar 1961 den restlichen Vorstand in seiner Gesamtheit auf, mit sofortiger Wirkung um Entbindung von seinen Aufgaben zu bitten. Der Kläger erhob hiergegen keinen Widerspruch. Der Aufsichtsrat beschloß daraufhin, ihn auf seinen Antrag von den Vorstandsgeschäften zu entbinden; zugleich nahm er das Angebot des Klägers an, der Beklagten weiterhin als Berater zur Verfügung. zu stehen.

In der Folgezeit zahlte die Beklagte dem Kläger zunächst Gehalt, Tantieme und Mietentschädigung weiter. Am 14. Juli 1961 beschloß dann die Hauptversammlung einstimmig, dem Vorstand die Entlastung zu verweigern. In einer anschließenden Sitzung beschloß der Aufsichtsrat, die Zahlungen an die Vorstandsmitglieder mit Wirkung von Ende Juli einzustellen, was der Vorsitzende dem Kläger mit Schreiben vom 17. Juli 1961 mitteilte. Aufgrund einer späteren Zwischenvereinbarung zahlte die Beklagte, jedoch dem Kläger vom 1. August 1961 an monatlich 2.000 DM.

Der Kläger hat geltend gemacht, wichtige Gründe für den Widerruf seiner Bestellung und die Kündigung seines Dienstvertrages hätten nicht vorgelegen. Für die Kreditausfälle seien nicht er, sondern die seinerzeit für Verkauf und Rechnungswesen zuständigen stellvertretenden Vorstandsmitglieder D… und Dr. H… verantwortlich, die in ihren Bereichen selbständig und ohne sein Wissen gehandelt hätten. Seine allgemeine Überwachungspflicht habe er erfüllt und, soweit er selbst unterrichtet gewesen sei, den Aufsichtsrat ausreichend informiert. Auch sonst sei ihm keine Pflichtverletzung vorzuwerfen.

Der Kläger hat zuletzt, soweit noch von Interesse, beantragt,

  1. festzustellen, daß am 8. Februar 1961 ein wichtiger Grund für den fristlosen Widerruf seiner Bestellung zum Vorstandsmitglied nicht vorgelegen habe;
  2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn für die Zeit vom 1. August 1961, bis 31. März 1965 ein Dienstgehalt von 165.000 DM und für die Zeit vom 31. März 1965 bis 31. Dezember 1974 ein Ruhegehalt von 474.901 DM sowie für die Zeit bis zum 31. März 1965 als Ersatz für vertragliche Nebenleistungen 142.800 DM zu zahlen, jeweils mit banküblichen Zinsen ab Fälligkeit;
  3. festzustellen, daß die Beklagte jeden weiteren Schaden zu ersetzen habe, der ihm aus dem fristlosen Widerruf der Bestellung, der fristlosen Kündigung des Dienstvertrages und der Nichterfüllung der vertraglichen Leistungen entstanden sei und noch entstehen werde.

Die Beklagte hat Klagabweisung beantragt und wider klagend den Antrag gestellt, den Kläger zur Zahlung von 150.000 DM mit Zinsen zu verurteilen.

Sie hat vorgetragen, für die Entlassung des Klägers hätten wichtige Gründe bestanden. Insbesondere trage der Kläger aufgrund seiner tatsächlich führenden Stellung im Vorstand die volle Verantwortung für die geschäftlichen Verluste. Auch habe er den Aufsichtsrat unzureichend informiert und unberechtigt Betriebsleistungen für private Zwecke in Anspruch genommen. Die Beklagte hat einen Anspruch auf Ersatz des Schadens, der ihr in Höhe von 577.000 DM durch Kreditgewährung an die T… mbH D… (TGD) entstanden sei, vorsorglich zur Aufrechnung gestellt und im übrigen damit ihre Widerklage begründet. Außerdem hat sie hilfsweise mit einem Ersatzanspruch wegen der unrechtmäßig bezogenen Betriebsleistungen aufgerechnet.

Das Landgericht hat den Klageanträgen in ihrem damaligen Umfang im wesentlichen entsprochen, ausgenommen den Feststellungsanträgen, die sich gegen den Widerruf der Bestellung des Klägers zum Vorstandsmitglied richteten; die Widerklage hat es abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Beklagte verurteilt, an den Kläger 568.500,80 DM mit Zinsen zu zahlen, sowie festgestellt, daß sie dem Kläger allen weiteren Schaden aus der fristlosen Kündigung des Dienstvertrages und der Nichterfüllung der vertraglichen Leistungen zu ersetzen habe. Im übrigen hat es die Berufungen der Parteien zurückgewiesen.

Mit der Revision verfolgt der Konkursverwalter der Beklagten den Antrag auf Klagabweisung und den Widerklageantrag weiter. Der Kläger beantragt, die Revision mit der Maßgabe zurückzuweisen, daß die ihm zugesprochenen Forderungen zur Konkurstabelle festgestellt werden. Im Wege der Anschlußrevision greift er den Feststellungsantrag zum Widerruf seiner Vorstandsbestellung mit der Maßgabe auf, daß die Unwirksamkeit des Widerrufs festgestellt werden soll. Der Beklagte beantragt die Anschlußrevision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

I. Ende der Bestellung zum Vorstandsmitglied

Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts in Verbindung mit dem im wesentlichen unstreitigen Sachverhalt ist es zu dem Ausscheiden des Klägers aus dem Vorstand der Beklagten auf folgende Weise gekommen: Eine Besprechung im Aufsichtsrat am 8. Februar 1961 hatte ergeben, „daß der Vorstand in seiner Gesamtheit abgelöst werden müsse”. In einer Sitzung am Nachmittag desselben Tages beschloß dann der Aufsichtsrat, „den Vorstand in seiner Gesamtheit aufzufordern, mit sofortiger Wirkung um Entbindung von den Vorstandsgeschäften zu bitten”. Dieses Ergebnis eröffneten der Vorsitzende und sein Stellvertreter dem Vorstand in einer besonderen Besprechung. Der Kläger erhob keinen Widerspruch, erklärte sich aber zur weiteren Mitarbeit bereit. Nach Unterrichtung hierüber beschloß der Gesamtaufsichtsrat, den Textilingenieur Ha… zum alleinigen Vorstandsmitglied zu bestellen. Am 9. Februar 1961 teilte der Aufsichtsratsvorsitzende in einer Besprechung mit leitenden Angestellten mit, in der Sitzung vom Vortrag habe der gesamte Vorstand gebeten, seinen Rücktritt anzunehmen; der Aufsichtsrat sei diesem Wunsch nachgekommen. Als gegen das Ausscheiden des Klägers Bedenken erhoben wurden, verwies der Vorsitzende darauf, daß der Aufsichtsrat den Weg gefunden habe, den Kläger als Berater zu behalten. Der Kläger erhielt in der Folgezeit bis Juli 1961 noch sein Gehalt. Er blieb unstreitig (Schriftsatz der Beklagten v. 28.4.70 S. 2) zunächst beratend tätig und benutzte auch sein Büro weiter, bis ihn der Aufsichtsratsvorsitzende mit Rücksicht auf von anderer Stelle hieran geübte Kritik am 12. Juli 1961 schriftlich bat, seine. Bürobesuche einzustellen.

Diesen Vorgängen entnimmt das Berufungsgericht rechtlich fehlerfrei, daß die Bestellung des Klägers zum Vorstandsmitglied in beiderseitigem Einvernehmen erloschen ist. Die Parteien haben, damit eine im Wirtschaftsleben sehr verbreitete Form der vertraglichen Beendigung des Vorstandsamtes gewählt, die typischerweise den Sinn hat, alsbald klare Verhältnisse zu schaffen, auf diese Weise langwierige und für beide Teile unerfreuliche Auseinandersetzungen über die Gründe des Ausscheidens zu vermeiden und dem Ausgeschiedenen die mit der einseitigen Entlassung meist verbundene Diffamierung wie auch möglicherweise daraus folgende wirtschaftliche Nachteile zu ersparen.

Damit erweist sich die Abweisung des ersten Feststellungsantrags, der Klage als richtig. Die Anschlußrevision möchte diesen Antrag in Anlehnung an § 75 Abs. 3 Satz 4 AktG 1937 (= § 84 Abs. 3 Satz 4 AktG 1965) jetzt dahin verstanden wissen, es solle festgestellt werden, daß der Widerruf der Bestellung am 8. Februar 1961 unwirksam gewesen sei. In dieser Fassung geht der Antrag ins Leere, weil das Bestellungsverhältnis nicht durch Widerruf, sondern einverständlich beendet worden ist. Über eine bloß hypothetische Frage, nämlich hier die Frage, ob ein Widerruf der Bestellung, wenn er erfolgt wäre, wirksam gewesen wäre, darf nach der zutreffenden Ansicht des Berufungsgerichts ein Feststellungsurteil nach § 256 ZPO nicht ergehen (vgl. Urt. d. Sen. v. 13.2.58 – II ZR 346/56, LM ZPO § 256 Nr. 47; Stein/Jonas, ZPO 19. Aufl. § 256 Anm. II 1 c m.w.N.). Nicht anders verhielte es sich, wenn man, den Antrag entsprechend seinem ursprünglichen Wortlaut als Verlangen auf Feststellung auffassen wollte, daß am 8. Februar 1961 ein wichtiger Grund für die Abberufung des Klägers nicht vorgelegen habe. Hier käme noch hinzu, daß (abgesehen von der Frage der Echtheit einer Urkunde) weder Tatsachen noch einzelne Elemente eines Rechtsverhältnisses Gegenstand einer Feststellungsklage sein können (BGHZ 22, 43, 47 ff.; Urt. d. Sen. v. 1.12.69 – II ZR 14/68, WM 1970, 246 zu VI).

Es erübrigt sich daher zu erörtern, ob die Beklagte, wie das Berufungsgericht mit einer Hilfserwägung meint, den Kläger auch ohne sein Einverständnis aus wichtigem Grund hätte abberufen können.

II. Beendigung des Anstellungsverhältnisses

Das Berufungsgericht hält die dem Schreiben des Aufsichtsratsvorsitzenden vom 17. Juli 1961 zu entnehmende Kündigung des Anstellungsvertrags für unwirksam. Auch das ist rechtlich nicht zu beanstanden.

1. Unzutreffend ist die Auffassung der Revision, die Einigung der Parteien über die Beendigung der Vorstandstätigkeit des Klägers habe sich zugleich auf das Dienstverhältnis in seiner Gesamtheit erstreckt. Das Gegenteil ist richtig: Der Dienstvertrag ist einverständlich weitergelaufen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats begründen die Bestellung und die Anstellung eines Gesellschaftsorgans verschiedene Rechtsverhältnisse, die ein unterschiedliches Schicksal haben können. So führt namentlich das Erlöschen der Bestellung nicht von selbst zur Auflösung eines noch laufenden Anstellungsverhältnisses. Das gilt entgegen der Auffassung der Revision gerade dann, wenn der Anstellungsvertrag, wie es üblich und auch hier der Fall ist, eine der Organstellung entsprechende Tätigkeit vorsieht. Eine Beendigung dieser Stellung enthebt die Gesellschaft nicht der Notwendigkeit, das Dienstverhältnis, wenn sie dieses ebenfalls lösen will, besonders zu kündigen, wobei eine vorzeitige Kündigung an die Voraussetzungen des § 626 BGB gebunden ist (vgl. § 75 Abs. 3 Satz 5 AktG 1937; Urt. d. Sen. v. 14.7.66 – II ZR 212/64, LM AktG – 75 Nr. 17 = WM 1966, 968).

Hier hat der Aufsichtsrat das Angebot des Klägers, der Beklagten weiter als Berater zur Verfügung zu stehen angenommen, (Urteilstatbestand S. 14) und dadurch zu erkennen gegeben, daß er eine Fortsetzung der dienstvertraglichen Beziehungen bis zu ihrem ordentlichen Ablauf nicht als eine unzumutbare Belastung, für die Beklagte betrachte. Darin durfte der Kläger, nachdem er sich seinerseits mit der Abberufung aus dem Vorstandsamt zufrieden gegeben hatte nach Treu und Glauben und der Verkehrssitte den Ausdruck des Willens sehen, von etwaigen Gründen für eine außerordentliche Kündigung keinen Gebrauch zu machen, sondern das Anstellungsverhältnis unter Änderung der von ihm geschuldeten Dienste bis zu seinem vertragsmäßigen Ende weiterlaufen zu lassen. Infolgedessen ist die Beklagte gehindert, eine Kündigung noch auf Tatsachen zu stützen, die dem Aufsichtsrat zum damaligen Zeitpunkt bekannt gewesen sind.

2. Mit Recht erblickt das Berufungsgericht in dem Beschluß der Hauptversammlung am 14. Juli 1961, den Vorstand nicht zu entlasten, ebenfalls keinen wirksamen Kündigungsgrund. Zwar rechtfertigt ein Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung in der Regel den Widerruf der Bestellung zum Vorstandsmitglied (so jetzt ausdrücklich § 84 Abs. 3 Satz 2 AktG 1965). Er bildet aber nicht ohne weiteres auch einen wichtigen Grund zur Kündigung des Anstellungsverhältnisses. Diese bedarf vielmehr einer besonderen Begründung nach § 626 BGB (BGHZ 15, 71, 74; Urt. d. Sen. v. 23.2.61 – II ZR 147/58, WM 1961, 569, 570). Hierfür kann die Beklagte wiederum solche Tatsachen nicht heranziehen, die der Aufsichtsrat bereits beim Ausscheiden des Klägers aus dem Vorstand gekannt hat. Denn Kündigungsgründe, die als solche durch Umgestaltung des Vertragsverhältnisses verbraucht sind, leben auch nicht dadurch wieder auf, daß die Hauptversammlung sie zum Anlaß nimmt, dem Vorstand das Vertrauen zu entziehen.

3. Die Beklagte hat ihre Kündigungserklärung im Rechtsstreit weiterhin auf eine Reihe von Vorfällen gestützt, die bei Ausspruch der Kündigung zum Teil schon viele Jahre zurücklagen, dem Aufsichtsrat aber erst nach dem 8. Februar 1961 bekannt geworden sind. Es, handelt sich zunächst um den Vorwurf, der Kläger habe fortlaufend aus den Beständen der Beklagten ohne Zustimmung des Aufsichtsrats Stoffe für den privaten Bedarf unentgeltlich entnommen oder durch Angehörige entnehmen lassen, über die ihm vertraglich zugestandene private Benutzung eines Personenkraftwagens mit Fahrer hinaus weitere Geschäftsfahrzeuge privat in Anspruch genommen sowie in seinem Haushalt, ebenfalls unberechtigt, eine von der Beklagten bezahlte Kraft beschäftigt. Hierin sieht das Berufungsgericht keine Kündigungsgründe, weil auch andere Vorstandsmitglieder und Mitglieder des Aufsichtsrats zum Teil gleiche Gratisleistungen jahrelang unbeanstandet bezogen hätten, mit solchen Leistungen in der Industrie auch sonst nicht kleinlich verfahren wurde und der Kläger keinerlei Versuch einer Verschleierung gemacht habe, so daß ihm möglicherweise das Unrechtsbewußtsein gefehlt habe; das schließe zwar ein Verschulden nicht ganz aus, lasse es aber doch als verhältnismäßig gering erscheinen.

Diese tatrichterliche Würdigung kann die Revision nicht mit dem Vorbringen ausräumen, das Berufungsgericht habe jene Vorgänge zu gering bewertet. Die Bewertung eines gerügten Verhaltens dahin, ob es unter den gegebenen Umständen schwer genug wiegt, um eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen, liegt im Ermessen des Tatrichters, das hier ersichtlich nicht überschritten ist. Das Berufungsgericht hat auch nicht, wie die Revision meint, die Beweislast verkannt; die Beweisregel des § 84 Abs. 2 Satz 2 AktG 1937 (= § 93 Abs. 2 Satz 2 AktG 1965) ist im Rahmen des § 626 BGB unanwendbar. Ebenso kommt der von der Revision angeführte Grundsatz, daß Vorgänge, die für sich allein die Kündigung nicht mehr zu begründen vermögen zur Unterstützung anderer Kündigungsgründe herangezogen werden können, hier nicht zum Tragen. Denn er setzt voraus, daß wenigstens einer der noch unerledigten Gründe als schwerwiegend zu betrachten ist (Urt. d. Sen. v. 3.7.75 – II ZR 35/75, WM 1975, 787 zu III). Das ist nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hinsichtlich der vom Kläger zu Unrecht auf Betriebskosten bezogenen Leistungen nicht der Fall.

Was schließlich den Vorwurf betrifft, der Kläger habe sich nach seiner Abberufung aus dem Vorstand vertragswidrig nicht als Berater zur Verfügung gestellt, kommt die Revision nicht an der Feststellung des Berufungsgerichts vorbei, die Beklagte sei den Beweis schuldig geblieben, daß die vorgesehene Beratung am Verhalten des Klägers gescheitert sei.

Es erübrigt sich hiernach, auf die zusätzliche Erwägung des Berufungsgerichts einzugehen, daß zu den nachgeschobenen Entlassungsgründen nicht, wie erforderlich, ein neuer Aufsichtsratsbeschluß vorliegt (vgl. Urt. d. Sen. v. 23.2.61 – II ZR 147/589 LM AktG § 75 Nr. 14/15 = WM 1961, 569, 574; zur Genossenschaft: BGHZ 60, 333).

4. Das Anstellungsverhältnis des Klägers ist demnach nicht durch die Kündigungserklärung vom 17. Juli 1961 fristlos aufgelöst worden. Das Berufungsgericht hat aus diesem Grunde die Erklärung in eine ordentliche Kündigung zum nächstzulässigen Termin umgedeutet und meint, dieser Termin sei nach § 5 des Anstellungsvertrags der 31. Dezember 1963. Dem kann nicht gefolgt werden.

Nach § 75 Abs. 1 Satz 1 AktG 1937 konnte der Aufsichtsrat Vorstandsmitglieder jeweils auf höchstens fünf Jahre bestellen; das ist im Falle des Klägers letztmals am 15. Mai 1957 für die Zeit vom 1. Juli 1957 bis zum 30. Juni 1962 geschehen (Klageschrift S. 3). Dieselbe Frist galt sinngemäß für den Anstellungsvertrag (§ 75 Abs. 1 Satz 4 AktG 1937). Das bedeutete, daß der Vertrag seine automatische Verlängerung (um jeweils drei Jahre) über die Höchstbestellungsdauer von fünf Jahren hinaus nur für den Fall einer entsprechenden Verlängerung der Amtszeit wirksam vorsehen konnte, wie es jetzt § 84 Abs. 1 Satz 4 und 5 AktG 1965 im Einklang mit der zu § 75 AktG 1937 in Rechtsprechung und Schrifttum vertretenen Auslegung ausdrücklich bestimmen (BGHZ 3, 90, 94; Urt. d. Sen. v. 8.3.73 – II ZR 134/719 WM 1973, 506 m.w.N.). Das schloß zwar ebenso wie heute eine Vertragsverlängerung bis zum Ende der gesetzlich zulässigen Gesamtbestellungszeit von fünf Jahren auch dann nicht aus, wenn die Amtszeit tatsächlich vorher ablief (Urt. d. Sen. v. 23.10.75 – II ZR 90/73, NJW 1976, 145 zu 4 d). Unzulässig war und ist aber eine vertragliche Bindung des Aufsichtsrats, die seine Entschließungsfreiheit über die Bestellungshöchstgrenze von fünf Jahren hinaus beeinträchtigen würde. Infolgedessen konnte sich der Anstellungsvertrag des Klägers nur für die Dauer der auf fünf Jahre berechneten letzten Erneuerung der Bestellung, insoweit allerdings ohne Rücksicht auf deren vorzeitiges Ende, ohne neuen Aufsichtsratsbeschluß verlängern; das ist bis zum 30. Juni 1962. Anders läge es nur, wenn der Beschluß des Aufsichtsrats, den Kläger weiter als Berater für die Beklagte tätig sein zu lassen, so auszulegen wäre, daß der jetzt nicht mehr auf eine Vorstandstätigkeit bezogene Anstellungsvertrag den Zeitpunkt überdauern sollte, an dem das Vorstandsamt ohne den Widerruf ausgelaufen wäre. Hierfür bietet jedoch der Sachverhalt keinen Anhaltspunkt.

III. Ansprüche des Klägers

1. Im Ergebnis zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, daß die Beklagte mit der Annahme der vom Kläger in Form der Beratung weiterhin geschuldeten Dienste in Verzug gekommen ist. Eine deutliche und endgültige Weigerung, diese Dienste entgegenzunehmen, lag bereits in der schriftlichen Aufforderung des Aufsichtsratsvorsitzenden vom 12. Juli 1961, die Bürobesuche einzustellen. Sie machte ein weiteres Leistungsangebot sinnlos. Die Beklagte schuldete dem Kläger daher nach § 615 BGB die vereinbarte Vergütung, und zwar bis zum 30. Juni 1962.

Dieser Anspruch scheitert entgegen der Auffassung der Revision nicht daran, daß der Kläger nach dem 8. Februar 1961 nicht mehr, wie im Anstellungsvertrag vorgesehen, als Vorstandsmitglied, sondern nur noch vereinbarungsgemäß als Berater tätig sein konnte. Denn dieser Umstand berührte, wie ausgeführt, nicht den Fortbestand des Dienstvertrages und damit auch der darin dem Kläger zugebilligten Vergütungsansprüche, es sei denn, die Parteien hätten etwas anderes abgemacht, was jedoch nicht der Fall war; tatsächlich hat die Beklagte dem Kläger auch zunächst die vereinbarten Bezüge voll weitergezahlt. Der von der Revision angeführte Gesichtspunkt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage scheidet bei Dienstverhältnissen in aller Regel aus, weil dort die Möglichkeit besteht, unter den – hier nicht gegebenen – Voraussetzungen des § 626 BGB die Vertragsbeziehungen zu lösen, wenn deren Fortsetzung bis zum ordentlichen Vertragsablauf für die eine oder andere Seite unzumutbar geworden ist. Eine Kürzung der Bezüge kommt unter dem gleichen Gesichtspunkt ebenfalls grundsätzlich nicht in Betracht, wenn der Dienstberechtigte, wie hier, auf weitere Dienste überhaupt verzichtet hat (Urt. d. Sen. v. 15.2.68 – II ZR 92/66, WM 1968, 611 zu III).

Die vertragliche Vergütung ist dem Kläger daher nur insoweit entgegen dem Berufungsurteil zu versagen, als ein Anspruch darauf über den 30. Juni 1962 hinaus geltend gemacht wird.

2. Erfolglos wendet sich die Revision gegen die Ansicht des Berufungsgerichts, die an den Kläger bis zum Ablauf des Anstellungsverhältnisses fortzuentrichtenden Leistungen umfaßten auch die Tantieme, die Mietentschädigung von monatlich 250 DM, Strom-, Wasser- und Heizkosten für die Augsburger Wohnung sowie die private Nutzung eines Personenkraftwagens mit Fahrer. „Vereinbarte Vergütung” im Sinne von § 615 Satz 1 BGB ist das gesamte Entgelt einschließlich aller Nebenleistungen, das für die versprochenen Dienste vereinbart worden ist. Dazu gehören die vorerwähnten Sonderbezüge. Da der Kläger weiterhin als Berater für die Beklagte tätig sein sollte, ist durch das Erlöschen seiner Organstellung auch nicht jede innere Rechtfertigung für diese Bezüge entfallen. Deren Fortzahlung für noch rund 17 Monate war daher für die Beklagte nicht unzumutbar, auch nachdem sich das Vorhaben, den Kläger als Berater weiter zu beschäftigen, aus Gründen zerschlagen hatte, die nach den Feststellungen des Berufungsgerichts der Kläger nicht zu vertreten hat.

3. Zum Ruhegehaltsanspruch geht das Berufungsgericht davon aus, daß der Vertrag vom 2./6. Februar 1959, indem er die Versorgungszusage von der Art und Weise der Beendigung des Dienstverhältnisses abhängig macht, auf den Dienstvertrag und nicht auf das Vorstandsamt abstellt. Diese Auslegung entspricht dem Wortlaut und allgemeiner Übung; die Revision kann sie nicht durch eine abweichende Deutung ersetzen. Da die Beklagte den Anstellungsvertrag nach seinem Ablauf am 30. Juni 1962 nicht erneuert hat und ein schwerer, insbesondere vorsätzlicher Verstoß des Klägers gegen die im Vertrag genannten Strafbestimmungen nicht festgestellt ist oder jedenfalls aus den zu II 1, 2 genannten Gründen nicht mehr geltend gemacht werden kann, stehen dem Kläger nach § 2 Abs. 1 c der Ruhegehaltsbestimmungen die für den Versorgungsfall vereinbarten Bezüge zu.

Diese waren bis zum Ablauf von zwölf Monaten über das Kalenderquartal hinaus, in das die Pensionierung fiel, also bis zum 30. September 1963, in Höhe des zuletzt bezogenen Dienstgehalts von monatlich 5.000 DM zu gewähren. Hinsichtlich der anschließend geschuldeten Versorgung legt das Berufungsgericht die Ruhegehaltsbestimmungen dahin aus, daß als „Versorgungsfall” im Sinne des § 2 Abs. 11 das Ende der aktiven Dienstzeit und nicht erst der Fortfall des nach § 2 Abs. 10 zunächst zu entrichtenden vollen Gehalts anzusehen ist, so daß Tariferhöhungen, die zwischen diesen beiden Zeitpunkten oder im letzten Jahr vor der Pensionierung eingetreten sind, bei der Berechnung des Ruhegehalts schon zu berücksichtigen sind. Diese Auslegung steht im Einklang mit dem Sinngehalt des Wortes „Versorgungsfall”, mit dem Umstand, daß es sich bei dem zunächst weitergezahlten Gehalt um eine Art von Übergangsgeld handelt, das materiell den Versorgungsbezügen zuzurechnen ist (Urt. d. Sen. v. 23.10.75 – II ZR 90/73, NJW 1976, 145 zu 5 b) und mit dem Zweck solcher Anpassungsklauseln, den Pensionär an Einkommenserhöhungen in seiner früheren Berufsgruppe jeweils zu beteiligen; die Revision muß sie daher hinnehmen.

4. Das Berufungsgericht hält den Antrag des Klägers, die Schadensersatzpflicht der Beklagten festzustellen, (nur) insoweit für begründet, als er auf die fristlose Kündigung des Dienstvertrages und die Nichterfüllung vertraglicher Leistungen gestützt ist. Dabei geht es davon aus, daß als Kündigungsschaden, abgesehen von den im Wege der Leistungsklage geltend gemachten und als unbegründet abgewiesenen Ansprüchen, allenfalls noch die Kosten der anwaltlichen Vertretung des Klägers in der nach Klageerhebung abgehaltenen Hauptversammlung in Betracht kämen. Mit Rücksicht hierauf sei die Feststellungsklage zulässig und auch begründet, weil in der unberechtigten Kündigung eine positive Vertragsverletzung liege.

Diese Erwägungen reichen für die getroffene Feststellung nicht aus. Schadensersatzansprüche wegen positiver Vertragsverletzung oder wegen Verzuges (§ 284 ff. BGB) setzen ein Verschulden der Beklagten voraus. Ein solches wird zwar bei rechtswidriger Kündigung des Dienstvertrags vielfach gegeben sein. Bei einem Sachverhalt, wie er hier vorliegt, ist es jedoch nicht selbstverständlich. So hält auch das Berufungsgericht die gegen den Kläger erhobenen Vorwürfe nicht durchweg für unbegründet, sondern zum Teil nur unter dem Gesichtspunkt des Verzichts oder aus subjektiven Gründen für unzureichend, die fristlose Kündigung zu rechtfertigen. Es hätte daher Anlaß gehabt zu prüfen, ob der Aufsichtsrat aufgrund der ihm seinerzeit bekannten Umstände bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt vertretbar der Überzeugung sein konnte, die Voraussetzungen für eine außerordentliche Kündigung seien gegeben. Die Urteilsbegründung läßt eine solche Prüfung nicht erkennen. Beim Verzugsschaden kommt hinzu, daß der Ersatzanspruch des Klägers möglicherweise durch eine Rückwirkung der von der Beklagten erklärten Aufrechnung berührt wird (vgl. nachstehend zu V 2). Unter beiden Gesichtspunkten bedarf es noch einer tatrichterlichen Würdigung des Sachverhalts.

IV. Gegenansprüche der Beklagten

Nach dem insoweit unangefochtenen Berufungsurteil schuldet der Kläger der Beklagten insgesamt 68.366,20 DM wegen Stoffentnahme, übermäßiger Fuhrparkbenutzung und Inanspruchnahme einer Kraft für seinen Haushalt. Dagegen hält das Berufungsgericht die auf § 84 Abs. 2 AktG 1937 gestützte Gegenforderung der Beklagten auf Ersatz des Schadens, der ihr durch Kreditgewährung an die TGD entstanden ist, für unbegründet, weil dem Kläger der Entlastungsbeweis nach § 84 Abs. 2 Satz 2 AktG 1937 gelungen sei. (Da die Beklagte Aufrechnung und Widerklage auf diesen Schaden beschränkt hat – vgl. die Schriftsätze v. 20.3.63 S. 3, v. 12.7.63 und v. 16.6.64 S. 2 sowie Urteilstatbestand S. 21/22 –, interessieren die Kreditausfälle bei anderen Kunden in diesem Zusammenhang nicht). Zwar sei der Kläger in den für die Gewährung und Überwachung der Kredite zuständigen Abteilungen zusammen mit den beiden stellvertretenden Vorstandsmitgliedern D… und Dr. H… zur Geschäftsführung berechtigt und verpflichtet gewesen. Die ihn hiernach treffende Sorgfaltspflicht habe er jedoch nicht schon dadurch verletzt, daß er sich mit der Gewährung von Finanzkrediten an Abnehmer in größerem Umfang grundsätzlich einverstanden erklärt und die bis dahin bei der Beklagten geübte Kreditpraxis auch für diese Geschäfte als ausreichend angesehen habe. Da mit der Kreditgewährung und -überwachung in erster Linie Dr. H… und D… sowie deren Mitarbeiter befaßt gewesen seien und er in ihnen nach seinen bisherigen Erfahrungen fähige und verantwortungsbewußte Kräfte habe sehen dürfen, habe er sich nicht persönlich um jedes einzelne Kreditengagement zu kümmern brauchen, sondern auf eine allgemeine Überwachung beschränken dürfen. Umstände, die sein Vertrauen in die Zuverlässigkeit von D… und Dr. H… hätten erschüttern können, seien für die maßgebliche Zeit nicht festzustellen. Grundsätzlich habe er deshalb auf eine ordnungsmäßige Geschäftsführung durch die beiden Mitarbeiter vertrauen dürfen.

Mit Rücksicht hierauf erachtet das Berufungsgericht das Verhalten des Klägers im Falle der TGD, wie es in eingehender Würdigung des Sachverhalts unter Auswertung der vorliegenden Urkunden und Zeugenaussagen darlegt, nicht für pflichtwidrig. Namentlich hält es dem Kläger zugute, daß er von Kreditbewilligungen nicht rechtzeitig unterrichtet worden oder aus vernünftigen Überlegungen Risiken eingegangen sei, die sich zwar später zum Nachteil der Beklagten entwickelt hätten, die er aber aus ursprünglicher Sicht für vertretbar habe halten dürfen.

Hiergegen erhebt die Revision eine Reihe von Rügen, die sich zum großen Teil in einer abweichenden tatsächlichen Beurteilung erschöpfen und insofern unzulässig sind, wie nach § 565 a ZPO nicht weiter ausgeführt zu werden braucht. Begründet ist aber folgende Rüge: Das Berufungsgericht hat es versäumt, die Frage einer Verantwortlichkeit des Klägers für die während seiner Vorstandstätigkeit geübte Kreditpraxis und die dadurch entstandenen Verluste im Zusammenhang mit den Feststellungen zu sehen, die es in anderem Zusammenhang zur Berichtspflicht des Klägers gegenüber dem Aufsichtsrat (§ 81 AktG 1937; jetzt § 90 AktG 1965) getroffen hat. Danach hat der Kläger diese gesetzliche Pflicht gerade hinsichtlich der Kredite verschiedentlich schuldhaft verletzt. So habe er Mitte 1959 nicht, wie im Vorstand beschlossen, den Aufsichtsrat über die Absicht unterrichtet, den Absatz durch Gewährung von Finanzkrediten größeren Umfanges auszuweiten; dabei habe es sich um eine, wichtige und riskante geschäftspolitische Entscheidung gehandelt. Nicht einmal später, als ihm bekannt geworden sei, daß aus einigen der Kredite die Gefahr erheblicher Verluste für die Beklagte drohe, habe er den Aufsichtsrat ins Bild gesetzt, wozu im Fall der TGD spätestens im Januar 1960 Anlaß bestanden habe. Schließlich habe der Kläger es auch versäumt, den Aufsichtsrat über einen geradezu alarmierenden Bericht des Unternehmensberaters P… vom 29. März 1960 zu informieren, der eine katastrophale Entwicklung bei der Beklagten aufgezeigt und sofortige Gegenmaßnahmen angeregt habe; dieser Bericht wies auf Seite 8 auch auf die Notwendigkeit hin, die bedeutenden Kreditengagements sofort neu zu regeln.

Angesichts dieser Feststellungen drängt sich die Frage auf, ob der Aufsichtsrat nicht bei rechtzeitiger Unterrichtung die Gewährung größerer Kredite für die Zukunft von seiner Zustimmung abhängig gemacht (vgl. § 12 Abs. 2 der Satzung der Beklagten, Anl. zu GA 560) oder sonst Maßnahmen angeregt hätte, die der Vorstand aufgegriffen hätte und durch die der entstandene Kreditschaden wenigstens teilweise vermieden worden wäre. Auf diesen naheliegenden Gesichtspunkt, auf den die Beklagte auch hingewiesen hatte (Schriftsatz v. 3.11.69 S. 10), ist das Berufungsgericht nicht eingegangen. Hierin liegt ein Verstoß gegen § 286 ZPO.

Der Kläger macht freilich mit der Anschlußrevision geltend, die Berichtspflicht gegenüber dem Aufsichtsrat obliege dem Gesamtvorstand, nicht dem einzelnen Vorstandsmitglied; auf eine Berichterstattung über die Kreditentwicklung hinzuwirken, sei in erster Linie Sache des für Kreditsachen zuständigen Vorstandsmitglieds gewesen. Damit kann er jedoch nicht durchdringen. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat der Kläger im Einvernehmen mit seinen Vorstandskollegen nicht nur bei der internen Geschäftsführung im kaufmännischen Bereich tatsächlich eine dominierende Rolle gespielt, sondern er ist auch als Sprecher des Gesamtvorstands aufgetreten. Aber auch unabhängig hiervon war er als einzelnes Vorstandsmitglied gehalten, sich im Gesamtvorstand für eine gewissenhafte Unterrichtung des Aufsichtsrats über wichtige Geschäftsvorfälle und -entwicklungen einzusetzen und, wenn eine solche pflichtgemäße Berichterstattung nicht anders zu erreichen war, den Aufsichtsrat notfalls auch persönlich zu informieren (BGHZ 20, 239, 246; 47, 341, 352; Schmidt/Meyer-Landrut in Großkomm. AktG 2. Aufl. § 81 Anm. 1; Mertens in Köln. Komm. z. AktG § 90 Anm. 16 – 18). Das hat der Kläger nach den Feststellungen des Berufungsgerichts versäumt.

Da sich nach dem bisher vorliegenden Sachverhalt nicht ausschließen läßt, daß dieses Versäumnis für den von der Beklagten geltend gemachten Schaden ganz oder teilweise ursächlich gewesen ist, bedarf es zu diesem Punkt einer erneuten tatrichterlichen Würdigung.

V. Zinsen

1. Vergeblich wendet sich die Revision unter dem Gesichtspunkt der Beweislast des Klägers gegen die ihm vom Berufungsgericht zugebilligten Zinssätze. Das Berufungsgericht stellt fest, daß der Kläger Bankkredit in Anspruch genommen habe, der höher als die jeweils von der Beklagten geschuldeten Beträge gewesen sei, und daß er diesen Kredit bei rechtzeitiger Leistung der Beklagten entsprechend zurückgeführt hätte. Diese Feststellungen entsprechen den Anforderungen des § 287 ZPO.

2. Wie die Revision hingegen mit Recht rügt, hat das Berufungsgericht § 389 BGB übersehen, indem es die Aufrechnung der Beklagten mit dem ihr zugebilligten Schadensbetrag von 68.366,20 DM nur auf den Zeitpunkt der Aufrechnungserklärungen und nicht auf den früheren Eintritt der Aufrechnungslage hat zurückwirken lassen, was sich bei der Zinsstaffel zum Nachteil der Beklagten ausgewirkt hat.

VI. Ergebnis

1. Da der Feststellungsantrag des Klägers zum Bestellungswiderruf mit Recht abgewiesen wurde (vorstehend zu I), ist die Anschlußrevision zurückzuweisen.

2. Da das Dienstverhältnis des Klägers schon am 30. Juni 1962 geendet hat (vorstehend zu II 4), ist die Zahlungsklage insoweit unbegründet, als der Kläger vom 1. Juli 1962 bis zum 30. September 1963 mehr als monatlich 5.000 DM (§ 2 Abs. 10 der Ruhegehaltsbestimmungen) abzüglich der ihm von der Beklagten gezahlten 2.000 DM, insgesamt also 45.000 DM, gefordert hat. Insoweit ist die Klage entgegen dem Berufungsurteil nicht mit Rücksicht auf die von der Beklagten erklärte Aufrechnung, sondern unabhängig hiervon abzuweisen.

3. Vom 1. Oktober bis zum 31. Dezember 1963 stehen dem Kläger ebenfalls nicht, wie die Vorinstanzen angenommen haben, Dienstgehalt, Tantieme und Nebenleistungen, sondern lediglich die nach § 2 Abs. 4 und 11 der Ruhegehaltsbestimmungen zu errechnenden Versorgungsbezüge zu, die sich auf mindestens 70% von 5.000 DM = 3.500 DM monatlich belaufen. Über die genaue Höhe dieser Bezüge kann der Senat nicht abschließend entscheiden, weil mit Rücksicht auf § 2 Abs. 11 Satz 2 der Ruhegehaltsbestimmungen hierzu noch festgestellt werden muß, inwieweit in den Jahren 1961 und 1962 das Tarifgehalt erhöht worden ist (vgl. vorstehend zu III 3).

4. Der Antrag des Klägers, die Schadensersatzpflicht der Beklagten festzustellen, ist vom Berufungsgericht erneut zu prüfen (vorstehend zu III 4).

5. Auch hinsichtlich des, Aufrechnungseinwands und der Widerklage ist die Sache noch nicht endgültig entscheidungsreif (vgl. zu IV).

a) Schon jetzt kann zwar davon ausgegangen werden, daß die Klage, soweit über sie bisher entschieden worden ist, kaum in der vom Berufungsgericht zuerkannten Höhe von 568.500,80 DM mit Zinsen begründet sein wird. Denn die vom Berufungsgericht mit insgesamt 636.867 DM errechneten Ansprüche des Klägers auf Gehalt, Tantieme, Nebenleistungen und Ruhegeld sind zunächst auf den Betrag zu ermäßigen, der sich durch den früheren Eintritt des Klägers in den Ruhestand ergibt (vgl. oben zu 2 und 3). Der verbleibende Anspruch mindert sich weiter infolge der Aufrechnung. Es ist jedoch nicht möglich, deshalb schon jetzt die Klage zu einem weiteren Teilbetrag abzuweisen. Denn es läßt sich noch nicht annähernd übersehen, wie sich die Aufrechnung auf die Klageforderung ausgewirkt hat. Das hängt nämlich vor allem davon ab, inwieweit sich der in erster Linie zur Aufrechnung gestellte Anspruch der Beklagten auf Ersatz ihres Kreditschadens als begründet erweist. Soweit die Aufrechnung mit diesem Anspruch durchgreifen und zum Erlöschen der beiderseitigen Forderungen geführt haben sollte, käme der in zweiter Linie aufgerechnete Gegenanspruch wegen der unberechtigten Inanspruchnahme von Betriebsleistungen nicht mehr zum Zuge. Ob und in welcher Höhe hiernach mit dem einen oder dem anderen Anspruch wirksam aufgerechnet worden ist, kann wegen der Rechtskraftwirkung des § 322 Abs. 2 ZPO nicht offenbleiben (vgl. Urt. d. Sen. v. 21.4.75 – II ZR 2/73, WM 1975, 761 zu 5).

b) Hinzu kommt folgendes: In die erneute Erörterung des Aufrechnungseinwands werden möglicherweise § 394, BGB in Verbindung mit §§ 850 ff. ZPO sowie gegebenenfalls auch die Grundsätze einzubeziehen sein, die der Senat in seinem Urteil vom 28. Oktober 1971 (II ZR 49/70, LM BGB § 387 Nr. 50) zur Vorausaufrechnung gegen Ruhegehaltsansprüche aufgestellt hat. Eine Anwendung des § 394 BGB setzt allerdings voraus, daß die laufenden Dienst- und Versorgungsbezüge von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft den Pfändungsschutzbestimmungen der §§ 850 ff. ZPO unterliegen. Das ist aber grundsätzlich der Fall.

Hinsichtlich des Ruhegehalts kann dies nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut, aber auch nach dem Sinn des § 850 ZPO nicht zweifelhaft sein. Der Gesichtspunkt, daß ein Vorstandsmitglied nicht in gleicher Weise wie ein Arbeitnehmer im arbeitsrechtlichen Sinne sozial abhängig ist, sondern eine arbeitgeberähnliche Stellung hat, die ihm rechtlich und wirtschaftlich, auch mit Rücksicht auf die Höhe seiner Bezüge, im allgemeinen eine weitgehende Unabhängigkeit sichert, spielt nach dem Eintritt in den Ruhestand keine Rolle mehr. Für die dann bezogenen Leistungen sind vielmehr der Versorgungsgedanke und damit das in § 850 ZPO vorausgesetzte wirtschaftliche Schutzbedürfnis so bestimmend, daß jede innere Rechtfertigung entfällt, ein pensioniertes Vorstandsmitglied pfändungsrechtlich anders zu behandeln als etwa ehemalige beamtete Vertretungsorgane einer juristischen Person des öffentlichen Rechts, die eindeutig unter § 850 ZPO fallen. Demgemäß bezieht jetzt auch das Betriebsrentengesetz vom 19. Dezember 1974 in § 17 Abs. 1 Satz 2 Personen, die nicht Arbeitnehmer sind, ausdrücklich in den Geltungsbereich seiner Schutzbestimmungen ein, wenn ihnen Versorgungsleistungen „aus Anlaß ihrer Tätigkeit für ein Unternehmen zugesagt worden sind”. Inwieweit dazu auch solche Vorstandsmitglieder und Geschäftsführer gehören, die an den versorgungspflichtigen Unternehmen als Gesellschafter maßgeblich beteiligt sind (verneinend zur Insolvenzsicherung LG Köln, Urt. v. 13.7.77, GmbHRdsch 1977, 250; Paulsdorff, GmbHRdsch 1977, 241 m.w.N.), und ob auch solche Organmitglieder den Pfändungsschutz in Anspruch nehmen können, bedarf hier keiner Entscheidung.

Dagegen könnte fraglich sein, ob sich der Pfändungsschutz auch auf die Dienstbezüge eines noch tätigen Vorstandsmitglieds erstreckt. In seinem Urteil BGHZ 419, 282, 288 hat der Senat beiläufig ausgesprochen, daß dies nicht der Fall sei (ebenso im Anschluß an diese Entscheidung Meyer-Landrut in Großkomm. AktG 3. Aufl. § 84 Anm. 16 u. Mertens in Köln. Komm. z. AktG § 84 Anm. 27) An dieser Ansicht hält der Senat jedenfalls insoweit nicht fest, als daraus zu entnehmen war, einem Organmitglied sei der Pfändungsschutz auch dann zu versagen, wenn es an der Gesellschaft nicht oder nicht wesentlich beteiligt ist. Zwar stehen Organmitglieder von Kapitalgesellschaften nicht in einem Arbeitsverhältnis. Dementsprechend sind sie aus dem Geltungsbereich der meisten arbeitsrechtlichen Gesetze und teilweise auch der für Arbeitnehmer geltenden Vorschriften des Sozialversicherungs- und des Steuerrechts ausdrücklich ausgenommen (vgl. hierzu im einzelnen Meyer-Landrut und Mertens a.a.O.). § 850 ZPO stellt es aber gar nicht auf, das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses ab. Er beschränkt vielmehr die Pfändbarkeit von „Arbeitseinkommen” und rechnet hierzu unter anderem „Arbeits- und Dienstlöhne … sowie sonstige Vergütungen für Dienstleistungen aller Art, die die Erwerbstätigkeit des Schuldners vollständig oder zu einem wesentlichen Teil in Anspruch nehmen”. Diese Fassung, die wesentlich auf die Novelle vom 24. Oktober 1934 (RGBl. I 1070) zurückgeht” unterscheidet nicht danach, ob die vergüteten Dienste in abhängiger oder freier Stellung geleistet werden, sondern will gerade auch selbständig Tätige erfassen, sofern sie fortlaufend Vergütungen für persönliche Dienste erhalten, die ihre Erwerbstätigkeit ganz oder zu einem wesentlichen Teil in Anspruch nehmen und deshalb ihre Existenzgrundlage bilden. Infolgedessen können zum Beispiel die Ansprüche eines Handelsvertreters auf Fixum und Provision als Arbeitseinkommen im Sinne des § 850 Abs. 2 ZPO zu verstehen sein (BAG, Urt. v. 10.2.62 – 5 AZR 77/61, AP § 850 ZPO Nr. 3 mit zust. Anm. Pohle = NJW 1962, 1221). Erst recht muß dies für die aufgrund Dienstvertrags tätigen Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft gelten, wie im zivilprozeßrechtlichen Schrifttum einhellig anerkannt ist (Stein/Jonas/Pohle, ZPO 19. Aufl. § 850 Anm. VII 5 a; Wieczorek, ZPO 2. Aufl. § 850 Anm. C I 2; Stöber, Forderungspfändung 4. Aufl. S. 312 m.w.N.). Diese genießen grundsätzlich Pfändungsschutz für alle Vergütungen, die sie als Entgelt für ihre Dienste fortlaufend beziehen, im vorliegenden Fall also auch für die Tantieme und die dem Kläger weiter zugebilligten Nebenleistungen (vgl. Stöber a.a.O. S. 309, 312; vgl. auch § 850 Abs. 4 ZPO).

Ob hiernach die Aufrechnung gegenüber den Vergütungs- und Versorgungsansprüchen des Klägers teilweise an § 394 BGB scheitert, läßt sich jedoch noch nicht sicher beurteilen. Das Aufrechnungsverbot käme nämlich nur dann zum Zuge, wenn die Zahlungen der Beklagten von monatlich 2.000 DM hinter dem nach § 850 c ZPO unpfändbaren Einkommensbetrag zurückgeblieben wären. Dies hängt einmal von der Zahl der Personen ab, denen der Kläger Unterhalt gewährt, und zum anderen namentlich davon, welche Beträge als steuer- oder sozialrechtliche Leistungen nach § 850 e Abs. 1 ZPO pfändungsfrei bleiben. Hierzu fehlen wiederum noch erforderliche Feststellungen. Soweit § 394 BGB eine wirksame Aufrechnung ausschließen sollte, könnte sich andererseits eine etwa begründete Widerklageforderung entsprechend erhöhen.

6. Demnach ist das angefochtene Urteil, soweit es zum Nachteil der Beklagten ergangen ist, in vollem Umfang aufzuheben. Der Anregung des Klägers, über seinen Ruhegehaltsanspruch nach § 304 ZPO dem Grunde nach vorab zu entscheiden, kann der Senat nicht entsprechen, weil wegen der Aufrechnungserklärung der Beklagten und deren Teilzahlungen von monatlich 2.000 DM auch bei Berücksichtigung des § 394 BGB noch offen ist, ob der Anspruch überhaupt in irgendeiner Höhe besteht. Die Sache ist daher im Umfang der Aufhebung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, soweit die Klage nicht aus den zu II 4 erörterten Gründen unabhängig von der Aufrechnung abzuweisen ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 609364

NJW 1978, 756

JZ 1978, 200

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