Leitsatz (amtlich)

1. Der Ursachenzusammenhang zwischen der Beschaffenheit eines Produkts und Gesundheitsbeeinträchtigungen seiner Verbraucher ist auch dann rechtsfehlerfrei festgestellt, wenn offenbleibt, welche Substanz den Schaden ausgelöst hat, aber andere in Betracht kommende Schadensursachen auszuschließen sind.

2. Wer als Hersteller oder Vertriebshändler Produkte in den Verkehr bringt, die derart beschaffen sind, daß deren bestimmungsgemäße Verwendung für die Verbraucher – entgegen ihren berechtigten Erwartungen – die Gefahr des Eintritts gesundheitlicher Schäden begründet, ist zur Schadensabwendung verpflichtet (Garantenstellung aus vorangegangenem Gefährdungsverhalten). Kommt er dieser Pflicht schuldhaft nicht nach, so haftet er für dadurch verursachte Schäden strafrechtlich unter dem Gesichtspunkt der durch Unterlassen begangenen Körperverletzung.

3. Aus der Garantenstellung des Herstellers oder Vertriebshändlers ergibt sich die Verpflichtung zum Rückruf bereits in den Handel gelangter, gesundheitsgefährdender Produkte.

4. Haben in einer GmbH mehrere Geschäftsführer gemeinsam über die Anordnung des Rückrufs zu entscheiden, so ist jeder Geschäftsführer verpflichtet, alles ihm Mögliche und Zumutbare zu tun, um diese Entscheidung herbeizuführen.

5. Beschließen die Geschäftsführer einer GmbH einstimmig, den gebotenen Rückruf zu unterlassen, so haften sie für die Schadensfolgen der Unterlassung als Mittäter.

6. Jeder Geschäftsführer, der es trotz seiner Mitwirkungskompetenz unterläßt, seinen Beitrag zum Zustandekommen der gebotenen Rückrufentscheidung zu leisten, setzt damit eine Ursache für das Unterbleiben der Maßnahme. Dies begründet seine strafrechtliche Haftung auch dann, wenn er mit seinem Verlangen, die Rückrufentscheidung zu treffen, am Widerstand der anderen Geschäftsführer gescheitert wäre.

7. Führt die Verletzung desselben Handlungsgebots nacheinander zu mehreren Schadensfällen, so liegt insgesamt nur eine einzige Unterlassungstat vor.

 

Orientierungssatz

1. Die Aufgabe, in wirksamer Weise dafür zu sorgen, daß gesundheitsgefährdende Erzeugnisse, die in den Handel gelangt sind, keinen Schaden anrichten, obliegt – unabhängig davon, daß die zuständigen Behörden noch keine konkreten Schritte erwägen – den für die Herstellung und Vertrieb dieser Produkte Verantwortlichen (Fortführung BGH, 1988-05-04, 2 StR 89/88, ZLR 1988, 512 und Bestätigung OLG Karlsruhe, 1980-11-21, 1 Ss 97/80, NJW 1981, 1054).

2. Ein zur Schadensabwendung erforderlicher Rückruf der Ware darf nicht deshalb unterbleiben, weil eine solche Aktion Kosten verursachen, eventuell den Ruf (das „Image”) der beteiligten Firmen beeinträchtigen und zu einem Absatzrückgang sowie zu Gewinneinbußen führen würde; bei einer Abwägung der in Rede stehenden Belange müssen wirtschaftliche Gesichtspunkte zurücktreten; dem Schutz der Verbraucher vor Gesundheitsschäden gebührt der Vorrang.

3. Im Prinzip bleibt eine Aufteilung der Geschäftsbereiche unter mehreren Geschäftsführern einer GmbH ohne Einfluß auf die Verantwortung jedes einzelnen für die Geschäftsführung insgesamt. Ob dieser gesellschaftsrechtliche Grundsatz, der für die Zurechnung zivilrechtlicher Haftungsfolgen maßgebend ist, auch über den Umfang der strafrechtlichen Pflichtenstellung entscheidet, kann zweifelhaft sein. Der Grundsatz der Generalverantwortung und Allzuständigkeit der Geschäftsleitung greift zumindest da ein, wo – wie etwa in Krisen- und Ausnahmesituationen – aus besonderem Anlaß das Unternehmen als Ganzes betroffen ist; dann ist die Geschäftsleitung insgesamt zum Handeln berufen.

4. Mittäterschaft ist auch bei den (unechten) Unterlassungsdelikten möglich. Sie liegt unter anderem vor, wenn mehrere Garanten, die eine ihnen gemeinsam obliegende Pflicht nur gemeinsam erfüllen können, gemeinschaftlich den Entschluß fassen, dies nicht zu tun. Zur Begründung der Mittäterschaft bedarf es nicht einer vorherigen Verabredung; vielmehr genügt auch ein erst während der Tat entstandenes Einverständnis.

5. Im Bereich der strafrechtlichen Handlungsverantwortlichkeit ist nicht zweifelhaft, daß, wo mehrere Beteiligte unabhängig voneinander den tatbestandsmäßigen Erfolg erst durch die Gesamtheit ihrer Handlungsbeiträge herbeiführen, jeder einzelne Beitrag im haftungsbegründenden Sinne ursächlich ist. Was für die Handlungsverantwortlichkeit gilt, muß ebenso auch im Bereich der strafrechtlichen Haftung für Unterlassungen gelten.

6. Wann der Eintritt mehrerer Schadensfälle auf derselben Unterlassung beruht, beurteilt sich nach Maßgabe des zur Pflichterfüllung und damit zur Schadensabwendung gebotenen Tuns; stellt sich dies Tun als nur eine, pflichtwidrig unterlassene Handlung dar, so liegt nur eine Unterlassungstat vor.

7. Im Bereich der zivilrechtlichen Produkthaftung ist anerkannt, daß ein Laboratoriumsleiter im allgemeinen nicht die Aufgabe hat, für die Erfüllung der dem Produzenten selbst obliegenden Instruktionspflichten (etwa zum Aufdruck von Warnhinweisen) zu sorgen. Für die Pflicht zur Anordnung eines Rückrufs oder eines Vertriebsstopps kann nichts anderes gelten. Insoweit reicht auch die strafrechtliche Verantwortlichkeit eines Laboratoriumsleiters nicht weiter als die zivilrechtliche.

 

Gründe

I. 1. Die in M. ansässige Firma We. & Me. GmbH befaßt sich unter anderem mit der Herstellung von Schuh- und Lederpflegeartikeln. Dazu gehören auch Ledersprays, die – abgefüllt in Treibgasdosen – zum Versprühen bestimmt sind und der Pflege, dem Imprägnieren oder dem Färben, insbesondere von Schuhen und sonstigen Bekleidungsgegenständen, dienen. Vertrieben werden diese Produkte unter anderem durch die Tochterfirmen E. R. GmbH und So. GmbH. Während die erstgenannte Firma Artikel der Marke „E.” über den Lebensmittelhandel, Verbrauchermärkte und Drogerien absetzt, beliefert die letztgenannte Firma mit Artikeln der Marke „So.” den Schuh- und Lederfachhandel.

Ab dem Spätherbst 1980 gingen bei der Firmengruppe Schadensmeldungen ein, in denen berichtet wurde, daß Personen nach dem Gebrauch von Ledersprays der bezeichneten Marken gesundheitliche Beeinträchtigungen erlitten hatten. Diese Beeinträchtigungen äußerten sich zumeist in Atembeschwerden, Husten, Übelkeit, Schüttelfrost und Fieber. Die Betroffenen mußten vielfach ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen, bedurften oftmals stationärer Krankenhausbehandlung und kamen in nicht seltenen Fällen wegen ihres lebensbedrohlichen Zustands zunächst auf die Intensivstation. Die Befunde ergaben regelmäßig Flüssigkeitsansammlungen in den Lungen (Lungenödem). Bei den meisten Betroffenen stellte sich – insbesondere nach Verabreichung von Cortisonpräparaten – alsbald eine durchgreifende Besserung ein, die zur völligen Genesung führte.

Die ersten Schadensmeldungen lösten firmeninterne Untersuchungen aus. Diese bezogen sich auf zurückgegebene Spraydosen. Fabrikationsfehler ergaben sich dabei nicht. Festgestellt wurde nur, daß bei einem Spray seit Mitte 1980 der Wirkstoffanteil des Silikonöls erhöht worden war. Diese Rezepturänderung wurde Anfang 1981 rückgängig gemacht. Gleichwohl folgten weitere Schadensmeldungen. Fachgespräche mit Toxikologen zweier Chemieunternehmen und einem beratenden Arzt brachten keine Klärung. Der Silikonöl-Wirkstoff wurde aus den Produkten genommen. Als sich herausstellte, daß 1980 der Lieferant der zur Produktion verwendeten Fluorkarbonharze gewechselt hatte, wurden diese Stoffe ab März 1981 wieder vom vormaligen Lieferanten bezogen. Die Schadensmeldungen setzten sich jedoch fort; sie betrafen nun nicht mehr nur – wie noch zu Anfang – Ledersprays der Marke „So.”, sondern auch solche der Marke „E.”. Mitte April 1981 kam es deshalb zu einem kurzfristigen Produktions- und Vertriebsstopp für bestimmte „E.”-Sprays; dieser wurde jedoch, nachdem Untersuchungen in der firmeneigenen Chemieabteilung ohne Ergebnis geblieben waren, nach wenigen Tagen wieder aufgehoben.

Am 12. Mai 1981 fand eine Sondersitzung der Geschäftsführung statt. Den einzigen Tagesordnungspunkt bildeten die bekanntgewordenen Schadensfälle. Teilnehmer waren unter anderem sämtliche Geschäftsführer der Firma We. & Me. GmbH, nämlich die Angeklagten S. und Dr. Sch., der inzwischen verstorbene Mitangeklagte Br. und der frühere Mitangeklagte Bo. (das Verfahren gegen ihn ist abgetrennt worden). Der Angeklagte Dr. B., der in der Firmengruppe Leiter des Zentrallabors war, wurde als „Chefchemiker” hinzugezogen. Er trug den Sachstand vor. Dabei verwies er insbesondere darauf, daß nach den bisherigen Untersuchungen kein Anhalt für toxische Eigenschaften und damit eine Gefährlichkeit der Sprays gegeben sei, weshalb keine Veranlassung zu einem Rückruf dieser Produkte bestehe. Er schlug vor, eine externe Institution mit weiteren Untersuchungen zu beauftragen, außerdem Warnhinweise auf allen Spraydosen anzubringen und bereits vorhandene Hinweise gegebenenfalls zu verbessern. Diesem Vorschlag schloß sich die Geschäftsführung an. Einigkeit bestand darüber, daß die Anordnung eines Vertriebsstopps, einer Rückruf- oder auch Warnaktion nur dann in Betracht zu ziehen sei, falls die noch ausstehenden Untersuchungen einen „echten Produktfehler” oder ein „nachweisbares Verbraucherrisiko” ergeben sollten.

Im Anschluß an diese Sitzung wurden die Angeklagten W. und D. umfassend informiert. W. war damals Geschäftsführer der Firma So. GmbH, D. bekleidete dieselbe Stellung in der Firma E. R. GmbH. Beide machten sich die in der Sitzung getroffene Entscheidung jeweils für ihren Verantwortungsbereich zu eigen.

In der Folgezeit kam es zu weiteren Gesundheitsschäden nach der Verwendung von Ledersprays der bezeichneten Marken. Auch bei den neuerlichen Untersuchungen gelang es nicht, eine bestimmte Substanz als schadensauslösend zu identifizieren. Im Laufe der Zeit wurden die auf den Spraydosen angebrachten Warnhinweise ergänzt und verbessert. Am 20. September 1983 begann die Firma We. & Me. GmbH nach Interventionen des Bundesgesundheitsamts und des Bundesministeriums für Jugend, Familie und Gesundheit mit der Durchführung eines Verkaufsstopps sowie einer Rückrufaktion, ohne allerdings völlig auf die Weiterverwendung der in den zurückgerufenen Produkten enthaltenen Rezepturen zu verzichten.

Das Landgericht macht den Angeklagten S., Dr. Sch., W. und D. zum Vorwurf, zahlreichen Benutzern der Sprays teils durch Unterlassung des rechtzeitigen Rückrufs der Produkte bei den Händlern, teils durch Fortsetzung der Produktion und des Vertriebs dieser Erzeugnisse körperliche Schäden zugefügt zu haben. Fahrlässige Körperverletzungen nimmt es, jeweils als selbständige Taten, für vier Schadensfälle an, die eintraten, nachdem am 14. Februar 1981 der Schadensfall F. bekanntgeworden war. Weitere 38 Schadensfälle, die sich nach der Geschäftsführersitzung vom 12. Mai 1981 ereigneten, legt es der Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung zugrunde, wobei es insoweit das Verhalten jedes der Angeklagten als eine einzige Tat wertet. Den Angeklagten Dr. B. hält es der Beihilfe hierzu für schuldig, weil er die Geschäftsführung am 12. Mai 1981 unzureichend informiert und beraten habe.

Demgemäß hat das Landgericht – von Nebenentscheidungen abgesehen – die Angeklagten wie folgt verurteilt:

  • S. und Dr. Sch. jeweils wegen fahrlässiger Körperverletzung in vier Fällen zu Gesamtgeldstrafen und wegen gefährlicher Körperverletzung zu Freiheitsstrafen von einem Jahr und sechs Monaten,
  • W. wegen fahrlässiger Körperverletzung in drei Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe und wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr,
  • D. wegen fahrlässiger Körperverletzung und wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtgeldstrafe, und
  • Dr. B. wegen Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung zu einer Geldstrafe.

Soweit auf Freiheitsstrafen erkannt worden ist, hat das Gericht deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt.

2. Gegen dieses Urteil richten sich die Revisionen der Angeklagten. Sie rügen die Verletzung förmlichen und sachlichen Rechts.

Die Rechtsmittel der Angeklagten S., Dr. Sch., W. und D. haben keinen Erfolg. Dagegen führt die Revision des Angeklagten Dr. B. zu dessen Freispruch.

II. Die beiden von allen Beschwerdeführern übereinstimmend erhobenen Verfahrensrügen sind unbegründet.

1. Der Revisionsgrund der unzulässigen Beschränkung ihrer Verteidigung (§ 338 Nr. 8 StPO) liegt nicht vor.

a) Zu Unrecht erblicken die Beschwerdeführer einen Verstoß gegen die §§ 264, 265 und 266 StPO darin, daß die Strafkammer während des Laufs der Hauptverhandlung eine zweite Anklage der Staatsanwaltschaft zugelassen, das Hauptverfahren auch insoweit eröffnet und mit dem bereits rechtshängigen Verfahren verbunden hat.

Eine Verletzung der §§ 264 und 266 StPO scheidet schon deshalb aus, weil das Gericht durch das beanstandete Verfahren keine neuen Taten zum Gegenstand der Verhandlung und Entscheidung gemacht hat. Zwar sind mit der zweiten Anklage weitere Schadensfälle seiner Beurteilung unterstellt worden. Doch hat es im Urteil rechtsfehlerfrei eine einzige Tat der gefährlichen Körperverletzung angenommen, die Schadensfälle sowohl der ersten als auch der zweiten Anklage umfaßt. Somit bewirkte die Einbeziehung von Schadensfällen der zweiten Anklage lediglich eine Erweiterung des Umfangs derselben Tat, die bereits aufgrund der ersten Anklage Gegenstand des Verfahrens geworden war.

Demgemäß hätte es des hier eingeschlagenen Verfahrens, also der Zulassung der zweiten Anklage, der auch insoweit beschlossenen Eröffnung des Hauptverfahrens und seiner Verbindung mit dem bereits rechtshängigen Verfahren nicht einmal bedurft; vielmehr reichte es aus, die Angeklagten darauf hinzuweisen, daß auch die neuerlich benannten Fälle als Gegenstand des Vorwurfs der gefährlichen Körperverletzung abgeurteilt werden könnten (§ 265 StPO).

Dieser Hinweispflicht aus § 265 StPO hat das Gericht aber genügt, und zwar zum einen schon durch die – entbehrliche – Zulassung der zweiten Anklage selbst, zum anderen aber auch durch die am 24. November 1988 erteilten Hinweise, mit denen es insbesondere andeutete, daß „statt der angeklagten Tatmehrheit” auch insgesamt, also unter Einschluß von Fällen der zweiten Anklage, die Annahme einer einzigen Tat in Betracht kommen könne.

b) Ebensowenig ist ein Verfahrensverstoß darin zu sehen, daß die Strafkammer – zugleich mit der Zulassung der zweiten Anklage – den Antrag der Verteidigung auf Aussetzung der Hauptverhandlung zurückgewiesen hat. Mit der stattdessen bewilligten Verhandlungsunterbrechung von 30 Tagen war den berechtigten Verteidigungsbelangen der Angeklagten Genüge getan; sie bot hinreichend Zeit und Gelegenheit, die Verteidigung auch insoweit vorzubereiten, als es sich um die Erweiterung des Tatvorwurfs handelte, zumal sich die Schadensfälle der zweiten Anklage ihrer Art nach nicht von denjenigen unterschieden, die bereits Gegenstand der Verhandlung waren.

2. Erfolglos bleibt auch die weitere Rüge, das Gericht habe einerseits seine Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) verletzt, weil es den früheren Mitangeklagten Bo. nicht als Zeugen vernommen hat, und andererseits gegen § 261 StPO verstoßen, da seine Einlassung als Angeklagter im Urteil weder gewürdigt noch überhaupt mitgeteilt worden ist.

Die Einlassung Bo.'s, wie sie von den Beschwerdeführern dargestellt wird, erforderte weder das eine noch das andere. Denn sie weicht nur in einem Punkt, der wesentlich sein könnte, von den Urteilsfeststellungen ab. Nach der Einlassung Bo.'s soll „erstmals” im März 1982 in einer Geschäftsführersitzung, an der auch der Angeklagte S. teilnahm, eine größere Zahl von Schadensfällen zur Sprache gekommen sein; „mit Sicherheit” könne er sagen, daß – mit Ausnahme der Sitzungen im März 1982 – im Beisein des Angeklagten S. nicht über Verbraucherbeschwerden gesprochen worden sei. In Abrede gestellt wird damit, daß S. und Bo. bei der Sondersitzung der Geschäftsführung am 12. Mai 1981 anwesend waren, wohingegen das Urteil die Teilnahme beider ausdrücklich feststellt. Doch liegt kein Rechtsfehler darin, daß dieser Teil der Einlassung Bo.'s im Urteil nicht wiedergegeben und gewürdigt wird. Die Strafkammer brauchte Bo. auch zu diesem Punkt nicht als Zeugen zu hören. Sie durfte seine Einlassung insoweit für widerlegt halten und mußte sich von seiner Vernehmung als Zeuge kein anderes Beweisergebnis versprechen; denn die bei der Wichtigkeit des Verhandlungsgegenstands ohnehin naheliegende Teilnahme des Angeklagten S. an dieser Sitzung war sowohl von dem Mitangeklagten Dr. B. (Leiter des Zentrallabors der Chemieabteilung) als auch von den Zeugen Dr. P. (Chemieabteilung) und Pa. (Leiter der Rechtsabteilung) in glaubhafter Weise bestätigt worden. An der dadurch begründeten Überzeugung des Tatgerichts hätte die Vernehmung Bo.'s nichts geändert.

III. Die Verurteilung der Angeklagten S., Dr. Sch., W. und D. hält – mit der Maßgabe, daß die Bewertung des Konkurrenzverhältnisses zwischen den Gesetzesverstößen einzelner, noch zu erörternder Korrekturen bedarf – der rechtlichen Nachprüfung stand. Das gilt sowohl für die Schuldsprüche als auch für die Bestimmung der daran geknüpften Rechtsfolgen, deren Art und Maß nicht zu bemängeln und daher im Ergebnis zu bestätigen sind.

1. Die Angeklagten haben sich in dem von der Strafkammer festgestellten Umfang der fahrlässigen Körperverletzung und der gefährlichen Körperverletzung in der Form einer das Leben gefährdenden Behandlung der Verletzten schuldig gemacht (§§ 230, 223 a StGB).

a) Rechtsfehlerfrei festgestellt ist zunächst, daß in allen Schadensfällen, die der Verurteilung zugrunde liegen, die gesundheitlichen Beeinträchtigungen der betroffenen Verbraucher durch die jeweils benutzten Ledersprays (insbesondere „So. 3-fach”, „E. Nässeschutz”, aber auch andere Sprays mit gleicher Rezeptur) ausgelöst worden sind. Die Strafkammer hat – entgegen den hieran geäußerten Zweifeln der Beschwerdeführer – nicht etwa offen gelassen, ob die Ursache der Schadensfälle in der Beschaffenheit der Sprays zu erblicken ist. Abgesehen davon, daß sich dies jedenfalls aus dem Zusammenhang der Urteilsgründe ergibt, hat sie im Rahmen der Sachverhaltsschilderung ausdrücklich festgestellt, daß die Ursache der Vorfälle „nur in etwaigen toxikologischen Wirkungsmechanismen einzelner Rohstoffe allein oder zumindest in der Kombination mit anderen Rohstoffen liegen” konnte und mithin gelegen hat. Diese für das Revisionsgericht bindende Feststellung reichte zur Bejahung des Ursachenzusammenhangs aus. Daran ändert es nichts, daß es – wie die Kammer selbst einräumt – bis heute nicht möglich war, diejenige Substanz oder Kombination von Substanzen naturwissenschaftlich exakt zu identifizieren, die den Produkten ihre spezifische Eignung zur Verursachung gesundheitlicher Schäden verlieh. Auf die Ermittlung des dafür verantwortlichen Inhaltsstoffes, die Kenntnis seiner chemischen Zusammensetzung und die Beschreibbarkeit seiner toxischen Wirkungsweise kam es im vorliegenden Falle nicht an. Ist in rechtsfehlerfreier Weise festgestellt, daß die – wenn auch nicht näher aufzuklärende – inhaltliche Beschaffenheit des Produkts schadensursächlich war, so ist zum Nachweis des Ursachenzusammenhangs nicht noch weiter erforderlich, daß festgestellt wird, warum diese Beschaffenheit schadensursächlich werden konnte, was also nach naturwissenschaftlicher Analyse und Erkenntnis letztlich der Grund dafür war (so auch Kuhlen, Fragen einer strafrechtlichen Produkthaftung, 1989 S. 69f, 72). Freilich müssen dort, wo sich die Ursächlichkeit nicht auf diese Weise darlegen läßt, alle anderen in Betracht kommenden Schadensursachen aufgrund einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung ausgeschlossen werden können. Dies aber hat die Strafkammer hier getan. Sie hat sich eingehend mit der Frage auseinandergesetzt, ob die Schadensfälle auf andere, nicht in der stofflichen Beschaffenheit des Sprays liegende Ursachen zurückgeführt werden könnten, und sie ist – nach Erörterung aller in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten – mit sachverständiger Hilfe zu dem Ergebnis gelangt, daß solche anderen Ursachen ausscheiden. In diesem Zusammenhang hat sie, was freilich nicht den Ursachenzusammenhang, sondern nur die Verantwortlichkeit der Angeklagten beseitigen könnte, zutreffend dargetan, daß in keinem der Schadensfälle eine mißbräuchliche, außerhalb des bestimmungsgemäßen Gebrauchs liegende Verwendung der Ledersprays zu verzeichnen war. Soweit sie im einzelnen ausgeführt hat, daß auch eine bestimmte Disposition oder Gewohnheit der geschädigten Verbraucher (Allergiker, Raucher) nicht für die Schadensfolgen maßgebend war, hätte es solcher Darlegungen nicht einmal bedurft; denn dadurch würde der Ursachenzusammenhang nicht in Frage gestellt, und auch die Verantwortlichkeit der Angeklagten bliebe angesichts des nicht unbeträchtlichen Anteils von Allergikern und Rauchern an der Gesamtheit der Bevölkerung jedenfalls dem Grunde nach unberührt: Das jeweilige Produkt muß, falls solche Gruppen nicht ausdrücklich vor seiner Verwendung gewarnt werden, in der Regel so beschaffen sein, daß es auch von ihnen ohne gesundheitliche Beeinträchtigungen bestimmungsgemäß benutzt werden kann.

Der von den Beschwerdeführern geäußerte Verdacht, die Strafkammer habe den ursächlichen Zusammenhang zwischen Produktbenutzung und Schadenseintritt allein aus deren zeitlichem Nacheinander geschlossen, findet in der Beweiswürdigung des Tatgerichts keine Stütze. Dieses hat vielmehr zu Recht darauf abgestellt, daß in den einzelnen Schadensfällen der Krankheits- und Heilungsverlauf signifikante Übereinstimmungen aufwies, die ein gewichtiges Indiz für das Wirksamwerden ein- und derselben Ursache, hier also der Benutzung der Sprays, abgeben konnten. Die zu verzeichnenden Abweichungen durften demgegenüber als unwesentlich gewertet werden. Hinzu kam, daß auch Tierversuche mit den Rezepturen der beanstandeten Ledersprays Lungenschädigungen vergleichbarer Art zur Folge gehabt hatten. Angesichts dieser Beweislage läßt sich die Überzeugungsbildung des Tatgerichts rechtlich nicht beanstanden. Daß es sich nicht um ein bloß zufälliges Zusammentreffen von Spraybenutzung und Schadenseintritt handelte, bedurfte im Blick auf die Vielzahl gleichartiger Schadensfälle keiner besonderen Darlegung; dies war eine bloß theoretische Denkmöglichkeit. Wie die Kammer ausgeführt hat, stand auch die im Verhältnis zur Gesamtproduktion der Ledersprays geringe Anzahl von Schadensfällen der Bejahung des Ursachenzusammenhangs nicht entgegen. Gleiches gilt schließlich für den von der Kammer ebenfalls erörterten Umstand, daß dieselben Produkte bereits seit langer Zeit hergestellt und vertrieben worden waren, ohne daß dies zu entsprechenden Verbraucherbeschwerden geführt hätte.

b) Die strafrechtliche Verantwortlichkeit der Angeklagten für die durch den Gebrauch der Ledersprays eingetretenen Körperschäden ergibt sich aus ihrer Stellung als Geschäftsführer der Herstellerfirma We. & Me. GmbH sowie der Vertriebsfirmen So. GmbH und E. R. GmbH, da diese Firmen die schadensursächlichen Artikel in den Verkehr gebracht haben.

Dabei ist – wie die Strafkammer richtig erkannt hat – innerhalb der als gefährliche Körperverletzung gewerteten Fälle tatbestandsmäßiges Verhalten durch positives Tun anzunehmen, soweit Schäden durch die Verwendung solcher Sprays eintraten, die erst nach der Sondersitzung der Geschäftsführung vom 12. Mai 1981 produziert oder vertrieben worden waren (10 Schadensfälle). Denn Produktion und Vertrieb von Erzeugnissen durch eine im Rahmen ihres Gesellschaftszwecks tätige GmbH sind ihren Geschäftsführern als eigenes Handeln – auch strafrechtlich – zuzurechnen. Sie haften für etwaige Schadensfolgen unter dem Gesichtspunkt des Begehungsdelikts. Anders verhält es sich mit den weit zahlreicheren Fällen, in denen das jeweils schadensursächliche Lederspray zu dem für den Schuldvorwurf maßgeblichen Zeitpunkt zwar schon in den Handel gelangt war, den Verbraucher aber noch nicht erreicht hatte. In diesen Fällen (28 Schadensfälle aus dem Gesamtkomplex der gefährlichen Körperverletzung und alle vier Schadensfälle der fahrlässigen Körperverletzung) sind die Geschäftsführer allein unter dem Gesichtspunkt des (unechten) Unterlassungsdelikts für die entstandenen Schäden verantwortlich.

Als Geschäftsführern der drei genannten Firmen oblag den Angeklagten die Rechtspflicht, dafür zu sorgen, daß Verbraucher der von diesen Firmen produzierten und vertriebenen Ledersprays vor Gesundheitsschäden bewahrt blieben, die ihnen bei bestimmungsgemäßer Benutzung dieser Artikel infolge deren Beschaffenheit zu entstehen drohten. Wer gesundheitsgefährdende Bedarfsartikel in den Verkehr bringt, ist zur Schadensabwendung verpflichtet und muß, falls er dieser Pflicht schuldhaft nicht nachkommt, für dadurch verursachte Schadensfolgen strafrechtlich einstehen.

Die Strafkammer leitet diese Schadensabwendungspflicht aus der zivilrechtlichen Verkehrssicherungspflicht, namentlich der Pflicht zur Produktbeobachtung ab, und stützt sich dabei unmittelbar auf die Grundsätze, die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung für den Bereich der zivilrechtlichen Produkthaftung (beginnend mit BGHZ 51, 91 – Hühnerpest – bis hin zu BGHZ 104, 323 – Sprudelflasche) entwickelt worden sind (vgl. jetzt auch das die verschuldensunabhängige Haftung regelnde Produkthaftungsgesetz vom 15. Dezember 1989, BGBl. I S. 2198; dazu des näheren: Graf v. Westphalen NJW 1990, 83ff; Taschner/Frietsch, Produkthaftungsgesetz und EG-Produkthaftungsrichtlinie, 2. Aufl., Palandt/Thomas, BGB 49. Aufl. S. 2452ff). In der Tat spricht manches dafür, daß dieselben Pflichten, die für die zivilrechtliche Produkthaftung maßgebend sind, auch die Grundlage strafrechtlicher Verantwortlichkeit bilden, zumal die Verpflichtung zum Ersatz produktfehlerbedingter Schäden als ein Fall deliktischer Haftung (§ 823ff BGB) begriffen wird. Andererseits dürfen die schadensersatzorientierten Haftungsprinzipien des Zivilrechts nicht unbesehen zur Bestimmung strafrechtlicher Verantwortlichkeit benutzt werden. Ob und gegebenenfalls inwieweit die zivilrechtlichen Pflichten zur Schadensverhütung mit den die strafrechtliche Haftung begründenden übereinstimmen (vgl. dazu Kuhlen, Fragen einer strafrechtlichen Produkthaftung, 1989 S. 148ff, 171ff; Schmidt-Salzer, Produkthaftung, Bd. I: Strafrecht, 2. Aufl. Rdn. 1.023ff), braucht aber nicht entschieden zu werden. Denn jedenfalls war hier auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen auch nach strafrechtlichen Grundsätzen eine zur Schadensabwendung verpflichtende Garantenstellung der Angeklagten gegeben. Diese Garantenstellung folgte aus vorangegangenem, pflichtwidrigen Gefährdungsverhalten (Ingerenz).

Dabei bedarf es in diesem Zusammenhang keiner Stellungnahme zu der – insbesondere im Schrifttum – unterschiedlich beurteilten Frage nach Berechtigung, Grund und Voraussetzungen der strafrechtlichen Haftung aus vorangegangenem Tun (vgl. den Überblick bei Lackner, StGB 18. Aufl. § 13 Anm. 3 b aa). Anerkannt ist jedenfalls, daß derjenige, der durch pflichtwidriges Vorverhalten eine Gefahrenlage für Dritte geschaffen hat, verpflichtet ist, den dadurch drohenden Schaden abzuwenden; dies gilt mindestens dann, wenn das Vorverhalten die Gefahr des Schadenseintritts als naheliegend erscheinen läßt (Adäquanz) und die Pflichtwidrigkeit gerade in der Verletzung eines solchen Gebotes besteht, das dem Schutz des gefährdeten Rechtsguts zu dienen bestimmt ist (Pflichtwidrigkeitszusammenhang, vgl. BGHSt 34, 82; BGH NStZ 1987, 171; BGH, Urt. v. 9. Mai 1990 – 3 StR 112/90; Stree in Schönke/Schröder, StGB 23. Aufl. § 13 Rdn. 32ff; Rudolphi in SK 5. Aufl. § 13 Rdn. 38ff; Jescheck in LK 10. Aufl. § 13 Rdn. 30ff).

Zumindest in diesem Rahmen besteht auch eine strafrechtliche Verantwortlichkeit für die Herstellung und den Vertrieb fehlerhafter Produkte. Wer dadurch, daß er solche Produkte in den Verkehr bringt, pflichtwidrig eine Gefahr für deren Verbraucher herbeiführt, muß prinzipiell dafür einstehen, daß sich diese Gefahr nicht in einem entsprechenden Schaden verwirklicht. Das gilt namentlich für die Herstellung und den Vertrieb von Konsumgütern, die derart beschaffen sind, daß deren bestimmungsgemäße Verwendung für die Verbraucher – entgegen ihren berechtigten Erwartungen – die Gefahr des Eintritts gesundheitlicher Schäden begründet; insoweit haftet nicht nur, wer den Schaden durch positives Tun verursacht (vgl. LG Aachen JZ 1971, 507, 514ff – Contergan; LG München II in Schmidt-Salzer, ES Produkthaftung, 1982, Nr. IV.28 S. 330 – Monza Steel, ferner: BGH in Schmidt-Salzer aaO Nr. IV.4 S. 171 – Zwischenstecker; LG Lüneburg in Schmidt-Salzer, ES Produkthaftung, 1988, Nr. IV.3.7 – Spielzeugpistole), sondern auch derjenige, der die Abwendung des drohenden Schadens unterläßt (zum ganzen: Schmidt- Salzer, Produkthaftung, Bd. I: Strafrecht, 2. Aufl. Rdn. 1.319ff; Goll in Graf v. Westphalen, Produkthaftungshandbuch Bd. 1 § 45 Rdn. 4ff, 9ff; Brinkmann in Brendl, Produkt- und Produzentenhaftung, Gruppe 11 S. 67ff, 71; Firgau in HWiStR, Artikel „Produkthaftung, strafbare”; Cramer in Schönke/Schröder, StGB 23. Aufl. § 15 Rdn. 223). Dieser Rechtssatz liegt unausgesprochen auch einer neueren Entscheidung des Bundesgerichtshofs zugrunde; im entschiedenen Fall hat der erkennende Senat die Verurteilung eines Angeklagten wegen Körperverletzung bestätigt, der es als Geschäftsführer einer Großhandelsfirma der Lebensmittelbranche versäumt hatte, den Rückruf einer verdorbenen, bereits ausgelieferten Ware zu veranlassen, weshalb es bei einer Reihe von Konsumenten zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen gekommen war (BGH NStE Nr. 5 zu § 223 StGB – Mandelbienenstich; vgl. auch OLG Karlsruhe NJW 1981, 1054 – Reifen, mit ablehnenden Anmerkungen von Scholl NJW 1981, 2737 und Schmidt-Salzer, ES Produkthaftung, 1988 Nr. IV.2.17 (3)).

Die Voraussetzungen einer solchen, zur Erfolgsabwendung verpflichtenden Garantenstellung hat die Strafkammer im vorliegenden Fall rechtsfehlerfrei festgestellt. Das gefahrbegründende Vorverhalten aller vier Angeklagten bestand darin, daß sie als Geschäftsführer der beteiligten Gesellschaften Ledersprays auf den Markt brachten, die bei bestimmungsgemäßem Gebrauch gesundheitliche Schäden bei den Benutzern zu verursachen drohten. Daß es sich um gesundheitsgefährdende Produkte handelte, die Gefährdung also in ihrer stofflichen Beschaffenheit selber begründet lag, ergibt sich aus den Erwägungen, die bei der Prüfung des Ursachenzusammenhangs zwischen Spraybenutzung und Schadenseintritt angestellt worden sind.

Das hiernach gefahrbegründende Vorverhalten der Angeklagten war auch objektiv pflichtwidrig. Dies folgt bereits daraus, daß es die Rechtsordnung, wenn auch nicht ausnahmslos, so doch grundsätzlich verbietet, Gefahren zu schaffen, aus denen sich, greift niemand in den Lauf der Ereignisse ein, im weiteren Fortgang körperliche Schäden für Dritte entwickeln. Das gilt auch dort, wo sich keine besondere Gesetzesnorm nachweisen läßt, die solches Gefährdungsverhalten mit Sanktionen belegt, insbesondere den Verursacher strafrechtlich haftbar macht (grundlegend zum Verhältnis zwischen objektiver Pflichtwidrigkeit und Haftung: Münzberg, Verhalten und Erfolg als Grundlage der Rechtswidrigkeit und Haftung, 1966 S. 72ff, 92ff). Schon der generelle Schutz, den das Rechtsgut der körperlichen Unversehrtheit genießt (vgl. Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG), bietet dafür die rechtliche Grundlage.

Davon abgesehen folgt im zu entscheidenden Fall die objektive Pflichtwidrigkeit des gefahrbegründenden Vorverhaltens auch aus gesetzlichen Bestimmungen. Die Angeklagten haben den Vorschriften des Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetzes (LMBG) vom 15. August 1974 (BGBl. I S. 1945, 1946) zuwidergehandelt. Die in Rede stehenden Ledersprays waren Bedarfsgegenstände im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 7 a und b LMBG (Zipfel in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, L 52 § 5 LMBG Anm. 3 O). Nach § 30 Nr. 2 LMBG ist es verboten, „Gegenstände oder Mittel, die bei bestimmungsgemäßem … Gebrauch geeignet sind, die Gesundheit durch ihre stoffliche Zusammensetzung … zu schädigen, als Bedarfsgegenstände in den Verkehr zu bringen.” Den Begriff des Inverkehrbringens, wie er in § 7 Abs. 1 LMBG gesetzlich umschrieben ist („jedes Abgeben an andere”), erfüllt der Vertrieb eines Produkts auch auf dem Wege vom Produzenten und seiner Vertriebsorganisation zum Groß- und Einzelhandel (Zipfel aaO § 7 LMBG Anm. VI A m. w. N.). Demgemäß verstieß der Vertrieb der gesundheitsgefährdenden Ledersprays gegen das in § 30 Nr. 2 LMBG normierte Verbot und begründete eben jene Gefahr, zu deren Vermeidung diese Bestimmung nach ihrer Überschrift („Verbote zum Schutz der Gesundheit”) wie auch nach dem Zweck des Gesetzes im ganzen zu dienen bestimmt ist (vgl. Meier DB 1985, 1220). Dabei ist unbeachtlich, daß die Angeklagten im vorliegenden Verfahren nicht (mehr) wegen dieses Verstoßes verfolgt werden.

Die objektive Pflichtwidrigkeit des Vorverhaltens entfiel hier – wie die Strafkammer zu Recht ausgeführt hat – auch nicht unter dem Gesichtspunkt des „erlaubten Risikos” (vgl. hierzu Lenckner in Schönke/Schröder, StGB 23. Aufl. Vorbem. §§ 32ff Rdn. 94); denn angesichts der Zahl der Schadensfälle handelte es sich bei den schadensursächlichen Ledersprays nicht bloß um sogenannte „Ausreißer”, die, weil sie selbst bei der Fabrikation generell einwandfreier Massenerzeugnisse nicht ausnahmslos zu vermeiden sind, unter Umständen keine strafrechtliche Haftung begründen (Goll in Graf v. Westphalen, Produkthaftungshandbuch Bd. 1 § 45 Rdn. 39; vgl. auch LG München II in Schmidt-Salzer, ES Produkthaftung, 1982, Nr. IV.28 S. 321 – Monza Steel).

War danach eine Garantenstellung der Angeklagten gegeben, so versagt demgegenüber der vom Beschwerdeführer S. erhobene Einwand, der Eindruck von der Gefährlichkeit der Ledersprays habe sich allenfalls nach der Geschäftsführerbesprechung vom 12. Mai 1981 derart gefestigt, daß der weitere Vertrieb dieser Produkte und ihre Belassung im Handel „sorgfaltswidrig” erscheinen konnte. Die objektive Pflichtwidrigkeit des Vorverhaltens setzt nicht voraus, daß der Handelnde bereits damit seine Sorgfaltspflichten verletzt, sich also fahrlässig verhalten hat (a. A. offenbar Schünemann ZStW 96 (1984) S. 287, 295, 308; wohl auch Jakobs, Strafrecht AT 29/45 S. 670). Insoweit genügt die rechtliche Mißbilligung des Gefährdungserfolgs. Darauf, ob das Verhalten dessen, der ihn herbeiführt, im Sinne persönlicher Schuld vorwerfbar ist, kommt es nicht an. Demgemäß begründet die Schaffung einer Gefahrenlage die zur Schadensabwendung verpflichtende Garantenstellung auch dann, wenn darin noch keine Sorgfaltswidrigkeit liegt; schuldhaft muß das pflichtwidrige Vorverhalten des Garanten nicht sein (statt aller: Stree in Schönke/Schröder, StGB 23. Aufl. § 13 Rdn. 38 m. w. N.).

Dies bedeutet keine unzulässige Erweiterung seiner strafrechtlichen Verantwortlichkeit. Denn die Bejahung der Garantenstellung entscheidet noch nicht darüber, ob er sich strafbar gemacht hat, sondern rückt ihn zunächst nur in die Position des Normadressaten, an den sich das Verhaltensgebot des strafrechtlichen Tatbestands richtet. Daß dieses Verhaltensgebot hier eine Pflicht zum Handeln begründet, während es im Bereich der Begehungsdelikte das Unterlassen des verbotenen Tuns fordert, ändert nichts daran, daß er in beiden Fällen erst dann strafrechtlich haftbar wird, wenn er dem Verhaltensgebot schuldhaft nicht nachkommt.

c) Aus der demgemäß zu bejahenden Garantenstellung ergab sich – wie die Strafkammer zu Recht annimmt – hier die Verpflichtung zum Rückruf der bereits in den Handel gelangten, gesundheitsgefährdenden Ledersprays (zur Rückrufpflicht vgl. BGH NStE Nr. 5 zu § 223 StGB – Mandelbienenstich; LG München II aaO – Monza Steel; Schmidt-Salzer, Produkthaftung Bd. I: Strafrecht, 2. Aufl. Rdn. 1.370, 1.476; ders. NJW 1988, 1939, 1941 Fußn. 32; Brinkmann in Brendl, Produkt- und Produzentenhaftung, Gruppe 11 S. 70; Jakobs aaO; Pfleiderer, Die Garantenstellung aus vorangegangenem Tun, 1968, S. 133; aus zivilrechtlicher Sicht: Foerste in Graf v. Westphalen, Produkthaftungshandbuch Bd. 1 § 24 Rdn. 233ff m. w. N.).

Der gegenteiligen Auffassung von Schünemann, der eine strafrechtlich erhebliche Rückrufpflicht in Fällen dieser Art generell ablehnt (Schünemann, Unternehmenskriminalität und Strafrecht, 1979 S. 99ff; ders. wistra 1982, 41, 44f, ähnlich: Brammsen, Die Entstehungsvoraussetzungen der Garantenpflichten, 1986 S. 274f; N. Schmid SchwZStR 105 (1988) S. 156, 167f), kann nicht gefolgt werden (vgl. auch: Goll in Graf v. Westphalen, Produkthaftungshandbuch Bd. 1 § 45 Rdn. 12f). Sie geht davon aus, daß es allein die Sachherrschaft über die gefahrbringenden Gegenstände sei, aus der sich die Garantenhaftung des Unternehmers ergebe; diese müsse deshalb entfallen, sobald die gefährliche Ware den Herrschaftsbereich des Unternehmers verlassen habe. Diese Ausgangserwägung trifft nicht zu; denn bei dem Inverkehrbringen gesundheitsgefährdender Artikel durch einen für den Verbraucher produzierenden Hersteller oder dessen Vertriebsorganisation bezieht sich die Verfügungsmacht der Verantwortlichen nicht nur auf die im Unternehmensbereich gleichsam „ruhende” Ware, sondern auch und vor allem auf den Weg des Produkts, das – seiner Zweckbestimmung entsprechend – in die Hände des Verbrauchers gelangen soll.

Liegt gerade im Vertrieb gesundheitsgefährdender Konsumgüter die Pflichtwidrigkeit, so wäre es sachlich verfehlt, denjenigen, der dafür verantwortlich ist, von der strafrechtlichen Haftung für die Folgen seines Tuns freizustellen. Auch die Einzelbegründung, die Schünemann für seine Auffassung gibt, überzeugt nicht. Von einer „prinzipiellen Unbrauchbarkeit des Ingerenzansatzes” kann bei pflichtwidrig gefährdendem Vorverhalten die Rede nicht sein. Insbesondere trifft es nicht zu, daß die hier vertretene Auffassung zu „unsinnigen” Folgen führe, weil der neu in den Betrieb Eintretende mangels pflichtwidrigen Vorverhaltens nicht hafte, der ausgeschiedene „Pensionär” dagegen in der Garantenstellung verbleibe. Wer in den Betrieb eintritt, rückt regelmäßig durch Übernahme der Aufgaben in die Garantenstellung des Vorgängers ein, und die – aus fortbestehender Garantenstellung folgende – Handlungspflicht des Ausgeschiedenen beschränkt sich naturgemäß darauf, was er als nunmehr Betriebsfremder noch zur Schadensabwendung beitragen kann. Der weitere Einwand, das Unternehmen besitze keinerlei Rechtsmacht zur Beeinflussung des Schicksals der bereits in den Verkehr gelangten Ware, schlägt deshalb nicht durch, weil es für die Anerkennung einer Rechtspflicht zur Schadensabwendung allein auf die tatsächlichen Möglichkeiten der Einflußnahme ankommt und in der Gestalt des – im Vertriebshandel nicht ungebräuchlichen – Rückrufs eine solche Möglichkeit ja gerade besteht. Unzutreffend ist schließlich auch die Behauptung, der Produzent nehme, wenn die Ware seinen Herrschaftsbereich erst einmal verlassen habe, zum drohenden Schadenseintritt keine andere Stellung ein als jeder unbeteiligte Dritte. Bei dieser zustandsfixierten Sicht gerät die Handlungsmöglichkeit und -verantwortung des Gefahrverursachers ganz aus dem Blickfeld. Produzent und Vertriebsorganisation haben den umfassendsten Überblick, da sich bei ihnen die Schadensmeldungen sammeln. Ein von ihnen ausgehender Rückruf hat im Vergleich zum Eingreifen Dritter eine größere Wirkungschance schon deshalb, weil Händler und Verbraucher bei ihnen am ehesten diejenige Sachkenntnis voraussetzen dürfen, die erforderlich ist, um die Fehlerhaftigkeit des Produkts zu beurteilen, das Ausmaß der drohenden Gefahr abzuschätzen und die richtige Auswahl der zu ihrer Beseitigung notwendigen Maßnahmen zu treffen. Auch darin unterscheidet sich die Stellung des verantwortlichen Produzenten oder seiner Vertriebsorganisation gegenüber den Abnehmern von derjenigen eines unbeteiligten Dritten.

Die Bejahung des Rückrufgebots bedeutet – entgegen der von den Angeklagten vertretenen Ansicht – auch keine Überspannung der ihnen obliegenden Pflichten. Bei den betroffenen Ledersprays handelte es sich um Gegenstände des häuslichen Bedarfs, die massenweise hergestellt worden waren und von denen – wie die bisherige Schadensentwicklung gezeigt hatte – eine ernstzunehmende Gefahr für die Gesundheit einer unbestimmten Zahl von Verbrauchern ausging. Wirksame Vorkehrungen zur Schadensverhütung waren deshalb geboten. Weniger einschneidende Maßnahmen als der Rückruf reichten nicht aus. Ergänzungen und Verbesserungen der den Dosen aufgedruckten Gebrauchs- und Warnhinweise genügten schon deshalb nicht, weil solche Maßnahmen die bereits in den Handel gelangten Produkte nicht mehr erfassen konnten. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob bei einer „strengeren”, die Gefahren zutreffend aufzeigenden Fassung dieser Hinweise der Vertrieb der Ledersprays noch im Rahmen des rechtlich Zulässigen gelegen hätte. Der Rückruf vertrug auch keinen Aufschub. Daß chemisch-toxikologische Untersuchungen noch keine Klarheit über die eigentliche Ursache der gemeldeten Schadensfälle erbracht, namentlich nicht zur Entdeckung der schadensauslösenden Substanz geführt hatten, rechtfertigte ein weiteres Zuwarten nicht. Abzulehnen ist auch die vom Angeklagten S. vorgetragene Ansicht, eine Rückrufpflicht habe solange nicht bestanden, wie die Behörden, vor allem das Bundesgesundheitsamt, noch andere Vorkehrungen für ausreichend hielten. Die Aufgabe, in wirksamer Weise dafür zu sorgen, daß gesundheitsgefährdende Erzeugnisse, die in den Handel gelangt sind, keinen Schaden anrichten, obliegt – unabhängig davon, was die zuständigen Behörden für geboten erachten – den für Herstellung und Vertrieb dieser Produkte Verantwortlichen (vgl. BGH in Schmidt-Salzer, ES Produkthaftung, 1988 Nr. IV.1.5 (2)).

Schließlich durfte der zur Schadensabwendung erforderliche Rückruf nicht deshalb unterbleiben, weil eine solche Aktion Kosten verursacht, eventuell den Ruf (das „Image”) der beteiligten Firmen beeinträchtigt und zu einem Absatzrückgang sowie zu Gewinneinbußen geführt hätte; bei einer Abwägung der in Rede stehenden Belange mußten wirtschaftliche Gesichtspunkte zurücktreten: dem Schutz der Verbraucher vor Gesundheitsschäden gebührte hier der Vorrang (vgl. Schmidt-Salzer, Produkthaftung, Bd. I: Strafrecht, 2. Aufl. Rdn. 1.332f; Goll in Graf v. Westphalen, Produkthaftungshandbuch Bd. 1 § 45 Rdn. 22; Brinkmann in Brendl, Produkt- und Produzentenhaftung, Gruppe 1 S. 70; OLG Karlsruhe NJW 1981, 1054 – Reifen).

Anders mag die Rechtslage zu beurteilen sein, wenn den Verbrauchern bei Unterbleiben des Rückrufs nur geringfügige Nachteile drohen, der Rückruf jedoch für das Unternehmen mit schwerwiegenden, womöglich existenzgefährdenden Folgen verbunden wäre. Doch lag ein solcher Fall hier nicht vor. Auf der einen Seite waren die Verbraucher der Gefahr ernsthafter, teilweise sogar lebensbedrohlicher Gesundheitsbeeinträchtigungen ausgesetzt. Auf der anderen Seite betrug der Anteil der Lederspray-Produkte am Gesamtumsatz der Firma We. & Me. GmbH nur etwa 6-8%; auch ergibt sich aus den Feststellungen kein Anhalt dafür, daß der später tatsächlich vollzogene Rückruf das wirtschaftliche Fortbestehen der Firmengruppe in Frage gestellt hätte.

d) Die Pflicht zum Rückruf oblag – jeweils zur gemeinschaftlichen Befolgung – den Geschäftsführern der drei Gesellschaften. Sie erstreckte sich allerdings, was auch berücksichtigt worden ist, nur bei den Angeklagten S. und Dr. Sch. (sowie den weiteren Geschäftsführern der Muttergesellschaft) auf alle gesundheitsgefährdenden Ledersprays, beschränkte sich dagegen bei dem Angeklagten W., seiner Geschäftsführerstellung entsprechend, auf Produkte der Marke „So.” und bei dem Angeklagten D. demgemäß auf Produkte der Marke „E.”.

Diese Pflichtenstellung jedes einzelnen Angeklagten erfuhr keine Einschränkung dadurch, daß die genannten Gesellschaften jeweils mehrere Geschäftsführer hatten und in der Firma We. & Me. GmbH jedem von ihnen ein besonderer Geschäftsbereich zugeteilt war: dem Angeklagten S. der Geschäftsbereich I (Chemie), dem früheren Mitangeklagten Br. der Geschäftsbereich II (Technik, Einkauf, Lager- und Speditionswesen), dem Angeklagten Dr. Sch. der Geschäftsbereich III (Verwaltung) und dem früheren Mitangeklagten Bo. der Geschäftsbereich IV (Absatzwesen). Im Prinzip bleibt eine Aufteilung der Geschäftsbereiche unter mehreren Geschäftsführern einer GmbH ohne Einfluß auf die Verantwortung jedes einzelnen für die Geschäftsführung insgesamt (allgemeine Meinung, vgl. Scholz/Schneider, GmbHG 7. Aufl. § 37 Rdn. 25; Rowedder/Koppensteiner, GmbHG 2. Aufl. § 37 Rdn. 43; Fischer/Lutter/Hommelhoff, GmbHG 12. Aufl. § 37 Rdn. 28; Hachenburg/Mertens, GmbHG 7. Aufl. § 37 Rdn. 10). Ob dieser gesellschaftsrechtliche Grundsatz, der für die Zurechnung zivilrechtlicher Haftungsfolgen maßgebend ist, auch über den Umfang der strafrechtlichen Pflichtenstellung entscheidet, kann freilich zweifelhaft sein. Doch braucht dieser Frage nicht weiter nachgegangen zu werden. Zwar knüpft die Pflichtenstellung des Geschäftsführers im allgemeinen an den von ihm betreuten Geschäfts- und Verantwortungsbereich an (vgl. dazu Schünemann, Unternehmenskriminalität und Strafrecht, 1979 S. 107f; Schmidt-Salzer NJW 1988, 1937ff; ders. Produkthaftung, Bd. I: Strafrecht 2. Aufl. Rdn. 1.117ff; Goll in Graf v. Westphalen, Produkthaftungshandbuch Bd. 1 § 46 Rdn. 5ff). Doch greift der Grundsatz der Generalverantwortung und Allzuständigkeit der Geschäftsleitung ein, wo – wie etwa in Krisen- und Ausnahmesituationen – aus besonderem Anlaß das Unternehmen als Ganzes betroffen ist; dann ist die Geschäftsführung insgesamt zum Handeln berufen (vgl. Schmidt-Salzer aaO Rdn. 1.160, 1.146ff; Goll aaO Rdn. 14 Fußn. 15; Brinkmann in Brendl, Produkt- und Produzentenhaftung, Gruppe 11 S. 74f). So verhält es sich gerade auch bei einer Häufung von Verbraucherbeschwerden über Schadensfälle durch Benutzung eines vom Unternehmen massenweise hergestellten und vertriebenen Serienprodukts, wenn zu entscheiden ist, welche Maßnahmen zu ergreifen sind und ob insbesondere ein Vertriebsstopp, eine Warn- oder eine Rückrufaktion stattfinden muß (Schmidt-Salzer aaO Rdn. 1.177; ders. NJW 1988, 1937, 1941). Diese Situation lag hier vor. Es handelte sich – wie die Strafkammer zutreffend ausführt – um die Bewältigung eines „ressortüberschreitenden” Problems, das in unterschiedlicher Weise alle vier Geschäftsbereiche der Muttergesellschaft wie auch die Vertriebsgesellschaften anging. So stellte sich dem Geschäftsbereich I die Frage, ob die chemische Zusammensetzung der beanstandeten Produkte zu ändern sei; im Geschäftsbereich II mußte geprüft werden, ob der Einkauf bestimmter, zur Herstellung verwendeter Stoffe fortgesetzt werden könne; der Geschäftsbereich III hatte sich über Art und Weise der Behandlung weiterer Verbraucherbeschwerden schlüssig zu werden; und im Geschäftsbereich IV war zu klären, wie es mit dem Absatz der Ledersprays (über die davon ebenfalls betroffenen Vertriebsgesellschaften) in Zukunft zu halten sei. Angesichts dieser „Allgegenwart” des Problems kam eine ressortinterne, mit den anderen Geschäftsbereichen nicht abgestimmte Lösung von vornherein nicht in Betracht. Gefordert war vielmehr ein Eingreifen der Geschäftsleitung, in deren Kompetenz auch die Entscheidung über den gebotenen Rückruf fiel.

Was die Angeklagten W. und D. betrifft, so wurde ihre Pflichtenstellung nicht dadurch beseitigt, daß sie – wiewohl selbst Geschäftsführer der Vertriebsgesellschaften – dem früheren Mitangeklagten Bo., der als Geschäftsführer der Muttergesellschaft dem Geschäftsbereich IV (Absatzwesen) vorstand, untergeordnet waren. Auch eine unternehmensinterne Organisationsstruktur, die auf der Ebene der Geschäftsleitung gesellschaftsübergreifende Vorgesetzten-Untergebenen-Verhältnisse schafft, ändert grundsätzlich nichts an der mit der Geschäftsführerrolle verbundenen Verantwortung. Unbeachtlich ist in diesem Zusammenhang auch, daß der Angeklagte S. innerhalb des Kreises der Geschäftsführer eine dominierende Stellung einnahm, so daß Entscheidungen gegen sein Votum praktisch ausgeschlossen erschienen. Umstände dieser Art schränken die rechtliche Verantwortlichkeit des einzelnen Geschäftsführers nicht ein (vgl. BGH NStE Nr. 5 zu § 223 StGB – Mandelbienenstich). Sie sind allenfalls für die Frage bedeutsam, ob dem jeweiligen Geschäftsführer das gebotene Handeln zumutbar war.

e) Von der Pflicht zum Rückruf, die allen Geschäftsführern gemeinsam oblag, war allerdings das den einzelnen Geschäftsführer treffende Handlungsgebot zu unterscheiden.

Diese Unterscheidung hat das Landgericht nicht getroffen. Bei der rechtlichen Würdigung führt die Strafkammer aus, für jeden der Angeklagten sei der Rückruf möglich und auch zumutbar gewesen. Zumutbar – so meint sie ferner – wäre es auch für jeden von ihnen gewesen, im Falle der Ablehnung einer solchen Aktion durch die anderen von sich aus in dieser Richtung tätig zu werden. Eventuelle betriebsinterne oder berufliche Nachteile hätten angesichts der den Verbrauchern drohenden schweren Gesundheitsschäden in Kauf genommen werden müssen. Tatsächlich wäre allen Angeklagten die Anordnung und Durchführung des Rückrufs möglich gewesen.

Diese Beurteilung begegnet Bedenken. Denn sie läßt außer acht, daß innerhalb einer GmbH, die mehrere Geschäftsführer hat, grundsätzlich Gesamtgeschäftsführung besteht. Danach sind die Geschäftsführer nur gemeinschaftlich zu handeln befugt. Keiner von ihnen darf ohne Mitwirkung der anderen vorgehen. Maßnahmen der Geschäftsleitung sind von allen Geschäftsführern gemeinsam zu beschließen (allgemeine Meinung, vgl. Zöllner in Baumbach/Hueck, GmbHG 15. Aufl. § 37 Rdn. 16; Scholz/Schneider, GmbHG, 7. Aufl. § 37 Rdn. 21; Rowedder/Koppensteiner, GmbHG 2. Aufl. § 37 Rdn. 16f; Fischer/Lutter/Hommelhoff, GmbHG 12. Aufl. § 37 Rdn. 27). Dafür, daß hier durch Satzung oder Geschäftsordnung eine abweichende Regelung getroffen worden wäre, fehlt jeder Anhalt; festgestellt ist vielmehr, daß Entscheidungen in der Geschäftsführung der Firma We. & Me. GmbH durch Mehrheitsbeschluß zu treffen waren, wobei im Falle der Überstimmung des Angeklagten S. die Entscheidung ausgesetzt werden mußte und der Stichentscheid des Aufsichtsratsvorsitzenden letztlich den Ausschlag gab. Einer Entscheidung der gesamten Geschäftsführung bedurfte es hiernach jedenfalls dann, wenn es sich – wie gerade bei einer Rückrufaktion – um eine ressortübergreifende, die Gesellschaft als ganzes betreffende Maßnahme handelte.

War demgemäß – entgegen der vom Landgericht vertretenen Ansicht – der einzelne Geschäftsführer nicht berechtigt, aus eigener Machtvollkommenheit den in Rede stehenden Rückruf anzuordnen, so änderte dies zwar nichts am Fortbestand seiner umfassenden, zur Schadensabwendung verpflichtenden Garantenstellung; wohl aber erfuhren dadurch seine aus dieser Garantenstellung fließenden, konkreten Handlungspflichten eine Begrenzung. Jeder war hiernach nur dazu verpflichtet, unter vollem Einsatz seiner Mitwirkungsrechte das ihm Mögliche und Zumutbare zu tun, um einen Beschluß der Gesamtgeschäftsführung über Anordnung und Vollzug des gebotenen Rückrufs zustandezubringen. Keiner der Angeklagten hat dieser Handlungspflicht genügt – sie alle haben das ihnen abzuverlangende Tun unterlassen.

f) Diese Unterlassung war für den Eintritt der den Angeklagten zugerechneten Schadensfälle auch ursächlich, weshalb es sich auf das Ergebnis nicht auswirkt, daß die Strafkammer ihrer Beurteilung einen zu weiten Umfang des die Angeklagten treffenden Handlungsgebots zugrunde gelegt hat.

Ursächlichkeit liegt bei den (unechten) Unterlassungsdelikten vor, wenn bei Vornahme der pflichtgemäßen Handlung der tatbestandsmäßige Schadenserfolg ausgeblieben wäre, dieser also entfiele, wenn jene hinzugedacht würde (st. Rspr., so in jüngster Zeit BGH StV 1984, 247f; BGH NStZ 1985, 26f; BGHR StGB § 13 Abs. 1 Brandstiftung 1; BGHR StGB vor § 1/Kausalität, Pflichtwidrigkeit 2 m. w. N.; Lackner, StGB 18. Aufl. vor § 13 Anm. III 1 c bb; Dreher/Tröndle, StGB 44. Aufl. vor § 13 Rdn. 20; Stree in Schönke/Schröder, StGB 23. Aufl. § 13 Rdn. 15). Der im Schrifttum weithin vertretenen Auffassung, es genüge bereits, daß die Vornahme der unterlassenen Handlung das Risiko des Erfolgseintritts (erheblich) vermindert hätte (dies entspricht der sog. Risikoerhöhungstheorie, vgl. Rudolphi in SK 5. Aufl. vor § 13 Rdn. 15f; Jescheck in LK 10. Aufl. § 13 Rdn. 16ff; Stratenwerth, Strafrecht AT I 3. Aufl. Rdn. 224ff; Roxin ZStW 74 (1962) S. 411ff; für den Bereich der Produkthaftung: Goll in Graf v. Westphalen, Produkthaftungshandbuch Bd. 1 § 45 Rdn. 50; Schünemann wistra 1982, 41, 45), ist die Rechtsprechung bisher nicht gefolgt. Soweit sie verlangt, daß durch die gebotene Handlung der Schadenserfolg „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit” vermieden worden wäre (vgl. die Nachweise bei Jescheck aaO Rdn. 18), ist damit nicht gemeint, daß der Zusammenhang zwischen Ursache und Erfolg hier weniger eng zu sein brauche, als er sonst – bei der Ursächlichkeit positiven Tuns – vorausgesetzt wird; vielmehr liegt darin nur die überkommene Beschreibung des für die richterliche Überzeugung erforderlichen Beweismaßes.

Nach diesen Grundsätzen ist hier die Bejahung des Ursachenzusammenhangs im Ergebnis nicht zu beanstanden. Die Frage der Ursächlichkeit stellte sich im vorliegenden Fall auf drei verschiedenen Stufen. Auf der ersten Stufe war zu entscheiden, ob die gebotene Rückrufaktion überhaupt zustandegekommen wäre, auf der zweiten, ob sie den jeweils zwischengeschalteten Händler rechtzeitig erreicht hätte, und auf der dritten, ob dieser den Rückruf beachtet, das schadensauslösende Lederspray also nicht dem Verbraucher ausgefolgt hätte, so daß dessen gesundheitliche Schädigung unterblieben wäre.

aa) Den (hypothetischen) Ursachenzusammenhang der zweiten und dritten Stufe hat die Strafkammer ohne Rechtsfehler dargelegt. Ihre dafür gegebene Begründung liegt ausschließlich auf dem Gebiet der Tatsachenfeststellung und der sie tragenden Beweiswürdigung, mithin in einem Bereich, der einer umfassenden Richtigkeitskontrolle des Revisionsgerichts nicht zugänglich ist. Das gilt insbesondere für die Feststellung des Zeitbedarfs, der für die Durchführung der Rückrufaktion zu veranschlagen ist, wie auch für die Beurteilung des hypothetischen Verhaltens der daran Beteiligten und davon Betroffenen. Daß die Beweisbarkeit des hypothetischen Ursachenzusammenhangs zwischen Rückruf und Schadensabwendung – allgemein gesehen – skeptisch beurteilt wird (vgl. Schmidt-Salzer, Produkthaftung Bd. I: Strafrecht, 2. Aufl. Rdn. 1.482ff; Kuhlen, Fragen einer strafrechtlichen Produkthaftung, 1989 S. 56 Fußn. 121), ist demgegenüber ohne Belang, da es nur auf die tatrichterliche Beweiswürdigung im hier zu entscheidenden Falle ankommen kann. Insoweit decken aber die Revisionen rechtliche Mängel nicht auf. Die in dieser Richtung erhobenen Rügen sind, ohne daß dies Anlaß zu weiteren Ausführungen gäbe, ausnahmslos unbegründet. Rechtlich bedeutungslos ist es insbesondere, ob die von den Schadensfällen betroffenen Verbraucher, wenn sie die hier in Rede stehenden Ledersprays nicht erworben hätten, durch Benutzung anderweit gekaufter Artikel derselben Art auch zu Schaden gekommen wären (BGH in Schmidt-Salzer, ES Produkthaftung, 1982 Nr. IV.4 S. 171 – Zwischenstecker; Kuhlen aaO S. 36).

Die zu weite Bestimmung des Handlungsgebots, das – entgegen der Wertung des Landgerichts – nicht den Rückruf selbst, sondern nur das Eintreten für eine entsprechende Entscheidung der Geschäftsführung zum Gegenstand hatte, läßt den Ursachenzusammenhang zwischen der Pflichtverletzung und den Schadensfällen unberührt. Zwar wäre bei richtiger Bestimmung des Umfangs der Handlungspflicht innerhalb des hypothetischen Geschehensablaufs zusätzlich die Zeitspanne zu berücksichtigen, die für die Einberufung der Geschäftsführersitzung zu veranschlagen ist. Doch hätte sich dadurch nichts an der Vermeidbarkeit auch des frühesten der zugerechneten Schadensfälle (Fall 16 – Pas.) geändert. Denn die Angeklagten hätten spätestens am 15. Februar 1981 die Initiative zur kurzfristigen Einberufung einer dringlichen Geschäftsführersitzung ergreifen müssen, und der Rückruf wäre innerhalb von etwa einer Woche, also bis zum 22. Februar 1981, bei sämtlichen, der Anschrift nach bekannten gewerblichen Kunden angekommen. Das schädigende Lederspray war erst am 27. Februar 1981 von Frau Pas. gekauft worden. Für die Einberufung einer Geschäftsführersitzung hätte demnach noch eine Frist von etwa fünf Tagen und damit eine ausreichende Zeitspanne zur Verfügung gestanden, die dazu – nach Sachlage – auch genutzt worden wäre.

bb) Der (hypothetische) Ursachenzusammenhang der ersten Stufe ist auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen ebenfalls zu bejahen. Allerdings muß auch insoweit berücksichtigt werden, daß – wie bereits dargelegt – die Handlungspflicht jedes einzelnen Angeklagten sich darauf beschränkte, alles ihm Mögliche und Zumutbare zu tun, um einen Beschluß der Gesamtgeschäftsführung über Anordnung und Vollzug des gebotenen Rückrufs zustandezubringen. Demgemäß ist entscheidend, ob die Erfüllung dieser Handlungspflicht dazu geführt hätte, daß ein solcher Beschluß gefaßt worden wäre. Wird diese Frage für jeden der Angeklagten gesondert gestellt, so kann ihre Beantwortung deshalb zweifelhaft sein, weil nicht auszuschließen ist, daß jeder der Geschäftsführer mit dem Versuch, die erforderliche Entscheidung herbeizuführen, am Widerstand der übrigen, den Rückruf ablehnenden Geschäftsführer gescheitert wäre. Doch läßt dies seine strafrechtliche Haftung gleichwohl bestehen.

cc) Für den Bereich des Schuldvorwurfs der gefährlichen Körperverletzung gilt das schon deshalb, weil die vier Angeklagten zusammen mit den früheren Mitangeklagten Br. und Bo. insoweit Mittäter waren, so daß sich jeder von ihnen die Unterlassungsbeiträge aller anderen zurechnen lassen muß und mithin für das Unterbleiben des gebotenen Rückrufs insgesamt haftet.

Mittäterschaft ist auch bei den (unechten) Unterlassungsdelikten möglich (RGSt 66, 71, 74; Dreher/Tröndle, StGB 44. Aufl. § 25 Rdn. 7 a; Cramer in Schönke/Schröder, StGB 23. Aufl. § 25 Rdn. 79; Roxin in LK 10. Aufl. § 25 Rdn. 154; Jescheck, Strafrecht AT 4. Aufl. S. 617f). Sie liegt unter anderem vor, wenn mehrere Garanten, die eine ihnen gemeinsam obliegende Pflicht nur gemeinsam erfüllen können, gemeinschaftlich den Entschluß fassen, dies nicht zu tun (Jescheck in LK 10. Aufl. § 13 Rdn. 58).

So verhielt es sich hier. Bei der Sondersitzung der Geschäftsführung vom 12. Mai 1981, an der sämtliche Geschäftsführer der Firma We. & Me. GmbH, darunter auch die Angeklagten S. und Dr. Sch., teilnahmen, trafen die Beteiligten einstimmig die Entscheidung, von einem umfassenden Rückruf abzusehen. Darin lag der gemeinschaftlich gefaßte Entschluß, die ihnen gemeinsam obliegende Schadensabwendungspflicht nicht zu erfüllen. Das begründete für die daran Beteiligten die Gemeinschaftlichkeit der Unterlassung und folglich Mittäterschaft.

In den Kreis der Mittäter traten aber darüberhinaus auch die Angeklagten W. und D. ein, wiewohl sie nicht Geschäftsführer der Muttergesellschaft waren und ihre Anwesenheit bei der genannten Sondersitzung nicht feststeht. Denn sie wurden (jedenfalls) im Anschluß an diese Sitzung über die dort getroffene Entscheidung umfassend informiert, billigten sie und machten sie sich jeweils für ihren Verantwortungsbereich auch zu eigen. Dadurch wurden sie Mittäter. Dem steht nicht entgegen, daß die Entscheidung gegen den Rückruf bereits in der Geschäftsführersitzung der Muttergesellschaft gefallen war, sie diese Entscheidung also nur noch nachträglich guthießen und für ihren Geschäftsbereich übernahmen. Denn zur Begründung der Mittäterschaft bedarf es nicht einer vorherigen Verabredung; vielmehr genügt auch ein erst während der Tat entstandenes Einverständnis (Roxin in LK 10. Aufl. § 25 Rdn. 119 m. w. N.). Mit ihrer Billigung schlossen sich die Angeklagten W. und D. aber dem einstimmigen Votum derer an, die nicht nur in der Muttergesellschaft, sondern – neben ihnen selbst – sämtlich zugleich in den beiden Vertriebsgesellschaften Geschäftsführer waren. Auf diese Weise leisteten sie den notwendigen Beitrag dazu, daß auch im Kreise der Geschäftsführer beider Vertriebsgesellschaften ein – durch ihre Billigung „komplettiertes” – Einverständnis darüber erzielt wurde, keine Rückrufaktion anzuordnen. Dies geschah auch zu einem Zeitpunkt, als die den Angeklagten als gefährliche Körperverletzung zugerechneten Schadensfälle noch ausstanden, die Tat also noch nicht vollendet war.

dd) Auch in den Fällen, die das Landgericht den Angeklagten als fahrlässige Körperverletzungen zurechnet, haftet jeder von ihnen für das Unterbleiben des gebotenen Rückrufs. Daran ändert es nichts, daß er hierzu lediglich einen Teilbeitrag leistete, der darin bestand, nicht für den zur Schadensabwendung erforderlichen Rückrufbeschluß eingetreten zu sein. Denn sein Teilbeitrag war dafür – im Zusammenwirken mit den Teilbeiträgen der anderen Geschäftsführer – ursächlich. An dieser Ursächlichkeit fehlt es nicht etwa deshalb, weil, wie dies bereits dargelegt worden ist, sein pflichtgemäßes Bemühen, eine Rückrufentscheidung der Gesamtgeschäftsführung zustandezubringen, möglicherweise bei den anderen Geschäftsführern auf Ablehnung gestoßen und mithin gescheitert wäre.

Dies folgt aus den Grundsätzen, die allgemein für die Beurteilung solcher Fallgestaltungen gelten, in denen sich der strafrechtlich relevante Erfolg nur aus dem Zusammentreffen der Verhaltensbeiträge mehrerer Täter ergibt.

Im Bereich der strafrechtlichen Handlungsverantwortlichkeit ist nicht zweifelhaft, daß, wo mehrere Beteiligte unabhängig voneinander den tatbestandsmäßigen Erfolg erst durch die Gesamtheit ihrer Handlungsbeiträge herbeiführen, jeder einzelne Beitrag im haftungsbegründenden Sinne ursächlich ist (vgl. Lenckner in Schönke/Schröder, StGB 23. Aufl. Vorbem. §§ 13ff Rdn. 83; Rudolphi in SK 5. Aufl. vor § 1 Rdn. 51 a; Jescheck, Strafrecht AT 4. Aufl. S. 253; Jakobs, Strafrecht AT 7/20 S. 160; Maurach/Zipf, Strafrecht AT Teilbd. 1, 7. Aufl. S. 250 Rdn. 56). Dagegen spricht nicht, daß – wie die Verteidigung des Angeklagten S. in der Revisionsverhandlung geltend gemacht hat – bei Vorsatztaten in solchem Falle jeder lediglich wegen Versuchs bestraft werden kann. Denn so verhält es sich nur, wenn der Tatbeitrag des anderen für ihn eine wesentliche Abweichung vom Kausalverlauf darstellt (Lenckner aaO), beruht also gegebenenfalls nicht etwa darauf, daß es am Ursachenzusammenhang fehlen würde, sondern hat seinen Grund darin, daß der tatsächliche Kausalverlauf nicht mehr vom Vorsatz gedeckt ist (vgl. Lackner, StGB 18. Aufl. § 15 Anm. II 2 a cc).

Was aber hiernach für die Handlungsverantwortlichkeit gilt, muß ebenso auch im Bereich der strafrechtlichen Haftung für Unterlassungen gelten. Kann die zur Schadensabwendung gebotene Maßnahme, hier der von der Geschäftsführung zu beschließende Rückruf, nur durch das Zusammenwirken mehrerer Beteiligter zustandekommen, so setzt jeder, der es trotz seiner Mitwirkungskompetenz unterläßt, seinen Beitrag dazu zu leisten, eine Ursache dafür, daß die gebotene Maßnahme unterbleibt; innerhalb dieses Rahmens haftet er für die sich daraus ergebenden tatbestandsmäßigen Folgen (so bereits Engisch, Die Kausalität als Merkmal der strafrechtlichen Tatbestände, 1931 S. 30f). Dabei kann er sich nicht damit entlasten, daß sein Bemühen, die gebotene Kollegialentscheidung herbeizuführen, erfolglos geblieben wäre, weil ihn die anderen Beteiligten im Streitfalle überstimmt hätten. Von seiner strafrechtlichen Mitverantwortung wäre er nur befreit, wenn er alles ihm Mögliche und Zumutbare getan hätte, um den gebotenen Beschluß zu erwirken (ähnlich, wenngleich für den Bereich der Handlungsverantwortlichkeit: BGHSt 9, 203, 215f; vgl. auch OLG Stuttgart NStZ 1981, 27f; Schmidt-Salzer, Produkthaftung, Bd. I: Strafrecht, 2. Aufl. Rdn. 1.278; Cramer in Schönke/Schröder, StGB 23. Aufl. § 15 Rdn. 223). Dies traf aber auf die Angeklagten nicht zu; keiner von ihnen hat – wie festgestellt ist – überhaupt eine Initiative zur Herbeiführung des Rückrufbeschlusses ergriffen, so daß sich die Frage erübrigt, welche Schritte dem einzelnen Geschäftsführer möglich, zumutbar und daher abzuverlangen gewesen wären.

Demgemäß muß jeder der Angeklagten für das Unterbleiben des Rückrufs und die dadurch verursachten Schadensfolgen strafrechtlich einstehen. Nur dieses Ergebnis wird der gemeinsamen und gleichstufigen Verantwortung der Geschäftsführer gerecht. Fiele es anders aus, so bedeutete dies, daß sich – von Fällen mittäterschaftlichen Unterlassens abgesehen – in einer GmbH mit mehreren Geschäftsführern jeder von seiner Haftung allein durch den Hinweis auf die gleichartige und ebenso pflichtwidrige Untätigkeit der anderen freizeichnen könnte. Damit bliebe in diesem Bereich für die strafrechtliche Zurechnung tatbestandsmäßiger Schadensfolgen kein Raum – sie wäre stets und in jedem Falle unmöglich. Daß dies nicht rechtens sein kann, liegt auf der Hand.

g) Frei von Rechtsfehlern ist die Bewertung der Schadensfälle als Körperverletzungen wie auch die Annahme, daß im zweiten Tatkomplex, dessen Beginn durch die Geschäftsführersitzung vom 12. Mai 1981 markiert wird, der objektive Tatbestand der gefährlichen Körperverletzung in der Form einer das Leben gefährdenden Behandlung vorliegt (§ 223 a StGB). Gleiches gilt für die in Anbetracht des festgestellten Kenntnisstandes der Angeklagten berechtigte Bejahung der Fahrlässigkeit wie auch des bedingten Vorsatzes in den jeweils betroffenen Fällen. Schließlich enthält auch die Wertung, daß den Angeklagten im zweiten Tatkomplex lediglich ein vermeidbarer Gebotsirrtum zugute zu halten sei (vgl. BGHSt 15, 155; 19, 295; Cramer in Schönke/Schröder, StGB 23. Aufl. § 15 Rdn. 95f), keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten, ohne daß dies besonderer Begründung bedürfte.

2. Die ansonsten nicht zu beanstandenden Schuldsprüche müssen jedoch teilweise geändert werden, soweit das Landgericht die Angeklagten zu Unrecht jeweils wegen mehrerer Taten verurteilt hat.

a) Das gilt allerdings nicht, soweit die Strafkammer bei den Angeklagten S., Dr. Sch. und W. im Verhältnis zwischen den fahrlässigen Körperverletzungen und der gefährlichen Körperverletzung Tatmehrheit angenommen hat. Dadurch sind diese Angeklagten nicht beschwert. Das Landgericht hat sie wegen der fahrlässigen Körperverletzungen zu Gesamtgeldstrafen und wegen der gefährlichen Körperverletzung zu Freiheitsstrafen verurteilt. Hätte es bei jedem von ihnen das gesamte Verhalten als eine Tat gewertet, so wäre zwar die Geldstrafe weggefallen; doch hätte sich auf der Grundlage der nicht zu bemängelnden Strafzumessungserwägungen gleichzeitig die Freiheitsstrafe erhöht, weil es geboten gewesen wäre, bei ihrer Bemessung auch die in den Fahrlässigkeitsfällen enthaltene Tatschuld in Anschlag zu bringen. Dieses Ergebnis wäre im Vergleich zu den tatsächlich verhängten Sanktionen das für die Angeklagten ungünstigere, da nach der hierfür allein maßgebenden rechtlichen Wertung Freiheitsstrafe gegenüber Geldstrafe in jedem Falle das schwerere Strafübel darstellt (BGH bei Dallinger MDR 1977, 109; BGHR StPO § 358 Abs. 2 Nachteil 1; BayObLG MDR 1975, 161).

b) Anders verhält es sich dagegen insoweit, als das Landgericht die Angeklagten lediglich zu Gesamtgeldstrafen verurteilt hat. Die dem zugrunde liegende Annahme von Tatmehrheit hält rechtlicher Prüfung nicht stand.

aa) Im Bereich derjenigen Fälle, die den Angeklagten S., Dr. Sch. und W. als fahrlässige Körperverletzungen zugerechnet werden, wertet die Strafkammer die Verursachung jedes einzelnen Schadensfalls als rechtlich selbständige Tat. Denn jeder der Vorfälle sei auf eine selbständige Unterlassung der Angeklagten zurückzuführen. Durch jeden neuen Schadensfall seien sie auf die von den Ledersprays ausgehenden Gefahren hingewiesen und zu Überlegungen veranlaßt worden, wie man den Eintritt weiterer Schäden verhindern könne. Nach jedem gemeldeten Fall seien sie pflichtwidrig untätig geblieben, so daß jeder spätere Schadensfall auf einer besonderen Pflichtverletzung beruhe, die mithin auch jeweils eine neue, selbständige Tat darstelle.

Dem kann nicht gefolgt werden. Jeder Angeklagte hat nur eine fahrlässige Körperverletzung begangen; denn alle ihm insoweit zugerechneten Schadensfälle sind durch ein- und dieselbe Unterlassung verursacht (vgl. RGSt 76, 140, 143; BGH NJW 1985, 1719 f). Wann der Eintritt mehrerer Schadensfälle auf derselben Unterlassung beruht (vgl. BGH, Beschl. v. 14. August 1970 – 2 StR 299/70; Dreher/Tröndle, StGB 44. Aufl. vor § 52 Rdn. 6), beurteilt sich nach Maßgabe des zur Pflichterfüllung und damit zur Schadensabwendung gebotenen Tuns; stellt sich dies Tun als nur eine, pflichtwidrig unterlassene Handlung dar, so liegt auch nur eine Unterlassungstat vor (BGHSt 18, 376, 379; Lackner, StGB 18. Aufl. § 52 Anm. 3 c; Stree in Schönke/Schröder, StGB 23. Aufl. Vorbem. §§ 52ff Rdn. 28; Samson in SK 5. Aufl. § 52 Rdn. 8; ähnlich: Vogler in LK 10. Aufl. vor § 52 Rdn. 40).

So verhielt es sich hier. Hätten sich die Angeklagten pflichtgemäß zum jeweils frühesten, für sie maßgeblichen Zeitpunkt mit Erfolg für die erforderliche Rückrufaktion eingesetzt, so wären sämtliche Schadensfälle, also nicht nur der erste, sondern ebenso auch alle folgenden vermieden worden.

Die Nämlichkeit der gebotenen Handlung wird nicht dadurch in Frage gestellt, daß die Angeklagten durch die Meldung des jeweils nächsten Schadensfalles stets von neuem an ihre Pflichtenstellung gemahnt wurden. Allerdings unterscheiden sich die zu den verschiedenen Zeitpunkten gebotenen Handlungen darin, daß nur die erste sämtliche Schadensfälle, jede spätere dagegen lediglich die weiteren Schadensfälle verhindert hätte. Bei einem Vergleich der zu den verschiedenen Zeitpunkten „fälligen” Handlungen ergibt sich jedoch, daß sie nicht nur im jeweils gebotenen Tun, nämlich der Herbeiführung des Rückrufs, übereingestimmt hätten, sondern darüberhinaus auch, was den Erfolg der Schadensvermeidung anging, jedenfalls in einem Punkte zusammengetroffen wären; denn jede von ihnen hätte zumindest den letzten Schadensfall abgewendet. Bereits das teilweise Zusammentreffen der gebotenen Handlungen im Erfolg der Schadensabwendung reicht aber aus, um auf der Ebene des Gebotenen diejenige Einheit zu vermitteln, die – spiegelbildlich – auf der Ebene des wirklichen Geschehensablaufs die Annahme tateinheitlichen Unterlassens rechtfertigt. Ebenso, wie bei den Begehungsdelikten schon eine bloß teilweise Überschneidung der Ausführungshandlungen Tateinheit herstellt, wird bei den Unterlassungsdelikten Tateinheit dadurch begründet, daß die gebotenen Handlungen teilweise denselben tatbestandsmäßigen Schadenserfolg verhindert hätten (vgl. Struensee, Die Konkurrenz bei Unterlassungsdelikten, 1971 S. 72f, 46ff; a. A. RGSt 16, 290).

bb) Bei dem Angeklagten D. ist zu beachten, daß die fahrlässige Körperverletzung auch mit der gefährlichen Körperverletzung im Verhältnis der Tateinheit steht. Das Handlungsgebot, das die Herbeiführung des zur Schadensabwendung erforderlichen Rückrufs zum Gegenstand hatte, blieb während des gesamten Tatzeitraums unverändert bestehen. Es reichte auch über die Sondersitzung der Geschäftsführung vom 12. Mai 1981 hinaus. Daß dem Angeklagten für die Zeit davor eine fahrlässige, für die Zeit danach jedoch eine vorsätzliche (gefährliche) Körperverletzung zur Last liegt, betrifft nur die Art, wie er dies Handlungsgebot verletzte. Hätte er zum ersten, für ihn maßgeblichen Zeitpunkt seiner Pflicht zum Handeln genügt, so wären die weiteren Schadensfälle, auch soweit sie den Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung begründen, vermieden worden. Damit aber treffen fahrlässige und gefährliche Körperverletzung tateinheitlich zusammen.

cc) Kein Rechtsfehler ist dagegen darin zu sehen, daß die Strafkammer, die zutreffend sämtliche Schadensfälle der gefährlichen Körperverletzung als eine Tat wertet, dabei auch diejenigen Fälle einbezogen hat, in denen der Tatbestand durch positives Tun verwirklicht worden ist; sie bilden mit den entsprechenden Unterlassungsfällen eine natürliche Handlungseinheit.

c) Die Schuldsprüche sind demgemäß zu ändern. Die Angeklagten S., Dr. Sch. und W. sind, was die fahrlässigen Körperverletzungen anbetrifft, jeweils nur einer Tat schuldig. Der Angeklagte D. ist wegen fahrlässiger Körperverletzung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu verurteilen. Der Senat kann diese Änderungen selbst vornehmen. Dem steht § 265 StPO nicht entgegen; denn den Angeklagten ist im Hauptverhandlungstermin vom 24. November 1988 der Hinweis erteilt worden, daß statt der „angeklagten Tatmehrheit” auch insgesamt oder teilweise eine „tateinheitliche Bewertung” in Betracht kommen könne.

Die Änderung der Schuldsprüche führt hier auch nicht zur Aufhebung der Strafaussprüche. Angesichts dessen, daß durch die Schuldspruchänderungen der Unrechts- und Schuldgehalt des strafbaren Verhaltens der Angeklagten nicht berührt wird, genügt es, die Gesamtgeldstrafen in Einzelgeldstrafen gleicher Höhe umzuwandeln. Der Senat hat den von den Änderungen betroffenen Teil des Urteilstenors zur Klarstellung neu gefaßt.

Die Nebenentscheidungen bleiben aufrechterhalten.

Die Revisionen der Angeklagten erweisen sich damit insgesamt als erfolglos; deshalb hat – ungeachtet der bezeichneten Änderungen – jeder Beschwerdeführer gemäß § 473 Abs. 1 StPO die Kosten seines Rechtsmittels und die den Nebenklägern durch sein Rechtsmittel entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen (vgl. D. Meyer JurBüro 1990, 141).

IV. Der Angeklagte Dr. B. ist freizusprechen. Zu Unrecht hat ihn das Tatgericht wegen Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung verurteilt.

1. Die Strafkammer begründet den Schuldspruch wie folgt:

Das strafbare Verhalten des Angeklagten bestehe darin, daß er auf der Geschäftsführersitzung vom 12. Mai 1981 „in seinem Bericht das Ausmaß und die Schwere des ganzen Ledersprayproblems nicht in der notwendigen Deutlichkeit und Vollständigkeit dargelegt” habe, „als er lediglich darauf hinwies, daß sich nach den bisherigen Untersuchungen kein Anhaltspunkt für toxische Eigenschaften und damit für eine besondere Gefährlichkeit der Ledersprays ergeben” habe und man „deshalb bis zum Nachweis eines echten Produktfehlers keinen Rückruf und keinen Vertriebsstopp durchführen müsse”. Mit dieser Darstellung habe er „die tatsächlich von den Lederspray-Produkten im damaligen Zeitpunkt ausgehenden Gefahren derart heruntergespielt und bagatellisiert, daß dadurch bei der kaufmännischen Geschäftsleitung die Erwartung geweckt” worden sei, „in überschaubarer Zeit das Problem möglicherweise auch ohne einschneidende Maßnahmen wie den Rückruf oder gar einen Vertriebsstopp lösen zu können. Mit diesen Darlegungen und diesem Vorschlag” habe er „der Geschäftsleitung die Entscheidung mit dem Verzicht auf einen sofortigen Rückruf zumindest erleichtert”. Darin liege seine „strafrechtlich relevante psychische Beihilfe”. Der Geschäftsleitung wäre die von ihr getroffene Entscheidung „zumindest erschwert worden”, wenn er „der tatsächlichen damaligen Situation entsprechend seine völlige Hilflosigkeit auch als Chemiker dargelegt … und insbesondere darauf verwiesen hätte, daß bisher keine toxikologische Untersuchung der Lederspray-Produkte durchgeführt worden” sei und „daher die negativen betriebsinternen Untersuchungsergebnisse nur einen beschränkten Aussagewert hinsichtlich der Nichttoxizität der Ledersprays haben” würden. Er habe „weiter gewußt, daß mögliche externe Untersuchungen an der schon jetzt gegebenen Gefährlichkeit der im Handel befindlichen und bis zum Abschluß der Untersuchungen noch in den Verkehr gebrachten Produkte nichts ändern” würden. Ein Verbraucherrisiko habe „angesichts der bisherigen Schadensentwicklung, über die er den besten Überblick” gehabt habe, jedenfalls schon zum damaligen Zeitpunkt bestanden. Mit dieser „unvollständigen und eher bagatellisierenden Darstellung der ganzen Problematik” habe er der „kaufmännisch ausgerichteten Geschäftsführung ihre fehlerhafte Entscheidung” gegen einen Rückruf und zusätzliche Maßnahmen zur Schadensverhütung (Warnaktion und Vertriebsstopp) erleichtert. Dieser „Tatbeitrag” sei, wie er auch gewußt habe, „mitursächlich” für den Eintritt der weiteren Schadensfälle geworden.

Diese rechtliche Würdigung ist fehlerhaft. Der Vorwurf der Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung wird von den Feststellungen nicht getragen.

Soweit die Strafkammer das als Beihilfe angesehene Verhalten des Angeklagten bezeichnet, begnügt sie sich durchweg mit Wertungen, für die es an einer hinlänglichen Tatsachengrundlage fehlt: Der Angeklagte habe das Ausmaß und die Schwere des Ledersprayproblems nicht „in der notwendigen Deutlichkeit und Vollständigkeit dargelegt”, er habe die von den Lederspray-Produkten ausgehenden Gefahren „heruntergespielt und bagatellisiert”, die Fehlentscheidung der Geschäftsleitung mit „dieser unvollständigen und eher bagatellisierenden Darstellung” erleichtert. Aus diesen Wertungen ist nicht zu ersehen, inwiefern es den Darlegungen des Angeklagten an „Deutlichkeit” gefehlt haben soll, welche Angaben zur „Vollständigkeit” noch vonnöten gewesen wären und welche konkreten Äußerungen des Angeklagten dem pauschalen Urteil zugrundeliegen, er habe die von den Ledersprays ausgehenden Gefahren „heruntergespielt und bagatellisiert”. Begründet wären diese Wertungen nur, wenn aus den Feststellungen hervorginge, daß der Angeklagte den Geschäftsführern gegenüber sachlich unzutreffende Angaben gemacht oder einen für die Gefährlichkeit der Sprays wesentlichen Umstand verschwiegen hätte. Doch ist dies nicht der Fall. Dafür, daß er unrichtige Behauptungen aufgestellt hätte, fehlt jeder Anhalt. Nichts anderes gilt für die angebliche Unvollständigkeit seiner Darlegungen. Sie käme als Tatbeitrag ohnehin nur dann in Betracht, wenn in der Kenntnis der für die gemeldeten Schadensfälle bedeutsamen Faktoren zwischen ihm und der Geschäftsleitung ein Informationsgefälle bestanden hätte. Dafür findet sich aber in den Feststellungen kein Beleg. Aus ihnen geht nicht hervor, daß der Angeklagte ein Wissen, das ihm kraft seines Sachverstands als Chemiker und vermöge seiner Befassung mit dem Problem zugewachsen wäre, in irgendeinem für die Entscheidung bedeutsamen Punkt der Geschäftsleitung vorenthalten hätte. Was die Strafkammer in dieser Beziehung festgestellt hat, spricht vielmehr im Gegenteil dafür, daß der Angeklagte die Geschäftsführer jeweils richtig und vollständig über alle Fakten und deren sachverständige Beurteilung unterrichtete, zumal zwischen ihm und ihnen ein umfassender Informationsfluß gegeben war.

So wurde der Angeklagte zu den wöchentlichen Fachgesprächen, die zwischen den in M. tätigen Geschäftsführern stattfanden und bei denen alle anstehenden Tagesprobleme zur Sprache kamen, hinzugezogen, wenn dabei sein Aufgabenbereich betroffen war. Dem Angeklagten S. lieferte er halbjährlich sogenannte Chemieberichte, die auch Schadensfälle der hier in Rede stehenden Art zum Gegenstand hatten. Der letzte, vor der Geschäftsführerbesprechung vom 12. Mai 1981 erstattete Chemiebericht, der im Urteil auszugsweise wiedergegeben ist, datierte vom 19. März 1981; darin war der Angeklagte nach Erörterung einiger Hypothesen zu dem Ergebnis gelangt, daß es eine Erklärung für die aufgetretenen Schadensfälle „nach wie vor” nicht gebe. Den Feststellungen ist nichts zu entnehmen, was darauf hindeuten könnte, daß er in den beiden Folgemonaten etwa zusätzliche, für die anstehende Entscheidung wesentliche Erkenntnisse gewonnen und diese der Geschäftsführung bei der erwähnten Besprechung verheimlicht hätte.

Fehlt bereits hiernach den Wertungen der Strafkammer die tatsächliche Grundlage, so tritt dieser Mangel auch in denjenigen Ausführungen zutage, mit denen sie darstellt, was – ihrer Ansicht nach – vom Angeklagten zu erwarten gewesen wäre. Zu Unrecht meint sie, der Angeklagte hätte „seine völlige Hilflosigkeit auch als Chemiker” darlegen müssen. Diese Schlußfolgerung konnten alle Geschäftsführer selbst ziehen, nachdem der erwähnte Chemiebericht keine Klärung der Schadensursachen erbracht und der Wissensstand des Angeklagten sich seitdem nicht verbessert hatte. Der Strafkammer kann auch insoweit nicht gefolgt werden, als sie dem Angeklagten vorhält, er hätte darauf verweisen müssen, daß bisher keine toxikologische Untersuchung der Lederspray-Produkte durchgeführt worden war und daher die negativen betriebsinternen Untersuchungsergebnisse nur einen beschränkten Aussagewert haben würden. „Alle Angeklagten wußten, daß die durchgeführten firmeninternen Überprüfungen und analysierten Untersuchungen einen konkreten Produktfehler als Ursache dieser spraybedingten Erkrankungen nicht erbracht hatten.” Im gesamten Geschäftsführerbereich, nicht nur in der Chemieabteilung, gab es von Anfang an einen ständigen „Informationsaustausch über den jeweiligen Sachstand und die Ergebnisse der veranlaßten innerbetrieblichen Untersuchungen”. Für die Annahme, der Angeklagte habe die Geschäftsführer über den „Aussagewert” der betriebsinternen Untersuchungsergebnisse getäuscht oder auch nur im unklaren gelassen, ist auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen kein Raum. Ohne Bedeutung ist in diesem Zusammenhang auch der Hinweis, der Angeklagte habe „weiter” gewußt, daß mögliche externe Untersuchungen an der schon jetzt gegebenen Gefährlichkeit der im Handel befindlichen und bis zum Abschluß der Untersuchungen noch in den Verkehr gebrachten Produkte nichts ändern würden; um dies zu erkennen, bedurften die Geschäftsführer keines sachverständigen Rates.

2. Rechtfertigt sich hiernach der Vorwurf der Beihilfe nicht unter dem Gesichtspunkt unzureichender Unterrichtung und Beratung der Geschäftsführer, so ist er auch nicht etwa deshalb begründet, weil der Angeklagte es unterließ, den Rückruf in Vorschlag zu bringen, sondern sich darauf beschränkte, weitere Untersuchungen durch eine externe Institution und die Anbringung sowie gegebenenfalls Verbesserung der Warnhinweise zu empfehlen.

Diese Unterlassung stellt schon tatbestandsmäßig keine Beihilfe dar. Eine Rechtspflicht des Angeklagten, der Geschäftsleitung den Rückruf der Lederspray-Produkte anzuempfehlen, bestand nicht. Anders als die Geschäftsführer, die Produktion und Vertrieb der Erzeugnisse zu verantworten hatten, war der Angeklagte nicht durch vorangegangenes Gefährdungsverhalten in eine Garantenstellung gerückt, die ihn zur Schadensabwendung verpflichtete. Er war zwar Leiter des Zentrallabors der Firmengruppe und nahm damit eine herausgehobene Position in ihr ein („Chefchemiker”). Doch gehörte er nicht der Geschäftsleitung an, sondern unterstand als Angestellter der Geschäftsführung, insbesondere dem Angeklagten S. als dem für den Sachbereich I (Chemie) zuständigen Geschäftsführer. Damit war sein Verantwortungsbereich, auch was die strafrechtliche Haftung betrifft, auf die ihm übertragenen Aufgaben und die von ihm wahrzunehmenden Funktionen beschränkt. Als Leiter des Zentrallabors trug er die Verantwortung für die Vermeidung von Produktfehlern im Herstellungsbereich; eine innerhalb dieses Bereichs liegende Pflichtwidrigkeit (wie etwa die Zulassung des Verwendens giftiger Zusatzstoffe, verfahrenstechnische Fehler oder Mängel in der Kontrolle der Fertigungsprozesse) fällt ihm jedoch nicht zur Last. Desweiteren war er verantwortlich dafür, daß die Geschäftsleitung, soweit sie ihn dafür in Anspruch nahm, aus seinem Fachbereich zutreffende und vollständige Informationen erhielt. Wie bereits dargelegt, rechtfertigen die Feststellungen nicht den Schluß, daß er dieser Verantwortung nicht gerecht geworden wäre. Bei der Geschäftsführerbesprechung vom 12. Mai 1981 referierte er „zunächst über den gegenwärtigen Sachstand und verwies insbesondere darauf, daß nach den bisherigen Untersuchungen kein Anhalt für toxische Eigenschaften und damit eine Gefährlichkeit der Sprays gegeben sei”. Daß er den Sachstand unzutreffend oder unvollständig referiert hätte, ist nicht ersichtlich. Auch sein Hinweis darauf, daß die bisherigen Untersuchungen keinen Anhalt für toxische Eigenschaften der Sprays ergeben hätten, traf zu.

Der Angeklagte hatte aber keine darüberhinausgehende Verantwortung. Insbesondere war er nicht für die Entscheidung verantwortlich, die von der Geschäftsleitung aufgrund seines Berichts getroffen wurde. Im Bereich der zivilrechtlichen Produkthaftung ist anerkannt, daß ein Laboratoriumsleiter im allgemeinen nicht die Aufgabe hat, für die Erfüllung der dem Produzenten selbst obliegenden Instruktionspflichten (etwa zum Aufdruck von Warnhinweisen auf Verpackungen) zu sorgen (BGH NJW 1987, 372 – Spraydosen). Für die Pflicht zur Anordnung eines Rückrufs oder eines Vertriebsstopps kann nichts anderes gelten. Insoweit reicht auch die strafrechtliche Verantwortlichkeit eines Laboratoriumsleiters nicht weiter als die zivilrechtliche.

3. Der Beihilfe könnte der Angeklagte allerdings schuldig sein, wenn er nicht nur den Vorschlag des Rückrufs unterlassen, sondern von einer Rückrufentscheidung abgeraten hätte.

Den Feststellungen ist das jedoch nicht zu entnehmen. Zwar heißt es dort, der Angeklagte habe insbesondere darauf verwiesen, daß nach den bisherigen Untersuchungen kein Anhalt für toxische Eigenschaften und damit eine Gefährlichkeit der Sprays gegeben sei und „deshalb keine Veranlassung für einen Rückruf der Produkte bestehe”. Doch spricht der Zusammenhang, in den diese Wendung gestellt ist, für eine Deutung, wonach der Angeklagte nicht etwa von einem Rückruf abriet, sondern lediglich äußerte, daß die innerhalb seines Aufgabenbereichs gewonnenen Erkenntnisse keinen Produktfehler ergeben hätten, der einen Rückruf notwendig mache. Dieses Verständnis wird auch dadurch nahegelegt, daß sich der Angeklagte nur so im Rahmen seines Aufgabenbereichs hielt: was anzuordnen war und was nicht, nachdem sich die Schadensfälle gehäuft hatten, ohne daß eine chemisch-toxikologische Ursache dafür benannt werden konnte, fiel nicht in seinen Verantwortungsbereich, sondern in den der Geschäftsleitung. Bei dieser Auslegung erklärt sich auch, weshalb die Strafkammer dem Angeklagten nur eine unzureichende Unterrichtung und Beratung der Geschäftsführung vorwirft, die Verurteilung aber nicht darauf stützt, er habe gegen den Rückruf votiert.

Selbst wenn aber der Angeklagte – ohne die Einschränkung: „aus der Sicht des Chemiebereichs” – die Äußerung getan haben sollte, es bestehe kein Anlaß zum Rückruf der Produkte, so würde seine Verurteilung wegen Beihilfe am Mangel des Vorsatzes scheitern. Den Gehilfenvorsatz hat nur, wer sich bewußt ist, mit seinem Verhalten die Haupttat zu fördern (BGHSt 3, 65f; BGHR StGB § 27 Abs. 1 Vorsatz 2). Daß dieses Bewußtsein dem Angeklagten gefehlt hat, liegt nahe und ist jedenfalls weder ausgeschlossen noch auszuschließen. Denn es spricht wenig dafür, daß er geglaubt haben könnte, mit der beschriebenen Äußerung die Entscheidung der Geschäftsleitung beeinflussen zu können. Zum einen mußte er aus dem bisherigen Verhalten der Geschäftsführer, insbesonderer ihrer Reaktion auf die bisher schon gemeldeten Schadensfälle, die Einsicht gewonnen haben, daß sie ohnehin keinen Rückruf zu beschließen gewillt waren, solange sich die Entwicklung nicht entscheidend verschärfte, sei es nun durch behördliche Interventionen, sei es durch Auffindung eines chemisch-toxikologisch eindeutig benennbaren Produktfehlers. Zum anderen konnte, was dem Angeklagten im Zweifel auch selber bewußt war, seiner Meinungsäußerung zum Rückruf nicht das Gewicht eines fachmännisch- sachverständigen Rats zukommen, da er gegenüber der Geschäftsleitung insoweit – „man tappte” allseits „im Dunkeln” – keinen Informationsvorsprung besaß.

Angesichts dieser Sach- und Rechtslage ist auszuschließen, daß eine neue tatrichterliche Verhandlung noch zu Feststellungen führen könnte, die eine Verurteilung des Angeklagten rechtfertigen. Der Senat beschränkt sich daher nicht darauf, das Urteil soweit es sich gegen ihn richtet, aufzuheben, sondern spricht ihn selbst frei (§ 354 Abs. 1 StPO). Die Aufhebung erfaßt außer der zu seinen Lasten getroffenen Kosten- und Auslagenentscheidung auch seine Verurteilung zur Zahlung von Schmerzensgeldbeträgen nebst Zinsen. Aufrechterhalten bleibt dagegen die zu seinen Gunsten getroffene Auslagenentscheidung im Verfahren über den Entschädigungsantrag der Nebenklägerin K..

Der Freispruch des Angeklagten bedingt, daß die Kosten des gegen ihn gerichteten Verfahrens und seine notwendigen Auslagen der Staatskasse zur Last fallen (§ 467 Abs. 1 StPO). Etwas anderes gilt nur für – etwaige – notwendige Auslagen, die ihm durch die Entschädigungsanträge der Nebenklägerinnen Q. und J. entstanden sind; diese Auslagen sind von den genannten Nebenklägerinnen zu tragen (§ 472 a Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit § 405 Satz 1 StPO).

 

Fundstellen

Haufe-Index 646026

BGHSt, 106

BB 1990, 1856

NJW 1990, 2560

ZIP 1990, 1413

JZ 1992, 253

JuS 1991, 253

GmbHR 1990, 500

StV 1990, 446

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