Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerhinterziehung

 

Leitsatz (amtlich)

Einnahmen aus gewerbsmäßiger Unzucht sind auch dann keine Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit im Sinne von § 19 Abs. 1 EStG, wenn sie im Rahmen tatsächlicher persönlicher Abhängigkeit von oder Weisungsgebundenheit gegenüber einem Dritten erzielt werden. Eine Bordellwirtin ist deshalb nicht verpflichtet, von den Einnahmen der Prostituierten Lohnsteuerbeträge einzubehalten und abzuführen.

 

Normenkette

AO 1977 § 370; EStG § 19 Abs. 1; LStDV § 1

 

Verfahrensgang

LG Aachen (Urteil vom 17.01.1980)

 

Tenor

I. Auf die Revision der Angeklagten Marlene P. gegen das Urteil des Landgerichts in Aachen vom 17. Januar 1980 wird

  1. die Verurteilung wegen Lohnsteuerhinterziehung aufgehoben und die Angeklagte von diesem Vorwurf freigesprochen. Insoweit fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Angeklagten der Staatskasse zur Last;
  2. das Urteil mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,

    1. soweit die Angeklagte wegen Hinterziehung von Umsatzsteuer verurteilt worden ist,
    2. im gesamten Strafausspruch gegen sie.
  3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die weiteren Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer (Wirtschaftsstrafkammer) des Landgerichts zurückverwiesen.
  4. Die weitergehende Revision der Angeklagten wird verworfen.

II. Die Revision des Angeklagten L. wird auf seine Kosten als unbegründet verworfen.

 

Gründe

I. Das Landgericht hat die Angeklagte Marlene P. wegen Förderung der Prostitution sowie wegen Steuerhinterziehung in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt.

Die Revision der Angeklagten rügt die Verletzung materiellen Rechts. Sie hat teilweise Erfolg.

1. a) Lohnsteuerhinterziehung

Das Landgericht meint, die Angeklagte habe als Arbeitgeberin der bei ihr beschäftigten Bardamen Lohnsteueranmeldungen abgeben und Lohnsteuer von den Einnahmen dieser Bardamen einbehalten und abführen müssen. Da sie das unterlassen habe, habe sie Lohnsteuereinnahmen in Höhe von mindestens 250.000,– DM verkürzt (UA S. 20/21). Diese Entscheidung beruht auf einer rechtsfehlerhaften Anwendung des Arbeitnehmerbegriffs im Sinne des Einkommen- (Lohn-) Steuerrechts.

Bei den Bardamen handelte es sich nach den Feststellungen des Landgerichts in Wahrheit um Prostituierte, die in dem bordellähnlichen Betrieb der Angeklagten der Gewerbsunzucht nachgingen. Die Einkünfte dieser Prostituierten waren sonstige Einkünfte im Sinne des § 22 Nr. 3 EStG, und die Angeklagte war nicht verpflichtet, davon Lohnsteuer einzubehalten und abzuführen. Das Landgericht stellt bei der Untersuchung, ob die Bardamen, die in dem bordellähnlichen Betrieb der Angeklagten wohnten und dort mit Besuchern dieses Hauses gegen Entgelt den Geschlechtsverkehr ausübten, als Arbeitnehmer anzusehen seien, lediglich darauf ab, ob nach dem Gesamtbild des zwischen den Beteiligten bestehenden Verhältnisses und der Verkehrsanschauung eine selbständige oder abhängige Tätigkeit ausgeübt wurde. Diese Begründung mag im allgemeinen geeignet sein, Einkünfte aus nicht selbständiger Arbeit gegenüber solchen aus selbständiger Arbeit oder freiberuflicher Tätigkeit abzugrenzen, wird aber den Besonderheiten des vorliegenden Falles nicht gerecht.

Einnahmen aus gewerbsmäßiger Unzucht sind weder Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit oder sonstiger selbständiger Tätigkeit (BFH, Urteil vom 28. November 1969 BStBl II 1970, S. 185), noch solche aus nicht selbständiger Arbeit im Sinne von § 19 Abs. 1 EStG. Sie sind auch dann sonstige Einkünfte im Sinne von § 22 Ziffer 3 EStG, wenn sie im Rahmen eines Dienstvertrages oder tatsächlicher persönlicher Abhängigkeit und Weisungsgebundenheit gegenüber einem Dritten erzielt werden.

Daß eine Prostituierte insoweit keine Arbeitnehmerin sein kann, ergibt sich bereits aus § 1 LStDV, der eine mit der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs übereinstimmende Begriffsbestimmung des Arbeitnehmers (vgl. BFH, Urteil vom 18. Januar 1974, BStBl II S. 301/302) enthält.

Entscheidendes Merkmal für die Arbeitnehmereigenschaft ist danach das Vorliegen eines Dienstverhältnisses. Ein Dienstvertrag, nach dem die von einem Arbeitnehmer geschuldete Leistung in der Hauptsache in der Ausübung des Geschlechtsverkehrs gegen Entgelt bestünde, wäre gemäß § 138 Abs. 1 BGB nichtig und könnte deshalb kein Dienstverhältnis begründen. Dieses käme in einem solchen Fall auch nicht unter dem Gesichtspunkt des faktischen Arbeitsverhältnisses zustande, da eine derartige Beschäftigung bereits nach ihrem Inhalt und Zweck selbst unsittlich wäre (vgl. BAG NJW 1976, 1958). Eine andere, speziell steuerrechtliche Beurteilung ergibt sich auch nicht aus § 40 AO.

Aus allem folgt, daß die Angeklagte nicht Arbeitgeberin der Bardamen und diese nicht Arbeitnehmerinnen der Angeklagten waren. Die Angeklagte war mithin nicht verpflichtet, von den Einkünften der Bardamen Lohnsteuer einzubehalten und abzuführen. Sie ist deshalb vom Vorwurf der Lohnsteuerhinterziehung aus Rechtsgründen freizusprechen.

b) Umsatzsteuerhinterziehung

Es bestehen keine Bedenken, den der Angeklagten verbliebenen Anteil am Entgelt für den Geschlechtsverkehr der Bardamen als zu versteuernden Umsatz der Angeklagten anzusehen.

Bei den Anteilen von mindestens 70,– DM, die den Bardamen verblieben, handelte es sich dagegen nicht um Umsätze der Angeklagten, sondern um Einkünfte der Bardamen. Das Landgericht hat indes zu Unrecht auch diese Beträge der Angeklagten als zu versteuernden Umsatz zugerechnet und ihr damit in größerem Umfang als es berechtigt gewesen wäre Hinterziehung von Umsatzsteuer angelastet. Aus diesem Grunde ist auch die Verurteilung wegen Umsatzsteuerhinterziehung aufzuheben.

c) Einkommensteuerhinterziehung, Forderung der Prostitution

Soweit die Revision sich gegen diese Teile des Schuldspruchs richtet, ist sie offensichtlich unbegründet. Es sind keine Anhaltspunkte dafür vorhanden, daß das Landgericht bei der Errechnung des für die Einkommensteuer maßgeblichen Gewinns die den Bardamen verbliebenen Anteile von jeweils 70,– DM der Angeklagten zugerechnet hätte.

2. Der Strafausspruch ist in vollem Umfang aufzuheben, da nicht auszuschließen ist, daß die Höhe der wegen Einkommensteuerhinterziehung und Förderung der Prostitution ausgesprochenen Einzelstrafen von den beanstandeten Teilen des Urteils beeinflußt wurde.

II. Die Revision des Angeklagten L. ist unbegründet. Die Nachprüfung des Urteils hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).

 

Unterschriften

Schumacher, Mösl, Müller, Theune, Niemöller

 

Fundstellen

Haufe-Index 1502321

NJW 1980, 2591

NStZ 1981, 308

Nachschlagewerk BGH, nur I 1 a

JZ 1980, 817

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