Entscheidungsstichwort (Thema)

Studienkurs in England

 

Leitsatz (NV)

Aufwendungen eines Lehrers für einen Studienkurs in England sind nicht als Werbungskosten abziehbar, wenn dabei private Unternehmungen eine nicht nur unbedeutende Rolle spielen.

 

Normenkette

EStG §§ 9, 12

 

Verfahrensgang

Niedersächsisches FG

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist Englischlehrerin. Im Streitjahr 1989 nahm sie im November an einem Studienkurs in Großbritannien teil. Veranstalter war der pädagogische Austauschdienst des Sekretariats der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland. Die Teilnehmer waren in englischen Gastfamilien untergebracht. Die Klägerin war für die Dauer des Kurses vom Dienst freigestellt. Der Dienstherr erstattete keine Kosten. Im Rahmen des Studienkurses nahm die Klägerin ausweislich des Programms u. a. an Schulbesichtigungen teil, hörte Vorträge über das englische Erziehungssystem und besuchte Oxford und Stratford-upon-Avon.

In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machte die Klägerin die Auf wendungen für die Teilnahme an dem Studienkurs als Werbungskosten bei ihren Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) lehnte den Werbungskostenabzug mit der Begründung ab, die Teilnahme an dem Studienkurs sei in nicht unerheblichem Umfang privat veranlaßt.

Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit der Begründung statt, die private Mitveranlassung der Teilnahme an dem Studienkurs sei so gering gewesen, daß sie zu vernachlässigen sei (Entscheidungen der Finanzgerichte 1997, 11).

Dagegen wendet sich das FA mit der Revision. Es rügt die Verletzung des § 12 Nr. 1 i. V. m. § 9 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Das FG sei zu Unrecht davon ausgegangen, daß die privat veranlaßten Teile der Englandreise unerheblich gewesen seien. Die Klägerin habe während ihres Englandaufenthalts ein freies Wochenende gehabt, eine Tagestour nach Oxford und eine Besichtigung von Stratford-upon-Avon mit seinen auf Shakespeare zurückgehenden Sehenswürdigkeiten unternommen. Außerdem habe ihr der Tag vor dem Rückflug und der Vormittag des Abflugtages zur freien Verfügung gestanden. Sie habe ferner an zwei privaten Abendveranstaltungen teilgenommen.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Das FG hat rechtsfehlerhaft entschieden, daß die Teilnahme an dem umstrittenen Studienkurs nahezu ausschließlich beruflich veranlaßt ist.

Für die Entscheidung, ob Kosten eines im Ausland durchgeführten Lehrgangs, insbesondere von Fremdsprachenkursen und sonstigen Studienkursen, als Werbungskosten abziehbar sind, kommt es nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) darauf an, ob die Aufwendungen objektiv durch besondere berufliche Gegebenheiten veranlaßt sind und ob nach dem Anlaß der Reise, dem vorgelegten Programm und der tatsächlichen Durchführung die Befriedigung privater Interessen (§ 12 Nr. 1 Satz 2 EStG) nahezu ausgeschlossen ist (vgl. zuletzt die BFH-Urteile vom 21. August 1995 VI R 47/95, BFHE 179, 37, BStBl II 1996, 10, und vom 30. Juni 1995 VI R 22/91, BFH/NV 1996, 30, m. w. N.). Ergibt die Gesamtbeurteilung, daß auch private Reiseinteressen vorgelegen haben, ist regelmäßig die betriebliche (berufliche) Veranlassung der gesamten Auslandsreise zu verneinen. Lediglich ein unbedeutendes und nicht ins Gewicht fallendes Mithineinspielen der Lebensführung kann unbeachtet bleiben. Reisen, denen offensichtlich ein unmittelbarer betrieblicher (beruflicher) Anlaß zugrunde liegt (wie etwa das Aufsuchen eines Geschäftsfreundes, das Halten eines Vortrags auf einem Fachkongreß oder die Durchführung eines Forschungsauftrags), sind in aller Regel ausschließlich der betrieblichen (beruflichen) Sphäre zuzurechnen. Fehlt ein unmittelbarer beruflicher Anlaß, müssen die Beurteilungsmerkmale, die jeweils für eine private oder betriebliche (berufliche) Veranlassung sprechen, gegeneinander abgewogen werden. Die Aufwendungen sind im zweiten Fall schon dann nicht abziehbar, wenn bei der Reise zu Informationszwecken oder dem Lehrgang das Hereinspielen der Lebensführung ins Gewicht fällt und nicht von ganz untergeordneter Bedeutung ist (BFH- Urteile vom 16. Oktober 1986 IV R 138/93, BFHE 148, 262, BStBl II 1987, 208; in BFHE 179, 37, BStBl II 1996, 10; vom 14. Juli 1988 IV R 57/87, BFHE 154, 312, BStBl II 1989, 19, und in BFH/NV 1996, 30). Dabei kann bei der Beurteilung eines Auslandssprachkurses oder ähnlicher Lehrgänge auch der Umfang unterrichtsfreier Zeit einschließlich der Wochenenden und ferner von Bedeutung sein, ob die Möglichkeit besteht, allgemein interessierende Einrichtungen zu besichtigen und Besonderheiten des Landes kennenzulernen (BFH- Urteil vom 15. Juli 1994 VI R 69/93, BFH/NV 1995, 26).

Bei Anwendung dieser Rechtsgrundsätze kann die Vorentscheidung keinen Bestand haben. Die privat veranlaßten Teile der Reise, der ein unmittelbarer beruflicher Anlaß im Sinne der höchstrichterlichen Rechtsprechung fehlt, waren im Streitfall nicht von untergeordneter Bedeutung. Von zwölf Tagen, die der Lehrgang ohne An- und Abreise dauerte, waren nur sechs Tage ausschließlich mit Veranstaltungen ausgefüllt, die der beruflichen Sphäre zurechenbar sind. Danach stand der Klägerin ein erheblicher Teil der Gesamtzeit zu privaten Unternehmungen zur Verfügung. Es kommt hinzu, worauf das FA in seiner Revision mit Recht hinweist, daß im Rahmen des Kurses Oxford und Stratford-upon-Avon besichtigt wurden, deren Sehenswürdigkeiten von vielen Touristen besucht werden. Unerheblich für die steuerrechtliche Beurteilung ist entgegen der Ansicht des FG, daß es wünschenswert ist, Englischlehrer für die historischen Gegebenheiten und die Landeskunde Englands zu interessieren (BFH-Urteil in BFHE 179, 37, BStBl II 1996, 10).

 

Fundstellen

Haufe-Index 422069

BFH/NV 1997, 647

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