Leitsatz (amtlich)

1. Darlehenszinsen, die auf Vereinbarungen zwischen Vater und Kindern beruhen, sind bei den gewerblichen Einkünften des Vaters jedenfalls dann in voller Höhe nicht als Betriebsausgaben abzugsfähig, wenn sie zu einem erheblichen Teil mit Unterhaltszahlungen des Vaters verrechnet wurden.

2. Hat ein Rechtsbehelfsführer im Verfahren vor dem FG ausdrücklich erklärt, er wolle einen in der Einspruchsentscheidung des FA behandelten Punkt nicht mehr bestreiten, und trifft das FG daher insoweit keine tatsächlichen Feststellungen, so ist es als (unzulässiges) neues tatsächliches Vorbringen zu würdigen, wenn der Rechtsbehelfsführer diesen Punkt im Revisionsverfahren erneut aufgreift.

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 4, § 12 Nr. 2; FGO § 118 Abs. 2

 

Tatbestand

Die Kläger waren Eheleute, die zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Der Ehemann (Kläger) hatte einen Gewerbebetrieb unterhalten. Aufgrund von Darlehensverträgen zwischen ihm, seiner im Jahr 1957 geborenen Tochter und seinem im Jahr 1948 geborenen Sohn begehrte der Kläger, Darlehenszinsen als Betriebsausgaben zum Abzug zuzulassen. Dabei handelt es sich in den Jahren 1967 bis 1971 bei der Tochter um Darlehenszinsen von 3 202 DM (1967), 5 316 DM (1968), 5 458 DM (1969), 5 494 DM (1970) und 5 391 DM (1971). Für Unterhalt der Tochter wurden schon in der Buchführung mit den Darlehenszinsen Beträge verrechnet, und zwar 3 000 DM (1967), 3 000 DM (1968), 4 516 DM (1969), 5 455 DM (1970) und 5 890 DM (1971). Für den Sohn wurden als Darlehenszinsen folgende Beträge ausgewiesen: 5 779 DM (1967), 9 986 DM (1968), 10 118 DM (1969), 10 079 DM (1970) und 9 934 DM (1971). Die für Unterhalt des Sohnes gebuchten Beträge beliefen sich auf 4 600 DM (1967), 5 623 DM (1968), 5 500 DM (1969), 8 253 DM (1970) und 9 140 DM (1971). Das Finanzgericht (FG) hatte die Darlehenszinsen insgesamt nicht zum Abzug zugelassen. - Im Einspruchsverfahren waren aufgrund einer Betriebsprüfung mehrere Punkte streitig, darunter - neben der Frage einer Anerkennung der Darlehenszinsen als Betriebsausgaben - auch eine Teilwertabschreibung. Im Verfahren vor dem FG haben die Kläger erklärt, daß nur noch um die Anerkennung der Darlehenszinsen als Betriebsausgaben gestritten werde; alle anderen Streitpunkte seien außergerichtlich bereinigt worden oder würden fallengelassen. Das FG hatte daraufhin seine Entscheidung auf die Frage der Abzugsfähigkeit der Darlehenszinsen beschränkt. Im Revisionsverfahren haben die Kläger - in Erweiterung ihres beim FG gestellten Klageantrags - die Frage der Teilwertabschreibung erneut aufgegriffen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision hatte keinen Erfolg. Der erkennende Senat führte aus:

1. Die Erweiterung des Revisionsantrags (Teilwertabschreibung 1971) ist nicht zulässig.

In der Erweiterung des Antrags liegt zwar keine Klageänderung, die schon nach § 123 der Finanzgerichtsordnung (FGO) im Revisionsverfahren unzulässig wäre (§ 155 FGO i. V. m. § 264 Nr. 2 der Zivilprozeßordnung - ZPO -). Erweiterungen des beim FG gestellten Antrags sind jedoch im Revisionsverfahren deshalb unzulässig, weil hinsichtlich des den Antrag erweiternden Teils keine Entscheidung durch das Gericht erster Instanz vorliegt, die von der Revisionsinstanz auf ihre Rechtmäßigkeit geprüft werden könnte (BFH-Urteil vom 4. April 1974 IV R 7/71, BFHE 112, 331, BStBl II 1974, 522; Gräber, Finanzgerichtsordnung, § 123 Rdnr. 2).

2. Das FG ist zu Recht davon ausgegangen, daß im Streitfall keine durch den Betrieb der Kläger veranlaßten Darlehenszinsen vorliegen, die als Betriebsausgaben abgezogen werden könnten (§ 4 Abs. 4 EStG).

An Vereinbarungen zwischen Eltern und Kindern dürfen besondere Anforderungen gestellt werden (Urteil des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 24. Januar 1962 1 BvL 32/57, BVerfGE 13, 290, 316, BStBl I 1962, 492, 499). Allgemeines Erfordernis für die steuerrechtliche Berücksichtigung ist die Ernsthaftigkeit der Vereinbarungen. Für die Ernsthaftigkeit ist es mindestens ein Indiz, daß die Vereinbarungen in einer Form abgeschlossen wurden, die Zweifel an ihrer zivilrechtlichen Rechtswirksamkeit nicht aufkommen läßt (vgl. zu diesem Grundsatz BFH-Urteil vom 19. September 1974 IV R 95/73, BFHE 113, 558, BStBl II 1975, 141). Darüber hinaus müssen Zahlungen der Eltern an die Kinder - sollen sie der Besteuerung zugrunde gelegt werden- nach ihrem Inhalt und ihrer Durchführung den zwischen Fremden üblichen Verträgen entsprechen. Das gilt auch für Darlehensverträge zwischen Eltern und Kindern (BFH-Urteile vom 16. März 1977 I R 213/74, BFHE 121, 458, BStBl II 1977, 414; vom 25. Januar 1979 IV R 34/76, BFHE 127, 364, BStBl II 1979, 434). Betrieblich veranlaßte und daher abzugsfähige Aufwendungen (§ 4 Abs. 4 EStG) sind von den (einkommensteuerrechtlich unbeachtlichen) Einkommensverwendungen, insbesondere den nach § 12 Nr. 2 EStG nicht abzugsfähigen Unterhaltsleistungen, nicht nach ihrer äußeren bürgerlichrechtlichen Form abzugrenzen, sondern nach ihrem für die Einordnung unter die steuerrechtlichen Rechtsnormen wesentlichen Kern.

a) Der Senat läßt offen, ob die strittigen Vereinbarungen bürgerlich-rechtlich wirksam waren. Im Streitfall kommt es auch nicht darauf an, wie die Darlehensvereinbarungen für sich gesehen hinsichtlich der den Kindern formal eingeräumten Rechte (Höhe der Darlehenszinsen, Kündigung und Sicherung) ausgestaltet waren, sondern wie sie tatsächlich durchgeführt wurden. Nach den für den Senat nach § 118 Abs. 2 FGO bindenden Feststellungen des FG ist dies in der Weise geschehen, daß die Zinsen in erheblichem Umfang mit Unterhaltsleistungen verrechnet wurden. Dabei kommt es nicht darauf an, ob eine solche Verrechnung bürgerlich-rechtlich zulässig ist (vgl. § 1649 BGB), sondern auf den wirtschaftlichen Erfolg, der mit der Verrechnung eingetreten ist. Die Zinsen dienten im Ergebnis großenteils dazu, Unterhaltsverpflichtungen zu finanzieren, die der Kläger gegenüber den Kindern erbracht hat. Die "Darlehenszinsen" sind daher ihrem wirtschaftlichen Ergebnis nach Unterhaltszahlungen, die nach § 12 Nr. 2 EStG einkommensteuerrechtlich nicht abzugsfähig sind. Was die Verrechnung von Unterhalt und "Darlehenszinsen" bei dem Sohn anbelangt, so kommt noch ein besonderer Umstand hinzu. Der Sohn ist im Jahre 1969 mit der Vollendung seines 21. Lebensjahres volljährig geworden (§ 2 BGB in der Fassung bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Neuregelung des Volljährigkeitsalters vom 31. Juli 1974, BGBl I, 1713). Ein minderjähriges (unverheiratetes) Kind kann von seinen Eltern, auch wenn es Vermögen hat, die Gewährung des Unterhalts insoweit verlangen, als die Einkünfte seines Vermögens zum Unterhalt nicht ausreichen (§ 1602 Abs. 2 BGB); die Einkünfte des Kindesvermögens, die zur ordnungsmäßigen Verwaltung des Vermögens nicht benötigt werden, sind für den Unterhalt des Kindes zu verwenden (§ 1649 Abs. 1 Satz 1 BGB). Demgegenüber ist ein volljähriges Kind nur dann unterhaltsberechtigt, wenn es außerstande ist, sich selbst zu unterhalten (§ 1602 Abs. 1 BGB). Eine Verrechnung von Unterhalt mit eigenen Einkünften des Kindes ist daher bei volljährigen Kindern schon bürgerlich-rechtlich ausgeschlossen.

b) Der erkennende Senat stimmt dem FG auch darin zu, daß die nur teilweise Verrechnung der Darlehenszinsen mit den Unterhaltsleistungen dazu führen muß, den Darlehenszinsen insgesamt den Charakter abzugsfähiger Betriebsausgaben abzusprechen, also auch insoweit, als den Kindern Beträge zugeflossen sind. Das gilt jedenfalls dann, wenn - wie im Streitfall - die angesetzten Darlehenszinsen zu einem ganz erheblichen Teil von den Unterhaltsleistungen aufgezehrt werden. Denn das Vorgehen der Vertragsparteien zeigt in einem solchen Fall, daß den Kindern kein Anspruch auf Auszahlung der Darlehenszinsen zusteht, sondern daß es von der Disposition der Eltern abhängt, die Darlehenszinsen um den Betrag von Unterhaltsleistungen zu kürzen. Das Volumen der Darlehenszinsen kann daher nicht in einen abzugsfähigen und in einen nichtabzugsfähigen Teil aufgespalten werden.

c) Das FA war auch nicht durch den Grundsatz von Treu und Glauben gehindert, diese Rechtsauffassung im Anschluß an eine Betriebsprüfung der Besteuerung zugrunde zu legen.

Nach den Feststellungen des FG hat das FA die Erteilung einer bindenden Zusage ausdrücklich abgelehnt und auf die Entscheidung im Veranlagungsverfahren verwiesen. Nach dem Grundsatz der Abschnittsbesteuerung konnte die Entscheidung im Einkommensteuerbescheid 1965 nur für dieses Jahr gelten. Sie hat daher das FA bei der Entscheidung über spätere Veranlagungszeiträume nicht gebunden. Das FA war deshalb bei einer durch eine Betriebsprüfung zulässig gewordenen Wiederaufrollung der Veranlagungen 1967 bis 1970 nicht gehindert, von einer ursprünglichen, inzwischen für falsch erkannten Rechtsauffassung abzurücken und den Berichtigungsbescheiden die rechtlich geläuterte Auffassung zugrunde zu legen. Im Regelfall ist das FA, da es die gesetzliche Steuer festzusetzen hat, zu diesem Vorgehen sogar verpflichtet.

3. Obwohl der von den Klägern erst im Revisionsverfahren gestellte Erweiterungsantrag (Teilwertabschreibung auf die Anschaffung von Grundstücken im Jahre 1971) als solcher unzulässig ist (s. unter 1.), hat der erkennende Senat erwogen, ob dem Vortrag der Kläger nicht unter einem anderen rechtlichen Gesichtspunkt Bedeutung zukommen kann. Das FG hat im Rahmen des durch die begehrte Minderung der Steuerschuld begrenzten Klagebegehrens alle Besteuerungsgrundlagen daraufhin zu prüfen, ob sie geeignet sind, der Klage ganz oder zum Teil zum Erfolg zu verhelfen (vgl. BFH-Beschluß vom 17. Juli 1967 GrS 1/66, BFHE 91, 393, BStBl II 1968, 344). Dem Kläger steht kein Dispositionsrecht darüber zu, welche Besteuerungsmerkmale er vom FG geprüft wissen will. Indessen ist das FG nicht verpflichtet, im Rahmen seiner Sachaufklärungspflicht (§ 76 FGO) jedem denkbaren Gesichtspunkt nachzugehen, wenn Parteivortrag und Akteninhalt oder sonstige Umstände keinen Anlaß dazu geben (vgl. BFH-Urteil vom 16. Dezember 1970 I R 137/68, BFHE 101, 73, BStBl II 1971, 200). Dies gilt um so mehr, wenn - wie hier - die Kläger ausdrücklich erklärt haben, einen Punkt, der Gegenstand des Einspruchsverfahrens gewesen ist, im Verfahren vor dem FG nicht mehr aufgreifen zu wollen. Hat das FG im Hinblick auf diesen Vortrag der Kläger zu einem Punkt keine tatsächlichen Feststellungen getroffen, so ist es als neues tatsächliches Vorbringen der Kläger zu würdigen, wenn sie im Revisionsverfahren den Sachverhalt wieder aufgreifen, den sie im Klageverfahren selbst als zutreffend anerkannt haben. Dieses neue tatsächliche Vorbringen ist im Revisionsverfahren gemäß § 118 Abs. 2 FGO nicht zulässig.

 

Fundstellen

Haufe-Index 73531

BStBl II 1980, 449

BFHE 1980, 265

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Personal Office Platin. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge