Leitsatz (amtlich)

Ein Wirtschaftsprüfer, der als Testamentsvollstrecker für die mehrere Jahre andauernde Auseinandersetzung eines Nachlasses eine einmalige Vergütung erhält, kann für diese Vergütung die Tarifbegünstigung des § 34 Abs. 3 EStG nicht beanspruchen, weil die Tätigkeit als Testamentsvollstrecker für ihn keine Sondertätigkeit darstellt.

 

Normenkette

EStG 1965 § 34 Abs. 3

 

Tatbestand

Streitig ist bei der Einkommensteuerveranlagung 1966, ob ein Wirtschaftsprüfer, der als Testamentsvollstrecker neben jährlichen laufenden Vergütungen für die Verwaltung des Nachlasses eine einmalige Vergütung für eine mehrjährige Auseinandersetzung des Nachlasses erhielt, für diese Vergütung die Tarifbegünstigung des § 34 Abs. 3 EStG beanspruchen kann.

Der Kläger war im Streitjahr ebenso wie in den vorangegangenen Jahren als Wirtschaftsprüfer (früher vereidigter Bücherrevisor) tätig. Er ermittelte seinen Gewinn durch Vermögensvergleich nach § 4 Abs. 1 EStG.

Seit 1956 war der Kläger als Mittestamentsvollstrecker des Nachlasses ... bestellt. Für die Verwaltung des Nachlasses bezog er laufende Vergütungen, die er jeweils als Einnahmen aus freier Berufstätigkeit behandelte. Für den Nachlaß war testamentarisch bestimmt, daß dieser nach dem Erlöschen eines an den Nachlaßgegenständen bestellten Nießbrauchs innerhalb eines bestimmten Zeitraums an die Erben zu verteilen sei. Der Nießbrauch erlosch im Mai 1964. Die Liquidation des Nachlasses (Grundstücke, Betriebsvermögen, sonstiges Vermögen) und die Verteilung des Liquidationserlöses an die Erben führte der Kläger zusammen mit den anderen Testamentsvollstreckern durch; sie war Ende 1966 abgeschlossen. Für diese Tätigkeit erhielt der Kläger ein einmaliges Honorar zugebilligt, das ihm 1966 zufloß.

In seiner Einkommensteuererklärung für 1966 beantragte der Kläger, ihm für außerordentliche Einkünfte (Honorar für Nachlaß-Auseinandersetzung abzüglich der damit zusammenhängenden Betriebsausgaben) die Tarifvergünstigung des § 34 Abs. 3 EStG in der Weise zu gewähren, daß nur ein Drittel des Betrags bei den Einkünften für 1966 erfaßt und die restlichen beiden Drittel auf die Jahre 1964 und 1965 verteilt würden.

Der Beklagte und Revisionskläger, das FA, lehnte das im Einkommensteuerbescheid 1966 vom 6. Juni 1968 ab, weil zu den Aufgaben eines Testamentsvollstreckers sowohl die Verwaltung als auch die Auseinandersetzung des Nachlasses gehöre und der Kläger aus seinem Amt als Testamentsvollstrecker seit Jahren laufend Einnahmen bezogen habe, also keine Entlohnung in einem Betrag für eine mehrjährige Tätigkeit vorliege.

Die Sprungklage hatte Erfolg.

Das FG vertrat die Auffassung, daß die Testamentsvollstreckertätigkeit keine üblicherweise in den Aufgabenbereich eines Wirtschaftsprüfers fallende Tätigkeit sei und daß im Rahmen der Aufgaben eines Testamentsvollstreckers zwischen der Nachlaßverwaltung und der Auseinandersetzung des Nachlasses zu unterscheiden sei. Das Honorar für die Nachlaßauseinandersetzung sei eine Entlohnung für eine mehrjährige Tätigkeit, die dem Kläger erst 1966 zugeflossen sei.

Mit der Revision beantragt das FA, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen. Das FA rügt die Verletzung formellen und materiellen Bundesrechts.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet.

1. Nach § 34 Abs. 3 EStG sind Einkünfte, die die Entlohnung für eine sich über mehrere Jahre erstreckende Tätigkeit darstellen und grundsätzlich der Einkommensteuer zu den gewöhnlichen Steuersätzen unterliegen, steuerlich in der Weise begünstigt, daß sie zum Zwecke der Einkommensteuerveranlagung auf die Jahre verteilt werden, in deren Verlauf sie erzielt wurden, wobei die Gesamtverteilung drei Jahre nicht überschreiten darf; sie werden dabei als Einkünfte eines jeden dieser Jahre angesehen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des RFH und des BFH ist § 34 Abs. 3 EStG, wie aus seiner Entstehungsgeschichte und seinem Sinn und Zweck abzuleiten ist, bei Einkünften aus Gewinnbetrieben grundsätzlich nicht anwendbar, weil es bei derartigen Einkünften nicht außergewöhnlich ist, daß in den laufenden Einkünften neben gleichmäßigen auch schwankende Einnahmen enthalten sind und deshalb der nach § 34 Abs. 3 EStG erstrebte Tarifausgleich schon durch die Art der Einnahmeerzielung erreicht wird. Eine Ausnahme gilt nur für Einkünfte aus selbständiger Arbeit,

a) wenn der Steuerpflichtige sich während mehrerer Jahre ausschließlich der einen Sache gewidmet und die Vergütung dafür in einem Veranlagungszeitraum erhalten hat oder

b) wenn eine sich über mehrere Jahre erstreckende Sonder tätigkeit, die von der übrigen Tätigkeit des Steuerpflichtigen ausreichend abgrenzbar ist und nicht zum regelmäßigen Gewinnbetrieb gehört, in einem Veranlagungszeitraum entlohnt wird (BFH-Urteile vom 10. Mai 1961 IV 170/58 U, BFHE 73, 236, BStBl III 1961, 354, und IV 275/59 U, BFHE 73, 730, BStBl III 1961, 532, jeweils mit eingehenden Nachweisen zur Rechtsprechung des RFH).

Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt.

2. Der erkennende Senat kann der Vorentscheidung nicht darin beipflichten, daß die Tätigkeit eines Wirtschaftsprüfers als Testamentsvollstrecker eine Sondertätigkeit ist, die nicht zum regelmäßigen Gewinnbetrieb gehört.

Bereits der RFH hat in einem Urteil vom 19. Februar 1936 VI A 71/36 (RStBl 1936, 651) die Auffassung vertreten, daß die Übernahme einer Testamentsvollstreckung durch einen im übrigen die gewöhnliche Gerichtspraxis ausübenden Rechtsanwalt nicht aus dem Rahmen des Anwaltsberufs herausfällt und nicht als Ausübung eines Sonderberufs angesehen werden kann. Für die Übernahme einer Testamentsvollstreckung durch einen Wirtschaftsprüfer (vereidigten Buchprüfer) kann nichts anderes gelten.

Nach § 2 Abs. 1 der Wirtschaftsprüferordnung vom 24. Juli 1961 (BGBl I 1961, 1049) haben Wirtschaftsprüfer die berufliche Aufgabe, betriebswirtschaftliche Prüfungen, insbesondere solche von Jahresabschlüssen wirtschaftlicher Unternehmen, durchzuführen und Bestätigungsvermerke über die Vornahme und das Ergebnis solcher Prüfungen zu erteilen. Daneben sind Wirtschaftsprüfer aber insbesondere auch befugt,

a) ihre Auftraggeber in steuerlichen Angelegenheiten zu beraten und zu vertreten (§ 2 Abs. 2 der Wirtschaftsprüferordnung),

b) wirtschaftsberatend tätig zu werden (§ 43 Abs. 4 Nr. 1 der Wirtschaftsprüferordnung) und

c) treuhänderische Verwaltungen zu übernehmen (§ 43 Abs. 4 Nr. 4 der Wirtschaftsprüferordnung).

Die wirtschaftsberatende und treuhänderische Tätigkeit eines Wirtschaftsprüfers wurde seit jeher als berufsüblich angesehen und macht bei vielen Wirtschaftsprüfern einen erheblichen Teil ihrer Gesamttätigkeit aus (vgl. Heßdörfer, Die Rechtsbesorgungsbefugnis der Wirtschaftsprüfer, S. 69). Demgemäß ist in der amtlichen Begründung zum Regierungsentwurf einer Wirtschaftsprüferordnung (Bundestags-Drucksache III/201 S. 55-56) ausdrücklich hervorgehoben, daß die treuhänderische Verwaltung nach der historischen Entwicklung, insbesondere bei Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, zu den Aufgaben gehört, mit denen der Beruf von der Wirtschaft betraut wird.

Die treuhänderische Tätigkeit in diesem Sinne umfaßt nicht nur die Tätigkeit als Konkurs- und Vergleichsverwalter, sondern auch die eines Testamentsvollstreckers. Es ist deshalb so gut wie allgemein anerkannt, daß ein Wirtschaftsprüfer, der als Konkursverwalter oder als Testamentsvollstrecker tätig wird, nicht aufhört, seinen Beruf als Wirtschaftsprüfer auszuüben (vgl. Wirtschaftsprüfer-Handbuch 1973 S. 1933; Heßdörfer, a. a. O., S. 101). Damit stimmt schließlich auch überein, daß z. B. die von Wirtschaftsprüfern vielfach benützte Allgemeine Gebührenordnung für die wirtschaftsprüfenden sowie wirtschafts- und steuerberatenden Berufe in § 66 besondere Gebühren für die Tätigkeit eines Berufsangehörigen (u. a. Wirtschaftsprüfer, vereidigte Buchprüfer) als Testamentsvollstrecker und Nachlaßverwalter vorsieht. Es leuchtet auch ohne weiteres ein, daß die Verwaltung und Auseinandersetzung eines möglicherweise umfangreichen Nachlasses besondere Anforderungen, insbesondere auch wirtschaftsberatender Natur, stellt, so daß ein Wirtschaftsprüfer für eine derartige Aufgabe dank seiner Vorbildung und seiner beruflichen Erfahrung nicht weniger prädestiniert ist als ein Rechtsanwalt.

Hieraus folgt, daß die Tätigkeit eines Wirtschaftsprüfers als Testamentsvollstrecker nicht als Sondertätigkeit angesehen werden kann, die nicht zum regelmäßigen Gewinnbetrieb des Wirtschaftsprüfers gehört.

Es ist deshalb unerheblich, daß die Testamentsvollstreckertätigkeit möglicherweise von der übrigen Tätigkeit eines Wirtschaftsprüfers durchaus abgrenzbar ist, denn nicht jede abgrenzbare Tätigkeit ist auch eine nicht zur regelmäßigen Berufsausübung gehörende Sondertätigkeit, wie sich schon daraus ergibt, daß die Führung verschiedener Prozesse durch einen Rechtsanwalt durchaus abgrenzbar ist.

Wenn der Kläger einwendet, er sei während 25jähriger Berufsausübung nur einmal als Testamentsvollstrekker tätig geworden, so verkennt er, daß nicht entscheidend ist, ob eine Testamentsvollstreckung für ihn persönlich etwas Außergewöhnliches darstellt, sondern ob ein Wirtschaftsprüfer, der als Testamentsvollstrecker tätig ist, ebenso wie ein Rechtsanwalt noch im Rahmen seines Berufes tätig wird. Letzteres ist, wie dargestellt, zu bejahen.

Unter den gegebenen Umständen kann offenbleiben, ob, wie die Revision meint, die Verwaltung des Nachlasses und die Auseinandersetzung unter den Miterben keine abgrenzbaren Sondertätigkeiten sind, und zwar auch dann nicht, wenn die Verwaltung des Nachlasses nicht nur der Ausführung der letztwilligen Verfügungen des Erblassers und der Auseinandersetzung unter den Miterben dient (§ 2205 in Verbindung mit §§ 2203, 2204 BGB), sondern dem Testamentsvollstrecker als zeitlich begrenzte selbständige Aufgabe übertragen ist (§ 2209 BGB). Denn die Voraussetzungen des § 34 Abs. 3 EStG sind, wie ausgeführt, schon aus anderen Gründen nicht erfüllt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

 

Fundstellen

Haufe-Index 70542

BStBl II 1973, 729

BFHE 1974, 34

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