Entscheidungsstichwort (Thema)

Brennerei als landwirtschaftlicher Nebenbetrieb - Vereinbarkeit mit EG-Recht - Begriff "Weinbau"

 

Leitsatz (amtlich)

Eine Brennerei kann nur dann als landwirtschaftlicher Nebenbetrieb anerkannt werden, wenn darin überwiegend im eigenen Hauptbetrieb erzeugte Rohstoffe verarbeitet werden.

 

Orientierungssatz

1. Diese Abgrenzung steht im Einklang mit der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Art. 25 Abs. 2 i.V.m. Anhang A V. Richtlinie 77/388/EWG).

2. Das BFH-Urteil vom 27.11.1980 IV R 31/76 ist im Streitfall nicht einschlägig. Diese Rechtsprechung betrifft ein Ladengeschäft, nicht aber einen Verarbeitungsbetrieb (Brennerei).

3. Unter Weinbau i.S. des § 24 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG 1980 ist die Gewinnung von Weintrauben durch Bodenbewirtschaftung einschließlich der Verarbeitung der Trauben zu Wein zu verstehen (vgl. BFH-Rechtsprechung).

 

Normenkette

EWGRL 388/77 Anh. A; EWGRL 388/77 Art. 25 Abs. 2; UStG 1980 § 24 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, S. 2

 

Verfahrensgang

FG Rheinland-Pfalz (Entscheidung vom 01.06.1993; Aktenzeichen 3 K 2011/89; EFG 1993, 815; LEXinform-Nr. 0103975)

 

Tatbestand

I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) betreibt seit 1966 einen Weinbaubetrieb und seit 1972 eine sog. Abfindungsbrennerei. Dabei handelt es sich um eine Kleinbrennerei i.S. des § 34 des Branntweinmonopolgesetzes (BranntwMonG), in der nur eine bestimmte Menge Weingeist im Betriebsjahr hergestellt werden darf.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) sah die Brennerei zunächst erklärungsgemäß als landwirtschaftlichen Nebenbetrieb an und veranlagte den Kläger mit seinen Umsätzen aus dem Weinbaubetrieb und aus der Brennerei nach Durchschnittsätzen gemäß § 24 des Umsatzsteuergesetzes (UStG 1980). Im Anschluß an eine Betriebsprüfung erließ das FA für die Jahre 1982 bis 1984 (Streitjahre) geänderte Umsatzsteuerbescheide, in denen es die --geschätzten-- Umsätze aus der Brennerei nach den allgemeinen Vorschriften des UStG 1980 besteuerte, weil die Brennerei nicht als Nebenbetrieb i.S. des § 24 Abs. 2 Satz 2 UStG 1980, sondern als selbständiger Gewerbebetrieb anzusehen sei. Im Rahmen der Betriebsprüfung war festgestellt worden, daß der Kläger seit dem Brennjahr 1977/78 überwiegend Obst für fremde Unternehmer (sog. Stoffbesitzer) gebrannt hatte. In den Streitjahren war von der Gesamtproduktion nur ein Anteil von 18 % (Brennjahr 1982/83), 35 % (Brennjahr 1983/84) und 32 % (Brennjahr 1984/85) auf Weingeist entfallen, den der Kläger aus eigenen Stoffen hergestellt hatte. Darin enthalten war von fremden Dritten zugekauftes Obst. Als Entgelt für das Brennen des Obstes der Stoffbesitzer hatte der Kläger neben dem Übergabegeld der Bundesmonopolverwaltung für Branntwein (BMonV) einen Teil des gebrannten Alkohols als Naturalbrennlohn erhalten.

Das Finanzgericht (FG) gab der nach erfolglosem Vorverfahren gegen die Änderungsbescheide erhobenen Klage statt. Es führte zur Begründung seines --in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1993, 815 teilweise abgedruckten-- Urteils im wesentlichen aus: Es handele sich im Streitfall um einen (an sich) land- und forstwirtschaftlichen Hauptbetrieb mit einem (an sich) gewerblichen Nebenbetrieb, der insgesamt als einheitlicher landwirtschaftlicher Betrieb zu würdigen sei. In der Brennerei würden u.a. die in dem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb erzeugten Stoffe gebrannt. Die Verwertung der eigenen Ernte in der Brennerei diene ohne Zweifel der Förderung des land- und forstwirtschaftlichen Hauptbetriebes. Die Verbindung zwischen den beiden Betrieben sei nicht zufällig. Die Betriebe seien nicht wie zwei Fremdbetriebe geführt worden, sondern wie ein gemeinsamer, denn sie seien ineinander verwoben. Es liege keine zufällige Verbindung zwischen ihnen vor, die nur vorübergehend und ohne Nachteile für das Gesamtunternehmen lösbar sei. Das ergebe sich auch daraus, daß es dem Kläger nicht möglich sei, die Betriebsausgaben zwischen dem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb und dem Nebenbetrieb zu trennen.

Der Bundesfinanzhof (BFH) gehe in seinem Urteil vom 27. November 1980 IV R 31/76 (BFHE 131, 555, BStBl II 1981, 518) zwar davon aus, daß in der Regel ein einheitlicher Betrieb anzunehmen sei, wenn mehr als 40 % der Erzeugnisse der Land- und Forstwirtschaft in dem Nebenbetrieb verarbeitet würden. Die Betriebseinheit könne durch eine enge Verbindung indes auch bei einem geringeren Anteil hergestellt werden. Allerdings müsse dann der Anteil der eigenen Erzeugnisse an den im Betrieb verarbeiteten (eingesetzten) Mengen einen bedeutenden Umfang haben. Dies sei der Fall, weil der Kläger in den Wirtschaftsjahren 1982/83 bis 1984/85 jeweils 18 %, 35 % bzw. 32 % eigene Stoffe in der Brennerei gebrannt habe.

Der mithin einheitliche Betrieb stelle einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb dar, weil der Umsatz der für fremde Stoffbesitzer gebrannten Stoffe in den Streitjahren nicht über 30 % des jeweiligen Gesamtumsatzes gestiegen sei.

Der Kläger sei entgegen seinem Vorbringen allein und nicht zusammen mit seiner Ehefrau Unternehmer sowohl des landwirtschaftlichen Betriebes als auch des Nebenbetriebes, weil er alleine nach außen hin als Unternehmer aufgetreten sei.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung von § 24 Abs. 2 Satz 2 UStG 1980. Es führt im wesentlichen aus: Da in der Brennerei, in der nur Obst gebrannt worden sei, nur ein geringer Anteil der Erzeugnisse des Hauptbetriebes verarbeitet worden sei und zudem die eingesetzte Obstmenge ganz überwiegend von fremden Stoffbesitzern stamme (65 bis 82 %) --bei sachgerechter Würdigung des unstreitigen Tatbestandes sogar 65 % bis 100 %-- sei die Brennerei bei Anwendung der durch die Rechtsprechung aufgestellten Grundsätze als selbständiger Gewerbebetrieb zu würdigen.

Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet abzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist begründet. Das FG ist von den vom BFH entwickelten Grundsätzen zur Frage, unter welchen Voraussetzungen ein landwirtschaftlicher Nebenbetrieb anerkannt werden kann, abgewichen. Der Senat kann wegen des deshalb unvollständig aufgeklärten Sachverhalts nicht abschließend entscheiden, so daß die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen ist (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

1. Nach § 24 Abs. 1 Satz 1 UStG 1980 kommt die Durchschnittsatzbesteuerung nur für im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes ausgeführte Umsätze in Betracht. Als land- und forstwirtschaftlicher Betrieb gilt nach § 24 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG 1980 auch der Weinbau. Darunter ist die Gewinnung von Weintrauben durch Bodenbewirtschaftung einschließlich der Verarbeitung der Trauben zu Wein zu verstehen (vgl. BFH-Urteile vom 27. Februar 1987 III R 270/83, BFH/NV 1988, 85, und vom 11. Oktober 1988 VIII R 419/83, BFHE 155, 298, BStBl II 1989, 284). Zum land- und forstwirtschaftlichen Betrieb gehören nach § 24 Abs. 2 Satz 2 UStG 1980 auch die Nebenbetriebe, die dem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb zu dienen bestimmt sind.

a) Ob ein landwirtschaftlicher Nebenbetrieb i.S. des § 24 Abs. 2 Satz 2 UStG 1980 vorliegt, ist nach den Grundsätzen zu entscheiden, die auch für die Einkommensteuer und Gewerbesteuer (vgl. § 13 Abs. 2 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes --EStG--) und für das Bewertungsrecht (vgl. § 42 des Bewertungsgesetzes --BewG--) maßgebend sind (vgl. BFH-Urteil vom 12. Januar 1989 V R 129/84, BFHE 156, 281, BStBl II 1989, 432; BFH-Beschluß vom 15. Oktober 1993 V B 72/93, BFH/NV 1994, 666; BFH-Urteil vom 12. Dezember 1996 IV R 78/95, BFHE 182, 155, BStBl II 1997, 427). Danach können folgende Beurteilungsergebnisse gerechtfertigt sein (vgl. BFH in BFHE 156, 281, BStBl II 1989, 432 unter 1. b):

-

Betätigt sich eine natürliche Person teils im Rahmen eines

Gewerbebetriebes und teils in einem landwirtschaftlichen

Betrieb, ohne daß zwischen den beiden Betrieben

wirtschaftliche Beziehungen bestehen, so sind der

Gewerbebetrieb einerseits und der landwirtschaftliche

Betrieb andererseits steuerrechtlich getrennt zu

beurteilen.

- Beim Vorhandensein wirtschaftlicher Verbindungen zwischen

beiden Betrieben ist ebenfalls eine getrennte

steuerrechtliche Beurteilung geboten, wenn die Verbindung

zwischen den beiden Betrieben zufällig, vorübergehend und

ohne Nachteile für das Gesamtunternehmen lösbar ist.

- Geht die wirtschaftliche Verbindung zwischen den beiden

Betrieben über das soeben genannte Maß hinaus und ist sie

planmäßig im Interesse des Hauptbetriebes gewollt, so daß

die eine Art der Betätigung der anderen zu dienen bestimmt

ist und die Betätigung insgesamt auch nach der

Verkehrsauffassung als Einheit erscheint, so liegt ein

einheitlicher Betrieb vor. Dieser ist entweder ein

landwirtschaftlicher Betrieb mit einem gewerblichen

Nebenbetrieb, der insgesamt als einheitlicher

landwirtschaftlicher Betrieb zu würdigen ist, oder ein

gewerblicher Betrieb mit einem landwirtschaftlichen

Nebenbetrieb, der insgesamt als einheitlicher

Gewerbebetrieb anzusehen ist. Ob das eine oder das andere

zutrifft, hängt davon ab, ob die landwirtschaftliche oder

die gewerbliche Betätigung dem eigentlichen Betrieb das

Gepräge gibt. Maßgebend sind hierbei die Verhältnisse

mehrerer Jahre.

b) Das FG ist zwar von diesen Grundsätzen ausgegangen, hat

aber nicht beachtet, daß ein dem landwirtschaftlichen Betrieb

zu dienen bestimmter Nebenbetrieb i.S. des § 24 Abs. 2 Satz 2

UStG 1980 nur dann vorliegt, wenn der Nebenbetrieb auf den

Zweck des Hauptbetriebes "ausgerichtet" und wenn er von

untergeordneter Bedeutung ("Neben"-betrieb) ist (vgl.

BFH-Urteil vom 16. Juli 1987 V R 22/78, BFHE 151, 204, BStBl

II 1988, 83, unter 3. d).

aa) Danach ist eine Brennerei nur dann ein

landwirtschaftlicher Nebenbetrieb, wenn in ihr überwiegend im

eigenen Hauptbetrieb erzeugte Rohstoffe verarbeitet werden

(vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs --RFH-- vom 3. Juli 1930 III

A 245/29, RStBl 1930, 541; Gleichlautende Erlasse

--Entschließung-- der obersten Finanzbehörden der Länder vom

15. Juni 1971, BStBl I 1971, 324, unter II. 1 a; R 135 Abs. 3

Satz 1 Nr. 1 der Einkommensteuer-Richtlinien --EStR-- 1996).

Erreicht die Verarbeitung eigener Rohstoffe diesen Umfang

nicht, wird der wirtschaftliche Zusammenhang zwischen

landwirtschaftlichem Betrieb und Brennerei gelöst; diese hat

ihre Produktionsgrundlage in der Hauptsache nicht mehr in dem

landwirtschaftlichen Hauptbetrieb (vgl. BFH-Urteil vom 7. März

1957 IV 447/55 U, BFHE 64, 441, 449, BStBl III 1957, 165).

Diese Abgrenzung steht im Einklang mit der Sechsten Richtlinie

des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der

Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern

77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG). Nach Art. 25 Abs. 2 i.V.m.

Anhang A V. Richtlinie 77/388/EWG gelten als

landwirtschaftliche Erzeugung auch Verarbeitungstätigkeiten,

die ein Landwirt "bei im wesentlichen aus seiner

landwirtschaftlichen Produktion stammenden Erzeugnissen" mit

normalerweise in land-, forst- oder fischwirtschaftlichen

Betrieben verwendeten Mitteln ausübt.

bb) Im Streitfall hat der Kläger in der Brennerei in den

Streitjahren (und davor) nicht überwiegend im eigenen

Hauptbetrieb erzeugte Rohstoffe verarbeitet. Er hat ganz

überwiegend für fremde Unternehmer gebrannt. Der Anteil an

eigenen Stoffen betrug im streitigen Zeitraum nur 18 %, 35 %

bzw. 32 %, wobei darin noch zugekauftes Obst enthalten war.

Deswegen konnte das FG im Streitfall nicht zu dem Ergebnis

kommen, die Brennerei sei als landwirtschaftlicher

Nebenbetrieb i.S. des § 24 Abs. 2 Satz 2 UStG 1980 anzusehen.

Soweit es dies mit der --in der Revisionserwiderung

aufgegriffenen-- Erwägung begründet hat, dem Kläger sei eine

Trennung der Betriebsausgaben zwischen dem Weinbaubetrieb und

der Brennerei nicht möglich gewesen, ist dies für die Frage,

ob ein dem Hauptbetrieb dienender Nebenbetrieb vorliegt, nach

der vorstehend dargestellten Rechtsprechung unerheblich.

cc) Da sich sowohl das FG als auch das FA in der

Revisionsbegründung auf das BFH-Urteil in BFHE 131, 555, BStBl

II 1981, 518 bezogen haben, weist der Senat klarstellend

darauf hin, daß diese Entscheidung im Streitfall nicht

einschlägig ist. Nach diesem Urteil ist für den Fall, daß ein

Steuerpflichtiger, der eine Landwirtschaft oder Gärtnerei

betreibt und einen Teil seiner Erzeugnisse im eigenen

Ladengeschäft umsetzt, in der Regel ein einheitlicher Betrieb

anzunehmen, wenn mehr als 40 % der Erzeugnisse der Gärtnerei

im Durchschnitt der Jahre im eigenen Ladengeschäft des

Steuerpflichtigen umgesetzt wurden und dieses mit der

Gärtnerei wirtschaftlich eng verbunden ist. Diese

Rechtsprechung betrifft ein Ladengeschäft (vgl. dazu R 135

Abs. 6 EStR 1996), nicht aber einen Verarbeitungsbetrieb

(Brennerei). Abgesehen davon ist im Streitfall auch diese 40

%-Grenze nicht erreicht.

2. Der Senat kann nicht durcherkennen. Das FG hat --von seinem

Rechtsstandpunaus zu Recht-- keine Feststellungen dazu

getroffen, ob die vom FA in den angefochtenen Bescheiden

zugrunde gelegten Umsätze und abziehbaren Vorsteuerbeträge

zutreffend sind, was der Kläger mit seiner Klage hilfsweise

bestritten hatte.

 

Fundstellen

Haufe-Index 66898

BFH/NV 1998, 801

BFH/NV 1998, 801-802 (Leitsatz und Gründe)

BStBl II 1998, 359

BFHE 185, 75

BFHE 1998, 75

BB 1998, 734

DB 1998, 760

DStRE 1998, 288

DStRE 1998, 288-290 (Leitsatz und Gründe)

HFR 1998, 488

StE 1998, 200

UR 1998, 239

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