Leitsatz (amtlich)

Ein in der Bundesrepublik beschäftigter türkischer Staatsangehöriger kann auch dann am Heimatort einen eigenen Hausstand führen, wenn seine Frau und seine Kinder dort innerhalb einer Großfamilie leben.

 

Normenkette

EStG § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5, Abs. 1 Nr. 5

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger), ein türkischer Staatsangehöriger, ist seit dem 10.Januar 1965 verheiratet und nach diesem Zeitpunkt als Arbeitnehmer in der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) tätig geworden. Seine Ehefrau und seine sieben Kinder leben in der Türkei.

In der Einkommensteuererklärung für das Jahr 1982 machte der Kläger u.a. Aufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung zum Werbungskostenabzug geltend. Dies lehnte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) ab.

Im Klageverfahren war allein umstritten, ob der Kläger im Heimatland überhaupt einen eigenen Hausstand unterhalten hat. Nach zwei Gesprächsnotizen des FA vom 10. und 11.November 1983 soll der Kläger erklärt haben, seine Ehefrau und die Kinder wohnten im Hause seines Vaters. Das Haus habe nur eine Wohnung. Im Verlauf des Klageverfahrens hat sich der Kläger auf das Urteil des Finanzgerichts (FG) München vom 2.Mai 1984 I 145/83 L (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 1984, 547) berufen, wonach ein eigener Hausstand nicht daran scheitere, daß die Ehefrau und die Kinder eines ausländischen Arbeitnehmers in einer Großfamilie lebten. Im übrigen, so hat der Kläger weiter vorgetragen, müsse man ihn am 10. und 11.November 1983 falsch verstanden haben. Er habe nämlich schon in den Jahren 1963/1964 in der Türkei ein eigenes Haus gehabt, in das seine Frau mit der Heirat am 10.Januar 1965 eingezogen sei. Dieser Sachvortrag werde durch die Bescheinigungen des Dorfvorstehers vom 16.Juli 1985 und des Oberstadtdirektors vom 17.Juli 1985 bestätigt.

Das FG hat die Klage mit folgenden Gründen abgewiesen: Das Gericht glaube dem Kläger nicht, daß er bereits in den Jahren 1963/1964 im Heimatland ein eigenes Haus gehabt habe. Der Kläger habe in diesem Verfahren und in dem das Jahr 1981 betreffenden Klageverfahren jahrelang eine andere Version der Verhältnisse in der Türkei gegeben. Danach habe seine Ehefrau mit den Kindern von Anfang an im Hause seines Vaters gelebt. In diesem Haus habe es nur eine Küche gegeben. In materieller Hinsicht berufe sich der Kläger zu Unrecht auf das Urteil des FG München in EFG 1984, 547. Es möge Fälle geben, in denen verheiratete Kinder im Hause der Eltern einen eigenen Haushalt führten. Im Streitfall habe der Kläger aber keinen eigenen Haushalt geführt, da in dem Haus des Vaters nur eine Küche vorhanden gewesen sei und der Ehefrau des Klägers mit mehreren Kindern nur ein Raum zur eigenen Verfügung gestanden habe.

Mit der Revision begehrt der Kläger die Anerkennung der Kosten für eine doppelte Haushaltsführung als Werbungskosten. Zur Begründung führt er im wesentlichen aus: Er habe durch Bescheinigungen des Ortsvorstehers und des Oberstadtdirektors nachgewiesen, daß er mit seiner Familie bereits seit dem Jahre 1964 in einem eigenen Haus gewohnt habe und daß seine Ehefrau die in dem Anbau wohnenden Eltern versorgt habe. Hinsichtlich der mündlich gegenüber dem FA abgegebenen Erklärungen vom 10. und 11.November 1983 werde nochmals Parteivernehmung angeboten.

Das FA tritt der Revision --ohne weitere Begründung-- unter Bezugnahme auf die Gründe der Vorentscheidung entgegen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.

Das FG ist zu Unrecht davon ausgegangen, daß der Kläger im Heimatland keinen eigenen Hausstand unterhalten hat. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Kläger bereits vor der Arbeitsaufnahme in der Bundesrepublik mit seiner Familie in einem eigenen Haus oder Hausanbau gewohnt hat. Auch wenn man von dem vom Kläger bestrittenen, vom FG aber der Entscheidung zugrunde gelegten Sachverhalt ausgeht, daß der Ehefrau und den sieben Kindern des Klägers im Hause von dessen Eltern nur ein Zimmer und für sämtliche im Haus lebenden Personen nur eine Küche zur Verfügung gestanden hat, hat der Kläger im Heimatland einen eigenen Hausstand unterhalten.

Nach der Rechtsprechung des Senats unterhält ein Arbeitnehmer dann einen eigenen Hausstand i.S. des § 9 Abs.1 Satz 3 Nr.5 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG), wenn er eine Wohnung besitzt, deren Einrichtung seinen Lebensbedürfnissen entspricht und in der auch während seiner Abwesenheit am Beschäftigungsort hauswirtschaftliches Leben herrscht, welches er durch finanzielle und persönliche Mitwirkung maßgeblich mitbestimmt. Welche Anforderungen an eine Wohnung zu stellen sind, damit diese einen Hausstand darstellen kann, hat der Senat bisher noch nicht entschieden. Auszugehen ist davon, daß der Senat mit der o.g. Formulierung den Grund für die steuerliche Berücksichtigung von Kosten einer doppelten Haushaltsführung angesprochen hat. Ist ein Steuerpflichtiger nämlich außerhalb des Ortes seines Lebensmittelpunktes tätig und laufen die durch das Familienleben anfallenden Kosten auch während seiner Abwesenheit von diesem Lebensmittelpunkt weiter, so erfordert es der bei der Einkommensbesteuerung zu beachtende Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit, die durch das Wohnen und Leben am Beschäftigungsort für den Steuerpflichtigen zusätzlich entstehenden notwendigen Kosten zum Werbungskostenabzug zuzulassen. Hieraus folgt, daß das Unterhalten eines eigenen Hausstands nicht an einfachen oder beengten Wohnverhältnissen oder daran scheitern kann, daß in der Wohnung einer Großfamilie für sämtliche Bewohner nur eine Küche zur Verfügung steht. Diese im Heimatland des Klägers häufig anzutreffenden Wohnverhältnisse stehen dem entscheidenden Umstand nicht entgegen, daß durch die tatsächliche Aufsplitterung einer Haushaltsführung auf zwei verschiedene Haushalte aufgrund der Auswärtstätigkeit beruflich veranlaßte Mehrkosten anfallen. Es muß daher ausreichen, wenn für den Steuerpflichtigen und seine Familie ein räumlicher Bereich zur Verfügung steht, der von ihm als Lebensmittelpunkt betrachtet werden kann und dies auch ist.

Nach dem der Vorentscheidung zugrunde gelegten Sachverhalt stand dem Kläger und seiner Familie im Hause seiner Eltern ein Raum zur alleinigen Verfügung; ferner konnte die Familie des Klägers die gemeinsame Küche mitbenutzen. In diesem räumlichen Bereich hatten der Kläger und seine Familie ihren gemeinsamen Lebensmittelpunkt. Diese im Heimatland des Klägers häufig anzutreffenden wohnlichen Gegebenheiten ließen eine eigene Haushaltsführung der Familie des Klägers zu, für die dieser finanziell und auch persönlich auch in den Zeiten seiner Abwesenheit verantwortlich war.

Die doppelte Haushaltsführung ist damit, zumal die übrigen Tatbestandsmerkmale des § 9 Abs.1 Nr.5 EStG nicht streitig sind, dem Grunde nach anzuerkennen. Der Senat folgt im Ergebnis der Auffassung des FG München in EFG 1984, 547 sowie der herrschenden Meinung im steuerrechtlichen Schrifttum (z.B. v. Bornhaupt in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, Kommentar, § 9 Rdnr.G 33; Hartz/Meeßen/Wolf, ABC-Führer Lohnsteuer, Stichwort "doppelte Haushaltsführung" A II 2).

Die Sache geht an das FG zurück, da Feststellungen zur Höhe der abzugsfähigen Kosten fehlen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 63140

BFHE 161, 521

BFHE 1991, 521

BB 1990, 2324

BB 1990, 2324 (LT)

DB 1990, 2251 (T)

DStR 1991, 117 (KT)

HFR 1991, 22 (LT)

StE 1990, 383 (K)

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