Leitsatz (amtlich)

Zeitlich begrenzte Rechte unterliegen auch dann einem durch AfA zu berücksichtigenden Wertverzehr, wenn sie der Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung dienen.

 

Normenkette

EStG 1961 § 9 Nr. 6, § 7 Abs. 1, 4; EStDV 1961 § 27 Nr. 2b; EStDV 1965 § 84 Abs. 3

 

Tatbestand

Die Klägerinnen und Revisionsbeklagten (Klägerinnen) erhielten von ihrem Vater im April 1965 unentgeltlich eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit bestellt, derzufolge sie berechtigt waren, bis zum 31. Dezember 1966 aus genau bezeichneten Grundstücksteilen Sand zu entnehmen und zu verkaufen. Die Überlassung der Ausübung der Dienstbarkeit an Dritte war gestattet. Die ausgebeuteten Flächen mußten in geebnetem und landwirtschaftlich brauchbarem Zustand zurückgegeben werden.

Am 30. April 1965 schlossen die Klägerinnen mit der Firma S einen Vertrag über den "Verkauf" von 60 000 cbm Füllsand aus dem Sandvorkommen zu einem später auf 45 000 DM herabgesetzten Preis. Die genaue Menge des entnommenen Sandes sollte sich nach dem Volumen des aufgeschütteten Sandes an der Baustelle bemessen. Der Firma S oblag es, den Mutterboden vor der Sandentnahme abzuschieben und danach wieder aufzutragen. Außerdem verpflichtete sie sich, die Klägerinnen von Schadensersatzansprüchen freizustellen, die wegen der Sandentnahme von Dritten an die Klägerinnen gestellt werden konnten.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) behandelte die Entgelte für die Ausbeutung des Sandvorkommens als Einkünfte der Klägerinnen aus Vermietung und Verpachtung. Die beantragten Absetzungen für Substanzverringerung (AfS) berücksichtigte es nicht, da dem Füllsand kein wirtschaftlicher Wert beizumessen ist, ein Wertverzehr daher nicht vorliege und im übrigen AfS allenfalls von dem Grundeigentümer geltend gemacht werden könnten.

Das Finanzgericht (FG) gab der gegen die ablehnende Einspruchsentscheidung erhobenen Klage, mit der die Klägerinnen beantragten, AfS in Höhe von 28 800 DM zu berücksichtigen, statt. Es führte im wesentlichen aus (Entscheidungen der Finanzgerichte 1972 S. 176 - EFG 1972, 176 -): Das gezahlte Entgelt sei den Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung zuzuordnen. Den Klägerinnen stehe das Recht zu, AfS nach § 7 Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes (EStG) geltend zu machen, da sie aufgrund ihres Abbaurechts den tatsächlichen Wertverzehr unter Ausschluß des Eigentümers trügen und auch einfacher Füllsand einen Wert darstelle. Denn sonst hätten sie ihn nicht für 0,80 DM je cbm verkaufen können. Bemessungsgrundlage seien gemäß § 27 Nr. 2 b der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) 1961 i. V. m. § 84 Abs. 3 EStDV 1965 die fiktiven Anschaffungskosten zu dem Zeitpunkt, als sie das Abbaurecht unentgeltlich von ihrem Vater erworben hätten. Auf der Grundlage von 0,48 DM AfS pro cbm Füllsand, der auch das FA zugestimmt habe, errechneten sich unter Berücksichtigung der sonstigen unstreitigen Werbungskosten Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 12 136 DM.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung des § 7 Abs. 6 EStG. Es vertritt die Ansicht, die Klägerinnen seien weder rechtliche noch wirtschaftliche Eigentümer des Sandvorkommens gewesen. Bei der Einräumung eines auf zwei Jahre befristeten Abbaurechts sei der Eigentümer nicht auf Dauer von der Ausbeutung des Sandvorkommens ausgeschlossen. Es mache keinen Unterschied, ob es sich um ein dingliches oder schuldrechtliches Abbaurecht handle. Den Klägerinnen stünden daher auch keine AfS zu. Das Ausbeutungsrecht selbst unterliege dagegen weder einer Abnutzung noch einem Substanzverzehr.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerinnen beantragen, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

1. Zutreffend hat das FG die streitigen Einkünfte als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung i. S. von § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG angesehen. Nach der zur Auslegung dieser Gesetzesvorschrift ergangenen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) sind Verträge über die Ausbeutung von Bodensubstanz, die beim Abbauberechtigten weder zu einem landwirtschaftlichen noch zu einem gewerblichen Betriebsvermögen gehört, einkommensteuerrechtlich grundsätzlich als Pachtverträge und nicht als Kaufverträge zu behandeln (Urteile vom 5. Juni 1973 VIII R 118/70, BFHE 109, 513, BStBl II 1973, 702; vom 12. Dezember 1969 VI R 197/67, BFHE 97, 542, BStBl II 1970, 210). Im Streitfall standen weder die Beschränkungen der Ausbeute auf eine festgelegte Menge Sand noch der teilweise Verzehr des Ausbeuterechts der Annahme einer Pacht entgegen. Denn zusätzlich zu dem Selbstabbau der Firma S traten noch weitere Umstände hinzu, die für einen Kaufvertrag atypisch waren und für einen Pachtvertrag sprachen. Als solche Merkmale sind insbesondere anzusehen die Verpflichtung der Firma S, den Mutterboden abzutragen und ihn später in gleicher Stärke wieder aufzutragen, um die Grundstücksfläche wieder nutzbar zu machen, sowie die Freistellung der Klägerinnen von allen Schadensersatzansprüchen, die sich aus der Sandentnahme ergeben und von Dritten gestellt werden konnten (siehe hierzu auch BFH-Urteile vom 26. Mai 1976 I R 74/73, BFHE 119, 485, BStBl II 1976, 721; vom 28. Juli 1976 I R 91/74, BFHE 119, 569, BStBl II 1976, 789).

2. Das FG hat auch zu Recht die Zulässigkeit der AfS bejaht.

a) Gemäß § 9 Nr. 6 EStG 1961 gehören zu den Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung auch die Absetzungen für Abnutzung (AfA) nach § 7 EStG. Im Fall des unentgeltlichen Erwerbs eines Wirtschaftsguts ist nach der für den Streitzeitraum geltenden Regelung des § 27 Nr. 2b EStDV 1961 i. V. m. § 84 Abs. 3 EStDV 1965 AfA-Bemessungsgrundlage der Betrag, den der Steuerpflichtige für die Anschaffung im Zeitpunkt des Erwerbs hätte aufwenden müssen. An der bisherigen Auffassung, AfA seien bei befristeten und zum Privatvermögen gehörigen Rechten nicht zulässig, weil diese keinem Wertverzehr durch Nutzung unterlägen (BFH-Urteile vom 21. Februar 1967 VI 263/65, BFHE 88, 168, BStBl III 1967, 311; vom 26. März 1974 VIII R 210/72, BFHE 112, 165, BStBl II 1975, 6; vom 9. Mai 1974 VIII R 42/68, BFHE 112, 487, BStBl II 1975, 8; vom 26. August 1975 VIII R 195/71, BFHE 117, 228, BStBl II 1976, 182, sowie vom 28. Februar 1974 IV R 60/69, BFHE 112, 257, BStBl II 1974, 481, 483), hält der Senat nicht mehr fest. Sie entspricht weder dem Wortlaut und der Entstehungsgeschichte noch dem Sinn und Zweck des Gesetzes.

aa) Gemäß § 9 Nr. 6 EStG sind Werbungskosten bei Vermietung und Verpachtung auch die AfA nach § 7 EStG. Eine Beschränkung auf körperliche Gegenstände enthält § 9 Nr. 6 EStG nicht. Dem Wortlaut des § 7 EStG ist auch nicht zu entnehmen, daß nur solche Wirtschaftsgüter abnutzbar sind, deren Wert gerade als Folge der Nutzung durch den Steuerpflichtigen gemindert wird. § 7 Abs. 1 Satz 1 EStG verlangt nur eine Verwendung oder Nutzung, die sich auf mehr als ein Jahr erstreckt. Erforderlich ist danach lediglich, daß das Wirtschaftsgut innerhalb absehbarer Zeit verbraucht sein wird (so auch Herrmann-Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, § 7 Anm. 10b E 30 mit weiteren Nachweisen). Dies trifft auch bei nichtkörperlichen Gegenständen, z. B. zeitlich begrenzten Rechten zu. Der die AfA rechtfertigende innere Zusammenhang zwischen Nutzung und Wertverzehr ergibt sich bei ihnen daraus, daß sie, wenn sie zur Einkunftserzielung eingesetzt werden, in dieser Funktion infolge ihrer zeitlichen Beschränkung einem zeitlich und betragsmäßig abgrenzbaren Wertverzehr unterliegen.

bb) Die Zulassung der AfA auf befristete Rechte steht auch im Einklang mit der Entstehungsgeschichte des Gesetzes. Bereits der Gesetzgeber des Einkommensteuergesetzes 1925 ist davon ausgegangen, daß nicht nur körperliche Gegenstände, sondern auch befristete Rechte im Rahmen aller Einkunftsarten der AfA unterliegen können. Dies ergibt sich unter anderem aus der ausdrücklichen Aufnahme der zeitlich begrenzten Urheberrechte in den nur beispielhaft zu verstehenden Katalog der abschreibbaren Wirtschaftsgüter i. S. des § 16 Abs. 3 EStG 1925 (vgl. auch Enno Becker, Handkommentar der Reichssteuergesetze, EStG vom 10. August 1925, § 16 Bem. 44 und 54 c). § 7 EStG 1934, der als unmittelbarer Vorläufer der heutigen AfA-Regelung anzusehen ist, spricht zwar nur noch von Gebäuden und sonstigen Wirtschaftsgütern und nicht mehr ausdrücklich von Rechten. Hierin ist jedoch keine Einschränkung des Kreises der abschreibbaren Wirtschaftsgüter zu erblicken; denn die nunmehr gewählte Formulierung zielte darauf ab, die mißglückte bisherige Gesetzesfassung zu korrigieren (Blümich, Das Einkommensteuergesetz 1934, § 7 Anm. 1 und 3; Vangerow, Kommentar zum Einkommensteuergesetz 1934, § 7 Anm. 1 bis 3).

cc) Allein diese Auslegung entspricht dem Sinn und Zweck der AfA-Regelung des § 7 EStG, den Wertverzehr eines Wirtschaftsguts durch eine periodengerechte Aufwandsverteilung zu berücksichtigen (vgl. auch BFH-Urteil vom 7. Februar 1975 VI R 133/72, BFHE 115, 313, BStBl II 1975, 478). Dieser Grundgedanke des § 7 EStG gilt gleichermaßen für Wirtschaftsgüter des Privatvermögens und des Betriebsvermögens sowie für materielle und immaterielle Wirtschaftsgüter, sofern sie zur Einkunftserzielung eingesetzt werden und sich verzehren (zur Abschreibbarkeit von immateriellen Wirtschaftsgütern des Betriebsvermögens vgl. u. a. BFH-Beschluß vom 2. März 1970 GrS 1/69, BFHE 98, 360, BStBl II 1970, 382; BFH-Urteil vom 18. Juli 1972 VIII R 16/68, BFHE 106, 432, BStBl II 1972, 884; zur einheitlichen Auslegung des § 7 EStG für alle Einkunftsarten siehe ferner BFH-Beschluß vom 31. August 1971 VIII R 61/68, BFHE 103, 141, BStBl II 1971, 768, sowie BFH-Beschluß vom 26. November 1973 GrS 5/71, BFHE 111, 242, BStBl II 1974, 132; ferner Herrmann-Heuer, a. a. O., § 7 EStG Anm. 10b, Stichwort: Rechte, mit weiteren Nachweisen; Littmann, Das Einkommensteuerrecht, 11. Aufl., § 7 Anm. 24). Die AfA auf ein zeitlich begrenztes Recht darf demnach nicht mehr von der Voraussetzung abhängig gemacht werden, daß es sich bei ihm um ein Wirtschaftsgut des Betriebsvermögens handelt und der Gewinn durch Bestandsvergleich ermittelt wird. Die hierfür von der Rechtsprechung gegebene Begründung, daß sonst mangels Buchführung die AfA praktisch nicht durchführbar seien und nicht überwacht werden könnten (ähnlich noch BFH-Urteil VIII R 210/72), greift nicht durch. Denn die für die AfA-Berechnung erforderlichen Größen können vom FA bei jeder Veranlagung aufgrund des Inhalts der Steuerakten (AfA-Tabelle, Steuerbescheid der Vorjahre) ermittelt werden. Die Abschreibbarkeit des zeitlich begrenzten Rechts begegnet daher auch keinen praktischen Bedenken.

b) Mit der Anerkennung der Abschreibbarkeit befristeter Rechte weicht der Senat zwar von der eingangs erwähnten Rechtsprechung des VI. Senats ab. Einer Anrufung des Großen Senats des BFH bedarf es jedoch nicht, weil die Entscheidungszuständigkeit insoweit geschäftsplanmäßig auf den erkennenden Senat übergegangen ist.

Eine Anrufung ist auch nicht im Hinblick auf das BFH-Urteil IV R 60/69 erforderlich. Es kann dahinstehen, ob eine Abweichung überhaupt vorliegt. Denn der IV. Senat hat die Abschreibbarkeit des Nießbrauchs nach § 7 EStG i. V. m. § 7 Abs. 2 und § 27 Nr. 2b EStDV 1961 abgelehnt, weil bei einer Grundstücksübertragung unter Vorbehalt des Nießbrauchs dieser "originär" in der Person des Steuerpflichtigen entstehe, während im Streitfall der Erwerb des Abbaurechts ein derivativer Vorgang war. Soweit der IV. Senat weiter ausgeführt hat, befristete Nutzungsrechte an Grundstücken unterlägen keinem Wertverzehr, hat er diese Rechtsansicht später nicht mehr aufrechterhalten. Dies ergibt sich aus dem Urteil vom 17. März 1977 IV R 218/72 (BFHE 122, 70, 76, BStBl II 1977, 595), in dem im Einklang mit dem Beschluß des Großen Senats GrS 1/69 entschieden ist, daß entgeltlich erworbene Mietrechte und vergleichbare Nutzungsrechte auf die Dauer des Rechts linear abzuschreiben sind. Bei dieser Sachlage besteht keine Vorlagepflicht des erkennenden Senats (vgl. BFH-Urteil vom 7. Mai 1968 II 32/62, II R 49/66, BFHE 92, 525, 533, BStBl II 1968, 614; Hübschmann-Hepp-Spitaler, Kommentar zur Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, § 11 FGO Anm. 11; Tipke-Kruse, Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Kommentar, Anm. 3).

c) Zutreffend hat das FG als Bemessungsgrundlage für die AfA die fiktiven Anschaffungskosten am 8. April 1965 angesetzt, da die Klägerinnen zu diesem Zeitpunkt das Abbaurecht unentgeltlich erworben haben (§ 27 Nr. 2 b EStDV 1961 i. V. m. § 84 Abs. 3 EStDV 1965). Zu Recht hat es weiterhin die Höhe der AfA nach der Menge der im Veranlagungszeitraum geförderten Substanz und nicht nach der Dauer des Rechts bemessen, weil sich im Streitfall der Wertverzehr des Rechts im wesentlichen nach dem Umfang des Abbaus richtete (zur AfS des Eigentümers vgl. auch BFH-Urteil vom 21. Februar 1967 VI R 145/66, BFHE 88, 448, BStBl III 1967, 460).

 

Fundstellen

Haufe-Index 72952

BStBl II 1979, 38

BFHE 1979, 528

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