Leitsatz (amtlich)

Der auf die Anlaufzeit eines neu erbauten Hotels beschränkte Verzicht auf Pachtzahlungen bietet nur deshalb, weil der Pächter ein Schwiegersohn des Verpächters ist, keine Rechtfertigung, um geschätzte Pachterträge als Entnahmen des Verpächters anzusetzen.

 

Normenkette

EStG §§ 21, 2 Abs. 2, § 12 Nr. 2

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin ist eine OHG, an der die beiden Brüder A und B zu je 50 v. H. beteiligt sind. Die OHG erwarb im jahre 1955 ein Mühlengrundstück. Sie errichtete auf dem Grundstück zwei Werkhallen und baute die Mühle zu einem Hotel um. Die Mühle sollte zunächst nur als Gästehaus für die Klägerin und als Kantine für die Arbeitnehmer der Betriebstätte dienen. Wegen der hohen Investitionskosten wurde sie jedoch als Hotel der Allgemeinheit zugänglich gemacht. Die Bewirtschaftung des Hotels übernahm der Schwiegersohn des Gesellschafters A, der auch in X ein Hotel bewirtschaftete. Er führte das Hotel der Klägerin auf Grund eines mündlich geschlossenen Pachtvertrages in der Zeit vom September 1957 bis Dezember 1960. Er zahlte keine Pacht, erhielt aber für die Unterbringung der Gäste der Klägerin und für die Kosten der Kantine eine Vergütung. Vom 15. März 1961 an wurde das Hotel an ein Ehepaar E. für einen monatlichen Pachtzins von 500 DM verpachtet.

Die Klägerin machte in den Jahren 1958 bis 1960 für die Einrichtung des Hotels Absetzungen für Abnutzung (AfA) von 9 125 DM, 9 453 DM und 8 178 DM geltend. Bei den einheitlichen Gewinnfeststellungen für diese Jahre erkannte das FA die AfA-Beträge zwar an, rechnete jedoch den Entnahmen der Gesellschafter entgangene Pachteinnahmen in der geschätzten Höhe von 3 000 DM, 4 000 DM und 5 000 DM hinzu. Entsprechende Pachtzinsen hätten von dem Pächter erwirtschaftet werden können. Der Verzicht der Klägerin auf diese Einnahmen habe auf außerbetrieblichen Erwägungen beruht.

Der Einspruch und die Klage hatten keinen Erfolg. Das FG führte aus: Die Ersparung von Ausgaben bedeute nicht die Erzielung von Einkommen. Das FA dürfe Nutzungen, die der Eigentümer nicht ziehen wolle, nicht als gezogen unterstellen. Die Klägerin habe jedoch in den Streitjahren erhebliche gewinnmindernde Aufwendungen in Form der AfA getätigt. Sie habe auf deren auch nur teilweise Erstattung dadurch verzichtet, daß sie eine Pachtzahlung nicht gefordert habe. Diese Verluste wären nicht entstanden, wenn das Hotel an einen außenstehenden Dritten verpachtet worden wäre. Die durch die AfA entstandenen Verluste könnten daher insoweit nicht anerkannt werden, als die Klägerin auf eine angemessene Pachtzinszahlung verzichtet habe. Die vom FA geschätzten Pachtbeträge betrügen rund 2,3 v. H., 3 v. H. und 3,7 v. H. des jeweiligen Jahresumsatzes. Diese Vomhundertsätze seien nicht als übersetzt anzusehen.

Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung von Bundesrecht: Das FG habe den Sachverhalt unzutreffend gewürdigt. Die Höhe der grundsätzlich vereinbarten Pacht sei von der Geschäftsentwicklung abhängig gemacht worden. Da das Hotel in der Öffentlichkeit erst habe eingeführt werden müssen, sei in jedem Jahr erneut geprüft worden, ob auf Grund der Geschäftsentwicklung eine Pacht verlangt werden könne. Bei einem durchschnittlichen Gewinn von jährlich 4 000 DM hätte ein fremder Pächter das Hotel nicht geführt, wenn er davon noch eine Pacht von durchschnittlich 3 000 DM hätte zahlen müssen. Das FG habe die von der Klägerin benannten Zeugen nicht vernommen, die darüber hätten Auskunft geben sollen, welche Schwierigkeiten mit der Einführung eines Hotels verbunden seien und daß deshalb solche Objekte in der Anlaufzeit häufig zu einem unzureichenden Pachtzins oder gar pachtzinsfrei verpachtet werden müßten. Die unentgeltliche Überlassung des Pachtgegenstandes sei keine nach § 12 Nr. 2 EStG nichtabzugsfähige Zuwendung der Klägerin an den Schwiegersohn des einen Gesellschafters.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und der Einspruchsentscheidung.

Das FG ist zutreffend von dem einkommensteuerlichen Grundsatz ausgegangen, daß Nutzungen, die der Eigentümer nicht zieht und nicht ziehen will, nicht als gezogen unterstellt werden dürfen (Urteil des BFH I 131/59 S vom 8. November 1960, BFH 71, 706, BStBl III 1960, 513). Der Verzicht auf Pachteinnahmen hat einkommensteuerlich nicht zur Folge, daß der Klägerin Pachteinnahmen in geschätzter Höhe zugerechnet werden.

Nicht zugestimmt werden kann jedoch der Ansicht des FG, daß die Klägerin die jährlichen AfA-Beträge für die Einrichtung des Hotels nicht gewinnmindernd geltend machen dürfe, weil sie darauf verzichtet habe, diese Aufwendungen sich wenigstens teilweise durch die Zahlung von Pachtzinsen erstatten zu lassen. Das FG hat zwar nur einen Teil der AfA-Beträge, nämlich in Höhe der gedachten Pachtzinsen, als unentgeltliche Zuwendung nach § 12 Nr. 2 EStG angesehen, während der überwiegende Teil (26 756 DM ./. 12 000 DM = 14 756 DM) den gewerblichen Gewinn der Klägerin gemindert hat. Diese Lösung trägt dem Verböserungsverbot der FGO Rechnung. Das FG hat aber nicht dargelegt, warum im Streitfall die Voraussetzungen für die Annahme einer teilweise unentgeltlichen Zuwendung überhaupt gegeben sind.

Das FG beruft sich lediglich auf die Entscheidung des RFH IV 125/43 vom 24. Februar 1944 (RStBl 1944, 434). Hier war der RFH in der Tat der Meinung, daß der seinem Fall zugrunde liegende Pachtvertrag nicht der Erzielung von Einnahmen, sondern der Verwandtenhilfe und der Erhaltung des Vermögensgegenstandes gedient habe. Er erkannte deshalb die aus den laufenden Aufwendungen des Verpächters entstandenen Verluste insoweit nicht an, als sie auf der zu niedrigen Bemessung des Pachtzinses beruhten.

Im Streitfall handelt es sich bei der Verpachtung des Hotels aber weder um Verwandtenhilfe noch um bloße Vermögensverwaltung. Der Schwiegersohn des Gesellschafters A war bei seinen Einkommensverhältnissen - wie das FA nicht bestreitet - auf eine wirtschaftliche Hilfe nicht angewiesen. Das Pachtverhältnis mit ihm war also nicht, um ihm zu helfen, abgeschlossen. Es war auch nicht auf die Dauer angelegt. Es wurde schon nach drei Jahren gelöst. Das Hotel wurde geschlossen und erst nach mehreren Monaten wieder eröffnet, als ein Pächter gefunden worden war, der ausreichende Gewinne zu erwirtschaften versprach. Die Klägerin wollte also, wie aus alledem hervorgeht, schon von vornherein aus dem Hotel Einkünfte erzielen. Sie hatte das Hotel an den Schwiegersohn offenbar in der Erwartung verpachtet, er werde als Fachmann das Hotel so einführen, daß es nach einer Anlaufzeit ausreichende Gewinne abwerfen werde, aus denen ihre Aufwendungen bestritten werden könnten. Mit dieser Erwartung war es durchaus vereinbar, daß die Klägerin dem Schwiegersohn zur Überwindung der Anlaufschwierigkeiten außer der Pachtfreiheit Zuwendungen in Form der AfA-Beträge zukommen ließ.

Das FG hätte den Abzug der AfA-Beträge nur mit der Begründung versagen können, daß diese Aufwendungen wegen des Verzichts auf Pachtzahlungen in keinem wirtschaftlichen Zusammenhang mit Einkünften stünden, die unmittelbar aus dem Betrieb des Hotels oder aus seiner Verpachtung stammten. Das ist offenbar auch der Ausgangspunkt des FA, wenn es annahm, daß für den Pachtverzicht rein familiäre Gründe maßgebend gewesen seien. Dazu ist indessen nichts dargetan. Der Senat sieht daher die Voraussetzungen für die Nichtabzugsfähigkeit der AfA-Beträge nach § 12 Nr. 2 EStG nicht als erfüllt an. Es liegen wie gesagt keine Anhaltspunkte dafür vor, daß die Klägerin dem Schwiegersohn des einen Gesellschafters die AfA-Beträge aus außerbetrieblichen Gründen ohne jede Gegenleistung hätte zuwenden wollen. Für diese Aufwendungen hat sie vielmehr in den Streitjahren eine Gegenleistung von dem Pächter des Hotels erwartet und nach Ansicht des Senats auch erhalten. Der Pächter hat das Hotel über die Anlaufzeit ohne weitere Verluste geführt, so daß eine anschließende Weiterverpachtung ohne Risiko blieb. Der Wert der Gegenleistung läßt sich zwar in einem bestimmten Geldbetrag nicht ausdrücken. Selbst wenn er geringer gewesen sein sollte als der Wert der Aufwendungen der Gesellschafter der Klägerin, wäre aber die Unentgeltlichkeit und damit die Nichtabzugsfähigkeit der hier geltend gemachten Aufwendungen der Klägerin zu verneinen.

Das FG ist von einer abweichenden Rechtsauffassung ausgegangen. Die Vorentscheidung war deshalb aufzuheben. Die Sache ist, weil die Gewinne nach den vorstehenden Ausführungen zu Unrecht um die "Pachteinnahmen" erhöht worden sind, spruchreif. Es war unter Aufhebung auch der Einspruchsentscheidung, wie geschehen, zu erkennen.

Die Klägerin hat mündliche Verhandlung beantragt. Es erschien dem Senat jedoch zweckmäßig, zunächst einen Vorbescheid zu erlassen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 68869

BStBl II 1970, 177

BFHE 1970, 347

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