Leitsatz (amtlich)

Macht ein Arbeitgeber von der Pauschalierung nach § 40 a Abs. 2 EStG in der irrigen Auffassung Gebrauch, die Voraussetzungen dieser Vorschrift seien gegeben, so tritt hierdurch nicht auch eine Bindung für das Pauschalierungsverfahren nach § 40 a Abs. 1 EStG ein. Der Arbeitgeber muß sich eindeutig erklären, ob in der von ihm vorgenommenen Pauschalierung nach § 40 a Abs. 2 EStG zugleich auch die Bereitschaft liegt, Schuldner einer pauschalen Lohnsteuer nach § 40 a Abs. 1 EStG zu sein, falls die Voraussetzungen des § 40 a Abs. 2 EStG nicht erfüllt sind.

 

Normenkette

EStG 1975 ff. § 40a Abs. 1; EStG 1975 ff. § 40a Abs. 2

 

Verfahrensgang

FG Rheinland-Pfalz

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) führt einen landwirtschaftlichen Betrieb. Er beschäftigte in den Jahren 1975 bis 1978 Aushilfskräfte. Von diesen ließ er sich keine Lohnsteuerkarten vorlegen. Er führte vereinfachte Aufzeichnungen i. S. des § 7 Abs. 2 Nr. 7 Satz 4 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung 1975 (LStDV). Im Lohnsteuer-Anmeldungsverfahren meldete er die Lohnsteuer mit einem Pauschsteuersatz gemäß § 40 a Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Höhe von 2 v. H. der gezahlten Löhne an. Nach einer Lohnsteuer-Außenprüfung vertrat der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA - ) die Auffassung, die Aushilfskräfte seien nicht von Fall zu Fall, sondern ständig wiederkehrend beschäftigt gewesen, so daß die Pauschalierung nach § 40 a Abs. 2 EStG unzulässig sei. Zwar seien die Voraussetzungen des § 40 a Abs. 1 Nr. 2 EStG (Beschäftigung in geringem Umfang und gegen geringen Arbeitslohn) erfüllt. Da der Kläger aber eine Pauschalierung nach § 40 a Abs. 1 EStG nicht durchgeführt und auch nicht begehrt habe, müsse er im Haftungswege in Anspruch genommen werden. In dem Haftungsbescheid in der Gestalt der Einspruchsentscheidung legte das FA für die gezahlten Löhne einen Steuersatz in Höhe von 10 v. H. im Hinblick darauf zugrunde, daß die Voraussetzungen des § 40 a Abs. 1 Nr. 2 EStG erfüllt waren, und forderte die Differenz zwischen der bereits abgeführten pauschalen Steuer (in Höhe von 2 v. H. der Löhne) und der sich nunmehr ergebenden Steuer (in Höhe von 10 v. H. der gezahlten Löhne).

Auf die Klage, mit der der Kläger die Besteuerung der Löhne gemäß § 40 a Abs. 2 EStG mit einem Steuersatz von 2 v. H. begehrt, hob das Finanzgericht (FG) den Haftungsbescheid und die Einspruchsentscheidung mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1980, 619 veröffentlichten Gründen auf. Es vertrat die Auffassung, das FA hätte den Kläger, da die Voraussetzungen entweder des § 40 a Abs. 1 Nr. 2 EStG oder des § 40 a Abs. 2 EStG erfüllt seien, nicht durch Haftungsbescheid, sondern nur durch Pauschalierungssteuerbescheid in Anspruch nehmen dürfen.

Mit der Revision beantragt das FA, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen. Zur Begründung führt es im wesentlichen aus: Der Kläger habe sich für die Pauschalierung nach § 40 a Abs. 2 EStG entschieden. Daraus könne entgegen der Auffassung des FG nicht geschlossen werden, er habe sich gleichzeitig auch für die Pauschalierung nach § 40 a Abs. 1 EStG entschieden für den Fall, daß die Voraussetzungen für eine Pauschalierung nach § 40 a Abs. 2 EStG nicht gegeben seien. Eine solche Unterstellung werde den Arbeitgeberinteressen nicht gerecht. Da der Steuersatz des § 40 a Abs. 1 EStG den Steuersatz des § 40 a Abs. 2 EStG erheblich übersteige, könne nicht ausgeschlossen werden, daß der Arbeitgeber keinesfalls mit dem höheren Steuersatz einverstanden sei. Es sei denkbar, daß sich im Rahmen einer Schätzung die zutreffende Steuer auf einen geringeren als den sich nach § 40 a Abs. 1 EStG ergebenden Betrag belaufe. Im übrigen verlange die Pauschalierung nach § 40 a EStG keinen Antrag, der ausgelegt werden könne. Die Pauschalierung werde durch Realakt vollzogen und durch Anmeldung und Abführung der Steuer gegenüber dem FA dokumentiert. Der Kläger habe nach § 40 a Abs. 2 EStG pauschaliert. Da er diese Pauschalierung nicht auf eine solche nach § 40 a Abs. 1 Nr. 2 EStG durch Nachentrichtung des Differenzbetrages umgestellt habe, könne er nur durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden. Die Pauschalierung nach § 40 a Abs. 1 EStG sei ein höchstpersönliches Recht des Klägers, das vom FA durch Erlaß eines Steuerbescheides selbst dann nicht ausgeübt werden könne, wenn ein Antrag des Klägers auf Pauschalierung nach § 40 a Abs. 1 Nr. 2 EStG unterstellt werde.

Der Kläger ist der Revision entgegengetreten.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist zulässig.

Das Datum des Empfangsbekenntnisses, das überprüfbar ist (vgl. Beschluß des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 7. Dezember 1978 VII ZB 24/78, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1979, 492; BGH-Urteil vom 31. Mai 1979 VII ZR 290/78, HFR 1979, 543; ferner Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 24. September 1975 II R 1/75, BFHE 117, 11, BStBl II 1976, 46) und mit dem der Zugang der Vorentscheidung beim FA unter dem 16. September 1980 bestätigt wird, ist unrichtig. Ausweislich der FG-Akten ist die Vorentscheidung am 17. September 1980 von der Geschäftsstelle des FG abgesandt worden. Selbst wenn man unterstellt, daß die Vorentscheidung dem FA noch am selben Tag zugestellt worden ist, ist die Revision durch die am 17. Oktober 1980 eingegangene Revisionsschrift fristgerecht erhoben worden (§ 120 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.

1. Nach § 40 a EStG kann der Arbeitgeber bei Vorliegen weiterer Voraussetzungen unter Verzicht auf die Vorlage einer Lohnsteuerkarte die Lohnsteuer mit einem Pauschsteuersatz erheben. Sind die Voraussetzungen des § 40 a Abs. 1 EStG erfüllt, so ist ein Pauschsteuersatz von 10 v. H. anzuwenden. Im Falle des § 40 a Abs. 2 EStG beläuft sich der Pauschsteuersatz auf 2 v. H. der gezahlten Löhne. Nach den Feststellungen des FG und der übereinstimmenden Auffassung der Beteiligten sind im Streitfall die Voraussetzungen des § 40 a Abs. 1 Nr. 2 EStG erfüllt, während streitig und vom FG in tatsächlicher Hinsicht nicht festgestellt worden ist, ob auch die Voraussetzungen des § 40 a Abs. 2 EStG gegeben sind.

Es steht einem Arbeitgeber frei, ob er von den gesetzlichen Pauschalierungsmöglichkeiten Gebrauch machen und nach welcher der Pauschalierungsvorschriften er die Lohnsteuer erheben will. Erhebt ein Arbeitgeber unter Verzicht auf die Vorlage der Lohnsteuerkarte bei einem Arbeitnehmer die Lohnsteuer mit einem Pauschsteuersatz, führt er die entsprechenden Aufzeichnungen nach § 7 Abs. 2 Nr. 7 Satz 4 LStDV und meldet er die pauschal erhobenen Steuern an, so gibt er dadurch gegenüber dem FA zu erkennen, daß er Steuerschuldner der pauschal zu erhebenden Lohnsteuer ist. Macht der Arbeitgeber von der Pauschalierungsvorschrift des § 40 a Abs. 2 EStG in der irrigen Auffassung Gebrauch, die Voraussetzungen dieser Vorschrift seien gegeben, so ist die in der Vornahme der Pauschalierung liegende Erklärung des Arbeitgebers allerdings nicht etwa im Sinne einer Vermutung dahin auszulegen, er wolle auch Steuerschuldner einer sich aus § 40 a Abs. 1 EStG ergebenden Pauschalierungssteuer werden.

Zwar liegen der pauschalen Lohnsteuererhebung regelmäßig zivilrechtliche Vereinbarungen zwischen dem Arbeitgeber und den Arbeitnehmern zugrunde, nach denen das Steuerschuldverhältnis ohne Einschluß der Arbeitnehmer abgewickelt werden soll. Die Arbeitnehmer sind in der Regel daran interessiert, daß eine Besteuerung ohne Offenbarung ihrer persönlichen Verhältnisse durchgeführt wird und daß die Löhne aus sozialversicherungsrechtlichen Gründen und aus Gründen öffentlicher Transferleistungen (z. B. Wohngeld, Arbeitnehmer-Sparzulage usw.) ihr steuerliches Einkommen nicht erhöhen (vgl. Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 19. Aufl., Stand: Mai 1983, § 40 a EStG, grüne Blätter S. 3 f.). Diese Folgen sind nur zu erreichen, wenn der Arbeitgeber Steuerschuldner der zu erhebenden Lohnsteuer wird.

Auf der anderen Seite kann aber nicht außer Betracht bleiben, daß der Steuersatz des § 40 a Abs. 1 Nr. 2 EStG (10 v. H.) den Steuersatz des § 40 a Abs. 2 EStG (2 v. H.) doch wesentlich übersteigt. Schon deshalb kann nicht unterstellt werden, daß ein Arbeitgeber regelmäßig auch Schuldner der Steuer nach § 40 a Abs. 1 Nr. 2 EStG sein will, falls sich seine Vorstellungen über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 40 a Abs. 2 EStG als unrichtig erweisen. Hinzu kommt noch, daß der Arbeitgeber auch deshalb an dem Erlaß eines Haftungsbescheides interessiert sein kann, weil mehrere oder gar sämtliche der von ihm beschäftigten Aushilfskräfte mit ihren Aushilfslöhnen gar nicht einkommensteuerpflichtig werden. Der Gesetzgeber hat für die von Fall zu Fall in der Landwirtschaft beschäftigten Aushilfskräfte deshalb den geringen Pauschsteuersatz von 2 v. H. gewählt, weil er davon ausging, bei derartigen Aushilfskräften werde es sich weitgehend um Personen handeln, die nicht einkommensteuerpflichtig sind (Hausfrauen, Schüler, Studenten). Diese unterschiedlichen Interessenlagen des Arbeitgebers verbieten es, der vom FG vertretenen Auffassung zu folgen, nach der die Entscheidung des Arbeitgebers für eine bestimmte Pauschalierungsvorschrift zugleich eine Bindung für das Pauschalierungsverfahren allgemein zur Folge hat. Eine derartige Bindung läßt sich aus dem Gesetz nicht ableiten.

Wegen der unterschiedlichen Interessenlagen der Arbeitgeber ist es erforderlich, daß sich ein Arbeitgeber - ggf. auf Nachfrage durch das FA - eindeutig erklärt, ob in der von ihm vorgenommenen Pauschalierung nach § 40 a Abs. 2 EStG zugleich die Bereitschaft liegt, Steuerschuldner der pauschalen Lohnsteuer nach § 40 a Abs. 1 EStG sein zu wollen, falls die Voraussetzungen des § 40 a Abs. 2 EStG nicht erfüllt sind. Erklärt sich der Arbeitgeber nicht, so kann eine Bereitschaft zur Übernahme der Steuerschuldnerschaft i. S. von § 40 a Abs. 1 EStG nicht unterstellt werden.

2. Das FG brauchte von seinem Rechtsstandpunkt aus keine tatsächlichen Feststellungen darüber zu treffen, ob der Kläger sich dahin erklärt hat, er wolle Steuerschuldner einer sich aus § 40 a Abs. 1 EStG ergebenden Steuer sein. Diese Feststellungen wird das FG nunmehr nachholen müssen.

a) Hat der Kläger erklärt oder gibt er diese Erklärung nunmehr vor dem FG ab, er wolle auch eine sich aus § 40 a Abs. 1 EStG ergebende Steuer als Steuerschuldner tragen, so ist der angegriffene Haftungsbescheid aufzuheben. Die nach § 40 a EStG ermittelte pauschale Lohnsteuer ist eine Unternehmenssteuer eigener Art (BFH-Urteil vom 5. November 1982 VI R 219/80, BFHE 137, 46, BStBl II 1983, 91), die durch Pauschalierungssteuerbescheid festzusetzen ist (BFH-Urteil vom 28. Januar 1983 VI R 35/78, BFHE 138, 188, BStBl II 1983, 472). Einer Steuerschuldnerschaft i. S. des § 40 a Abs. 1 EStG steht nicht etwa entgegen, daß der Kläger die Pauschalierung nach dieser Vorschrift nicht durch entsprechend berichtigte Lohnsteuer-Anmeldungen vollzogen hat. Da der Kläger nach wie vor der Auffassung ist, die Voraussetzungen des § 40 a Abs. 2 EStG seien erfüllt und er schulde daher nur eine Steuer in Höhe von 2 v. H. der gezahlten Löhne, hatte er von sich aus keine Veranlassung, nachträglich eine Lohnsteuer in Höhe von 10 v. H. der Löhne (§ 40 a Abs. 1 Nr. 2 EStG) abzuführen. Die sich aus § 40 a Abs. 1 Nr. 2 EStG ergebenden Rechtsfolgen kann das FA durch Erlaß eines entsprechenden Pauschalierungssteuerbescheides vollziehen.

b) Hat der Kläger sich noch nicht eindeutig erklärt und erklärt er nunmehr vor dem FG, nicht auch Schuldner einer Steuer i. S. des § 40 a Abs. 1 EStG sein zu wollen, so kann der angegriffene Haftungsbescheid nur dann Bestand haben, wenn die Voraussetzungen des § 40 a Abs. 2 EStG nicht gegeben sind und wenn das FA von seinem pflichtgemäß auszuübenden Ermessen entsprechend den Anforderungen des BFH-Urteils vom 3. Juni 1982 VI R 48/79 (BFHE 136, 224, BStBl II 1982, 710, unter 2 der Entscheidungsgründe) fehlerfreien Gebrauch gemacht hat.

 

Fundstellen

Haufe-Index 75028

BStBl II 1984, 569

BFHE 1985, 54

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