Leitsatz (amtlich)

Hat ein in der Bundesrepublik tätiger Marokkaner nach marokkanischem Recht mit zwei Frauen gültige Ehen geschlossen und lebt er mit der zweiten Ehefrau und den Kindern aus dieser Ehe in einem den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen bildenden Hausstand am Beschäftigungsort in der Bundesrepublik, so ist auch dann keine doppelte Haushaltsführung im Sinne des § 9 Abs.1 Nr.5 EStG gegeben, wenn er den Hausstand mit seiner ersten Ehefrau in Marokko weiterhin unterhält.

 

Normenkette

EStG 1983 § 9 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 1 S. 3 Nr. 5

 

Verfahrensgang

FG Münster (Entscheidung vom 15.08.1985; Aktenzeichen III 6440/84 L)

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger), ein marokkanischer Gastarbeiter, ist seit dem Jahre 1962 mit seiner ersten Frau verheiratet und hat mit ihr drei Kinder. Er ist seit Oktober 1969 in der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) als Arbeitnehmer tätig. Im Jahre 1977 heiratete er nach marokkanischem Recht seine zweite Frau, die ebenfalls Marokkanerin ist. Diese reiste am 13.April 1979 zum inländischen Beschäftigungsort des Klägers, wo sie mit ihm und den beiden aus der zweiten Ehe stammenden Kindern lebt.

Der Kläger beantragte im Rahmen des Lohnsteuer-Jahresausgleichs 1983 Aufwendungen wegen doppelter Haushaltsführung als Werbungskosten anzuerkennen. Das wurde vom Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) abgelehnt. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Es führte in dem in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1986, 119 veröffentlichten Urteil u.a. aus:

Eine doppelte Haushaltsführung im Sinne des § 9 Abs.1 Nr.5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) setze voraus, daß der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes, an dem er einen eigenen Hausstand unterhalte, beschäftigt sei und auch am Beschäftigungsort wohne. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs --BFH-- (Urteile vom 21.Januar 1972 VI R 95/71, BFHE 104, 193, BStBl II 1972, 262, und vom 2.Februar 1979 VI R 108/75, BFHE 127, 37, BStBl II 1979, 338) müsse der Ort des eigenen Hausstandes und der Beschäftigungsort auseinanderfallen; der Steuerpflichtige dürfe jedenfalls am Beschäftigungsort nicht einen eigenen Hausstand unterhalten.

Es könne zutreffen, daß die Wohnung am Beschäftigungsort für die Unterbringung der Gesamtfamilie nicht ausreichend gewesen sei. Der Kläger hätte jedoch eine entsprechend geräumigere Wohnung nehmen können. Dafür, daß er dies nicht getan habe, seien allein private Gründe maßgeblich gewesen.

Gegen das Urteil legten die Kläger Revision ein. Sie rügen die unzutreffende Anwendung des § 9 Abs.1 Nr.5 EStG. Sie bringen u.a. vor:

Nach dem Wortlaut dieser Vorschrift könne die Art und Weise des Haushalts am Beschäftigungsort für die Anerkennung von Mehraufwendungen wegen doppelter Haushaltsführung nicht ausschlaggebend sein. Im Streitjahr 1983 habe die Aufsplitterung des Haushalts in zwei Haushalte fortbestanden. Denn es sei ihnen bislang nicht möglich gewesen, eine Wohnung zu finden, die für die Unterbringung der gesamten Familie ausreichend wäre.

Die Kläger beantragen,

die Vorentscheidung aufzuheben und Mehraufwendungen wegen doppelter Haushaltsführung in Höhe von 11 554 DM als Werbungskosten zum Abzug zuzulassen.

Das FA beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

Nach ständiger Rechtsprechung des Senats (vgl. Entscheidung in BFHE 104, 193, BStBl II 1972, 262, und Urteil des BFH vom 29.November 1974 VI R 77/73, BFHE 115, 23, BStBl II 1975, 459) setzt eine doppelte Haushaltsführung im Sinne des § 9 Abs.1 Nr.5 EStG voraus, daß der Arbeitnehmer am Beschäftigungsort wohnt, seinen Hausstand jedoch nicht am Beschäftigungsort, sondern am bisherigen Wohnort weiterhin unterhält. Es muß also zu einer Aufsplitterung der üblicherweise einheitlichen Haushaltsführung auf zwei verschiedene Haushalte gekommen sein.

Im Streitfall lebte die erste Frau des Klägers mit den drei Kindern aus dieser Ehe weiterhin in Marokko, während der Kläger mit seiner zweiten Ehefrau entsprechend den von den Klägern nicht angegriffenen Feststellungen des FG einen neuen Hausstand am Beschäftigungsort begründet hat, wo die Ehegatten zusammen mit den aus der zweiten Ehe hervorgegangenen zwei Kindern wohnen. Wie der Senat im Urteil vom 6.Dezember 1985 VI R 56/82 (BFHE 146, 39, BStBl II 1986, 390) ausgeführt hat, wird bei einer nach marokkanischem Recht wirksamen Doppelehe die zweite Ehe, jedenfalls hinsichtlich ihrer vermögens- und kindschaftsrechtlichen Wirkung, im Inland ebenfalls als Ehe im Sinne des bürgerlichen Rechts anerkannt. Entsprechend diesen Grundsätzen ist auch bezüglich der Gewährung oder Ablehnung des Abzugs von Werbungskosten wegen doppelter Haushaltsführung nach § 9 Abs.1 Nr.5 EStG die Zweitehe als wirksame Ehe anzusehen.

Es kann im Streitfall dahingestellt bleiben, ob der Kläger --was anzunehmen sein dürfte-- mit seiner ersten Frau in Marokko weiterhin einen Hausstand unterhalten hat. Geht man hiervon aus, so würde der Kläger im Streitjahr 1983 zwei Hausstände geführt haben, nämlich einen in Marokko und einen am Beschäftigungsort in der Bundesrepublik. Bei einem solchen Sachverhalt ist bei Anwendung des § 9 Abs.1 Nr.5 EStG entsprechend den Grundsätzen der Entscheidung des Senats vom heutigen Tag zu Az. VI R 32/85 (BFHE 152, 533) darauf abzustellen, wo für den Kläger im Streitjahr 1983 der Mittelpunkt seiner Lebensinteressen lag (so im Ergebnis auch Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 6.Aufl., 1987, § 9 Anm.9 b; v. Bornhaupt in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 9 Rdnr.G 300, Stichwort: Doppelehe; --Z--, Steuerberatung 1984, 187; Baum, Der Betrieb --DB-- 1983, 2438; Wolff- Diepenbrock in Littmann/Bitz/Meincke, Einkommensteuerrecht, 14.Aufl., § 9 RdNr.341; anderer Ansicht Hein, Deutsche Steuerzeitung 1983, 339, 341). Auf die vorgenannte Entscheidung des Senats wird im einzelnen Bezug genommen.

Entsprechend der allgemeinen Lebenserfahrung hatte der Kläger im Streitjahr 1983 seinen Lebensmittelpunkt im Hausstand am Beschäftigungsort, da er dort seit 1979 ständig mit seiner zweiten Ehefrau und den zwei Kindern aus dieser Ehe zusammenlebte und von dort aus täglich seiner Arbeit nachging, während er seine erste Ehefrau im Streitjahr nur einmal aufgesucht hatte. Das FG hat daher im Ergebnis zu Recht einen Abzug der vom Kläger geltend gemachten Werbungskosten nach § 9 Abs.1 Nr.5 EStG abgelehnt, weil eine doppelte Haushaltsführung im Streitjahr 1983 dem Grunde nach nicht vorlag.

Bei dieser rechtlichen Würdigung ist es ohne Bedeutung, warum es dem Kläger nicht gelungen war, für beide Ehefrauen und die Kinder aus beiden Ehen eine gemeinsame Familienwohnung am Arbeitsort zu erlangen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 62407

BStBl II 1988, 584

BFHE 152, 537

BFHE 1988, 537

DB 1988, 1527-1527 (ST)

HFR 1988, 443 (LT1)

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