Leitsatz (amtlich)

1. Der VIII. Senat tritt der Auffassung des IV. Senats in dem Urteil IV 201/65 vom 23. April 1971 (BFH 102, 488, BStBl II 1971, 686) bei, daß - bei Übertragung eines Betriebs vom Vater auf den Sohn - der Annahme einer unentgeltlichen Betriebsübertragung im Sinne des § 7 Abs. 1 EStDV nicht schon das Vorhandensein eines negativen Betriebsvermögens entgegensteht.

2. Von dieser Auffassung ist auch bei Übertragung des Mitunternehmeranteils an einem Betriebe von der Mutter auf den Sohn auszugehen, wenn auf die Beteiligung der Mutter ein negatives Kapitalkonto entfällt.

2. Beruht die Übernahme einer Kommanditbeteiligung mit negativem Kapitalkonto des ausscheidenden Kommanditisten (Mutter) durch den verbleibenden Komplementär (Sohn) auf familiären Gründen, so stellt sie einen außerbetrieblichen, den Gewinn nicht berührenden Vorgang dar (Anwendung auch der Grundsätze des BFH-Urteils IV 127/64 vom 28. Januar 1971, BFH 102, 362, BStBl II 1971, 662).

 

Normenkette

EStDV 1957 § 7 Abs. 1

 

Tatbestand

Der Steuerpflichtige betrieb - mit Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich seit 1951 - ein Einzelhandelsgeschäft für Radiogeräte in A, zunächst als Alleinunternehmer, vom 1. Januar 1953 bis zum 31. März 1957 in der Rechtsform einer KG als Komplementär und alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer gemeinsam mit seiner Mutter als Kommanditistin, danach wieder als Alleininhaber. In die KG brachte der Steuerpflichtige die Wirtschaftsgüter seines Einzelhandelsgeschäftes im Kapitalwert von rund 12 000 DM ein, die Mutter eine ihr vom Sohn aus dessen Kapitalkonto geschenkte Kommanditeinlage von 6 000 DM. Am Verlust und Gewinn waren die Gesellschafter mit je 50 v. H. beteiligt. Die Privatentnahmen waren für den Komplementär auf jährlich 3 600 DM, für die Kommanditistin auf 3 360 DM festgelegt. Das Kapitalkonto der Mutter entwickelte sich während des Bestehens der KG zu einem negativen von 14 157 DM. Die Mutter überschritt hierdurch den festgelegten Höchstbetrag der Privatentnahmen um 23 124 DM. Am 31. März 1957 schied sie als Kommanditistin unter Überlassung ihrer Beteiligung an den Steuerpflichtigen aus dem Geschäft aus, das dieser ale Alleininhaber weiterbetrieb. Sämtliche aktiven und passiven Wirtschaftsgüter der KG übernahm der Steuerpflichtige in sein Einzelhandelsgeschäft und führte sie ohne Erstellung von Abschluß- oder Vermögensbilanzen mit ihren unveränderten Buchwerten in dessen Buch- und Bilanzwerk fort. Ausgleichsansprüche gegen seine Mutter machte der Steuerpflichtige nicht geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) veranlagte ihn für das Streitjahr 1957 auf Grund einer Betriebsprüfung im Wege der Berichtigung nach § 222 Abs. 1 Nr. 1 AO.

Hierbei versagte das FA - dem Betriebsprüfer folgend - u. a. den beanspruchten gewinnmindernden Abzug für den als außerordentlichen Verlust geltend gemachten Betrag von 14 157 DM.

Nach erfolglosem Einspruch hatte die ab Inkrafttreten der FGO als Klage behandelte Berufung ebenfalls keinen Erfolg. Der Sachverhalt ist im einzelnen folgender.

1.......

II. Negatives Kapitalkonto

Nach den Feststellungen des Betriebsprüfers hatte der Steuerpflichtige in der Verlust- und Gewinnrechnung seines Einzelunternehmens für das Jahr 1957 das übernommene Minuskapital der ausgeschiedenen Mutter von 14 157 DM in voller Höhe gewinnmindernd als "außerordentlicher Verlust Minuskapital A" unter dem Gesichtspunkt abgebucht, der Ausfall seines in dieser Höhe bei Auflösung der KG bestehenden Ausgleichsanspruchs gegen die Mutter stelle wegen deren Mittellosigkeit und Fehlens stiller Reserven im Betrieb einen außerordentlichen Verlust dar. Der Betriebsprüfer vertrat hierzu die Auffassung, der Anspruch sei, selbst wenn er bestanden habe, gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG mit einem anzusetzenden Teilwert von 0 DM in das Einzelunternehmen einzulegen gewesen, so daß ein Verlust nicht entstanden sei. Das FA folgte dieser Ansicht bei der Berichtigungsveranlagung. Hiergegen machte der Steuerpflichtige im Einspruchs- und Klageverfahren geltend, die Übernahme der KG mit allen Aktiven und Passiven habe einen Kauf dargestellt, bei dem der Kaufpreis durch Übernahme der Verbindlichkeiten entrichtet worden sei. Da letztere die Besitzposten um 14 157 DM überschritten hätten, sei in Höhe dieses zunächst zu aktivierenden Mehrbetrages durch Abschreibung zum 31. Dezember 1957 auf einen anzunehmenden Teilwert von 0 DM ein mit Recht in der Verlust- und Gewinnrechnung zum 31. Dezember 1957 ausgewiesener außerordentlicher Verlust entstanden. Dem Verwandtschaftsverhältnis der Gesellschafter komme eine Bedeutung nicht zu. Im übrigen müsse berücksichtigt werden, daß Arbeitsvergütungen für seinen in der KG als Filialleiter tätigen Vater ebenfalls über das Kapitalkonto der Mutter gebucht worden seien.

Das FG nahm unter Verneinung einer entgeltlichen Übernahme der Kommanditbeteiligung einen die beanspruchte Gewinnminderung ausschließenden Privatvorgang an. Es führte im wesentlichen aus: Die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur entgeltlichen Übernahme eines durch betriebliche Verluste negativ gewordenen Kapitalkontos des ausscheidenden Kommanditisten durch den Komplementär könnten keine Anwendung finden, weil im Streitfall eine durch persönliche, familiäre Verhältnisse bestimmte Privatregelung vorgelegen habe. Das FG gelangte zu dieser Überzeugung unter Würdigung der rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten, insbesondere nahm es an, die "Privatentnahmen" der Mutter seien im Umfange ihrer bei fehlenden betrieblichen Verlusten anzunehmenden Ursächlichkeit für die Entstehung des negativen Kapitalkontos von 14 157 DM als Zuwendungen des Steuerpflichtigen an seine gesetzlich unterhaltsberechtigten Eltern im Sinne von § 12 Nr. 2 EStG anzusehen, die nicht nachträglich als betrieblicher Aufwand in der vom Steuerpflichtigen beabsichtigten Weise geltend gemacht werden könnten. Die Entwicklung des Kapitalkontos - bei einer geschenkten Einlage von 6 000 DM - unter forlaufend erheblichen Überschreitungen des festgelegten Jahreshöchstbetrages der Privatentnahmen bis zum dreifachen und darüber lasse sich nur aus den bestehenden engen familiären Beziehungen der Gesellschafter erklären. Hinzu komme, daß dadurch die im ursprünglichen Verhältnis der Kapitalanteile - neben der Mitarbeit - gegebene Grundlage für die Gewinnbeteiligung schließlich verlorengegangen sei. Der Einwand des Steuerpflichtigen, Arbeitsvergütungen für seinen seit Jahren im Betrieb als Filialleiter tätigen Vater seien ebenfalls über das Kapitalkonto der Mutter gelaufen, schließe die Annahme insoweit mittelbarer Zuwendungen an den Vater nicht aus, da offensichtlich ein steuerlich anzuerkennendes Arbeitsverhältnis nicht habe geltend gemacht werden können. Das Gesamtbild eines familiär bedingten Vorganges werde dadurch abgerundet, daß die Mutter, wie der Steuerpflichtige selbst vorgetragen habe, über Mittel zur Befriedigung einer Forderung auf Ausgleichung des negativen Kapitalkontos nicht verfügt habe. Eine Abschreibung in Höhe des negativen Kapitalkontos scheide ebenso aus wie die anderweitige Annahme eines Betriebsaufwandes.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision ist unbegründet.

Verletzungen formellen Rechtes sind nicht festzustellen. Das Revisionsvorbringen, der Tatbestand der Vorentscheidung sei um den in der Vorinstanz besonders mündlich vorgetragenen Sachverhalt eines Kaufes der KG mit Aktiven und Passiven zu ergänzen, bei Annahme eines Kaufes seien andere steuerliche Folgerungen zu ziehen, ist - als Verfahrensrüge fehlerhafter Sachverhaltsfeststellung - nicht in der gesetzlich erforderlichen Form durch Angabe von Einzeltatsachen (§ 120 Abs. 2 FGO) substantiiert erhoben worden und kann deshalb keinen Erfolg haben.

Auch in der Sache selbst kann die Revision nicht durchdringen. Zu entscheiden ist, ob der Übergang des Mitunternehmeranteils der Mutter auf den Steuerpflichtigen einen entgeltlichen oder unentgeltlichen Vorgang dargestellt hat. Bei unentgeltlicher Übertragung eines Mitunternehmeranteils tritt eine Realisierung stiller Reserven nicht ein. Der unentgeltliche Erwerber ist an die aus der bisherigen Gewinnermittlung sich ergebenden Bilanzansätze gebunden. Das ist in § 7 Abs. 1 EStDV ab 1961 ausdrücklich ausgesprochen und gilt dem Sinn und Zweck der Vorschrift in der früheren Fassung entsprechend auch für das Streitjahr 1957 (vgl. BFH-Urteil I 197/61 S vom 6. Februar 1962, BFH 74, 506, BStBl III 1962, 190: im Falle einer Anteilsübertragung vom Vater auf den Sohn im Jahre 1954; Littmann, Das Einkommensteuerrecht, 10. Aufl. 1971/72, Rdnr. 23f zu § 16; Herrmann-Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, Rdnr. 29f zu § 15 EStG). Das Vorhandensein von die Aktiven übersteigenden Passiven und eines negativen Kapitalkontos steht der Annahme eines unentgeltlichen Erwerbes nicht ohne weiteres entgegen (BFH-Urteil IV 127/64 vom 28. Januar 1971, BFH 102, 362, BStBl II 1971, 662: Übernahme eines Anteils mit negativem Kapitalkonto; BFH-Urteil IV 201/65 vom 23. April 1971, BFH 102, 488, BStBl II 1971, 686: Übernahme eines ganzen Betriebes). Erfolgt die Übernahme aus familiären Gründen, so liegt ein außerbetrieblicher Vorgang vor, der den Gewinn nicht berühren darf (vgl. BFH-Urteile IV 127/64 vom 28. Januar 1971, a. a. O.; IV 201/65 vom 23. April 1971, a. a. O.). Bei engen verwandschaftlichen Beziehungen, wie sie zwischen Eltern und Kindern bestehen, sind an den Nachweis einer entgeltlichen Vermögensübertragung besondere Anforderungen zu stellen und zu fordern, daß die Beteiligten durch eindeutige und klare Vereinbarungen zum Ausdruck bringen, daß tatsächlich ein auf Leistung und Gegenleistung beruhendes Geschäft abgeschlossen wurde, so daß das Gesamtbild eines entgeltlichen Betriebserwerbes entsteht (BFH-Urteile IV 201/65 vom 23. April 1971, a. a. O.; I R 49/69 vom 31. Mai 1972, BFH 106, 71, BStBl II 1972, 696). Im allgemeinen besteht bei Vermögensübertragungen von Eltern auf Kinder eine Vermutung der Unentgeltlichkeit (vgl. insbesondere Urteile des BFH IV 8/62 U vom 23. Januar 1964, BFH 79, 516, BStBl III 1964, 422; IV 299/62 vom 25. August 1966, BFH 86, 797, BStBl III 1966, 675; IV 190/62 vom 3. August 1966, BFH 86, 807, BStBl III 1966, 679; IV 1/65 vom 30. November 1967, BFH 91, 81, BStBl II 1968, 263). Der Senat folgt im Streitfall diesen Grundsätzen.

Die Vorentscheidung hat hiernach mit Recht einen gewinnmindernden Vorgang verneint. Ihre Auffassung, es habe sich bei der Übernahme der Kommanditbeteiligung der Mutter durch den Steuerpflichtigen um einen familiär bedingten Privatvorgang gehandelt, der ohne Gewinnauswirkung bleiben muß, ist in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht nicht zu beanstanden. Insbesondere ist für das Vorliegen eindeutiger und klarer Abmachungen über Leistung und Gegenleistung nichts vorgetragen worden noch zu ersehen.

III. und IV......

 

Fundstellen

Haufe-Index 70258

BStBl II 1973, 111

BFHE 1973, 365

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