Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerfreiheit für Sanierungsgewinn (§ 3 Nr. 66 EStG)

 

Leitsatz (NV)

1. Werden Schulden zum Zwecke der Sanierung ganz oder teilweise erlassen, so ist der hierdurch entstehende Sanierungsgewinn gemäß § 3 Nr. 66 EStG nur dann steuerfrei, wenn das Unternehmen sanierungsbedürftig und der Erlaß zur Herbeiführung der Sanierung auch geeignet ist.

2. Sanierungsbedürftigkeit ist bei einer GmbH & Co KG anzunehmen, wenn das Betriebsvermögen überschuldet (und das Unternehmen damit konkursreif) ist.

3. Ein Schulderlaß kann das wirtschaftliche Überleben nur dann sichern, wenn die Überschuldung (und damit die Konkursgefahr) dauerhaft beseitigt wird.

 

Normenkette

EStG § 3 Nr. 66

 

Verfahrensgang

FG Hamburg

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH und Co. KG, beschäftigt sich mit der . . .-Verarbeitung. Gesellschafter waren im Streitjahr 1977 neben der Komplementär-GmbH als Kommanditisten A sowie seine Ehefrau B und drei Söhne. A ist im April 1977 verstorben und von seiner Ehefrau beerbt worden. Die Gesellschaft wies negative Gesellschafterkonten auf.

Die Klägerin unterhielt ihren Betrieb in gemieteten Räumen. Vermieter war zunächst C, der Stiefvater des A, nach seinem Tode seine zweite Ehefrau D. Die Klägerin leistete Mietzahlungen nur unregelmäßig, so daß sich bis zum 31. Dezember 1976 ein Mietrückstand von 95 708 DM ergab. Nach einer Erklärung vom 15. Juli 1977 erließ die Vermieterin der Klägerin diesen Betrag zum 31. Dezember 1976 ,,zum Zwecke der Sanierung". Im gleichen Jahr erließ auch ein Gesellschafter eine Darlehensforderung von 82 592 DM. Die Klägerin wies danach in ihrer Handelsbilanz zum 31. Dezember 1976 einen Gewinn von 483 722 DM aus.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) erfaßte den Verzicht auf den Mietrückstand erst in der einheitlichen Gewinnfeststellung für 1977 als gewinnerhöhenden Geschäftsvorfall. Die Klägerin sah darin einen Sanierungsvorgang oder doch einen als Einlage zu behandelnden Erlaß aus privaten Gründen. Ihre Klage wurde durch das Finanzgericht (FG) jedoch abgewiesen.

Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts.

Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils, die Gewinnfeststellung 1977 zu ändern und in Höhe von 95 708 DM eine steuerfreie Vermögensmehrung anzunehmen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

1. Das FG hat erwogen, daß der von der Vermieterin ausgesprochene Forderungsverzicht eine auf privaten, verwandtschaftlichen Motiven beruhende Zuwendung an die Kommanditisten der Klägerin darstelle und die bei der Klägerin eingetretene Vermögensmehrung auf einer gewinneutralen Einlage dieser Gesellschafter i. S. von § 4 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) beruhe. Die Vorinstanz hat deswegen die Vermieterin sowie die Steuerberater der Klägerin und der Vermieterin als Zeugen gehört. Als Ergebnis der Beweisaufnahme hat es festgestellt, daß die Verhandlungen zwischen der Klägerin und der Vermieterin über den Erlaß der rückständigen Mietforderung ,,wie unter Fremden" geführt worden seien und daß deshalb die steuerlichen Folgen nicht eintreten könnten, die ein Erlaß aus verwandtschaftlichen Gründen habe.

Darin liegen tatsächliche Feststellungen über die Handlungsmotive der Vermieterin, an die das Revisionsgericht mangels durchgreifender Verfahrensrügen der Klägerin gemäß § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gebunden ist. Vom Senat kann nur geprüft werden, ob das FG seine Feststellungen unter Verstoß gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze gewonnen hat. Die Revision rügt in diesem Zusammenhang, daß die vom FG angeführte Gestaltung der Verhandlungen ,,wie unter Fremden" lediglich die formale Abwicklung des Erlaßvorganges durch einen gesonderten, schriftlichen Vertrag betreffe, über die Motive der Erlaßgewährung aber nichts aussage.

Was die erwähnte Äußerung bedeutete, hatte das FG nach dem Zusammenhang und aus dem Gesamteindruck der Zeugenaussage zu entscheiden. Es hat darin nicht nur einen Hinweis auf die technische Abwicklung, sondern auch auf die Motive der Vermieterin gesehen. Diese Würdigung ist möglich, wenn nicht naheliegend, und für den Senat verbindlich. Nach Lage der Dinge konnte die Vermieterin den Schulderlaß auch zur Stärkung der Klägerin gewährt haben, um damit das Fortbestehen des Mietverhältnisses über das Betriebsgebäude zu sichern, dessen anderweitige Verwendung Schwierigkeiten bereiten konnte.

2. Zu Recht hat das FG auch entschieden, daß es sich bei dem aus dem Schulderlaß entstandenen Gewinn nicht um einen Sanierungsgewinn i. S. von § 3 Nr. 66 EStG handelt.

Nach dieser Bestimmung ist eine Erhöhung des Betriebsvermögens steuerfrei, die dadurch entsteht, daß Schulden zum Zwecke der Sanierung ganz oder teilweise erlassen werden. Während es nach dem Gesetzeswortlaut nur darauf ankommt, daß der Gläubiger der Forderung den Erlaß mit dem Schuldner in Sanierungsabsicht vereinbart hat, macht die Rechtsprechung die Steuerbefreiung zusätzlich davon abhängig, daß das Unternehmen sanierungsbedürftig und der Erlaß zur Herbeiführung der Sanierung auch geeignet ist (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 22. November 1983 VIII R 14/81, BFHE 140, 521, BStBl II 1984, 472; vom 22. Januar 1985 VIII R 37/84, BFHE 143, 420, BStBl II 1985, 501). Dies rechtfertigt sich aus dem Ziel der in § 3 Nr. 66 EStG gewährten Steuerbefreiung, das darin besteht, das Unternehmen als Faktor des Wirtschaftslebens, insbesondere als Quelle von Einkünften des Unternehmens und seiner Arbeitnehmer und mittelbar auch seiner Geschäftspartner ,,am Leben zu erhalten" (BFH-Urteil vom 7. Februar 1985 IV R 177/83, BFHE 143, 531, BStBl II 1985, 504). Der Verzicht auf den Steueranspruch ist nur gerechtfertigt, wenn die vorausgesetzte Ausnahmesituation tatsächlich besteht und der Schulderlaß die Gesundung des Unternehmens herbeiführen kann.

Das FG ist zugunsten der Klägerin davon ausgegangen, daß die Vermieterin in Sanierungsabsicht gehandelt habe. Zwar findet sich, wie die Revision zu Recht bemerkt hat, auf Seite 16 der Urteilsgründe die Bemerkung, es habe an der Sanierungsabsicht gefehlt. Dabei handelt es sich aber offensichtlich um ein Versehen. Denn auf derselben und der folgenden Seite der Urteilsgründe hat das FG unter Würdigung der Zeugenaussagen eingehend seine Überzeugung begründet, daß die Vermieterin in Sanierungsabsicht gehandelt habe.

Das FG hat auch angenommen, daß das Unternehmen der Klägerin wegen der bestehenden Überschuldung im Hinblick auf die §§ 130a, 177a des Handelsgesetzbuchs (HGB) sanierungsbedürftig gewesen sei. Nach diesen, durch Gesetz vom 29. Juli 1976 (BGBl I 1976, 2034) angeführten Bestimmungen muß eine KG, bei der zwar eine natürliche Person Kommanditist, nicht aber persönlich haftender Gesellschafter ist, die Eröffnung des Konkursverfahrens oder des gerichtlichen Vergleichsverfahrens beantragen, wenn ihr Vermögen nicht mehr die Schulden deckt. Dementsprechend sieht § 209 Abs. 1 der Konkursordnung (KO) in der Fassung des erwähnten Gesetzes vor, daß über das Vermögen einer so gestalteten KG bei Überschuldung ein Konkursverfahren stattfindet. Eine Gesellschaft in dieser Lage mag unabhängig von ihrer Liquidität und ihrer Ertragslage in ihrem Bestand bedroht und deshalb sanierungsbedürftig sein. Allerdings ist strittig, wie die Überschuldung der Gesellschaft festzustellen ist, nämlich ob dabei mit dem FG von den Bilanzwerten ausgegangen werden kann oder ob es auf den Fortführungswert des Unternehmens ankommt, zusätzlich zu den in den Buchwerten enthaltenen stillen Reserven also auch ein selbstgeschaffener Geschäftswert zu berücksichtigen ist (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs vom 27. Oktober 1982 VIII ZR 187/81, Neue Juristische Wochenschrift 1983, 676; zum Meinungsstand Scholz /Karsten Schmidt, Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, 4. Aufl., § 63 Anm. 11 ff.). Darauf braucht vorliegend jedoch nicht eingegangen zu werden. Denn das FG hat zu Recht die Sanierungseignung getroffener Maßnahmen verneint.

Der Schulderlaß konnte das wirtschaftliche Überleben der Klägerin nur dann sichern, wenn er die Überschuldung und damit die Konkursgefahr dauerhaft beseitigte. Dies ist, wie das FG ausgeführt hat, nicht geschehen. Der Schulderlaß hat bereits die rechnerische Überschuldung im Jahr 1977 nicht beseitigt. Nach den unwidersprochenen Feststellungen des FG betrug das Negativkapital zum 31. Dezember 1977 noch immer 104 000 DM. Der Fehlbetrag hat sich danach noch vergrößert und ist bis zum 31. Dezember 1979 auf 471 000 DM angewachsen. Diese Entwicklung ist, wie das FG hervorgehoben hat, vor allem auf das Entnahmeverhalten der Gesellschafter zurückzuführen. Der von der Vermieterin gewährte Erlaß konnte in dieser Lage nur eine Erleichterung, aber keine durchgreifende Sanierungsmaßnahme zur dauerhaften Abwehr der Konkursgefahr bedeuten; nur eine derartige Maßnahme wäre aber nach § 3 Nr. 66 EStG begünstigt gewesen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 414535

BFH/NV 1987, 635

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