Entscheidungsstichwort (Thema)

Leistungsort: Reisebetreuung durch angestellte Reiseleiter, unterrichtende Leistungen, unterhaltende Leistungen, ähnliche Leistungen

 

Leitsatz (amtlich)

Reisebetreuungsleistungen von angestellten Reiseleitern werden am Unternehmersitz des Reiseveranstalters ausgeführt.

 

Orientierungssatz

§ 3a Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a UStG 1980 setzt die Bestimmung über den Dienstleistungsort in Art. 9 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. c der 6. EG-Richtlinie um. Die nationale Vorschrift ist unter Beachtung der maßgebenden gemeinschaftsrechtlichen Vorschrift auszulegen. Unterrichtende Leistungen liegen vor, wenn der Unternehmer planmäßig ein bestimmtes Lernziel vermittelt. Unterhaltende Leistungen müssen keinen künstlerischen Rang erreichen, sondern nur ein gehobenes Interesse befriedigen. Für die in § 3a Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a UStG 1980 bezeichneten "ähnlichen Leistungen" kommt es auf die Ähnlichkeit der Leistung, nicht auf eine Ähnlichkeit mit anderen Berufen an. Die ähnlichen Tätigkeiten setzen, wenn sie an den ausdrücklich bezeichneten sportlichen und unterhaltenden Leistungen gemessen werden, kein besonderes geistiges Niveau und keine besondere Ausbildung voraus.

 

Normenkette

UStG 1980 § 3a Abs. 1, 2 Nr. 3 Buchst. a; EWGRL 388/77 Art. 9 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. c

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) veranstaltet Reisen und nimmt Reisevorleistungen dritter Unternehmer in Anspruch. Sie versteuert diese Reiseleistungen nach § 25 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1980. Die Reisenden wurden in den Streitjahren 1981 bis 1984 von bei der Klägerin angestellten Reiseleitern auf Auslandsreisen betreut. Die Reiseleiter bemühten sich vom Beginn der Reise im Erhebungsgebiet an und am Aufenthaltsort im Außengebiet um das Wohl der Reisenden. Sie kümmerten sich um die Zimmerverteilung, die Gepäckbeförderung, die Essenszeiten, regelten Beschwerden, berieten die Reisenden bei Besichtigungen, gaben ihnen dafür Informationen und erklärten ihnen Sehenswürdigkeiten, Landschaften und Landesgeschichte. Der Anteil der Aufwendungen für die bezeichneten Reiseleiter betrug in den Streitjahren 1981 bis 1984 2,56 v.H. bis 2,82 v.H. der Gesamtaufwendungen. Die Klägerin war der Auffassung, sie habe mit der Tätigkeit ihrer Reiseleiter nichtsteuerbare Leistungen im Außengebiet bewirkt (§ 3a Abs.2 Nr.3 Buchst.a UStG 1980). Dagegen besteuerte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) diese Leistungen als nach § 3a Abs.1 Satz 1 UStG 1980 im Erhebungsgebiet ausgeführte sonstige Leistungen. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) bestätigte die Beurteilung des FA, daß die Klägerin durch ihre Reiseleiter nach den allgemeinen Vorschriften zu versteuernde und an ihrem Unternehmersitz im Erhebungsgebiet steuerbare (§ 3a Abs.1 Satz 1 UStG 1980) Leistungen ausgeführt habe. Die Leistungen seien, so führte das FG weiter aus, keine nach § 3a Abs.2 Nr.3 Buchst.a UStG 1980 bezeichneten "unterhaltenden oder ähnliche Leistungen". Damit seien nach richtlinienkonformer Auslegung nur Tätigkeiten "auf dem Gebiet der Kultur" (Art.9 Abs.2 Buchst.c der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17.Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage; 77/388/EWG --6.EG-Richtlinie--, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 1977 Nr.L 145, S. 1) gemeint.

Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung sachlichen Rechts. Dazu führt sie zur Begründung u.a. aus: Ihre Leistungen mit Hilfe ihrer Reiseleiter seien als unterrichtende, unterhaltende oder ähnliche Leistungen im Außengebiet ausgeführt worden (§ 3a Abs.2 Nr.3 Buchst.a UStG 1980). Die Vorschrift regele den Leistungsort nicht nur für Künstler. Sie beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Umsatzsteuer für 1981 bis 1984 ohne die Umsätze für Reiseleiterleistungen festzusetzen.

Das FA ist der Revision entgegengetreten.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist unbegründet (§ 126 Abs.2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zutreffend entschieden, daß Reisebetreuungsleistungen bei Besichtigungsreisen durch angestellte Reiseleiter nicht nach § 3a Abs.2 Nr.3 Buchst.a UStG 1980 an dem Ort ausgeführt werden, an den die Reise jeweils führt, sondern daß diese Leistungen nach § 3a Abs.1 Satz 1 UStG 1980 an dem Ort bewirkt werden, an dem der Unternehmer sein Unternehmen betreibt.

1. Die Betreuungsleistungen durch angestellte Reiseleiter unterliegen nicht der Differenzbesteuerung nach § 25 Abs.1 UStG 1980 (vgl. zur Differenzbesteuerung von Reiseleistungen: Beschluß des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 21.Januar 1993 V B 95/92, nicht veröffentlicht). Diese besondere Besteuerung findet nicht auf Leistungen eines Reiseunternehmers Anwendung, die dieser mit eigenen Mitteln, z.B. mit angestellten Reiseleitern erbringt (vgl. auch Abschn.272 Abs.7 Umsatzsteuer-Richtlinien --UStR-- 1985/1992; Plückebaum/Malitzky, Umsatzsteuergesetz (Mehrwertsteuer), Kommentar, 10.Aufl., § 25 Rz.51). Für mit eigenen Mitteln ohne Inanspruchnahmen von Reisevorleistungen erbrachte Leistungen gelten die allgemeinen Vorschriften, insbesondere über den Ort der sonstigen Leistung nach § 3a UStG 1980 (vgl. dazu BFH-Urteil vom 20.November 1975 V R 138/73, BFHE 118, 99, BStBl II 1976, 307).

2. Die von der Klägerin ausgeführten Betreuungsleistungen bei Besichtigungsreisen in das Außengebiet sind an ihrem Unternehmersitz im Erhebungsgebiet (§ 3a Abs.1 UStG 1980) bewirkt worden. Der Unternehmersitz als Leistungsort wird im Streitfall nicht durch den Tätigkeitsort verdrängt (vgl. § 3a Abs.2 vor Nr.1 UStG 1980), der für Leistungen nach § 3a Abs.2 Nr.3 Buchst.a UStG 1980 maßgebend ist, weil die Klägerin durch ihre Reiseleiter keine in dieser Vorschrift bezeichneten Leistungen ausgeführt hat.

Der Tätigkeitsort als Leistungsort gilt --soweit im Streitfall von Bedeutung-- für unterrichtende, unterhaltende und ähnliche Leistungen (§ 3a Abs.2 Nr.3 a UStG 1980). Die Vorschrift setzt die Bestimmung über den Dienstleistungsort in Art.9 Abs.2 Nr.3 Buchst.c der 6.EG-Richtlinie um. Die nationale Vorschrift ist unter Beachtung der maßgebenden gemeinschaftsrechtlichen Vorschrift auszulegen. Nach Art.9 Abs.2 Nr.3 Buchst.c der 6.EG-Richtlinie gilt als Ort für Tätigkeiten --soweit im Streitfall von Bedeutung-- "auf dem Gebiet der Kultur, der Künste, des Sports, des Unterrichts, der Unterhaltung oder ähnliche Tätigkeiten", der Ort, an dem diese Dienstleistungen tatsächlich bewirkt werden. Diese Voraussetzungen erfüllen die Leistungen nicht, die die Klägerin mit Hilfe ihrer Reiseleiter bei Besichtigungsreisen im Ausland gemacht hat.

a) Die Klägerin hat mit Hilfe ihrer Reiseleiter keine unterrichtenden Leistungen erbracht. Bei diesen Leistungen vermittelt der Unternehmer planmäßig ein bestimmtes Lernziel. Die Leistungen der Klägerin durch ihre Reiseleiter sind aber auf eine reibungslose Abwicklung der Besichtigungsreise und auf reiseerleichternde Erläuterungen, Hinweise und Informationen gerichtet.

b) Die Klägerin hat mit Hilfe ihrer Reiseleiter auch keine unterhaltenden Leistungen an die Reisenden ausgeführt. Zu Recht hat das FG entschieden, daß unterhaltende Leistungen keinen künstlerischen Rang erreichen, sondern nur ein gehobenes Interesse befriedigen müssen. In der Literatur werden beispielhaft Leistungen im Bereich der "Kleinkunst" durch Entertainer, Conferenciers, Chansonniers, Schlagersänger, Variete- und Zirkusakteure genannt (Giesberts in Rau/Dürrwächter/Flick/ Geist, Umsatzsteuergesetz (Mehrwertsteuer), Kommentar, 6.Aufl., § 3a Rz.117, Stichwort: Unterhaltende Tätigkeit). Die Leistungen, die die Klägerin mit Hilfe der Reiseleiter ausführt, dienen der Organisation und der Information, aber nicht der Unterhaltung.

c) Die Klägerin hat mit Hilfe ihrer Reiseleiter auch keine der in § 3a Abs.2 Nr.3 Buchst.a UStG 1980 bezeichneten "ähnlichen Leistungen" ausgeführt. Dafür kommt es auf die Ähnlichkeit der Leistung, nicht auf eine Ähnlichkeit mit anderen Berufen an (vgl. Schöll in Sölch/Ringleb/List, Umsatzsteuergesetz, 4.Aufl., § 3a Anm.37). Bei der Auslegung spielt weiter eine Rolle, daß die Vorschrift die überwiegend persönlichkeitsbezogene, ohne standortgebundenes Unternehmensvermögen ausgeführte Leistung an dem Ort erfassen will, an dem sie in Konkurrenz zu anderen ortsansässigen Unternehmern ausgeführt wird (vgl. dazu Wachweger, 6.EG-Richtlinie, S.46, 47 Anm. zu Art.9 Abs.1, Abs.2 Buchst.c; Giesberts, a.a.O., Rz.112). Dort ist auch der Abzug der Vorsteuerbeträge für bezogene Leistungen möglich. Die ähnlichen Tätigkeiten setzen, wenn sie an den ausdrücklich bezeichneten sportlichen und unterhaltenden Tätigkeiten gemessen werden, kein besonderes geistiges Niveau und keine besondere Ausbildung voraus. Die Finanzverwaltung wendet die Vorschrift deshalb z.B. für die Leistungen von Fotomodellen zur Herstellung von Werbemitteln an (vgl. Schreiben des Bundesministers der Finanzen --BMF-- vom 11.November 1982, BStBl I 1983, 261). In der Literatur wird sie für Leistungen von Hellsehern (vgl. Bunjes/Geist, Umsatzsteuergesetz, 4.Aufl., § 3a Anm.7) für anwendbar gehalten. Stets handelt es sich um Leistungen, die, wenn sie von der ausführenden Person selbständig erbracht werden, einen eigenständigen Gehalt haben und dem jeweiligen Tätigkeitsort zurechenbar sind. Die Leistungen, die die Klägerin mit Hilfe ihrer angestellten Reiseleiter während einer (z.B. durch mehrere Länder führenden) Auslandsreise erbracht hat, sind auf die reibungslose Abwicklung der Reise für die Reisegäste gerichtet. Die Klägerin will ihren Reisegästen mit Hilfe ihrer angestellten Reiseleiter Reisebeschwernisse abnehmen und die Veranstaltung der Reise "vor Ort" abwickeln. Die Leistungen zielen auf die Betreuung der Reisenden (z.B. bei der Gepäckbeförderung, der Hotelunterbringung, der Durchführung von Ausflügen, der Abhilfe von Beschwerden) ab. Selbst wenn die Reiseleistung auch die Information der Reisenden einschließt, bleibt die Betreuung der Reisenden und die Gewährleistung eines reibungslosen Reiseablaufs Schwerpunkt der Leistung bei Besichtigungsreisen. Reisebetreuungsleistungen sind deshalb keine Leistungen, die unterhaltenden Leistungen ähnlich sind.

4. Die Klägerin hat die Reisebetreuungsleistungen durch ihre angestellten Reiseleiter an ihrem Unternehmersitz im Erhebungsgebiet ausgeführt (vgl. dazu auch Plückebaum/Malitzky, a.a.O., § 3a Rz.255; § 25 Rz.53). Dieser Leistungsort ist maßgebend, wenn nach § 3a Abs.2 bis Abs.4 UStG 1980 keine anderen Leistungsorte in Betracht kommen (vgl. BFH-Urteil vom 26.März 1992 V R 16/88, BFHE 168, 458, BStBl II 1992, 929).

 

Fundstellen

BStBl II 1994, 272

BFHE 172, 240

BFHE 1994, 240

BB 1994, 58

BB 1994, 920

BB 1994, 920-921 (LT)

DStR 1994, 285 (KT)

HFR 1994, 158-159 (LT)

StE 1994, 8 (K)

WPg 1994, 326 (L)

StRK, R.8 (LT)

KFR, 1/94, S 70-80 (H 3/1994) (LT)

UVR 1994, 52 (K)

UStR 1994, 77 (KT)

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