Entscheidungsstichwort (Thema)

§ 3 Nr.9 EStG auf Sondervergütungen eines angestellten Kommanditisten nicht anwendbar

 

Leitsatz (amtlich)

Abfindungen, die der bei einer KG angestellte Kommanditist aus Anlaß der Auflösung seines Dienstverhältnisses bezogen hat, gehören zu den Sondervergütungen i.S. des § 15 Abs.1 Nr.2 EStG. Sie sind nicht nach § 3 Nr.9 EStG steuerbefreit.

 

Normenkette

EStG § 3 Nr. 9, § 15 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 1 S. 1 Nr. 2

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war seit 1968 Angestellter einer 1985 vollbeendeten KG. Seit 1970 war er auch mit 75 v.H. des Festkapitals als Kommanditist an der KG beteiligt.

Im Streitjahr 1983 wurde der Arbeitsvertrag zwischen dem Kläger und der KG im gegenseitigen Einvernehmen aufgehoben, nachdem es zuvor zwischen dem Kläger und der persönlich haftenden Gesellschafterin zu tiefgreifenden Meinungsverschiedenheiten und Spannungen gekommen war. Als Ausgleich für den Verlust des Arbeitsplatzes gewährte die KG dem Kläger eine Abfindung von 200 000 DM.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) rechnete die Abfindung in dem angefochtenen Gewinnfeststellungsbescheid 1983 in voller Höhe als steuerpflichtige Tätigkeitsvergütung i.S. von § 15 Abs.1 Nr.2 Halbsatz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) dem Kläger zu. Der Einspruch hatte insoweit Erfolg, als das FA für die Abfindung den ermäßigten Steuersatz nach § 34 Abs.2 Nr.2 EStG gewährte; den Antrag des Klägers, die Abfindung in Höhe von 24 000 DM gemäß § 3 Nr.9 EStG steuerfrei zu belassen, lehnte es ab.

Die Klage blieb erfolglos.

Mit der Revision rügt der Kläger Verletzung materiellen Rechts (§§ 3 Nr.9, 15 Abs.1 Nr.2 Halbsatz 2 EStG, §§ 1, 2 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung --LStDV--).

Der Kläger beantragt sinngemäß,

unter Aufhebung der Vorentscheidung den

Gewinnfeststellungsbescheid 1983 vom 27. Februar 1991 in

Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18. März 1991 unter

Berücksichtigung des in § 3 Nr.9 EStG gewährten

Freibetrages abzuändern.

Das FA beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Sie war deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs.2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

Die vom Kläger bezogene Abfindung ist nicht nach § 3 Nr.9 EStG in Höhe von 24 000 DM steuerbefreit.

1. Die Abfindung gehört zu den Sondervergütungen i.S. von § 15 Abs.1 Nr.2 Halbsatz 2 EStG und damit zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb. Sie ist von einem Mitunternehmer aufgrund seiner Tätigkeit im Dienste der Gesellschaft bezogen (zum Arbeitslohn als Tätigkeitsvergütung bei einem Kommanditisten vgl. z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 12. Februar 1992 XI R 49/89, BFH/NV 1993, 156, m.w.N.).

Entgegen der Ansicht des Klägers liegen Sondervergütungen nicht nur hinsichtlich des laufenden Arbeitslohnes vor; zu ihnen gehören auch die nach § 19 Abs.1 Satz 2 EStG als Arbeitslohn zu erfassenden einmaligen Bezüge (vgl. z.B. Niedersächsisches Finanzgericht --FG--, Urteil vom 23. Februar 1995 XII 198/91, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 1995, 878, und FG Köln, Urteil vom 20. September 1995 12 K 3591/93, EFG 1996, 9; Schmidt, Einkommensteuergesetz, 14.Aufl., § 15 Rdnr.584).

2. Die Abfindung ist nicht nach § 3 Nr.9 EStG teilweise steuerfrei.

a) Nach § 3 Nr.9 EStG sind Abfindungen wegen einer vom Arbeitgeber veranlaßten oder gerichtlich ausgesprochenen Auflösung des Arbeitsverhältnisses bis zu einem Betrag von höchstens 24 000 DM steuerfrei. Im Streitfall hat der Arbeitgeber die Aufhebung des Arbeitsverhältnisses veranlaßt. Das ist zwischen den Beteiligten unstreitig.

b) § 3 Nr.9 EStG ist aber auf Sondervergütungen nicht anwendbar.

Das ergibt sich zwar nicht unmittelbar aus dem Wortlaut dieser Vorschrift; ein Arbeitsverhältnis bleibt ein solches auch dann, wenn die Vergütungen hieraus nach § 15 Abs.1 Nr.2 Halbsatz 2 EStG in Sonderbetriebseinnahmen umqualifiziert werden (zum Verhältnis von gesellschaftsvertraglichen und schuldrechtlichen Beziehungen bei Personengesellschaften vgl. BFH-Beschluß vom 25. Februar 1991 GrS 7/89, BFHE 163, 1, BStBl II 1991, 691 unter C. II. 3. der Gründe, m.w.N.). Die Steuerbefreiung einer an Arbeitnehmer-Kommanditisten geleisteten Abfindung würde auch dem Zweck des § 3 Nr.9 EStG nicht zuwiderlaufen. Zweck der Vorschrift ist es, die einem Steuerpflichtigen für den Verlust des Arbeitsplatzes gewährte Abfindung nicht durch deren steuerliche Belastung teilweise wieder rückgängig zu machen (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 27. April 1994 XI R 41/93, BFHE 174, 352, BStBl II 1994, 653 unter II. 2. c der Gründe; vom 16. Dezember 1992 XI R 33/91, BFHE 170, 369, BStBl II 1993, 447); diese Nachteile können bei einem Arbeitnehmer-Kommanditisten zu einer ebenso großen sozialen Härte führen wie bei anderen Arbeitnehmern (vgl. aber auch Niedersächsisches FG, EFG 1995, 878, und FG Köln, EFG 1996, 9). Die Steuerbefreiung von Abfindungen, die im Rahmen des Arbeitsverhältnisses einer Personengesellschaft mit ihrem Gesellschafter an diesen geleistet werden, würde jedoch dem Zweck des § 15 Abs.1 Nr.2 Halbsatz 2 EStG widersprechen. Über diese Sonderregelung soll der Mitunternehmer im Bereich der Tätigkeitsvergütungen dem Einzelunternehmer gleichgestellt werden (BFH in BFHE 163, 1, BStBl II 1991, 691 unter C. II. 3. der Gründe; vgl. auch Urteil vom 11. März 1992 XI R 57/89, BFHE 168, 74, BStBl II 1992, 798 unter II. 3. b der Gründe); außerdem sollen die Gesellschafter unabhängig davon gleichbehandelt werden, ob ihre Leistung von der Gesellschaft in der Form eines Gewinnvorab oder in der Form eines schuldrechtlichen Entgelts abgegolten wird (BFH-Urteil vom 11. Dezember 1986 IV R 222/84, BFHE 149, 149, BStBl II 1987, 553 unter 4. a der Gründe; Schmidt, a.a.O., § 15 Rdnr.561, m.w.N.). Beides steht der Anwendbarkeit von § 3 Nr.9 EStG entgegen. Der Einzelunternehmer kann keine Verträge mit sich selbst abschließen; er kann deshalb auch keine --steuerfreie-- Abfindung für seine Arbeitsleistung beziehen. Wie bei der Vereinbarung eines Gewinnvorab erhält der Gesellschafter seine Gegenleistung in der Form eines Unternehmerlohns; die Abfindung ist deshalb nach den für den Unternehmerlohn und nicht nach den für Arbeitslohn geltenden Grundsätzen zu besteuern. Aus demselben Grund hat der BFH bereits in seinem Urteil vom 8. April 1992 XI R 37/88 (BFHE 167, 522, BStBl II 1992, 812) die in § 3 Nr.62 EStG enthaltene Steuerbefreiung für Sozialversicherungsbeiträge eines Arbeitnehmers nicht auf Sondervergütungen angewandt.

Der erkennende Senat folgt damit im Ergebnis der ganz herrschenden Meinung (Niedersächsisches FG, EFG 1995, 878; FG Köln, EFG 1996, 9; Altehoefer in Lademann/Söffing, Einkommensteuergesetz, § 3 Anm.59; Bergkemper in Herrmann/Heuer/ Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 21.Aufl., § 3 Nr.9 EStG Anm.6, 12; Erhard in Blümich, Einkommensteuergesetz, 15.Aufl., § 3 Rdnr.16; Meincke in Littmann/Bitz/Hellwig, Das Einkommensteuerrecht, 15.Aufl., § 3 EStG Rdnr.43; Offerhaus, Deutsche Steuer-Zeitung 1981, 445, 446; Scholtz in Hartmann/Böttcher/ Nissen/Bordewin, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 3 Rdnr.17 b; anderer Ansicht von Beckerath in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 3 Rdnr.B 9/41 "Mitunternehmer"; Schindhelm/Grothe, Der Betrieb 1989, 700).

3. Ob aus diesen Gründen bei Abfindungen, die zu den Sondervergütungen gehören, auch die Anwendung eines ermäßigten Steuersatzes gemäß § 34 Abs.2 Nr.2 i.V.m. § 24 Nr.1 Buchst.a EStG ausgeschlossen ist (so z.B. FG Köln, EFG 1996, 9), kann der Senat im Streitfall offenlassen. Das FA hat im Rahmen der Gewinnfeststellung für die KG entschieden, daß dem Kläger die Tarifermäßigung zu gewähren sei.

 

Fundstellen

Haufe-Index 65812

BFH/NV 1996, 329

BStBl II 1996, 515

BFHE 180, 371

BFHE 1997, 371

BB 1996, 1812

BB 1996, 1812-1813 (Leitsatz und Gründe)

DB 1996, 1757 (Leitsatz und Gründe)

DStR 1996, 1358-1359 (Kurzwiedergabe)

DStZ 1996, 660 (Kurzwiedergabe)

HFR 1996, 725-726 (Leitsatz)

StE 1996, 558 (Kurzwiedergabe)

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