Entscheidungsstichwort (Thema)

(Nichtrechtsfähige Zusatzversorgungseinrichtung des öffentlichen Dienstes als Pensionskasse)

 

Leitsatz (amtlich)

Pensionskasse i.S. des § 40b Abs. 1 Satz 1 EStG kann auch eine nichtrechtsfähige Zusatzversorgungseinrichtung des öffentlichen Dienstes sein (Bestätigung des Erlasses des Bundesministers der Finanzen vom 10. April 1980 IV B 6 - S 2373 - 13/80, BStBl I 1980, 230).

 

Normenkette

EStG §§ 4c, 40b Abs. 1 S. 1; BetrAVG § 1 Abs. 3

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) war zunächst Mitglied der Zusatzversorgungskasse (ZVK) der Stadt W, einer nichtrechtsfähigen Versorgungseinrichtung des öffentlichen Dienstes. Mit der Mitgliedschaft verfolgte sie den Zweck, ihren Arbeitnehmern bei Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis einen zusätzlichen Versorgungsanspruch zu verschaffen. Nachdem der Rat der Stadt W beschlossen hatte, die ZVK zum 31. Dezember 1982 aufzulösen, schlossen die ZVK und die RZVK, die ebenfalls eine nichtrechtsfähige Versorgungseinrichtung des öffentlichen Dienstes ist, eine Verwaltungsvereinbarung des Inhalts, daß sämtliche Versicherungsverhältnisse einschließlich der bereits laufenden Rentenfälle sowie das gesamte Vermögen der ZVK zum 1. Januar 1983 auf die RZVK übergeleitet werden. Die bisherigen Mitglieder der ZVK wurden ab dem 1. Januar 1983 Mitglieder der RZVK.

Im Rahmen der Aufnahmevereinbarung vom November 1982 verpflichtete sich die Klägerin, zum Ausgleich des auf sie entfallenden "versicherungsmathematischen Mindervermögens der ZVK" an die RZVK einen am 31. Dezember 1982 fälligen Betrag von .... DM zu zahlen. Dieser Betrag wurde in der Weise gestundet, daß auf die Dauer von zehn Jahren --erstmals am 1. Februar 1983-- eine gleichbleibende monatliche Rate von ... DM zu zahlen war.

Im Anschluß an eine bei der Klägerin durchgeführte Lohnsteueraußenprüfung sah der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) die Zahlungen, die aufgrund der Vereinbarung vom November 1982 in den Streitjahren 1983 bis 1987 an die RZVK geleistet worden waren, als Zukunftssicherungsleistungen der Klägerin zugunsten ihrer Arbeitnehmer und damit als lohnsteuerpflichtigen Arbeitslohn an. Er erließ Pauschalierungsbescheide, in denen er die Sonderzahlungen an die RZVK, soweit sie nicht steuerfrei waren, gemäß § 40b des Einkommensteuergesetzes (EStG) pauschal mit 10 v.H. besteuerte.

Zur Begründung der Klage machte die Klägerin geltend, bei den Sonderzahlungen handele es sich nicht um Arbeitslohn ihrer Arbeitnehmer, da bei diesen eine Vermögensvermehrung nicht eingetreten sei. Ihnen sei nichts zugeflossen, da die Ansprüche gegen die RZVK unberührt geblieben seien. Eine Zuwendung an ihre Arbeitnehmer sei allenfalls durch die Aufnahmevereinbarung vom November 1982 erfolgt; insoweit sei Festsetzungsverjährung eingetreten.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt und hob die Pauschalierungsbescheide auf. Es entschied, die Voraussetzungen des § 40b Abs. 1 Satz 1 EStG für eine Pauschalierung der Lohnsteuer lägen nicht vor, da die nichtrechtsfähige RZVK keine Pensionskasse im Sinne dieser Vorschrift sei. Nach der Legaldefinition in § 1 Abs. 3 Satz 1 des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (BetrAVG) sei eine Pensionskasse nur eine rechtsfähige Versorgungseinrichtung. Die Begriffsbestimmung des BetrAVG sei auch für die Auslegung des § 40b Abs. 1 Satz 1 EStG maßgebend, denn § 40b EStG sei durch § 19 Nr. 4 BetrAVG in das EStG eingefügt worden (s. BGBl I 1974, 3610, 3621), d.h. selbst Teil des BetrAVG.

Das FA rügt mit seiner Revision eine fehlerhafte Anwendung des § 40b Abs. 1 EStG.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise, die Sache zur erneuten Verhandlung an das FG zurückzuverweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Entgegen der Auffassung der Vorinstanz und in Übereinstimmung mit dem Erlaß des Bundesministers der Finanzen vom 10. April 1980 IV B 6 - S 2373 - 13/80 (BStBl I 1980, 230) können auch Zuwendungen des Arbeitgebers an nichtrechtsfähige Zusatzversorgungseinrichtungen des öffentlichen Dienstes für die Zukunftssicherung seiner Arbeitnehmer, soweit sie unter den in dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 15. Juli 1977 VI R 109/74 (BFHE 123, 37, BStBl II 1977, 761) dargestellten Voraussetzungen Arbeitslohn sind, nach § 40b Abs. 1 EStG lohnversteuert werden.

1. Nach § 40b Abs. 1 Satz 1 EStG in der für die Streitjahre 1983 bis 1987 gültigen Fassung kann der Arbeitgeber die Lohnsteuer von Zuwendungen an eine Pensionskasse mit einem Pauschsteuersatz von 10 v.H. der Beiträge und Zuwendungen erheben, soweit diese nicht steuerfrei sind. § 40b EStG ist --wie die Vorinstanz zutreffend ausgeführt hat-- durch das BetrAVG in das EStG eingefügt worden. Der Begriff "Pensionskasse" ist durch § 1 Abs. 3 Satz 1 BetrAVG definiert worden als eine rechtsfähige Versorgungseinrichtung, die dem Arbeitnehmer oder seinen Hinterbliebenen auf ihre Leistungen einen Rechtsanspruch gewährt. Die Vorschrift befindet sich im ersten Teil des BetrAVG, der die arbeitsrechtlichen Bestimmungen enthält. Im zweiten Teil des BetrAVG, der sich mit den steuerrechtlichen Vorschriften befaßt, ist durch § 19 Nr. 2 u.a. der § 4c EStG (entspricht § 4b EStG des Entwurfs) eingefügt worden (BGBl I 1974, 3610, 3618). Diese Vorschrift regelt die Zuwendungen an Pensionskassen. In den Materialien zum Entwurf des BetrAVG ist ausgeführt worden, in § 4c EStG, also im steuerrechtlichen Teil, sei auf eine eigene Begriffsbestimmung für die Pensionskassen verzichtet worden, da der Begriff der Pensionskasse in der Praxis festliege und er im übrigen schon im arbeitsrechtlichen Teil des Entwurfs definiert sei. Diese Definition, die entscheidend auf die Gewährung eines Rechtsanspruchs auf die Kassenleistungen abstelle, sei im Zweifel für § 4c EStG (§ 4b des Entwurfs) maßgebend (vgl. BTDrucks 7/1281, S.33, rechte Spalte, letzter Absatz).

Daß die arbeitsrechtliche Definition nur "im Zweifel" für die steuerrechtlichen Vorschriften maßgebend sein soll, kann nur so verstanden werden, daß sie nach der Vorstellung des Gesetzgebers für den steuerrechtlichen Teil jedenfalls nicht zwingend vorgeschrieben ist und mithin entgegen der Auffassung der Vorinstanz die Anwendung der herkömmlichen Auslegungsgrundsätze nicht verdrängen sollte.

Bei Anwendung der herkömmlichen Auslegungsgrundsätze besteht indessen kein Zweifel, daß der Begriff der Pensionskasse in § 40b Abs. 1 Satz 1 EStG insoweit anders als in § 1 Abs. 3 Satz 1 BetrAVG zu verstehen ist, als es um die Rechtsfähigkeit der Versorgungseinrichtung geht. Der Gesetzgeber wollte durch § 40b EStG (entspricht § 42b des Entwurfs) den sozialpolitisch wünschenswerten Ausbau der betrieblichen Altersversorgung lohnsteuerlich erleichtern (vgl. BTDrucks 7/1281, S.40). Aus lohnsteuerlicher Sicht wäre es aber sachlich nicht einleuchtend, die Gewährung der Vergünstigung (Steuersatz von 10 v.H.) von der Rechtsfähigkeit der Versorgungseinrichtung abhängig zu machen. Denn wenn die Zuwendungen des Arbeitgebers für die Zukunftssicherung seiner Arbeitnehmer auch bei der Zuführung an eine nichtrechtsfähige Versorgungseinrichtung als steuerpflichtiger Arbeitslohn i.S. des § 19 Abs. 1 EStG beurteilt werden (vgl. dazu BFH-Urteil in BFHE 123, 37, BStBl II 1977, 761), dann ist für die Gewährung der lohnsteuerlichen Begünstigung die Rechtsfähigkeit der Vorsorgungseinrichtung oder das Fehlen derselben kein sachgerechtes Unterscheidungsmerkmal.

Tatsächlich sind in § 40b Abs. 1 EStG nur deshalb ausschließlich die "Direktversicherung" und "Pensionskasse" genannt worden, weil den Gesetzesmaterialien zufolge bei der beabsichtigten lohnsteuerlichen Erleichterung vor allem der Tatsache Rechnung getragen werden mußte, "daß die anderen Formen der betrieblichen Altersversorgung während ihrer Ausbauphase lohnsteuerlich nicht relevant sind" (BTDrucks 7/1281, S.40, rechte Spalte, letzter Absatz). Der Gesetzgeber ging also erkennbar davon aus, daß Aufwendungen des Arbeitgebers für die Altersvorsorge seiner Arbeitnehmer nur bei Zuwendungen an die im Gesetz genannten Einrichtungen (Direktversicherung und Pensionskasse) lohnsteuerpflichtig waren. Ist aber nicht nur die Zuwendung des Arbeitgebers an eine rechtsfähige Zusatzversorgungseinrichtung lohnsteuerlich relevant, d.h. steuerpflichtiger Arbeitslohn, sondern auch diejenige an eine nichtrechtsfähige Zusatzversorgungseinrichtung des öffentlichen Dienstes, so gebietet es der Zweck des § 40b EStG, als "Pensionskasse" im Sinne dieser Vorschrift auch eine nichtrechtsfähige Versorgungseinrichtung anzusehen. Jede andere Auslegung würde zu einer --vom Gesetzgeber erkennbar nicht gewollten-- Benachteiligung solcher Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes führen, die bei einer nichtrechtsfähigen Zusatzversorgungseinrichtung versichert sind.

2. Die Vorentscheidung ist von anderen Voraussetzungen ausgegangen und deshalb aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG hat --von seinem Standpunkt aus zu Recht-- bisher nicht geprüft, ob die Aufstockungsbeträge als Arbeitslohn der Jahre 1983 bis 1987 zu beurteilen sind.

 

Fundstellen

Haufe-Index 65656

BFH/NV 1996, 11

BStBl II 1996, 136

BFHE 179, 72

BFHE 1996, 72

BB 1996, 359

BB 1996, 359-360 (LT)

BB 1996, 40

DB 1996, 21-22 (LT)

DStR 1996, 103 (KT)

HFR 1996, 78-79 (L)

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