Leitsatz (amtlich)

1. Ist ein Arbeitnehmer, der einen doppelten Haushalt führt, aus beruflichen Gründen an einer Familienheimfahrt gehindert und besucht ihn deswegen seine Ehefrau am Arbeitsort, so sind Werbungskosten nur die Fahrtkosten, nicht aber der Mehraufwand der Ehefrau für Unterkunft und Verpflegung am Arbeitsort.

2. Aufwendungen für eine Fahrt der Ehefrau zum Arbeitsort des Ehemannes zum Suchen oder Besichtigen einer neuen Wohnung sind in der Höhe Werbungskosten, wie ein vergleichbarer Bundesbeamter Ersatz der Fahrtkosten, Tage- und Übernachtungsgelder für eine solche Reise seiner Frau als Umzugskostenvergütung erhalten würde.

 

Normenkette

EStG 1965 § 9 Abs. 1 S. 1; LStDV 1965 § 20 Abs. 2 S. 1; Bundesumzugskostengesetz vom 8. April 1964 § 5 Abs. 1

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist seit dem 1. Juli 1966 als Chefarzt im Krankenhaus in S tätig. Bis zum 30. Juni 1966 war er Hochschullehrer an einer Universität. Am 26. September 1966 zog seine Familie vom bisherigen Wohnsitz M nach S um.

Der Kläger machte in der Einkommensteuererklärung 1966 Aufwendungen für Besuchsfahrten seiner Ehefrau in der Zeit vom 1. Juli 1966 bis 16. September 1966 von M nach S in Höhe von 1 757 DM als Werbungskosten geltend. Er setzte für jeden Besuch Fahrtkosten in Höhe von 130 DM, drei Tagegelder zu je 25 DM und zwei Übernachtungen zu je 23 DM an. Er führte aus, er habe aus beruflichen Gründen, nämlich wegen Sonntagsdienstes und Arbeitsüberlastung, keine Familienheimfahrten nach M durchführen können. Seine Frau sei deshalb zu ihm nach S gekommen. Sie habe im Hotel gewohnt und übernachtet, weil er sie im Krankenhaus nicht habe unterbringen können.

Das FA hat im Einkommensteuerbescheid 1966 nur die Fahrtkosten der Ehefrau von 910 DM als Werbungskosten anerkannt. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

Das FG wies die Klage ab. Es führte aus, nach der Rechtsprechung seien Kosten für Familienheimfahrten bei einer beruflich bedingten doppelten Haushaltsführung gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG als Werbungskosten zu berücksichtigen. Der BFH habe darüber hinaus Fahrtkosten der Ehefrau zum Arbeitsort des Ehemannes ausnahmsweise als Werbungskosten anerkannt, wenn der Arbeitnehmer aus dienstlichen Gründen und wegen eigener Erkrankung nicht nach Hause fahren könne. Der BFH habe bei Besuchen der Ehefrau jedoch nur die reinen Fahrtkosten als Werbungskosten berücksichtigt. Der Senat schließe sich dieser Auffassung an. Der Arbeitnehmer könne Aufwendungen für Besuchsfahrten der Ehefrau nur in dem Umfange als Werbungskosten geltend machen, in dem ihm selbst Kosten entstanden wären, wenn er zu seiner Familie nach Hause gefahren wäre. Aufwendungen für Unterkunft und Verpflegung am Ankunftsort wären dem Kläger bei Familienheimfahrten nicht entstanden. Sie könnten daher bei Besuchsreisen seiner Ehefrau keine Werbungskosten sein. Der Besuch der Ehefrau mache den eigentlichen Grund für die Anerkennung der Kosten der doppelten Haushaltsführung als Werbungskosten hinfällig. Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung seien nur deshalb Werbungskosten, weil der Arbeitnehmer beruflich bedingt von seiner Familie und seinem Hausstand getrennt lebe. Durch den Besuch der Ehefrau werde der Zustand der Trennung vorübergehend aufgehoben. Streng genommen bestehe während des Besuchs der Ehefrau kein doppelter Haushalt.

Mit der wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zugelassenen Revision rügt der Kläger unrichtige Anwendung des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG. Er meint, es gebe im Steuerrecht keinen Rechtssatz, nach dem Kosten nur abzuziehen seien, wenn sie entstanden wären, wenn sich jemand in bestimmter Weise verhalten hätte. Er selbst pflege bei Fahrten nach M entweder zu fliegen oder bzw. und seinen Wagen zu benutzen. Die Benutzung des Flugzeuges als Beförderungsmittel sei bei leitenden Angestellten üblich. Die im Streitfall für die Besuchsreisen seiner Ehefrau geltend gemachten Kosten lägen einschließlich der Übernachtungs- und Verpflegungskosten unterhalb der Mehraufwendungen, die ihm bei Flugreisen entstanden wären. Kosten für Familienheimreisen seien bei ihm in umfassendem Maße abzugsfähig. Bei den Reisen seiner Ehefrau zu ihm müßten ebenfalls alle durch die Fahrten entstandenen Aufwendungen als Werbungskosten anerkannt werden. Der BFH habe im Urteil vom 2. Juli 1971 VI R 35/68 (BFHE 103, 333, BStBl II 1972, 67) ausgeführt, daß "durch Familienheimfahrten entstehende Kosten" Werbungskosten seien, wobei das in Ausnahmefällen auch für die "für einen Besuch der Eheirau aufgewandten Kosten" gelte. Der BFH differenziere mithin nicht zwischen Kosten des Beförderungsmittels und den übrigen durch die Familienheimfahrt entstehenden Aufwendungen. Abzulehnen sei die Ansicht des FG, während des Besuchs der Ehefrau bestehe kein doppelter Haushalt. Die Finanzverwaltung müßte sonst stets prüfen, ob sich der Ehegatte vorübergehend vom Familienhausstand entfernt habe. Das FG hätte jedenfalls die Kosten für die Reisen seiner Frau voll berücksichtigen müssen, die der Vorbereitung des Umzugs gedient hätten.

Der Kläger beantragt, bei der Ermittlung der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit einen weiteren Werbungskostenbetrag von 847 DM anzuerkennen und die Einkommensteuer entsprechend niedriger festzusetzen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.

Bei verheirateten Arbeitnehmern, die aus beruflichen Gründen einen doppelten Haushalt führen, sind durch Familienheimfahrten entstehende Kosten grundsätzlich nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG 1965 (§ 20 Abs. 2 Satz 1 LStDV 1965) Werbungskosten, weil die berufliche Veranlassung solcher Fahrten regelmäßig im Vordergrund steht (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 18. Februar 1966 VI 219/64, BFHE 86, 39, BStBl III 1966, 386, sowie Abschn. 26 Abs. 1 Nr. 3 LStR 1966). Der Begriff der Familienheimfahrt setzt nach seinem Wortlaut und Sinngehalt voraus, daß der Arbeitnehmer von seinem Beschäftigungsort zu seiner Familie am Wohnort fährt. Wie der Senat zuletzt im Urteil VI R 35/68 betont hat, liegt eine Familienheimfahrt mithin nicht vor, wenn der Arbeitnehmer am Beschäftigungsort von seiner Ehefrau oder anderen Familienangehörigen besucht wird. Dementsprechend hat auch der Gesetzgeber durch das StÄndG vom 23. Dezember 1966 (BGBl I 1966, 702, BStBl I 1967, 2) in dem ab Veranlagungszeitraum 1967 maßgebenden § 9 Abs. 1 Nr. 5 Satz 3 EStG (§ 20 Abs. 2 Nr. 3 Satz 3 LStDV) Familienheimfahrten als Fahrten vom Beschäftigungsort zum Wohnort des eigenen Hausstandes und zurück bestimmt.

Der Senat hat gleichwohl ausnahmsweise Fahrtkosten für einen Besuch der Ehefrau am Beschäftigungsort des Ehemannes nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG (§ 20 Abs. 2 Satz 1 LStDV) als Werbungskosten behandelt (vgl. Urteile vom 29. Januar 1965 VI 209/64, HFR 1965, 373; vom 3. November 1965 VI 14/65 U, BFHE 84, 207, BStBl III 1966, 75, und VI R 35/68). Sie können nämlich beruflich veranlaßt sein, wenn der Steuerpflichtige aus dienstlichen Gründen, z. B. weil durch Weisung oder Empfehlung des Arbeitgebers oder aus anderen dienstlichen Gründen seine Abwesenheit vom Dienstort nicht vertretbar oder nicht erwünscht erscheint, gehindert ist, selbst eine Familienheimfahrt zu unternehmen und die Aufwendungen im Zusammenhang mit der unterlassenen Familienheimfahrt Werbungskosten sein würden. Gemäß dem Urteil des Senats VI 14/65 U können daher auch Aufwendungen des Arbeitgebers für Besuchsreisen naher Angehöriger zum Arbeitsort des Arbeitnehmers unter den obigen Voraussetzungen ebenso wie die Erstattung von Kosten für Familienheimfahrten des Arbeitnehmers als steuerfreier Reisekostenersatz i. S. des § 19 Abs. 1 Nr. 2 EStG 1957 (§ 4 Nr. 2 LStDV 1955) anerkannt werden. Wie der Senat in den Urteilen VI 209/64 und VI 14/65 U betont hat, wird aufgrund ähnlicher Überlegungen Beamten nach dem öffentlichen Reisekostenrecht bei Besuch der Ehefrau oder anderen Familienangehörigen eine nach § 3 Nr. 13 EStG steuerfreie Reisebeihilfe in Anrechnung auf zustehende Familienheimfahrten gewährt.

Der Senat hat bisher noch nicht entschieden, ob bei Besuchsreisen der Ehefrau zum Arbeitsort des Steuerpflichtigen neben den Fahrtkosten auch die Mehraufwendungen für Unterkunft und Verpflegung der Ehefrau am Aufenthaltsort des Ehemannes Werbungskosten i. S. des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG (§ 20 Abs. 2 Satz 1 LStDV) sind. Diese Frage ist zu verneinen.

Es ist schon mit dem Begriff der doppelten Haushaltsführung nicht zu vereinbaren, neben den - auch im Streitfall berücksichtigten - Mehrkosten des Ehemannes für Unterkunft und Verpflegung am Arbeitsort die gleichen Kosten für den Aufenthalt der Ehefrau am selben Ort und zur gleichen Zeit als Werbungskosten anzusetzen. Der Arbeitnehmer kann den Mehraufwand für Unterkunft und Verpflegung am Arbeitsort wegen doppelter Haushaltsführung als Werbungskosten geltend machen, weil er aus beruflich bedingten Gründen nicht bei seiner Familie leben kann und weil ihm hierdurch erhöhte Ausgaben entstehen. Diese Grundsätze gelten jedoch nicht für die Ehefrau oder die übrigen Familienangehörigen, die vom Kläger getrennt leben. Denn die ihnen in der Regel entstehenden Kosten sind gerade die Bezugsgröße, nach der sich der "Mehraufwand" des Arbeitnehmers für Unterkunft und Verpflegung wegen doppelter Haushaltsführung berechnet.

Die Berücksichtigung solcher Kosten würde auch den Erwägungen zuwiderlaufen, die den Senat veranlaßt haben, die Fahrtkosten von Besuchsreisen der Ehefrau zum Arbeitsort des Ehemannes als Werbungskosten anzuerkennen. Der Abzug dieser Reisekosten sollte eine Lücke in der bisherigen Rechtsprechung zum Begriff der Familienheimfahrten für die Ausnahmefälle schließen, in denen ein Arbeitnehmer aus dienstlichen Gründen gehindert ist, zu seiner Familie zu reisen. Diese Überlegung gebietet es, die Kosten von Besuchsreisen der Ehefrau zum Ehemann nicht in einem weiteren Umfang zum Abzug zuzulassen, als Kosten entstanden wären, wenn der Arbeitnehmer zu seiner Familie gereist wäre. Der Senat hat darum im Urteil VI R 35/68 betont, Aufwendungen für eine Besuchsfahrt der Ehefrau seien nur insoweit Werbungskosten, als "Aufwendungen im Zusammenhang mit der unterlassenen Familienheimfahrt Werbungskosten sein würden". Da der Arbeitnehmer bei Fahrten zur Familie nur Fahrtkosten, nicht aber Übernachtungs- und Mehrverpflegungskosten am Wohnort geltend machen kann, können Übernachtungs- und Mehrverpflegungskosten am Arbeitsort des Ehemannes bei Besuchsfahrten der Ehefrau keine Werbungskosten sein.

Das entspricht auch dem Reisekostenrecht des öffentlichen Dienstes, das der Senat bei Besuchsreisen der Ehefrau - wie ausgeführt - für die Anerkennung der Fahrtkosten als Werbungskosten mitherangezogen hatte. Nach § 5 Abs. 6 der Trennungsgeldverordnung vom 12. August 1965 (BGBl I 1965, 808) wird bei Besuchsreisen der Ehefrau nur eine Reisebeihilfe in Höhe der Kosten gewährt, die für eine Familienheimfahrt des Beamten zu erstatten gewesen wäre. Nach Abs. 4 dieser Vorschrift erhält der Beamte bei Familienheimfahrten als Reisebeihilfe grundsätzlich die Kosten der billigsten Fahrkarte der allgemein niedrigsten Klasse eines regelmäßig verkehrenden Beförderungsmittels vom Dienstort zum bisherigen Wohnort und zurück, nicht aber Tageund Übernachtungsgelder für den Aufenthalt am bisherigen Wohnort. Im Gegensatz zum öffentlichen Reisekostenrecht können allerdings steuerlich die tatsächlichen Fahrtkosten der Ehefrau für solche Besuchsreisen berücksichtigt werden, wenn sie nicht höher sind als bei Familienheimfahrten des Ehemannes. Entgegen der Ansicht des Klägers können Fahrtkosten der Ehefrau aber nicht mit höheren als den tatsächlich entstandenen Aufwendungen zum Abzug zugelassen werden, selbst wenn die Fahrtkosten bei Familienheimfahrten des Ehemannes höher gewesen wären. Denn es können im Steuerrecht wohl niedrigere, nicht aber höhere Ausgaben anerkannt werden als tatsächlich entstanden sind.

Eine Reise der Ehefrau zum Arbeitsort des Ehemannes ist allerdings nach anderen Grundsätzen zu beurteilen, wenn sie der Umzugsvorbereitung dient. Kosten, die einem privaten Arbeitnehmer durch einen dienstlich veranlaßten Umzug an einen anderen Ort entstehen, sind Werbungskosten (vgl. Abschn. 21 a Abs. 1 LStR 1966). Ein dienstlicher Anlaß liegt auch vor, wenn der Arbeitnehmer den Arbeitgeber wechselt. In diesem Fall können Werbungskosten bis zu der Höhe anerkannt werden, die ein vergleichbarer Bundesbeamter bei Versetzung aus dienstlichen Gründen oder beim Wohnungswechsel aufgrund dienstlicher Anordnung als Umzugskostenvergütung erhalten würde (vgl. auch Urteil des BFH vom 2. August 1963 VI 266/62 U, BFHE 77, 443, BStBl III 1963, 482). Maßgebend ist für das Streitjahr 1966 insbesondere das Bundesumzugskostengesetz vom 8. April 1964 (BGBl I 1964, 253). Gemäß § 5 Abs. 1 des Bundesumzugskostengesetzes sind die Kosten einer Reise einer Person zum neuen Wohnort zum Suchen oder Besichtigen einer Wohnung erstattungsfähig, wobei Tage- und Übernachtungsgeld für höchstens zwei Reisetage und zwei Aufenthaltstage gewährt werden. Private Arbeitnehmer können mithin bei einem dienstlich veranlaßten Umzung die Kosten der Reise der Ehefrau an den neuen Wohnort zum Suchen oder Besichtigen einer Wohnung in diesem Rahmen als Werbungskosten geltend machen.

Das FG hat im Streitfall zu Recht die Kosten der Unterkunft und Verpflegung bei den Besuchsreisen der Ehefrau des Klägers nicht als Werbungskosten anerkannt. Es hat jedoch nicht beachtet, daß die Reisen gemäß dem Schriftsatz des Klägers vom 5. Januar 1970 teilweise auch der Vorbereitung des Umzugs gedient haben sollen. Insoweit könnte der Kläger die Kosten der Unterkunft und Verpflegung seiner Ehefrau in Höhe von Tage- und Übernachtungsgeldern für zwei Reisetage und zwei Aufenthaltstage als Teil der dienstlich veranlaßten Umzugskosten steuerlich geltend machen, falls ihm diese Kosten nicht von seinem neuen Arbeitgeber ersetzt sein sollten.

Die Vorentscheidung war aufzuheben, da das FG diesen mit der Revision gerügten Gesichtspunkt übersehen hat. Die Sache ist an das FG zurückzuverweisen, damit das FG Feststellungen darüber trifft, ob eine Reise der Ehefrau dem Suchen oder Besichtigen einer Wohnung am neuen Wohnort gedient hat und ob die Kosten ggf. vom Arbeitgeber ersetzt wurden.

 

Fundstellen

BStBl II 1975, 64

BFHE 1975, 444

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