Leitsatz (amtlich)

Die berufliche Veranlassung von Umzugskosten ist nicht deshalb zu verneinen, weil die Familie des Arbeitnehmers erst zehn Jahre später an dessen Beschäftigungsort umzieht.

 

Normenkette

EStG 1981 § 9 Abs. 1 S. 1, § 12 Nr. 1

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist türkischer Staatsangehöriger und seit 1971 in der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) als Arbeitnehmer tätig. Seine Ehefrau --mit der er seit 1966 verheiratet ist-- blieb zunächst mit den beiden (in den Jahren 1966 und 1980 geborenen) Kindern in der Türkei. Die wegen doppelter Haushaltsführung entstandenen Mehraufwendungen wurden beim Kläger jeweils als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit berücksichtigt.

Im Streitjahr 1981 übersiedelte die Ehefrau des Klägers mit den beiden Kindern in die Bundesrepublik. Sie wohnen seither bei diesem in einer neu angemieteten Wohnung. Die Ehefrau nahm in der Bundesrepublik keine Erwerbstätigkeit auf.

In seinem Antrag auf Lohnsteuer-Jahresausgleich 1981 machte der Kläger die Umzugskosten in Höhe von 2 337 DM als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) lehnte die Berücksichtigung dieser Aufwendungen ab.

Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) führte zur Begründung im wesentlichen aus: Aufwendungen für die Beschaffung einer Familienwohnung und die damit im Zusammenhang stehenden Umzugskosten seien grundsätzlich typische Kosten der Lebenshaltung i.S. des § 12 Nr.1 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Dies gelte auch im Streitfall. Der Kläger habe offensichtlich bereits vor der Aufnahme seiner Tätigkeit in der Bundesrepublik eine Familienwohnung in der Türkei gehabt. Ziehe in solchen Fällen die im Heimatland verbliebene Ehefrau des Gastarbeiters Jahre nachdem der Ehemann seine Arbeit im Inland aufgenommen habe --im Streitfall zehn Jahre später-- zu diesem, so sei davon auszugehen, daß der Umzug durch einen privaten Entschluß, nicht aber durch die vorangegangene berufliche Veränderung des Ehemannes veranlaßt worden sei. Dies gelte zumindest dann, wenn --wie im Streitfall-- die Ehefrau im Inland keiner Berufstätigkeit nachgehe.

Der Umstand, daß durch den Umzug eine beruflich veranlaßte doppelte Haushaltsführung beendet worden sei, könne zu keiner anderen Beurteilung führen. Die berufliche Veranlassung der Umzugskosten sei aus der Sicht des Umzugsjahres zu prüfen, in dem nur private Gründe ersichtlich seien.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit der Revision. Er bringt vor, die Begründung der doppelten Haushaltsführung und deren Auflösung durch den Zuzug der Familie in die Bundesrepublik seien beruflicher Natur gewesen. Auf die dazwischenliegende Zeitspanne komme es nicht an. Ursache für den Umzug der Familie sei der Umstand, daß er, der Kläger, seinerzeit eine Arbeit in der Bundesrepublik angenommen habe. Der Bundesfinanzhof (BFH) habe im Urteil vom 10.September 1982 VI R 95/81 (BFHE 136, 478, BStBl II 1983, 16) Umzugskosten u.a. deshalb steuerlich zum Abzug zugelassen, weil sich durch den Umzug die Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte vermindert hätten. Diese Erwägungen träfen auch im Streitfall zu, da durch den Umzug die doppelte Haushaltsführung aufgehoben worden sei.

Der Kläger beantragt, zum Teil sinngemäß, das finanzgerichtliche Urteil und die Einspruchsentscheidung des FA aufzuheben und den Lohnsteuer-Jahresausgleichsbescheid 1981 dahin abzuändern, daß weitere 2 337 DM Werbungskosten berücksichtigt werden.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs.3 Nr.2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

Da das Bewohnen einer Wohnung in der Regel dem privaten Lebensbereich zuzurechnen ist, sind Aufwendungen wegen Umzugs in eine neue Wohnung grundsätzlich steuerlich nicht abziehbare Kosten der allgemeinen Lebensführung i.S. des § 12 Nr.1 Satz 2 EStG. Sie sind nur dann als Werbungskosten i.S. des § 9 Abs.1 Satz 1 EStG anzuerkennen, wenn der Umzug beruflich veranlaßt ist. Das ist der Fall, wenn die berufliche Tätigkeit des Steuerpflichtigen als Arbeitnehmer den entscheidenden Grund für den Umzug darstellt, Umstände der allgemeinen Lebensführung also nur eine ganz untergeordnete Rolle spielen (z.B. BFH-Urteile in BFHE 136, 478, BStBl II 1983, 16, und vom 6.November 1986 VI R 106/85, BFHE 148, 164, BStBl II 1987, 81). Hiervon ist z.B. auszugehen, wenn der Arbeitnehmer wegen eines Arbeitsplatzwechsels seine bisherige Dienstwohnung räumen und deshalb mit seiner Familie umziehen muß (Urteil vom 18.Oktober 1974 VI R 72/72, BFHE 114, 468, BStBl II 1975, 327). Der Senat hat eine berufliche Veranlassung ferner bejaht, wenn der Arbeitnehmer im zeitlichen Zusammenhang mit einem Arbeitsplatzwechsel an einen anderen Ort umzieht, weil sich dadurch die Zeitspanne für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte verringert (Urteil vom 6.November 1986 VI R 34/84, BFH/NV 1987, 236). Einen Umzug, der zu einer erheblichen Verringerung der Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte führte, hat der Senat im Urteil in BFHE 148, 164, BStBl II 1987, 81 auch ohne Arbeitsplatzwechsel als beruflich veranlaßt angesehen, weil er zu einer entsprechenden Verbesserung der Arbeitsbedingungen führt. Der Senat hat schließlich im Urteil vom 9.März 1979 VI R 223/77 (BFHE 127, 524, BStBl II 1979, 520) bei einer erst 14 Jahre nach dem Arbeitsplatzwechsel begründeten doppelten Haushaltsführung deren berufliche Veranlassung u.a. mit dem Hinweis bejaht, daß die doppelte Haushaltsführung an die Stelle der ihrer Natur nach beruflich veranlaßten Fahrten zwischen Familienwohnung und Arbeitsstelle getreten sei.

Entsprechend diesen Grundsätzen ist bei einem Umzug die berufliche Veranlassung auch dann grundsätzlich zu bejahen, wenn eine beruflich veranlaßte doppelte Haushaltsführung gegeben ist und diese dadurch beendet wird, daß die Familie des Arbeitnehmers erst Jahre später an dessen Beschäftigungsort zieht. Auf den Umfang des dazwischen liegenden Zeitraums kommt es nicht an. Denn aus ihm allein ergibt sich noch kein Anhaltspunkt dafür, daß der Umzug überwiegend aus privaten Gründen erfolgt ist. Entscheidend ist, daß die Familienwohnung stets den Lebensmittelpunkt des Klägers bildete und dieser Mittelpunkt vom bisherigen Wohnort an den Beschäftigungsort des Arbeitnehmers verlegt wurde. Die mit der Beendigung der beruflich veranlaßt entstandenen doppelten Haushaltsführung im Zusammenhang stehenden Umzugskosten sind daher Werbungskosten nach § 9 Abs.1 Satz 1 EStG (ebenso Niedersächsisches FG, Urteil vom 30.Oktober 1975 VII 16/74, Entscheidungen der Finanzgerichte 1976, 280 --rechtskräftig--; v.Bornhaupt in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 9 Rdnr.B 597; Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 8.Aufl. 1989, § 19 Anm.12, Stichwort: "Umzugskosten"; Thomas in Littmann/Bitz/Meincke, Das Einkommensteuerrecht, 15.Aufl., § 19 EStG Rdnr.376; Offerhaus, Neue Juristische Wochenschrift 1979, 2499, 2503 linke Spalte).

Das vom FG erwähnte Urteil des Senats vom 13.Mai 1964 VI 122/63 (Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1964, 385 = Steuerrechtsprechung in Karteiform, Einkommensteuergesetz, § 9 Sätze 1 und 2, Rechtsspruch 265) steht dem nicht entgegen. Denn es betraf einen anderen Sachverhalt. Dort diente der Umzug der erstmaligen Begründung einer Familienwohnung.

Die Vorentscheidung, die der Rechtsauffassung des Senats nicht entspricht, ist aufzuheben. Die Sache ist an das FG zurückzuverweisen, damit es Feststellungen zur Höhe der gemäß § 9 Abs.1 Satz 1 EStG als Werbungskosten abziehbaren Umzugskosten trifft.

 

Fundstellen

Haufe-Index 62723

BFH/NV 1989, 46

BStBl II 1989, 917

BFHE 158, 26

BFHE 1990, 26

BB 1989, 2235-2236 (LT)

DB 1989, 2257 (LT)

DStR 1989, 678 (KT)

DStZ 1990, 283 (KT)

HFR 1990, 18 (LT)

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